Pressekonferenz von Bundeskanzler Scholz und König Abdullah II. Ibn Al-Hussein zum Besuch des Königs des Haschemitischen Königreichs Jordanien in Berlin am 17. Oktober 2023

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Im Wortlaut Pressekonferenz von Bundeskanzler Scholz und König Abdullah II. Ibn Al-Hussein zum Besuch des Königs des Haschemitischen Königreichs Jordanien in Berlin am 17. Oktober 2023

in Berlin

9 Min. Lesedauer

  • Mitschrift Pressekonferenz
  • Dienstag, 17. Oktober 2023

(Die Protokollierung des fremdsprachlichen Teils erfolgte anhand der Simultandolmetschung)


BK Scholz: Majestät, willkommen in Berlin in dieser für den für uns nahen Osten und für uns alle sehr, sehr schwierigen Zeit. Mein Dank erst einmal dafür, dass Sie heute trotz und wegen der angespannten Lage in ihrer Region nach Deutschland gekommen sind. Denn unser Dialog und unser Gespräch ist unentbehrlich, um die Lage im Nahen Osten gemeinsam zu verstehen. Wir haben das gemeinsame Ziel, einen Flächenbrand in der Region zu verhindern. Mir ist ganz wichtig zu unterstreichen, Majestät: Unser vertrauensvolles Gespräch ist ein Ausdruck der sehr engen und guten Partnerschaft von Jordanien und Deutschland.

Ich sage noch einmal in aller Klarheit: Wir verurteilen den Angriff der Hamas-Terroristen auf Israel auf das Schärfste. Israel hat das Recht, sich gegen diesen Terror zu wehren. Die Sicherheit in und für Israel muss wiederhergestellt werden. Deutschland steht dabei unverbrüchlich an der Seite Israels. Ich warne Hisbollah und Iran noch einmal ausdrücklich davor, in diesen Konflikt einzugreifen.

Gemeinsam mit unseren Verbündeten setzen wir als Bundesregierung uns mit aller Kraft dafür ein, dass dieser Konflikt nicht weiter eskaliert. Hier möchte ich auch Außenministerin Baerbock für ihr Engagement danken. Wie Sie wissen, werde ich heute selbst zu einem Besuch nach Israel reisen und mit dem israelischen Premierminister die Lage besprechen.

Majestät, unsere gemeinsame Sorge gilt auch der humanitären Situation in der Region. Wir setzen unsere humanitäre Hilfe fort, um das Leid der Zivilbevölkerung zu lindern. Wir setzen uns dafür ein, dass es einen humanitären Zugang zum Gazastreifen gibt. Es ist geboten, dass die notleidende Zivilbevölkerung in Gaza, die von der Hamas als menschliche Schutzschilde genutzt wird, humanitäre Hilfe erhält, Wasser, Nahrung und Medikamente.

In unserem Entsetzen über die menschenverachtende Gewalt der Hamas-Gewalttäter ist es wichtig zu differenzieren. Die Palästinenserinnen und Palästinenser sind nicht Hamas, und die Hamas hat kein Recht, für sie zu sprechen. Die palästinensische Bevölkerung in Gaza, auch sie ist Opfer der Hamas.

Majestät, ich möchte Ihnen meinen Respekt und meine Achtung dafür aussprechen, dass Sie und Ihr Land seit so vielen Jahren eine stabilisierende und vermittelnde Rolle einnehmen. In den vergangenen Jahren haben Sie viel dafür getan, sichtbar und unsichtbar, um derartige Eskalationen immer wieder erfolgreich einzudämmen. Ich möchte auch die Rolle würdigen, die Sie, Majestät, mit Blick auf Jerusalem spielen. Wir sind uns darin einig, dass der Status quo der Heiligen Stätten bestehen bleiben soll.

Bei der Aufnahme Hunderttausender syrischer und palästinensischer Flüchtlinge hat Ihr Land in den vergangenen Jahren Großartiges geleistet. Mit dieser schwierigen Aufgabe haben wir Sie nicht alleingelassen und werden Sie nicht alleinlassen. Deutschland ist zweitgrößter bilateraler Geldgeber für humanitäre Hilfe und in der Entwicklungszusammenarbeit. Ich danke Ihnen für das Engagement des Königreichs und sage Ihnen unsere weitere Unterstützung fest zu.

Erlauben Sie mir, neben der Krise in dem uns nahen Osten noch einige Worte zu unseren bilateralen Beziehungen zu sagen. Wir feiern dieses Jahr 70 Jahre diplomatischer Beziehungen zwischen Deutschland und Jordanien. Es ist eine tiefe, eine verlässliche Partnerschaft, die unsere beiden Länder miteinander verbindet und die wir in den nächsten Jahren noch weiter ausbauen werden. Bei der Umsetzung der Reformagenda Ihrer Regierung und bei der Bewältigung der Auswirkungen des Klimawandels wollen wir eng zusammenarbeiten. Ich freue mich, dass am Rande Ihres Besuchs Abkommen für umfangreiche Kooperationsprojekte zwischen Jordanien und Deutschland unterzeichnet werden. Diese Projekte tragen zum Beispiel zur Anpassung des Wassersektors an den Klimawandel bei, unterstützen den jordanischen Bildungssektor und vieles mehr. Auch im Bereich der Fachkräftemigration wollen wir künftig enger zusammenarbeiten.

Ich freue mich auch, dass wir im April 2025 gemeinsam mit Jordanien und der International Disability Alliance den nächsten globalen Gipfel für die Rechte von Menschen mit Behinderungen ausrichten werden.

Majestät, schönen Dank für Ihren Besuch hier in Deutschland und die guten Gespräche!

K Abdullah: Herr Bundeskanzler, Exzellenz, herzlichen Dank für Ihre wunderbare Gastfreundschaft. Wir freuen uns immer sehr, hierher nach Berlin zu kommen.

Wir treffen uns heute in sehr schwierigen Zeiten, aber es ist auch sehr wichtig, dass wir uns treffen. Wir arbeiten alle daran, die extrem tragische und gefährliche Situation im Nahen Osten zu bewältigen. Tausende unschuldiger Zivilisten haben ihr Leben verloren, palästinensische Leben, israelische Leben. Es geht um Söhne, Töchter, Mütter, Väter, Ehemänner und Ehefrauen. Sehr viel mehr Leben sind in Gefahr. Hundertausende haben keinen Zugang zu Lebensmitteln, Wasser, Elektrizität und anderen grundlegenden Dienstleistungen. Das ist auf allen Ebenen rechtlicher Art, aber auch menschlicher Art inakzeptabel.

Dieses Jahr ist das blutigste Jahr für Israelis und Palästinenser in der jüngeren Vergangenheit. Es wird noch sehr viel schlimmer werden, wenn wir es nicht schaffen, diesen Krieg und diese menschliche Tragödie zu beenden. Wir müssen diesen Krieg bekämpfen. Wir müssen gegen alle Formen der Gewalt aufstehen und uns für Opfer einsetzen, egal welcher Religion, welcher Nationalität sie angehören.

Die ganze Region steht am Abgrund. Dieser neue Zyklus der Gewalt führt uns in Richtung Abgrund. Die Bedrohung, dass sich dieser Konflikt ausweitet, ist echt. Die Kosten sind für alle zu hoch. Wir alle müssen uns anstrengen, um sicherzustellen, dass es nicht dazu kommt. Wir müssen, wie Sie auch gesagt haben, Exzellenz, humanitäre Hilfe leisten. Wir müssen Zivilistinnen und Zivilisten schützen. Das internationale Völkerrecht und unsere gemeinsamen menschlichen Werte, unsere gemeinsame Menschlichkeit haben die Verpflichtung, die Zivilisten zu schützen. Wir verurteilen den Mord an Zivilisten auf beiden Seiten. Die ganze Welt muss das tun. Unser moralischer Kompass muss alle aufrufen; alle müssen moralisch handeln.

Wir brauchen politisch nicht nur sicherheitsrelevante Lösungen. Wir müssen einen bedeutenden politischen Prozess wiederherstellen, der uns zu einer Zweistaatenlösung hinführt. Das ist der einzige Weg für eine sichere Zukunft für Palästinenserinnen und Palästinenser, Israelis und für alle in der Region. Die Herausforderung ist gewaltig. Aber unser Wille, das zu erreichen, muss da sein, und zwar für alle Menschen in der Region, die zu viel Schmerz, Verlust, Tod und Krieg erleiden mussten. Die unschuldigen Opfer möchte ich würdigen.

Euer Exzellenz, Ihre Rolle ist wichtig für die Stabilität in der Region. Ihre Unterstützung für Jordanien war stark. In den letzten 70 Jahren unserer diplomatischen Beziehungen haben wir es geschafft, eine gute Grundlage für eine beispielhafte Zusammenarbeit zu schaffen. Die regionalen und globalen Herausforderungen sind da. Die Unterstützung war von instrumenteller Bedeutung, und wir danken Ihnen sehr für Ihr Engagement!

Wir kommen gerade aus einer produktiven Diskussion und haben über Möglichkeiten der Zusammenarbeit im Energiesektor, in der Ausbildung, in der Industrie gesprochen. Unsere Länder werden weiter zusammenarbeiten und das Humankapital entwickeln.

Es gibt auch ein Zentrum für Arbeitsmigration in Jordanien, und wir freuen uns über die führende Rolle Deutschlands bei der Unterstützung von Flüchtlingen; das haben Sie auch angesprochen. Das ist auch für Jordanien sehr wichtig, da ein Drittel der Menschen in Jordanien Flüchtlinge sind. Wir sind uns dessen bewusst, dass wir Flüchtlinge unterstützen müssen. Das ist ein globaler moralischer Imperativ und eine gemeinsame Verantwortung.

Ihre Exzellenz, ich hoffe, wir können uns in besseren Zeiten und bald wiedersehen. Ich danke Ihnen für die Unterstützung nicht nur von Ihnen und der deutschen Regierung, sondern auch des deutschen Volkes. Ich danke Ihnen für den großzügigen, herzlichen Empfang, und ich freue mich, Sie bald in meinem Land begrüßen zu dürfen. Herzlichen Dank!

Frage: Guten Morgen, Euer Majestät! Im Lichte der gegenwärtigen tragischen Situation und der Ereignisse möchte ich Sie fragen: Was muss die internationale Gemeinschaft tun, um diesen Zyklus der Gewalt einzudämmen?

K Abdullah: Ich denke, wir alle verstehen, dass es wichtig ist, die Eskalation so schnell wie möglich einzudämmen. Wir müssen die unschuldigen Zivilisten auf allen Seiten des Konflikts schützen. Wir müssen sehen, was in der nächsten Woche oder in den nächsten zwei Wochen passieren wird. Ich weiß, dass wir alle mit vielen verschiedenen Kollegen in der Welt gesprochen haben. Der Bundeskanzler reist nach Israel. Präsident Biden wird morgen nach Jordanien reisen. Ich denke, Sie alle und wir alle verstehen, dass diese Lage sehr, sehr ernst ist. Wir wissen, wie wir zusammenarbeiten müssen. Wir müssen die Gewalt beenden und deeskalieren, aber wir müssen auch darüber nachdenken, was danach passiert. Es reicht! Wir können diesen Zyklus der Gewalt nicht so fortsetzen. Wir brauchen eine politische Perspektive. Palästinenser und die arabischen Länder müssen zusammenkommen, sonst wird dieser Zyklus der Gewalt nicht durchbrochen werden.

Frage: Meine erste Frage richtet sich an den jordanischen König. Sie haben vor schwerwiegenden Folgen für Zivilisten in der Region gewarnt. Was bedeutet das für die jordanische Solidarität? Sind Sie bereit, noch mehr palästinensische Flüchtlinge aufzunehmen? Haben Sie auch die Unterstützung des deutschen Bundeskanzlers zugesagt bekommen?

Deutschland sagt ja, dass Israels Sicherheit deutsche Staatsräson sei. Deutschland hat ja auch militärische Fähigkeiten in Jordanien. Werden diese für Israels Sicherheit genutzt werden?

Herr Bundeskanzler, Sie fahren in die Region. Welche Sorgen werden Sie von Ihrem Kollegen, dem König, mit dem Sie heute Morgen gesprochen haben, in die Region mitnehmen, und welche konkrete Unterstützung?

Plant die Bundesregierung angesichts der höheren Bedrohungslage für jüdisches Leben in Deutschland neue Ansätze, um Antisemitismus zu bekämpfen?

K Abdullah: Herzlichen Dank. Zum ersten Teil, der Frage nach den Flüchtlingen, die nach Jordanien kommen, und ich denke, ich kann hier im Namen von Jordanien als Nation sprechen, aber auch im Namen unserer Freunde in Ägypten: Das ist eine rote Linie. Das ist der Plan der üblichen Verdächtigen, die Situation zu beeinflussen. Keine Flüchtlinge nach Jordanien und auch keine Flüchtlinge nach Ägypten! Das ist eine Situation, die innerhalb Gazas und des Westjordanlandes gehändelt werden muss, und man muss das nicht auf den Schultern anderer austragen.

Was die Präsenz der deutschen Truppen in Jordanien betrifft: Das militärische Engagement richtet sich in eine andere Richtung. Der Bundeskanzler soll das selbst beantworten.

BK Scholz: Schönen Dank. In der Tat haben wir eine gute, enge Zusammenarbeit, und ich bin sehr dankbar für die Möglichkeiten, die unsere Soldaten dort vor Ort haben. Das ist schon sehr lange der Fall, und die Zielsetzungen sind in der Tat in eine andere Richtung gerichtet.

Was die Frage betrifft, was wir tun können: Ich finde, es ist ganz wichtig, dass wir sehr klarmachen, und das will ich auch heute, wenn ich in Israel sein werde, noch einmal unterstreichen, dass wir an der Seite Israels stehen und das Land unterstützen. Es hat jedes Recht, sich zu verteidigen, und kann sich dabei auch auf unsere Unterstützung verlassen.

Was die Frage des Umgangs mit Antisemitismus hierzulande betrifft, ist es notwendig, dass wir mit aller Strenge unsere Gesetze umsetzen. Mein Eindruck ist, dass die Behörden überall in Deutschland sich das auch fest vorgenommen haben. Ich jedenfalls habe das auch mit all denen, die da Verantwortung haben, besprochen, und wir werden das auch weiter tun.

Selbstverständlich werden wir unsere gesetzgeberischen Möglichkeiten ausnutzen. Ich habe ja schon in meiner Rede im Deutschen Bundestag klargemacht, dass wir ein Tätigkeitsverbot für die Hamas in Deutschland verhängen werden und dass wir auch Vereinsverbote ergreifen werden, um sicherzustellen, dass keine antisemitischen, fremdenfeindlichen Aktivitäten hierzulande entfaltet werden können. Das ist mir sehr, sehr wichtig; denn es sind ja ganz oft viele Dinge, die dabei zusammenkommen. Antisemitismus paart sich oft mit einer Spaltung der Gesellschaft, paart sich ganz generell mit Fremdenfeindlichkeit. Deshalb müssen wir generell gegen all diese Dinge vorgehen und sehr stark sein. Wir werden das tun und auch immer wieder überprüfen, ob unsere gesetzlichen Möglichkeiten ausreichen.

Für uns jedenfalls ist das unakzeptabel. Ich wiederhole, was ich im Bundestag gesagt habe: Wer israelische Fahnen verbrennt, wer das Töten von Menschen bejubelt, der begeht Straftaten, und die werden von den deutschen Strafbehörden auch verfolgt.

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