Pressekonferenz von Bundeskanzler Scholz und Ministerpräsident Mitsotakis zum Besuch des Ministerpräsidenten der Hellenischen Republik am 14. November 2023 in Berlin

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Im Wortlaut Pressekonferenz von Bundeskanzler Scholz und Ministerpräsident Mitsotakis zum Besuch des Ministerpräsidenten der Hellenischen Republik am 14. November 2023 in Berlin

  • Mitschrift Pressekonferenz
  • Dienstag, 14. November 2023

(Die Protokollierung des fremdsprachlichen Teils erfolgte anhand der Simultandolmetschung)


BK Scholz: Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, lieber Kyriakos, schön, Dich wieder in Berlin begrüßen zu können.

Gestern Abend hatten wir ja schon die Gelegenheit, gemeinsam mit dem Präsidenten des Europäischen Rates und fünf weiteren Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union über strategische Fragen zu sprechen. Umso schöner, dass wir heute Vormittag nun noch die Gelegenheit hatten, zu zweit über die wirklich engen, guten und freundschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und Griechenland zu sprechen.

Eines unserer Themen war natürlich der Terrorangriff der Hamas auf Israel und die Lage im Gazastreifen. Israel hat das Recht und auch die Pflicht, sich und seine Bürgerinnen und Bürger zu verteidigen, und zwar ‑ das ist immer klar ‑ im Rahmen des humanitären Völkerrechts.

Humanitäre Pausen und der Schutz von Zivilisten sind dabei von großer Bedeutung für all das, was wir erreichen wollen: dass humanitäre Hilfe herein gelangt, dass Ausländer Gaza verlassen können, dass es möglich ist, Verwundete in Krankenhäuser zu bringen, aber natürlich auch, dass die Geiseln freigelassen werden.

Die Hamas hält nun schon seit vielen Wochen Frauen, Alte und sogar Kinder in Geiselhaft ‑ Kinder, die ohne ihre Mütter, ohne Angehörige fernab ihres Zuhauses in dunklen Tunneln gefangen gehalten werden. Das ist eine besonders grausame und verwerfliche Tat, der sich die Hamas fortgesetzt schuldig macht. Wir verlangen deshalb die sofortige und bedingungslose Freigabe aller Geiseln.

Natürlich sind wir uns einig, dass die humanitäre Versorgung der Menschen in Gaza, die von der Hamas als menschliche Schutzschilde missbraucht werden, verbessert werden muss. Es braucht Wasser, Nahrung und Strom. Dafür setzen wir uns ein.

Wichtig ist auch: Als Perspektive für einen wirklichen Frieden in der Region bleibt eine Zwei-Staaten-Lösung für Israelis und Palästinenser. So fern dies gerade erscheinen mag, so wichtig ist es als Perspektive, die dann vielleicht doch nicht so fern liegt.

Natürlich haben wir auch über die Situation in der Ukraine gesprochen. Der russische Überfall auf die Ukraine und seine Folgen beschäftigen uns nach wie vor, auch wenn der Konflikt im Nahen Osten dies ein wenig aus den Schlagzeilen verdrängt hat. Es bleibt unverändert ein furchtbarer brutaler Krieg, den Russland dort begonnen hat, der täglich Opfer fordert, bloß wegen des imperialistischen Wahns des russischen Präsidenten. Deutschland und Griechenland sind sich einig, dass wir die Ukraine in ihrem Abwehrkampf gegen den russischen Aggressor unterstützen, solange es nötig ist.

Wir haben uns natürlich, wie schon gestern, über Fragen der Europäischen Union und der Erweiterung ausgetauscht. Wichtig ist, dass eine Erweiterung damit begleitet sein muss, unsere eigene Handlungsfähigkeit zu stärken. Dazu braucht es aber auch Reformen in den Beitrittsländern, die für den Beitritt in der EU notwendig sind. Wir arbeiten daran, dass das möglich ist. Wir haben uns bei dem Europäischen Rat in Granada bereits verständigt, dass wir daran arbeiten wollen, eine besser funktionierende, handlungsfähige, aus meiner Perspektive auch geopolitische Europäische Union zu schaffen.

Ein weiterer Schwerpunkt unserer Zusammenarbeit ist die Frage der irregulären Migration. Griechenland liegt an der europäischen Außengrenze. Irreguläre Ankünfte von Flüchtlingen und anderen in Griechenland sind in diesem Jahr deutlich angestiegen. Auch Deutschland ist Zielstaat von Sekundärmigration und hat damit große Herausforderungen zu bewältigen. Umso wichtiger ist es, dass wir sowohl bilateral als auch auf europäischer Ebene zu gemeinsamen Lösungen kommen. Wir sind uns deshalb auch einig, wie bedeutend die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems ist und haben uns dazu ausgetauscht, wie wir es schaffen können, die Sekundärmigration zu verringern.

Noch einmal: Lieber Kyriakos, das bilaterale Verhältnis zwischen Griechenland und Deutschland ist gut. Wir wollen auch in den Bereichen Wirtschaft, Energie und Klimaschutz stärker miteinander kooperieren. Unsere bilaterale Projektliste ist lang, und ich freue mich, dass wir sie gemeinsam weiter voranbringen. Schönen Dank.

MP Mitsotakis: Sehr geehrter Herr Bundeskanzler, Herr Scholz, lieber Olaf, ich danke für diesen so herzlichen Empfang. Unser Treffen bestätigt die langjährigen und herausragenden Beziehungen zwischen Griechenland und Deutschland, die wir trotz Schwankungen immer wieder stärken und gemeinsam Herausforderungen überwinden. Wir sind schließlich Partner in der Europäischen Union, Bündnispartner in der NATO und Weggefährten auf dem Wege zur Stärkung der Demokratie. Das heißt, wir teilen dieselben Wege. Wir verfolgen dieselben Ziele für eine bessere Zukunft.

Ich kann nicht vergessen, dass mein letzter Besuch in Berlin im März 2020 war. Das war buchstäblich wenige Tage, bevor der ganze Kontinent auf Eis gelegt wurde, um die Coronapandemie anzugehen. Gott sei Dank liegt dieser Albtraum hinter uns.

Trotz der Schwierigkeiten, die wir hatten, habe ich gerade sehr viel optimistischere Nachrichten aus Griechenland. Mein Land schreibt ein neues Kapitel in seiner Geschichte. Aus dem schwarzen Schaf aus den Zeiten der Krise entwickelt sich Griechenland in eine rapide wachsende Volkswirtschaft, sogar in eine der am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften. Arbeitskräfte werden gesucht. Die Investitionen, die wir ins Land holen, sind größer denn je. Die Einkünfte der Bevölkerung werden unterstützt, indem wir eine umsichtige Politik betreiben, die uns die Möglichkeit gibt, Primärüberschüsse aufrechtzuerhalten. In diesem Jahr werden wir darüber hinaus einen historischen Rekord brechen ‑ die Einkünfte im Tourismus durch die deutschen Gäste, die uns als ein sehr wichtiges Ziel erachten.

All das haben wir erreicht, während unsere öffentliche Verschuldung unter 170 Prozent des Bruttoinlandsprodukts liegt. Wir verfolgen einen raschen Abbau der Verschuldung, und es ist festzustellen, dass Griechenland an erster Stelle steht, wenn es darum geht, die Verschuldung abzubauen. Die Position unseres Landes wird also durch einen positiven Fortschritt gekennzeichnet.

Eine Schlüsselrolle spielen hier zwei Punkte. Das ist einmal unsere unbeirrbare Ausrichtung auf Investitionen ‑ wir haben hier einen fruchtbaren Boden ‑ und dann die politische Stabilität in den letzten Jahren. Das wurde noch einmal durch das erneute Mandat bestätigt, das wir von der griechischen Bevölkerung bei den jüngsten Wahlen bekommen haben. In diesem neuen Kapitel, muss ich sagen, schreiben auch unsere bilateralen Beziehungen ein neues Kapitel in unserer Geschichte. Hier haben wir ausländische Investoren in wichtigen Unternehmen, in dynamischen Bereichen wie Telekommunikation, Flughäfen, digitale und grüne Transformation. Hier ist die deutsche Präsenz sehr wichtig. Wir dürfen auch nicht vergessen, dass Deutschland der zweitgrößte Lieferant und der größte Markt für griechische Produkte ist. Es ist auch kein Zufall, dass Deutschland das Gastland der nächsten großen internationalen Messe in Thessaloniki sein wird. Ich habe Herrn Bundeskanzler dazu eingeladen.

Sehr wichtig ist auch die grüne Transformation. Wir haben die grüne Insel von Astypalea. Das ist unser Schmetterling in der Ägäis.

Wir haben nach wie vor eine große Brücke durch unsere vitale griechische Community, die vorwärtskommt und hier eine halbe Million Menschen zählt, die sich harmonisch in die deutsche Gesellschaft eingebracht haben und eine Bereicherung der Kultur darstellen.

Natürlich hat auch die geostrategische Zusammenarbeit im Hinblick auf den grünen Energiekorridor eine wichtige Rolle in unseren Diskussionen gespielt. Wir können den Norden und den Süden zusammenbringen, also jene Länder im Norden, die Windenergie haben, und Länder aus dem Süden mit Solarenergie. Das ist ein sehr wichtiger Schritt bezüglich unserer Abhängigkeit vom russischen Gas, aber auch gleichzeitig eine Entwicklung unserer alternativen Energiequellen. Das eröffnet der Zusammenarbeit zwischen unseren Ländern einen großen Raum.

Auch die Erneuerung des mehrjährigen Finanzrahmens hat uns interessiert. Die Diskussion darüber dauert schon lange an. Denn, wie Sie wissen, besteht Athen darauf, dass man zusätzliche Mittel für den Umgang mit Naturkatastrophen, aber auch im Zusammenhang mit der Migration benötige. Diese Herausforderungen sind wirkliche Prioritäten für Europa, zum einen die Erreichung der Ziele im Umweltschutz und zum anderen die Auseinandersetzung mit der Krise im Nahen Osten und auch der Migration.

Das heißt, dass die Länder, die am Rande stehen, die sich an der Außengrenze Europas befinden, eventuell große Herausforderungen mit großen Migrationsströmen vor sich haben werden. Deutschland kennt und anerkennt die Notwendigkeit, unsere nationalen, aber auch europäischen Grenzen zu schützen. Ich freue mich, weil sich Ihr Land auch damit einverstanden erklärt hat, dass man die Leistungen, die man Menschen, die zu uns kommen, zur Verfügung stellt, revidiert hat. Ich denke, dass wir hierbei koordiniert zusammenarbeiten sollten. Wir haben eine neue Verordnung für Asyl- und Migrationsmanagement. Auch das soll vorangebracht werden. Wir müssen diesbezüglich einen fairen Umgang miteinander finden. Auch mit dem Bundeskanzler haben wir darüber gesprochen. Es gibt tatsächlich handfeste Probleme der Sekundärmigration. Hierbei müssen wir tatsächlich zusammen agieren. Um es anders zu sagen: Wir brauchen heute mehr denn je einen dynamischen Plan in zweierlei Richtungen, zum einen in Bezug auf die Begrenzung der illegalen oder irregulären Migrationen und zum anderen in Bezug auf den Umgang mit den Problemen.

Wir haben natürlich auch über den Balkan und die Erweiterung gesprochen, über den Beitrag der diversen Staaten dort. Wir haben über die Schemata gesprochen, die von Hilfe sein werden. Wir sprachen über den Berliner Prozess. Herr Bundeskanzler Scholz spielt darin eine Protagonistenrolle. Wir haben eine besondere Rolle, wenn es darum geht, sich an den europäischen Besitzstand anzupassen, aber auch in Hinsicht der Respektierung der Gesetze, sodass wir tatsächlich einen richtigen Beitrittsprozess gestalten können.

Was nun die israelische Frage anbelangt, unterstützen wir das Recht Israels auf Selbstverteidigung. Aber dieses Recht muss auf jeden Fall auf der Grundlage der Regeln des Krieges, des Völkerrechts und des humanitären Völkerrechts ausgeübt werden. Wir beide sind damit einverstanden, die terroristische Hamas von dem palästinensischen Volk zu trennen. Natürlich drücken wir unsere Besorgnis über das Drama aus, das man im Gazastreifen erlebt, und über die Krise, die dort brennt. Wir unterstützen alle Aktivitäten der Friedensfindung, natürlich auch humanitäre Hilfe durch Lebensmittel und anderes. Wie ich schon gesagt habe, ist Griechenland aufgrund seiner geografischen Lage in der Lage, hierzu beizutragen.

Ich wiederhole es ‑ auch Herr Bundeskanzler hat es gesagt ‑: Es wird keine endgültige Lösung geben, wenn wir nicht eine politische Lösung anstreben. Die endgültige Lösung kann eine Zweistaatenlösung im Einklang mit der UNO und mit dem Völkerrecht sein.

Das Völkerrecht soll auch in der Ukraine gelten. Griechenland und Deutschland stehen hierbei auf derselben Seite, indem wir tatsächlich jegliche Form des Revisionismus ablehnen. Wir versuchen über unsere Häfen, über Thessaloniki usw. alternative Korridore zu finden.

Als europäischer Partner haben wir beide auch über die Zypern-Frage gesprochen. Unser gemeinsames Ziel ist die Wiederaufnahme der Verhandlungen auf Grundlage der Resolutionen der UNO. Wir begrüßen die Entscheidung des UNO-Generalsekretärs, einen Sondergesandten, einen Sonderbeauftragten mit einer bestimmten Rolle auch auf Grundlage der Schlussfolgerung des letzten Gipfels zu bestimmen. Auch von meiner Seite aus habe ich Bundeskanzler Scholz noch einmal erklärt, wie wir das Problem der Beziehung zwischen Griechenland und Türkei angehen. Wir wollen diese Beziehung in ruhigere Gewässer lenken.

Liebe Freundinnen und Freunde, danke für Ihre Gastfreundschaft!

Ich möchte auf Deutsch fortsetzen.

(auf Deutsch) Griechenland hat große Fortschritte gemacht. Es ist nicht mehr das Land, das es einmal war. Griechenland und Deutschland können gemeinsam viel mehr erreichen, in einem Geist des Respekts, des Verständnisses und der Solidarität, aber auch durch eine noch engere Zusammenarbeit.

(auf Griechisch) Um abzuschließen: Lieber Olaf, ihr sagt auf Deutsch: In der Not erkennt man den Freund. ‑ Wir sagen es ähnlich. Das bedeutet, dass wir angesichts der Herausforderungen der aktuellen Zeit genauso vorgehen sollen. Ich denke, dass wir diese Zusammenarbeit in Zukunft noch weiter stärken können.

Frage: Herr Bundeskanzler, Sie haben heute den griechischen Ministerpräsidenten zu Gast. In zwei, drei Tagen werden Sie hier im Kanzleramt den türkischen Präsidenten Erdoğan empfangen. Welche Chancen sehen Sie dafür, Erdoğan davon zu überzeugen, dass die Hamas keine Befreiungsorganisation, sondern eine Terrororganisation ist?

Wenn Sie erlauben, noch eine Frage: Die Tatsache, dass Sie heute den griechischen Ministerpräsidenten empfangen und bald auch den türkischen Präsidenten empfangen werden, nährt den Gedanken, dass Sie eine Vermittlungsrolle mit Blick auf die Beilegung des griechisch-türkischen Konfliktes übernehmen könnten. Welche Bedeutung messen Sie diesem Konflikt bei, und was denken Sie, welche Rolle Sie in diesem Konflikt spielen könnten?

Eine Frage an den Ministerpräsidenten: (auf Griechisch, Anfang der Frage ohne Dolmetschung) … Was für eine Rolle spielt die Tatsache, dass Ihre Position und die Position von Herrn Erdogan in der Frage der Hamas diametral entgegengesetzt sind? Was bedeutet es, dass Sie so kurz danach Herrn Erdoğan treffen werden?

BK Scholz: Zunächst mal sind wir beide uns völlig einig: Hamas ist eine Terrororganisation. Sie hat die Bürgerinnen und Bürger Gazas als Geiseln genommen, sich übrigens mit einem Staatsstreich an die Macht gebracht und die palästinensische Selbstverwaltung entmachtet. Das ist die eigentliche Geschichte, und unter der leiden jetzt alle ‑ die Bürgerinnen und Bürger in Gaza, aber natürlich auch die vielen, die Opfer der Attacke von Hamas auf Kinder, auf Ältere, auf Frauen, auf Männer, auf feiernde Jugendliche geworden sind. Es war ein Akt der Barbarei, was dort stattgefunden hat, als so viele israelische Bürgerinnen und Bürger getötet, verschleppt, verstümmelt worden sind. Deshalb ist ganz klar: Es handelt sich um eine Terrororganisation. In Deutschland wird das auch mit allen rechtlichen Instrumenten so organisiert. Wir haben erneut ein Tätigkeitsverbot verhängt, um sicherzustellen, dass wir gegen alle Aktivitäten auf jede Weise hierzulande vorgehen können.

Ansonsten ist es so, dass wir uns über gute nachbarschaftliche Verhältnisse zwischen Griechenland und der Türkei freuen ‑ zwei NATO-Mitgliedsstaaten, Griechenland als Mitglied der Europäischen Union ‑, und wir haben uns in den letzten Jahren immer wieder darum bemüht, hilfreich zu sein. Am Ende sind es die beiden Staaten, die das hinbekommen müssen. Ich habe mit großem Interesse zur Kenntnis genommen, was seit der erneuten Regierungsbildung in Griechenland schon an guten Kontakten stattgefunden hat, und ich sehe auch ganz zuversichtlich den Gesprächen, die zwischen der griechischen und türkischen Regierung demnächst geplant sind, entgegen. Das ist also etwas, wo wir alle gemeinsam zusammenwirken.

MP Mitsotakis: Ich kann dem nicht sehr viel hinzufügen, denn die Hamas ist eine Terrororganisation, es ist keine Befreiungsorganisation. Folglich werden die Aktionen von der griechischen Seite verurteilt aufs Schärfste. Es reicht, wenn man sich die Bilder der barbarischen Angriffe der Hamas auf Israel am 7. Oktober anschaut. Natürlich sind wir auch nicht einverstanden, wir sind nicht derselben Meinung mit Herrn Erdogan im Zusammenhang mit der Rolle der Hamas. Wir können es nicht akzeptieren, und genauso geht der Bundeskanzler vor. Wir versuchen allerdings, uns zu treffen ‑ dies tut auch der Bundeskanzler ‑, um hier eine Annäherung zu erzielen, die in den letzten Monaten doch Fortschritte erzielt hat und auch positive Ergebnisse gezeigt hat. Wir suchen die guten Beziehungen zur Türkei, auch im Rahmen des Seerechts und des Völkerrechts. Ich hoffe, dass wir hier Fortschritte erzielen können und dass wir den Besuch von Herrn Erdogan am 7. Dezember wirklich realisieren können.

Frage: Ich hätte eine Frage an den Ministerpräsidenten: Es gibt Zehntausende von Asylbewerbern hier in Deutschland, die eigentlich in Griechenland registriert waren, die aber nicht nach Griechenland zurückgeschickt werden können. Was tut Ihre Regierung, damit das nach dem Dublin-Abkommen doch möglich ist? Planen Sie etwa eine Änderung der Sozialgesetze, die das bisher verhindern? Glauben Sie eigentlich daran, dass die Reisefreiheit in der EU angesichts des Migrationsdrucks noch aufrechterhalten werden kann?

Herr Bundeskanzler, eine Frage zu dem Erweiterungsthema, über das Sie auch gesprochen haben: Haben Sie von Herrn Mitsotakis eine Zusicherung bekommen, dass Griechenland nicht weiter die Öffnung von fünf Verhandlungskapiteln mit Albanien blockiert?

MP Mitsotakis: Griechenland hat den Prozess der Überarbeitung der Asylanträge sehr vorangebracht. Gleichzeitig hat natürlich Griechenland die Pflicht, die Grenzen zu schützen, und das hat auch Früchte getragen. Wir haben weniger Tote an den Grenzen, und wir werden diese Politik auch fortsetzen.

Wie ich schon sagte: Natürlich beschäftigt uns die Frage der Sekundärmigration. Wenn wir jemandem, der nach Griechenland kommt, Asyl gewähren, dann ist es natürlich unsere Absicht, dass dieser Mensch bzw. diese Menschen auch in Griechenland verbleiben, weil wir auch großes Interesse an ihnen haben. Wir benötigen Arbeitskräfte, und in dieser Richtung werden wir auch mit dem Herrn Bundeskanzler zusammenarbeiten. Wir werden diese Fragen der Sekundärmigration untersuchen, denn das ist ein Problem, auch für Deutschland. Ich denke aber, dass dieses Problem im Klima der Zusammenarbeit gelöst werden kann.

BK Scholz: Schönen Dank für die Frage ‑ die Antwort ist ja schon von meinem Kollegen gegeben worden. In der Tat, wir haben ganz sorgfältig über alle Facetten der Sekundärmigration nach Deutschland gesprochen. Da geht es ja auch immer um ganz praktische Fragen, die im Einzelfall sehr unterschiedlich sind, wenn man jeweils die verschiedenen Herkunftsländer betrachtet. Da ist jetzt aber unsere feste Absicht, nicht noch lange zu reden, sondern sehr schnell miteinander praktische Lösungen zu finden, die diesen Vorgang der Sekundärmigration verändern, die diese Sekundärmigration reduzieren und die auch die Probleme der Vergangenheit lösen. Ich bin ganz zuversichtlich, dass wir das hinbekommen werden. Es waren sehr sorgfältige und sehr gute Erörterungen.

Was die Frage des westlichen Balkans betrifft: Ich bin fest davon überzeugt, dass wir 20 Jahre, nachdem in Thessaloniki diesen Ländern eine Perspektive auf die Mitgliedschaft in der Europäischen Union gegeben worden ist, jetzt irgendwie auch so weit kommen müssen, das zu tun. Darüber sind wir uns einig. Ich habe mich in der Vergangenheit bei verschiedenen einzelnen Länder sehr dafür eingesetzt, dass es keine Bilateralisierungen gibt, die dazu beitragen, dass dieser Fortschrittsprozess nicht gelingt, und wir arbeiten daran, dass das auch für die Zukunft weiter möglich ist.

Sie haben auch das Thema des Verhältnisses von Nordmazedonien und Bulgarien angesprochen. Wir hoffen, dass wir da einen Durchbruch erreicht haben. Wir arbeiten hart daran, die wirklich schwierige Situation zwischen Kosovo und Serbien zu lösen. Wir sind an jedem einzelnen Problem dran, und immer auf der Seite des Beitrittsprozesses; denn wir wollen, dass diese Mitgliedstaaten es bald schaffen.

Frage: Guten Tag an Sie beide, Herr Bundeskanzler, Herr Ministerpräsident! Über viele Jahre hinweg lagen schwere Schatten über den deutsch-griechischen Beziehungen, vor allem wegen der Finanzkrise.

Ich möchte an dieser Stelle nun den Herrn Bundeskanzler als Erstes fragen: Wie sehen Sie die Lage heute? Wie sehen Sie den Kurs der griechischen Wirtschaft? Wie bewerten Sie sie? Vertrauen Sie der Wirtschaft ab jetzt? Wie groß ist der Rahmen für eine weitere Unterstützung der Zusammenarbeit beider Länder?

Herr Premierminister, sind diese Schatten auf unserer Seite verschwunden, dieses Misstrauen gegenüber Deutschland?

Wenn Sie mir erlauben, stelle ich noch eine weitere Frage, weil beide Länder unter großem Druck im Zusammenhang mit der Inflation stehen: Sind Sie der Meinung, dass hier auf europäischer Ebene etwas unternommen werden muss?

BK Scholz: Ich bin fest davon überzeugt, dass sich Griechenland auf einem sehr guten wirtschaftlichen Pfad befindet. Wir haben gesehen, wie sich die Wirtschaftsdaten in der letzten Zeit präsentiert haben. Wir haben gesehen, dass auch die Finanzmärkte den Umgang mit der Schuldenherausforderung goutieren und das Rating von Griechenland erheblich verbessert haben. Ich war ja selbst noch dabei, als die letzten Restriktionen aufgehoben wurden, die noch existiert haben, sodass das jetzt wirklich eine neue Zeit ist. Für mich ist das übrigens auch ein gutes Kapitel gelungener Solidarität, und darauf sollten wir auch für die Zukunft aufbauen.

Ansonsten bin ich fest davon überzeugt, dass die Bekämpfung der Inflation eine der wichtigsten Aufgaben ist, die die Zentralbank für unsere gemeinsame Währung hat, aber die wir auch als Regierung haben. Das ist etwas, das die Bürgerinnen und Bürger und die Unternehmen herausfordert. Deshalb bin ich auch sehr einverstanden mit den Entscheidungen, die die EZB in dieser Sache getroffen hat.

MP Mitsotakis: Auch ich möchte sagen, dass wir in unseren Diskussionen mit dem Herrn Bundeskanzler ganz wenig über die Wirtschaft gesprochen haben. Auch das ist ein Zeichen des großen Fortschrittes; denn die Volkswirtschaft war ein Thema, das uns in den Jahren der Krise immer sehr beschäftigt hat. Das haben wir hinter uns gelassen. Griechenland hat enorme Schritte gemacht, Schritte, die auch anerkannt werden – von Deutschland, aber auch von den deutschen Unternehmen, die in Griechenland investieren. Ich denke, es ist ganz gut, dass man dieses Narrativ der deutsch-griechischen Beziehungen ändert, dass wir diese Ära der Zweifel und der Infragestellungen hinter uns lassen und dass wir jetzt sehen, dass wir es mit zwei Ländern unterschiedlicher Größe und Möglichkeiten zu tun haben, die aber fest auf dem Boden stehen und die für eine bessere Zukunft und auch für eine vertiefte Zusammenarbeit gut zusammenarbeiten können.

Was nun die Inflationsbekämpfung anbelangt, ist das eine große Priorität für die griechische Regierung. Wir tun alles, was in unserer Hand liegt, um die Haushalte zu erleichtern. Ich denke, dass wir die schlimmste Phase der Inflation hinter uns haben. Aber wir werden im Rahmen unserer Mittel alle unterstützen ‑ gerade die Schutzbedürftigen, die Schwächeren in unserer Gesellschaft ‑, damit sie es in einem Umfeld, das, objektiv betrachtet, kompliziert ist, schaffen können.

Frage: Herr Ministerpräsident, Herr Bundeskanzler, es ist eben schon erwähnt worden: Sie werden beide in Kürze den türkischen Präsidenten treffen. In beiden Gesprächen dürfte es auch um eine Wiederbelebung des Flüchtlingsabkommens zwischen der EU und der Türkei gehen. Was ist konkret nötig, um dieses Abkommen wiederzubeleben? Was hat die EU da zu bieten, und was erwarten Sie von der Türkei?

Herr Bundeskanzler, ich habe eine Nachfrage zu den Äußerungen Erdoğans zur Hamas und zu Israel. Sie haben bisher eher darauf verzichtet, Erdoğan öffentlich direkt dafür zu kritisieren. Sie haben auch gerade wieder die deutsche Position dargelegt, aber auf Kritik verzichtet. Nun hat Erdoğan am vergangenen Freitag das Existenzrecht Israels infrage gestellt und Israel Faschismus vorgeworfen. Meine Frage ist: Ist damit nicht eine rote Linie überschritten, sodass man dann doch öffentlich etwas dagegenhalten muss? Anders gefragt: Gehört es nicht auch zur deutschen Staatsräson, Israel gegen solche Verbalattacken in Schutz zu nehmen?

BK Scholz: Schönen Dank für die Fragen. Zunächst einmal verfolgen beide gemeinsam das Interesse, dass das EU-Türkei-Abkommen zur Migration fortgesetzt wird. Die Europäische Union verhandelt auch darüber. Das ist also keine Sache, die irgendwie erst von uns angestoßen werden müsste, sondern wir verfolgen sehr intensiv, wie die Gespräche vorangehen. Das hat ja verschiedene Aspekte, die dabei zu beachten sind, zum einen die Frage des Umgangs mit den vielen Flüchtlingen, die die Türkei aufgenommen hat. Das darf ja nicht vergessen werden. Die Türkei hat eine sehr große Zahl von Flüchtlingen selbst im eigenen Land aufgenommen, und dabei, dass das auch so bleiben kann, unterstützen wir sie, natürlich auch in der Hoffnung, dass es dadurch keine Folgemigration in europäische Länder gibt.

Dann geht es um Fragen des gemeinsamen Grenzregimes, was insbesondere in der Ägäis und an der Grenze zwischen der Türkei und Griechenland von Bedeutung ist. Auch da muss die Kooperation ja fortgesetzt werden. Insofern ist das ein wichtiges Abkommen für Europa, ein wichtiges Abkommen für die Türkei und auch eines, von dem wir finden, dass es gute Wirkung hatte und dass es deshalb auch weiter mit Leben erfüllt und fortgesetzt und natürlich auch weiterentwickelt werden muss.

Ansonsten will ich gerne noch einmal sagen, dass die Position der deutschen Regierung in all diesen Fragen sehr klar ist. Ich habe es eben schon gesagt: Es handelt sich bei der Hamas um eine Terrororganisation. Israel hat jedes Recht, sich gegen die Hamas zu verteidigen und auch diejenigen anzugreifen, die als Hamas-Kämpfer in Gaza tätig sind. Es kann nicht hingenommen werden, dass eine Situation entsteht, in der die Hamas erneut die Chance bekommt, sich zu erholen, Waffen zu sammeln und Israel anzugreifen. Deshalb sind wir in dieser Frage klar und stehen an der Seite Israels.

Es handelt sich bei Israel um eine Demokratie. Auch das muss sehr klar gesagt werden, und auch darüber gibt es keinen Zweifel. Wir werden auch in jedem Gespräch und bei jeder Gelegenheit betonen, dass das unsere Sicht der Dinge ist. Es ist im Übrigen ein Land, das sich den Menschenrechten und dem Völkerrecht verpflichtet fühlt und in seinen Aktionen auch dementsprechend handelt. Deshalb sind die Vorwürfe, die da gegen Israel erhoben werden, absurd, und daran kann es gar keinen Zweifel geben.

MP Mitsotakis: Ich habe sehr oft wiederholt, dass wir uns die Zusammenarbeit mit der Türkei wünschen, was die Bewältigung der Krise und auch der Migrationskrise anbelangt. Die Türkei hat eine sehr hohe Anzahl von Flüchtlingen aufgenommen. Die Europäische Union hat die Türkei unterstützt, damit sie diese Herausforderung tatsächlich angehen kann.

Ich glaube, dass wir auch auf bilateraler Ebene in der letzten Zeit Fortschritte erzielt haben, um unsere Beziehung zu den Behörden zu intensivieren. Unser Ziel ist, dass überhaupt keine Boote von der türkischen Seite in Richtung Griechenlands fahren, damit diese Menschen einfach nicht über das Meer fahren müssen und sich auf eine so gefährliche Reise machen. Ich wiederhole etwas: Die Schlepper können nicht entscheiden, welche Menschen in die Europäische Union gelangen sollen!

Diese Zusammenarbeit auf bilateraler, aber auch auf europäischer Ebene ist etwas, das wir mit der Türkei vorantreiben wollen, wie ich schon sagte. Einige Fortschritte sind gemacht worden, aber wir haben noch viel Arbeit vor uns.

Abschließend möchte ich noch einmal die große Bedeutung unterstreichen, die ich der Aufrechterhaltung der europäischen Hilfe gegenüber den Staaten beimesse, die an den Außengrenzen der EU liegen. Deswegen meine ich, dass Länder wie Griechenland ‑ das wiederhole ich ‑ im Rahmen der Revision des mehrjährigen Finanzplans mehr Mittel benötigen, weil wir auch Länder wie die Türkei unterstützen wollen, aber auch, damit Länder wie wir unterstützt werden, weil die Infrastruktur unterstützt werden muss, sodass wir auch die Verwaltung der Migrationsfrage übernehmen können, und zwar so effizient wie möglich, und sie auch gestalten können.

Ein Weiteres möchte ich hinzufügen: Die Volkswirtschaften müssen finanziert werden, und hierbei müssen wir auch verschiedene Infrastrukturen wie den Zaun, der in der Evrosregion gebaut wird, berücksichtigen, und zwar nicht mit dem Ziel, die griechischen Grenzen zu schützen, sondern dem, die europäischen Grenzen zu schützen. Auch hierfür sollte europäische Finanzierung zur Verfügung gestellt werden.

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