Pressekonferenz von Bundeskanzler Scholz und der italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni in Rom am 8. Juni 2023

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(Die Protokollierung des fremdsprachlichen Teils erfolgte anhand der Simultandolmetschung)

MP’in Meloni: Schönen guten Tag Ihnen allen! Vielen Dank für Ihr Dabeisein! Es freut mich ganz besonders, hier heute in Rom Kanzler Scholz begrüßen zu dürfen. Wir hatten uns zuletzt vor vier Monaten in Berlin getroffen. Das bestätigt eine ganz besonders intensive Dynamik in den Beziehungen zwischen Italien und Deutschland, den Beziehungen zwischen unseren beiden Regierungen. Selbstverständlich haben wir uns in der Zwischenzeit vielmals getroffen, auch bei den internationalen und multilateralen Treffen, die ja immer häufiger stattfinden. Selbstverständlich möchte ich sagen, dass dies natürlich ein positiver Aspekt ist ‑ ganz besonders, weil wir uns jetzt vor einer Krise befinden, die wir angehen müssen. Das ist eine Dynamik, die viele Themen mit sich bringt und die auch bezeugt und beweist, dass wir in der politischen Agenda wirklich auf einem gemeinsamen Nenner sind.

Wir haben natürlich auch diesen Dialog, den wir unterstützen müssen, um den komplexen gemeinsamen Herausforderungen gerecht zu werden ‑ Herausforderungen, deren Bewältigung wichtig ist, um in diesem neuen europäischen Kontext, in dem wir uns befinden, unsere Rolle noch einmal unterstreichen zu können. Ich bin davon überzeugt, dass wir ein weiteres Terrain der Zusammenarbeit finden werden, wenn wir nächstes Jahr beim G7-Gipfeltreffen anwesend sein werden, bei dem Italien den Vorsitz innehaben wird. Darüber hinaus gibt es eine bilaterale Zusammenarbeit, und wir sind der Auffassung, dass wir auch dank des Aktionsplans zwischen Deutschland und Italien im Großen und Ganzen eine Übereinkunft getroffen und eine Übereinstimmung gefunden haben, und das möchten wir anlässlich des nächsten Gipfeltreffens zwischen unseren beiden Regierungen, das vor dem Ende dieses Jahres in Deutschland stattfinden wird weiterführen und diese Themen wieder aufgreifen.

Der bilaterale Dialog wird auf politischer und technischer Ebene natürlich noch intensiver und noch häufiger stattfinden, und wir werden einen pragmatischen Ansatz hinsichtlich der Themen haben, die unsere Zukunft betreffen: Innovation, Forschung, Entwicklung, Arbeitsmarkt, soziale Kohäsion, ein ökologisch nachhaltiges Wachstum unter bilateralen Gesichtspunkten, auch hinsichtlich der Harmonisierung unserer Tätigkeiten auf internationaler und europäischer Ebene.

Wir sind ganz besonders an der Möglichkeit interessiert, Partnerschaften hinsichtlich der Pipeline aufzubauen, die nach dem Industriellen Enrico Mattei benannt ist. Dies setzt voraus, dass wir auch hinsichtlich der Energie neue Formen der Zusammenarbeit mit den nordafrikanischen Ländern finden. Das ist auch im Hinblick auf die Energieversorgung sehr wichtig. Die Kompatibilität zwischen unseren beiden Ländern ist eben auf den Austausch zurückzuführen, der im Jahr 2022 ein Volumen von 168 Milliarden Euro hatte. Das ist ein absoluter Rekordbetrag. Außerdem gibt es in diesen drei Jahren eine Steigerung von 50 Milliarden Euro. Wettbewerbsfähigkeit und Resilienz, auch was das Manufakturwesen anbelangt, sind natürlich im Interesse unserer beiden Länder, und das ist ebenfalls etwas Unverzichtbares für die bilaterale Kooperation. Das jüngste Abkommen zwischen ITA Airways und Lufthansa ist ein Beweis dafür, wie konvergent unsere Nationen strategisch gesehen bzw. hinsichtlich einer ganzen Reihe von wichtigen Dossiers ökonomischer, wirtschaftlicher und strategischer Natur sein können. Wir konzentrieren uns auch ganz besonders hinsichtlich der Abwehr. Die internationale Kooperation bedeutet natürlich auch die Rationalisierung der Ressourcen und der Zuständigkeiten. Auch in diesem Sinne ist der Dialog zwischen unseren Regierungen und den Unternehmen, die in unseren jeweiligen Nationen tätig sind, wichtig.

Wir haben mit Kanzler Scholz auch über europäische Themen gesprochen ‑ natürlich über die unterschiedlichen Themen, die die Agenda ausmachen, ganz besonders hinsichtlich der künftigen Europaräte und Europaratssitzungen. Wir sind uns im Klaren darüber, dass ein fruchtbarer Dialog die Grundlage darstellt, um europäische Lösungen für die Herausforderungen, die uns bevorstehen, zu finden.

Wir haben unter diesem Gesichtspunkt natürlich auch über Migration gesprochen. Deutschland weiß genau, dass man ohne eine gemeinsame Tätigkeit mit Italien hinsichtlich der sogenannten Grenzgebiete, also praktisch der Gebiete, die ans Meer angrenzen, keine noch bessere Migrationspolitik aufbauen kann. Innerhalb des Europarates haben wir auch daran gearbeitet, eine Gegenüberstellung der primären und der sekundären Bewegungen zu bewirken. Es braucht einen Paradigmenwechsel, und diesen Ansatz führen wir voran. Es gibt heute einen weiten, breiten Konsens, und ich darf mich ganz besonders bei Kanzler Scholz dafür bedanken.

Wenn wir uns nicht mit dem Thema der Verteidigung der externen Grenzen auseinandersetzen, wenn wir nicht die illegalen Migrationsströmungen bekämpfen und unterscheiden zwischen denjenigen, die wirklich ein Anrecht auf Asylschutz haben, und denjenigen, die dieses Anrecht nicht haben, dann werden wir diese Herausforderungen nicht in den Griff bekommen. Wir haben über das Dubliner Übereinkommen gesprochen, und wir hoffen, dass wir uns wenigstens auf halbem Weg treffen, um den Interessen der einzelnen Nationen gerecht zu werden.

Wir haben auch über Tunesien gesprochen. Ich war vor wenigen Tagen in Tunesien und habe mit dem Präsidenten Tunesiens, Herrn Saied, gesprochen. Die Vorsitzende der EU-Kommission, Frau von der Leyen, wird nächsten Sonntag zusammen mit mir und auch mit dem Ministerpräsidenten Mark Rutte nach Tunesien fliegen, um auf europäischer Ebene eine Kooperation einzuleiten, die insbesondere für diejenigen Mitgliedstaaten ganz besonders wichtig, die ein bisschen in Schwierigkeiten sind, wenn es darum geht, die Migrationsströmungen in den Griff zu bekommen. Wenn Tunesien weitere Schwierigkeiten haben sollte, dann würde dies natürlich auch für Italien und für Deutschland eine Art Dominoeffekt hervorrufen. Darüber haben wir gesprochen.

Wir haben außerdem über den europäischen Stabilitätspakt gesprochen, denn heute ist die Wettbewerbsfähigkeit ganz besonders wichtig. Wir sind davon überzeugt, dass in diesem Sinne Steuerregeln, die eine Flexibilität garantieren, ganz besonders wichtig sind, was die Unterstützung für Investitionen und die Prioritäten bei den Tätigkeiten Europas anbelangt. Ich beziehe mich hier auch auf die digitale Transition und auf die energetischen Aspekte. Wir haben schon gesagt, wie wichtig es ist, dass eine Diversifizierung unserer Versorgungsquellen stattfinden kann. Auch im Sinne des Mittelmeerraums geht es hierbei um die Beziehungen zu Nordafrika. Wir arbeiten daher mit der EU-Kommission zusammen, um das Projekt „SoutH2 Corridor“ für grünen Wasserstoff für Italien, Österreich und Deutschland zu unterstützen.

Wir haben natürlich auch über strategische Herausforderungen gesprochen, die wirklich ganz besonders wichtig sind, und dabei konnten wir das Thema der Ukraine natürlich nicht auslassen. Es ist natürlich überhaupt nicht infrage zu stellen, dass wir die Ukraine unterstützen. Ich habe vor einigen Tagen noch ganz klare Worte seitens des Kanzlers Scholz hierzu vernommen, und ich möchte ihm gratulieren für das, was er gesagt hat; denn es ist in dieser Phase, in einem solchen Kontext, der so komplex ist, für niemanden einfach ‑ für niemanden. Alle Personen, die eine große Verantwortung tragen, wissen, wie wichtig es ist, die Souveränität und die Freiheit der Ukrainer zu garantieren. Das ist die unabdingbare Vorbedingung für die Stabilität, für die Sicherheit und für die Werte, die Europa kennzeichnen. Wir arbeiten zusammen für den Frieden und zugunsten des Friedens, aber wie ich so oft gesagt habe: Das Wort „Frieden“ kann nicht ausgetauscht oder ausgewechselt werden mit dem Wort „Invasion“. Deswegen müssen wir alle Forderungen, Absichten und Gesichtspunkte der angegriffenen Nation berücksichtigen.

Noch einmal vielen, vielen Dank dem Herrn Kanzler Scholz für dieses fruchtbare Treffen, das wir heute gehabt haben. Aber wir sehen uns ja bald schon wieder; wir sind ja immer wieder auf internationaler Ebene tätig und werden uns wieder treffen.

BK Scholz: Vielen Dank für den herzlichen Empfang hier in Rom!

Ich will zunächst einmal meine Anteilnahme aussprechen ‑ ganz persönlich, aber auch für mein Land ‑ angesichts der verheerenden Überschwemmungen, die sich gerade in der Emilia-Romagna ereignet haben. Mein tiefes Mitgefühl gilt allen Betroffenen, insbesondere den Angehörigen der Opfer. Vor zwei Jahren hat Deutschland eine ähnlich schmerzvolle Erfahrung machen müssen, als heftige Regenfälle und eine Flutwelle im Ahrtal für Verwüstung gesorgt haben. Deutschland kann gut nachempfinden, wie es den Betroffenen in einer solchen Situation geht. Wir wissen auch, wie langwierig es ist, die Zerstörung zu beseitigen und die Region wieder aufzubauen. Deutschland steht in dieser schwierigen Zeit eng an der Seite Italiens.

Italien ist für uns ein wichtiger Partner und verlässlicher Freund. Unsere Länder sind engstens miteinander verwoben ‑ kulturell, wirtschaftlich und natürlich auch grundsätzlich. Mehr als 400 Partnerschaften zwischen Städten in Deutschland und Italien gibt es, und sie sorgen für ausgezeichnete Beziehungen untereinander. In der Europäischen Union, in der NATO und im Rahmen der G7 und G20 arbeiten wir gut mit Rom zusammen, stimmen uns ab und beziehen uns aufeinander.

Im Zentrum unserer Gespräche heute standen viele Fragen, die eben von der Ministerpräsidentin schon alle angesprochen worden sind: Fragen der europäischen Sicherheit, der Migration und natürlich auch der Zukunft unserer Europäischen Union.

Der russische Überfall auf die Ukraine hat das Sicherheitsumfeld in Europa grundlegend verändert. Es stellt uns alle vor neue große Herausforderungen. Da ist es ein ermutigendes und gutes Zeichen, dass wir uns besprechen und miteinander darüber abstimmen, wie wir am besten auf diese neue veränderte Lage, die Zeitenwende, reagieren. Die Einigkeit Europas ist ein Pfund, mit dem wir wuchern können, und der russische Präsident Putin hat nicht damit gerechnet ‑ er hat Europa unterschätzt. Gemeinsam stehen wir an der Seite der Ukraine, die wir politisch, finanziell, humanitär und mit Waffen und militärischer Ausbildung unterstützen ‑ und wir tun das, solange es nötig ist.

Die Ministerpräsidentin und ich haben auch über den NATO-Gipfel im Juli in Vilnius gesprochen. Wir beide sind uns einig in der Hoffnung, nicht nur Finnland, sondern auch Schweden und Vilnius in der NATO begrüßen zu können. Wir wollen, dass von dem Gipfel ein geeintes und starkes Signal ausgeht ‑ ein Signal, das die Geschlossenheit und Entschlossenheit der atlantischen Allianz unterstreicht, im Ernstfall einander beizustehen und wirklich jeden Quadratzentimeter NATO-Territoriums zu verteidigen.

Natürlich haben wir auch über das Thema Migration gesprochen ‑ ein Thema, das für Deutschland, für Italien und für Europa insgesamt sehr wichtig ist und heute ja auch von den EU-Innenministerinnen und -Innenministern in Luxemburg diskutiert wird. Ich bin zuversichtlich, dass wir für die Herausforderungen, vor die uns Flucht und Migration stellen, eine gemeinsame europäische Antwort finden werden. Wir müssen gleichzeitig die Zuwanderung so steuern, dass wir ausländischen Fachkräften den legalen Zugang zu unseren Arbeitsmärkten ermöglichen. Das heißt aber umgekehrt auch: Wer kein Anrecht hat, bei uns zu bleiben, muss in sein Herkunftsland zurückkehren ‑ und auch zurückkehren können. Daher ist es wichtig, eine verlässliche Zusammenarbeit mit Herkunfts- und Transitstaaten zu etablieren.

Nicht nur die Ukraine, auch Moldau und die Staaten des westlichen Balkans und perspektivisch Georgien wollen der Europäischen Union beitreten. Das belegt, wie attraktiv unsere Europäische Union ist, und es zeigt, dass die Europäische Union handlungsfähiger werden muss. Deshalb bin ich überzeugt: Wir müssen die EU weiterentwickeln und reformieren, um sie fit für diese Zukunft zu machen.

Lassen Sie mich zum Schluss noch ein letztes Thema kurz anreißen. Mir ist die verstärkte Zusammenarbeit bei der Diversifizierung unserer Energieversorgung sehr wichtig. Der Ausbau der Versorgungsnetze in Europa wird uns allen zugutekommen und die Sicherheit der Energieversorgung erhöhen. Ich freue mich deshalb, dass wir uns darauf verständigt haben, die Arbeiten an einer neuen Erdgas- und Wasserstoffpipeline zwischen Italien und Deutschland voranzutreiben.

Unser heutiges Gespräch hat noch einmal deutlich gemacht, wie eng und vertrauensvoll die Beziehungen zwischen unseren Ländern sind. In diesem Sinne freue ich mich ganz besonders auf die italienische G7-Präsidentschaft im nächsten Jahr und biete meine ganze Unterstützung an. Deutschland und Italien werden auch ihre bilaterale Zusammenarbeit weiter intensivieren. Deshalb haben wir ‑ das ist schon gesagt worden ‑ vereinbart, dass wir uns im Herbst dieses Jahres zu Regierungskonsultationen treffen und dass wir dabei den so intensiv vorbereiteten Aktionsplan dann auch gemeinsam unterzeichnen werden. Ich freue mich darauf.

Schönen Dank für die Einladung!

Frage: Frau Ministerpräsidentin, Sie haben das Thema EU-Asylrechtsreform schon angesprochen. Können Sie vielleicht umreißen, unter welchen Bedingungen Sie dazu bereit wären, dass in einem Land wie Italien auch die Asylverfahren für eine große Zahl der dort eintreffenden Geflüchteten für die gesamte Europäische Union durchgeführt werden?

Herr Bundeskanzler, wie groß schätzen Sie das Risiko ein, dass diese Reform scheitert und wir vielleicht vor einem Sommer stehen, in dem wir wieder Grenzkontrollen in Europa erleben werden, weil das Problem sonst nicht gelöst ist?

Wenn Sie erlauben, in diesem Kontext noch eine Frage an Sie beide: Die italienischen Behörden haben zwei Seenotrettungsschiffe festgesetzt, die „SEA-EYE“ und die „MARE*GO". Können Sie sagen, inwiefern das in Ihrem Gespräch eine Rolle gespielt hat?

MP’in Meloni: Nein, wir haben nicht über diese beiden Schiffe gesprochen. Wir haben darüber gesprochen, wie Italien in diesen Monaten sozusagen fast allein entlang des ganzen Mittelmeers hin und her rennt, um Leben zu retten. Die Migrationsströme sind in diesen Monaten besonders intensiv geworden. Auf internationaler Ebene gibt es eine äußerst komplexe Situation, sowohl in Afrika wie auch in Syrien und Afghanistan. Insgesamt, muss man sagen, gibt es eine ungünstige Konjunktur. Vor diesem Hintergrund leistet Italien eine objektiv gesagt hervorragende Arbeit.

Ich denke, dass die große Herausforderung bei dieser Arbeit sein wird, diese Arbeit zusammen zu verrichten, eine große Herausforderung auch hinsichtlich des Abkommens zwischen Migration und Asylantrag. Ich möchte jetzt nicht auf die Details eingehen. Denn das Abkommen wird noch ausgehandelt. Aber ich denke, dass die Herausforderung nicht ist, schlicht und einfach darüber zu sprechen, wie man innerhalb der europäischen Grenzen versucht, die Frage der Migranten sozusagen von einem Land auf das andere zu verschieben. Man muss natürlich die Primärmigrationsströmungen in den Griff bekommen. Italien und Deutschland, beide Nationen stehen unter Druck seitens der Migranten und der ganzen Migrationsströme. Es ist schwierig, das Problem zu lösen, wenn man es sozusagen auf die anderen Partner abwälzt. Das geht nicht. Man muss natürlich die internen Grenzen schützen und den Menschenhandel bekämpfen.

Deswegen muss man die Transit- und die Herkunftsländer mit involvieren, und zwar in ganz seriöser Weise, mit Investitionen, indem man denjenigen, die aus dem eigenen Land flüchten, Alternativen anbietet. Denn man muss das Recht verteidigen, nicht aus dem eigenen Land gezwungen zu sein, nicht flüchten zu müssen. Wir arbeiten an diesem Pakt, an diesem Abkommen über Migration und Asyl.

Natürlich braucht es ein Einverständnis zur Definition dieses Abkommens. Ich bin absolut überzeugt davon, dass wir zu einer Lösung kommen werden. Das ist Priorität. Aber ich denke genauso, dass es auch wichtig ist, sich mit diesen Ländern und mit den Erwartungen dieser Länder, die so unter Druck sind, auseinanderzusetzen.

In diesem Zusammenhang schaue ich mit großer Aufmerksamkeit auf das nächste EU-Gipfeltreffen. Man muss natürlich das allgemeine Bild berücksichtigen und durchdenken. Die Arbeit auf internationaler Ebene, die wir auch mit der Europäischen Kommission machen, ist äußerst wichtig. Wir haben schon gesagt, dass wir am Sonntag mit Präsidentin von der Leyen und mit Premierminister Rutte noch einmal in diese Länder kommen. Wir werden noch einmal hinfahren. Deswegen braucht es die Voraussetzungen in diesem Sinne.

BK Scholz: Schönen Dank für die Fragen. Wer die Herausforderungen, die mit der Fluchtmigration verbunden sind, bewältigen will, kann das in der Europäischen Union nur gemeinsam tun. Diesen Grundsatz teilen wir miteinander. Alle Versuche, die Probleme entweder bei jemand anderem zu lassen oder mit dem Finger auf andere zu zeigen, werden scheitern. Deshalb ist es wichtig, dass wir die Herausforderungen erkennen, aber gleichzeitig auch das Notwendige tun.

Dass Italien angesichts der vielen Flüchtlinge, die über das Mittelmeer nach Italien und nach Europa kommen, besondere Anstrengungen unternehmen muss und unternimmt, ist offensichtlich. Dass aber viele Asylbewerber, obwohl wir gar keine Außengrenze haben, trotzdem in Deutschland auftauchen, ist auch klar. Wir haben etwa eine Million Flüchtlinge aus der Ukraine aufgenommen, was gegenwärtig der höchste Wert in ganz Europa ist. Wir haben etwa 240 000 weitere Flüchtlinge, die in Deutschland Asyl beantragt haben. Obwohl das Land keine Außengrenze hat, sind etwa 80 Prozent davon nirgendwo vorher registriert worden. Auch das ist ein Zeichen dafür, dass das Aufeinanderzeigen nicht hilft, sondern dass Kooperation angebracht ist.

Zu den Dingen, die wir uns für die Zukunft vorstellen, gehört aber auch die enge Zusammenarbeit mit Herkunfts- und Transitländern. Für Deutschland streben wir das Konzept der Migrationspartnerschaften an. Angesichts der Tatsache, dass wir in den nächsten Jahren einen hohen Bedarf an Arbeitskräften haben, bis zu sechs Millionen bis Anfang der 30er-Jahre, kann man sehr faire Verständigungen miteinander finden, um die irreguläre Migration zu begrenzen und miteinander reguläre Pfade der Migration zu vereinbaren.

Deshalb ist es auch richtig, wenn die italienische Regierung, aber zum Beispiel auch die Europäische Kommission jetzt aktiv sind, wenn es darum geht, Verständigungen mit den Regierungen an der nordafrikanischen Küste herbeizuführen. Ich denke, dass das ein gemeinsames europäisches Anliegen ist.

Was die gegenwärtigen Beratungen im Rat der Innenminister betrifft, hoffen wir beide, denke ich, dass dabei heute oder spätestens bald gute Ergebnisse herauskommen, dass man darauf als Beitrag zur Solidarität innerhalb Europas aufbauen kann, aber dass das auch ein Beitrag im Hinblick auf die anderen Fragestellungen ist, die vor uns stehen.

Frage: Frau Ministerpräsidentin Meloni, sind Sie im Hinblick auf die anstehende Reise, die Sie nächsten Sonntag zusammen mit Präsidentin von der Leyen und mit Premierminister Rutte nach Tunesien unternehmen werden, der Auffassung, dass wir der Lösung des Internationalen Währungsfonds hinsichtlich des Darlehens an dieses Land nahe sind? Haben Sie mit Kanzler Scholz darüber gesprochen? Italien will zum Beispiel einige Punkte dieses Abkommens ein bisschen abschleifen oder modifizieren. Wie weit sind wir gekommen?

MP‘in Meloni: Danke für die Frage. Wir haben mit Kanzler Scholz auch über das Abkommen zwischen Tunesien und dem Internationalen Währungsfonds gesprochen. Wir haben auch einen gemeinsamen Nenner, eine gemeinsame Position gefunden. Es gibt also wirklich viel Ähnlichkeit, was die Sichtweisen betrifft.

Was uns betrifft, ist es notwendig, dass man die gegenwärtige Situation in Tunesien mit Pragmatismus angeht. Das ist eine Priorität für uns. Denn wie ich davor schon sagte, wäre eine Destabilisierung Tunesiens sehr schlimm für die Stabilität des gesamten Nordafrikas. Die Folgen würden unausweichlich auch uns erreichen.

Selbstverständlich stehen beide Parteien allem offen gegenüber ‑ das war auch Gegenstand meiner Begegnung mit Präsident Saied ‑, um ein Einverständnis zu finden, das zu Sicherheit für Tunesien führt. Die Tatsache, dass wir nächsten Sonntag wieder dort hinfliegen werden, könnte dies alles vereinfachen und diese Aufgabe sozusagen erleichtern. Denn auch die Europäische Kommission kann eine Rolle spielen und spielt eine Rolle, und zwar keineswegs eine sekundäre Rolle. Die Anwesenheit von Präsidentin von der Leyen und der zwei Regierungschefs, die alle der Europäischen Union angehören, ist ein eindeutiges und wichtiges Zeichen der Absichten, ganz abgesehen von den Vorschlägen und Erwartungen. Denn wir bringen ein Paket von Vorschlägen hinsichtlich der Initiativen für die Kooperation, für die Unterstützung nach Tunesien und denken klarerweise auch, dass sie eine Art Vorbedingung für die Einverständnisse mit dem Währungsfonds darstellen. Wir haben während des Gipfels in Hiroshima mit Frau Georgiewa gesprochen. Auch Kanzler Scholz ist dabei ganz aktiv; das weiß ich. Wir alle bekunden also dieses Interesse.

Ich möchte jetzt nicht allzu positiv gestimmt sein, aber ich bin ziemlich überzeugt davon, dass wir zu einer Lösung dieses Themas kommen werden.

Ich danke Ihnen allen.