Pressekonferenz von Bundeskanzler Scholz, Ministerpräsidentin Schwesig, Ministerpräsident Kretschmer und Staatsminister Schneider am 13. Juni 2022 auf der Insel Riems anlässlich der Regionalkonferenz der Regierungschefinnen und Regierungschefs der ostdeutschen Länder

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Im Wortlaut Pressekonferenz von Bundeskanzler Scholz, Ministerpräsidentin Schwesig, Ministerpräsident Kretschmer und Staatsminister Schneider am 13. Juni 2022 auf der Insel Riems anlässlich der Regionalkonferenz der Regierungschefinnen und Regierungschefs der ostdeutschen Länder

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  • Montag, 13. Juni 2022

MP‘in Schwesig: Auch von mir noch einmal ein herzliches Willkommen! Wir hatten heute sehr gute Beratungen im Kreise der ostdeutschen Regierungschefinnen und Regierungschefs mit dem Bundeskanzler. Es ist gute Tradition, dass die sogenannte Ost-MPK einmal im Jahr mit dem Bundeskanzler zusammenkommt. Wir bedanken uns ganz herzlich bei Bundeskanzler Scholz dafür, dass er sich trotz der vielen Herausforderungen und auch Terminverpflichtungen diese Zeit genommen hat.

Wir waren zuerst unter den ostdeutschen MPs und später mit dem Bundeskanzler zusammen. Uns war es wichtig, uns heute hier an einem Forschungsstandort auf der Insel Riems im Friedrich-Loeffler-Institut zu treffen. Dieses Institut ist in zweierlei Hinsicht ein ganz wichtiges Signal von der heutigen Ost-MPK aus.

Zum einen sind ostdeutsche Länder, so auch Mecklenburg-Vorpommern, wichtige Forschungsstandorte. Ich weiß, dass wir alle nichts mehr über Viren hören können und es auch am liebsten hätten, wenn es sie nicht gäbe. So ist es aber nicht. Wichtig ist, dass wir Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben, die mit viel Leidenschaft Viren erforschen und uns frühzeitig sagen, wo sie gut sind, wo aber auch Gefahren drohen, sodass wir wissen, was wir dann tun können. Deswegen bedanken wir uns als Allererstes bei dem Leiter und bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die Gastfreundschaft, aber vor allem auch für ihre wertvolle Arbeit, die sie insbesondere auch im Bereich der Tierseuchen machen. Gesunde Tiere sind auch für die Gesundheit der Menschen wichtig. Hier wird wertvolle Arbeit für die Gesundheit von Tieren, aber auch von Menschen und für unser Leben geleistet.

Gleichzeitig ist das auch deshalb ein wichtiger Forschungsstandort, weil er der älteste seiner Art ist und zeigt, wie es nach der deutschen Einheit auch gehen kann. Mit der deutschen Einheit haben wir oft erlebt, dass Standorte von Ost nach West verlagert wurden und auch kluge Köpfe von Ost nach West gegangen sind. Dieser Forschungsstandort als Bundesstandort ist nach der deutschen Einheit von Tübingen mit dem Hauptstandort hierher nach Mecklenburg-Vorpommern gegangen, auch der Leiter. Kluge Köpfe sind also hergekommen. Das wünschen wir uns für Standorte in Ost und West, dass es eine Mischung gibt und nicht nur eine Einseitigkeit von Ost nach West.

Wir haben heute vor allem in unserer gemeinsamen Konferenz über das Thema der Energieversorgung, der Energiesicherheit und bezahlbarer Energiepreise gesprochen, das Thema, das alle umtreibt.

Wir haben vor allem auch über die wirtschaftliche Entwicklung Ostdeutschlands gesprochen. In den vergangenen 32 Jahren ist es uns vor allem durch das Engagement der Bürgerinnen und Bürger, die durch viele Höhen und Tiefen gegangen sind, gelungen, dass sich Ostdeutschland gut entwickelt. Wir haben eine gute wirtschaftliche Entwicklung. Wir haben eine bessere Entwicklung beim Thema der Löhne und der Arbeitslosigkeit. Für uns ist es wichtig, dass diese gute wirtschaftliche Entwicklung weitergeht. Wir haben es geschafft, dass Corona sie nicht stoppen kann. Wir hoffen, dass auch die aktuelle Entwicklung durch den Krieg in der Ukraine und seine Folgen die Entwicklung in Ostdeutschland nicht stoppt.

Zu den gemeinsamen Herausforderungen, was Bund und Länder für Ostdeutschland bewegt, haben wir heute die sogenannte Riemser Erklärung verabschiedet. Zu den einzelnen Punkten werden wir gemeinsam etwas sagen, der Bundeskanzler, mein Kollege Michael Kretschmer und der Beauftragte für Ostdeutschland. Es ist ein gutes Signal, dass der Bundeskanzler entschieden hat, dass der Beauftragte für Ostdeutschland, Carsten Schneider, direkt im Kanzleramt angesiedelt und damit Chefsache ist. Das haben wir heute im positiven Sinne zu spüren bekommen.

Bei der Energie beschäftigen uns vor allem drei Themen.

Erstens. Ostdeutschland ist bereits vorn dabei, wenn es um den Ausbau erneuerbarer Energien geht. In vielen Ländern produzieren wir bereits mehr Windkraft, als wir selbst verbrauchen. Jetzt ist es wichtig, dass wir es ausbauen, aber natürlich auch für mehr Akzeptanz der Bürgerinnen und Bürger sorgen. Deswegen haben wir zum Beispiel angesprochen, dass wir faire Netzentgelte brauchen. Wenn wir den Bürgerinnen und Bürgern jetzt mehr zumuten wollen, zum Beispiel geringere Abstände zu Windparks, dann sollten wir denjenigen, die die Lasten tragen, auch etwas zugutekommen lassen.

Wir stehen außerdem ganz klar dafür, dass wir unabhängiger von fossilen Energien werden müssen. Das geht einerseits durch den Ausbau der erneuerbaren Energien. Aber ganz konkret brauchen wir mehr Unabhängigkeit von russischem Öl und russischem Gas durch Alternativen. Für die ostdeutschen Bundesländer ist ganz klar, dass der blutige Angriffskrieg von Putin auf die Ukraine Folgen für Putins Russland haben muss, und dazu gehören Sanktionen. Deswegen unterstützen wir den Kurs der Bundesregierung, wollen aber mit der Bundesregierung gemeinsam dafür sorgen, dass wir die Energiesicherheit und bezahlbare Energiepreise für ganz Deutschland weiterhin gewährleisten. Das ist nicht nur ein Thema für den Osten, aber in Ostdeutschland schlägt es stärker zu Buche, weil die Wirtschaft in den vergangenen 30 Jahren Schritt für Schritt aufgebaut wurde und weil sich die Einkommen erst in den vergangenen 30 Jahren Schritt für Schritt verbessert haben und im Vergleich zu denen in Westdeutschland immer noch niedriger sind. Deswegen schlagen Preissteigerungen im Supermarkt, an der Tankstelle und später bei der Abrechnung für die Wohnung oder das kleine Häuschen in Ostdeutschland einfach stärker zu Buche. Es ist unsere Aufgabe, die Aufgabe von uns ostdeutschen Ministerpräsidenten, diese Sorgen der Bürgerinnen und Bürger zu adressieren und auszusprechen, weil damit Politik anfängt, und dann nach gemeinsamen Lösungen zu suchen. Die Hauptlösung für uns gemeinsam mit dem Bund ist, dass wir den Ausbau der erneuerbaren Energien beschleunigen. Wir können in Ostdeutschland viel Windkraft bieten und werden das ausbauen, auch Sonnenenergie. Aber wir brauchen die Speichertechnologie Wasserstoff. Wasserstoff ist in aller Munde. Wir haben uns heute gemeinsam mit dem Bund dafür entschieden, dass die ostdeutschen Bundesländer und der Bund eine gemeinsame Interessenvertretung für die ostdeutschen Bundesländer für das Thema der Wasserstofftechnologie bilden. Diese Interessenvertretung soll die Kräfte in Ostdeutschland zum Thema von Wasserstoff bündeln und uns beim Thema der Förderung auf Bundes- und europäischer Ebene helfen. Dazu werden sich alle fünf Bundesländer zusammenschließen, inklusive Berlins. Wir sind dem Beauftragten für Ostdeutschland und dem Bundeskanzler sehr dankbar dafür, dass uns der Bund mit einer Anschubfinanzierung helfen will. Das ist also ein konkretes Ergebnis dieser Konferenz.

Für den Übergang braucht man Gas ‑ das ist denke ich unstrittig geworden ‑ und auch dauerhaft Öl. Es geht nun auch darum, für diesen Übergang Ersatz für russisches Öl und russisches Gas zu finden. Dabei spielt Ostdeutschland eine Rolle. Für uns ist klar, dass wir prüfen wollen, wie wir zukünftig zum Beispiel über Rostock Öl aus anderen Ländern nach Schwedt transferieren. Wir wollen außerdem prüfen, wie wir zum Beispiel in Lubmin dafür sorgen, dass das große Verteilnetz, das wir für Ostdeutschland bis nach Tschechien haben, für Gas, für LNG-Gas genutzt werden kann. Wir wollen aus ostdeutscher Sicht natürlich auch zukünftig dafür sorgen, dass die Strukturen, die wir bauen, auch für Wasserstofftechnologie anschlussfähig ist.

Wir sind uns auch darüber einig, dass wir auf die Preisentwicklung schauen müssen. Das ist wichtig. Deswegen haben Bund und Länder ein gemeinsames Entlastungspaket gemacht. Wichtig ist für uns, dass diese Entlastungen bei Bürgerinnen und Bürgern ankommen. Die ostdeutschen Bundesländer haben die Bundesregierung heute noch einmal darum gebeten, zu prüfen, inwieweit auch andere Personengruppen in mögliche weitere Entlastungen aufgenommen werden können, zum Beispiel Menschen, die gering verdienen, wie zum Beispiel gering verdienende Rentnerinnen und Rentner.

Letzter Punkt: Auf das Thema der Forschung wird zum Beispiel mein Kollege Michael Kretschmer noch eingehen. Wir sind gemeinsam der Auffassung, dass sich Ostdeutschland in den vergangenen 30 Jahren gut entwickelt hat. Für uns ist klar, dass wir mit dem Bund an einem Strang ziehen wollen. Wir wollen nicht jammern, nicht klagen, aber ganz selbstbewusst sagen, wo wir mit dem Bund zusammenarbeiten wollen, um letztendlich Ostdeutschland voranzubringen.

Ein großes Thema ist auch die medizinische Versorgung insbesondere im ländlichen Raum. Das war heute auch eine Initiative aus Sachsen. Deswegen bitte ich auch meinen Kollegen Herrn Kretschmer, dazu etwas zu sagen.

Eines ist ganz klar: die dünne Besiedelung Ostdeutschlands. Die großen Herausforderung heißt: Wir werden zukünftig wie ganz Deutschland mehr Fachkräfte brauchen. ‑ Deswegen haben wir uns heute mit dem Bund darauf verständigt, dass wir zum Herbst eine gemeinsame Fachkräftekonferenz für Ostdeutschland durchführen wollen. Das große Thema, wie wir mit Fachkräften die wirtschaftliche Entwicklung in Ostdeutschland sichern können, wollen wir gemeinsam mit dem Ostbeauftragten, mit der Bundesagentur für Arbeit und allen ostdeutschen Ländern angehen.

Sie sehen also, dass von dieser Beratung heute ganz konkrete Initiativen bezüglich der Energieversorgung, der Energiesicherheit, der Wasserstofftechnologie, aber zum Beispiel auch der Fachkräftesicherung ausgehen. In diesem Sinne ist das ein toller Auftakt für diese Legislatur und die nächsten Jahre und für eine gemeinsame Zusammenarbeit. In diesem Sinne möchte ich mich noch einmal ganz herzlich bei meinen Kolleginnen und Kollegen, beim Bundeskanzler und bei dem Ostbeauftragten bedanken.

BK Scholz: Es ist eine gute Tradition, dass sich die Regierungschefinnen und Regierungschefs der ostdeutschen Länder regelmäßig mit dem Bundeskanzler treffen. Ich möchte mich deshalb ganz besonders für diese Einladung bedanken.

Unser Land befindet sich mitten in einer großen Transformation. Dieser Umbau war auch Gegenstand unseres sehr konstruktiven und offenen Austausches heute. Die Bürgerinnen und Bürger in Ostdeutschland sind Fachleute in Sachen Transformation. Von ihren Erfahrungen und ihrer Einstellung können wir alle profitieren. Klar ist, dass es in Ostdeutschland besondere Herausforderung durch die Energiewende gibt, sei es der Ausstieg aus der Kohle, sei es der Verzicht auf russische Energielieferungen, sei es der Umbau der Industrieproduktion. Die Bundesregierung hat diese besondere Herausforderung im Blick. Auch und gerade im Kanzleramt gibt es dafür eine besondere Sensibilität.

Der Überfall Russlands auf die Ukraine verschärft die Lage, wie jeder weiß. Deutschland unterstützt die Ukraine massiv ‑ finanziell, humanitär und auch militärisch.

Wir haben in der Europäischen Union die schärfsten Sanktionen erlassen, die je gegen ein so großes Land wie Russland verhängt worden sind. Dabei haben wir aber die Sicherung unserer Energieversorgung und die Entwicklung der Preise im Blick behalten.

Die Bundesregierung hat auf die steigenden Preise mit zwei großen Entlastungspaketen reagiert. Insbesondere Bürgerinnen und Bürger mit niedrigen und normalen Einkommen, die besonders von den steigenden Preisen herausgefordert sind, werden entlastet.

Im Übrigen werden wir das auch weiter tun und uns diesen Fragen widmen. Wir werden in Kürze eine Konzertierte Aktion zusammenrufen, in der Arbeitgeber, Gewerkschaften und Staat darüber beraten, wie wir mit dieser Situation auch für die Zukunft umgehen wollen.

Daneben haben wir als einer der ersten Maßnahmen dieser Bundesregierung den gesetzlichen Mindestlohn auf 12 Euro angehoben. Das Gesetz wurde gerade auch im Bundesrat beschlossen und wird zum 1. Oktober für viele Bürgerinnen und Bürger eine deutliche Gehaltserhöhung mit sich bringen. Das gilt gerade für den Osten Deutschlands, wo der Anteil der Bürgerinnen und Bürger mit niedrigen Löhnen sehr hoch ist. Mehr als eine Million Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Ostdeutschland werden von dieser Erhöhung profitieren.

Bei den Löhnen gibt es immer noch große Unterschiede zwischen Ost und West. Diese Unterschiede sind 32 Jahre nach der Wiedervereinigung nicht zu rechtfertigen. Wir setzen uns deshalb für eine höhere Tarifbindung ein, um angemessene Löhne zu erreichen.

Auch das gilt: Der Osten Deutschlands ist einer der attraktiven Wirtschaftsregionen in Europa. Ostdeutschland profitiert von seiner zentralen Lage und gut ausgebildeten Fachkräften, auch wenn es immer noch einen klar erkennbaren Unterschied in der wirtschaftlichen Entwicklung zum Westen Deutschlands gibt.

Gestern habe ich beim Ostdeutschen Wirtschaftsforum betont: „Think big!“ Ostdeutschland ist attraktiv für internationale Industriekonzerne ‑ Intel in Magdeburg, BASF in Schwarzheide, Tesla in Grünheide und CATL in Thüringen sind Leuchtturmprojekte.

Die Koalition hat sich überdies vorgenommen, die Ansiedlung von neuen Bundeseinrichtungen und insbesondere Forschungseinrichtungen vorrangig in Ostdeutschland vorzusehen.

Zentrale Aspekte der wirtschaftspolitischen Diskussion sind natürlich die Fragen zur Energieversorgung. Die Ministerpräsidentin hat gerade darüber gesprochen. Dazu haben wir uns in unserem Gespräch ebenfalls intensiv ausgetauscht.

Bei der Transformation zu einer klimaneutralen Wirtschaft kann Ostdeutschland eine führende Rolle einnehmen. Insbesondere die erneuerbaren Energien und das Thema Wasserstoff bieten für die ostdeutschen Länder große Chancen. Hier ist bereits viel geschehen und es gibt viele weitere vielversprechende Initiativen in diesem Bereich.

Klar ist auch: Wir werden in der ganz konkreten Situation, etwa was die Anbindung des ostdeutschen Gasnetzes an die im Norden Deutschlands entstehenden LNG-Terminals oder was die Frage der Ölversorgung für Schwedt und Leuna betrifft, eng zusammenarbeiten, damit auch dort gute berufliche Perspektiven erhalten bleiben und diese Unternehmen ihre Wirkung für ihre Regionen auch weiter entfalten können.

Bund und Länder haben heute in ihrer Erklärung gemeinsame Ziele definiert und Maßnahmen vereinbart, zum Beispiel bei der Fachkräftegewinnung, bei der Verbesserung der Repräsentation Ostdeutscher in Führungspositionen und natürlich bei der Begrenzung der Auswirkungen des Krieges in der Ukraine.

Aus meiner Sicht ist wichtig, dass Bund und Länder bei der Umsetzung von gemeinsamen Zielen kooperieren und sich über Ziele abstimmen und so ihre Kräfte bündeln. Deshalb freue ich mich schon jetzt auf die weitere Zusammenarbeit. Sie ist wichtig für unser Land.

MP Kretschmer: Vielen Dank. Die Einladung hier auf die Insel Riems ist auch ein Signal. Die neuen Länder sind ein moderner, ein hochinnovativer Standort. So ist es uns gelungen, in den vergangenen 32 Jahren hier einen ganz attraktiven Lebens- und Arbeitsort zu schaffen. Wenn man sich anschaut, dass viele der 450 jungen Leute, die hier auf der Insel arbeiten, aus ganz Deutschland und international kommen, dann ist das genau das, was wir heute auch noch einmal vereinbart haben. Wir wollen mehr in Innovation, in Wissenschaft, investieren. Wir sind der Bundesregierung sehr dankbar, dass sie genau diesen Weg mit uns gehen will. Auch das ist ein Beitrag, diese Zeitenwende zu gestalten.

Konkret ging es um das Thema medizinische Forschung. Wir unterstützen Manuela Schwesig sehr dabei, wenn sie immer wieder den Finger in die Wunde legt. Gerade bei den großen Volkskrankheiten wie Krebs gibt es eben regionale Ungleichgewichte. Wir wissen, der Norden Deutschlands ist nicht so gut in der Spitzenforschung aufgestellt, wie er es sein müsste. Das kann, das muss man ändern. Deswegen wollen wir in diesem Bereich auch Akzente setzen. Wir wissen, dass diese Spitzenforschung auch eine unmittelbare Wirkung auf die Versorgung der Menschen in der Fläche hat. Das muss passieren.

Auf der anderen Seite haben wir viele Erfahrungen in den Ländern, gemeinsam mit unseren Krankenkassen, mit den Ärzten vor Ort: Welche Modelle kann es geben, um die medizinische Versorgung besser gewährleisten zu können? Wir müssen neue Wege gehen. Es geht nicht um das Ob, sondern es geht um das Wie. Selbstverständlich muss die Daseinsvorsorge gesichert sein. Wir sehen hier Defizite; die wollen wir gemeinsam schließen.

Der Bundeskanzler hat Carsten Schneider zum Beauftragten für die neuen Länder gemacht und im Kanzleramt verortet ‑ beides zwei gute Entscheidungen. Eine davon zeigt heute auch schon Wirkung, nämlich die neue Initiative zum Thema Wasserstoff.

Die neuen Länder sollen in diesem Zukunftsfeld stark vertreten sein. Deswegen war es der Gedanke von Carsten Schneider, hier eine gemeinsame gebündelte Initiative von allen sechs neuen Ländern zu organisieren. Das haben wir heute vereinbart. Diese gemeinsame Interessenvertretung mit Sitz in Berlin wird für unsere Interessen werben, gemeinsam mit der Industrie, gemeinsam mit der Forschung ‑ ein ganz, ganz wichtiger Punkt. Wasserstoff ist eine Zukunftstechnologie. Wir müssen hier unsere Kräfte bündeln, weil wir natürlich sehen, dass innerdeutsch mit Nordrhein-Westfalen, Bayern und Baden-Württemberg auch große Player am Werk sind.

Das Thema Fachkräfte ist schon zweimal angesprochen worden. Ich möchte es gern noch einmal betonen. Wir wissen, dass die demografische Entwicklung kurzfristig nicht mehr umzukehren ist. Wenn wir wollen, dass dieser Wachstumspfad hier auch im Osten bleibt, brauchen wir Zuwanderung von Menschen aus anderen Regionen. Das müssen wir klug machen. Das müssen wir klug machen; das müssen wir zielgerichtet machen. Die Herausforderungen in den neuen Ländern sind noch einmal andere als in anderen Teilen des Landes, wo es diese Tradition, diese Erfahrung schon gibt. Deswegen ist die gemeinsame Vereinbarung, noch in diesem Jahr zu einem Fachkräftegipfel zusammenzukommen, ganz wichtig. Wir müssen uns hier konkret aufstellen und brauchen einen Schulterschluss von Bund, Ländern, Kommunen, der Wirtschaft und der Gesellschaft, damit uns das gelingen kann.

Man hat bei diesem Treffen der Ministerpräsidenten heute hier in Mecklenburg-Vorpommern gespürt: Alle treibt das Thema Energie um. Alle sind in Sorge. So sehr wir unterstützen wollen, dass mit Sanktionen auch ein Stück weit Druck auf diejenigen ausgeübt wird, die diesen Krieg betreiben und dieses Verbrechen in der Ukraine begehen, für die es keine Rechtfertigung gibt, so sehr ist die Sorge, ob das alles richtig und gut ausgewogen ist. Deswegen war das ein wichtiger Punkt in der Diskussion.

Wir haben hier eine riesige Herausforderung, eine große Verantwortung auch für unser Land. In diesem Jahrzehnt entscheidet sich, wie sich die kommenden Jahrzehnte weiter entwickeln. Deswegen braucht es ein genaues Hinschauen: Wie geht das hier mit dem Öl? Wie geht das mit dem Gas?

Wir haben das intensiv diskutiert und sind sicherlich noch nicht an einem Endpunkt angekommen. Diese Frage wird uns weiter beschäftigen und braucht immer wieder ein genaues Hinschauen. Das gilt für den gesamten Bereich der Energiepolitik. Tausend Meter sind aus meiner Sicht ein guter Kompromiss, der vieles in den Ländern befriedet hat. Es ist richtig, wenn Manuela Schwesig sagt: Darüber hinaus muss es aber andere Möglichkeiten geben, sodass diejenigen, die von diesen Windrädern betroffen sind, die die ganze Zeit auf diese Windräder schauen, auch wissen: Ja, es ist richtig, und ich persönlich habe etwas davon. Die Vorschläge haben wir heute diskutiert und werden sicherlich in der nächsten Zeit zu einer Entscheidung kommen.

Vielen Dank für die Gastfreundschaft und die Möglichkeit, diese Dinge heute so qualifiziert zu beraten und auch zu konkreten Vereinbarungen zu kommen.

STM Schneider: Vielen Dank, meine sehr verehrten Damen und Herren. Liebe Manuela Schwesig, vielen Dank für die Einladung. Es ist für mich heute das erste Mal, dass ich hier an der MPK Ost dabei sein darf. Hier geht ein Geist ‑ man merkt das ‑ über die Parteigrenzen hinweg, nämlich Ostdeutschland insgesamt nach vorn zu bringen. Das ist das Ziel der Bundesregierung, auch für alle sie tragenden Parteien, aber es ist auch Ziel der Landesregierungen in den jeweiligen sehr unterschiedlichen Ländern. Denn das Ostdeutschland gibt es gar nicht. Aber es gibt Gemeinsamkeiten und gemeinsame Interessen.

Einige hat Manuela Schwesig schon genannt. Einige hat Michael Kretschmer eben noch genannt, was insbesondere den Bereich der Fachkräftesicherung angeht. Man könnte auch Zuwanderung sagen. Das kommt dann her mit einer vollkommenen Veränderung, so wie der Bundeskanzler das eben auch erwähnt hat.

Letztendlich haben wir den Blick auf Ostdeutschland, nämlich eine Zukunftsregion, in der neue Arbeitsplätze entstehen ‑ hoffentlich auch tarifvertraglich gebunden ‑, in der Forschung vorneansteht, in der aber insbesondere auch eine lebenswerte Landschaft das Lebensumfeld gestaltet. Gerade das ist in Mecklenburg-Vorpommern besonders zu erwähnen.

Von daher: Wir haben eine vollkommene Veränderung im Vergleich zum Blick der letzten 30 Jahre. Ich finde, heute ist eine gute Gelegenheit, diesen Punkt auch wahrzunehmen und nach vorn zu schauen. Im Gegenteil: Ostdeutschland arbeitet zusammen. Deswegen bin ich für die beiden Beschlüsse noch einmal zusätzlich dankbar, insbesondere, dass wir das neue Zukunftsthema der Wasserstoffstrategie, das auch für die Energieversorgungssicherheit wichtig ist, gemeinsam angehen können und dass dem nicht engstirnige Länderinteressen entgegenstehen. Im Gegenteil: Ostdeutschland arbeitet zusammen.

Beim zweiten Thema ist es umso bemerkenswerter, dass wir eine gemeinsame Initiative für mehr Fachkräftesicherung bekommen, eine Attraktivitätssteigerung erreichen und auch in unsere verschiedenen Bundesländer das klare Signal aussenden, zu uns kommen und letztendlich hier sein Glück zu finden. Von daher tut nicht nur MV gut, sondern Ostdeutschland tut auch Europa und Deutschland gut. Vielen Dank!

Frage: Herr Bundeskanzler, Sie haben für die Reise in die Ukraine etwas Konkretes angekündigt. Was bringen Sie denn Konkretes mit, wenn Sie in die Ukraine reisen? An wen gehen die ersten Marder-Panzer, und wann werden die Panzerhaubitzen geliefert?

BK Scholz: Es ist alles so, wie angekündigt. Wir werden die Waffen, die wir auf den Weg gebracht haben, alle liefern. Die Industrie hat sie in ihrem Bestand und bereitet sie entsprechend vor - oder entsprechend die Bundeswehr, wo sie dafür zuständig ist. Es finden gegenwärtig Übungen statt. Ich glaube, dass es wirklich eine gute Sache wäre, wenn der eine oder andere noch einmal kurz überlegt, bevor er seine Meinung zu dem einen oder anderen Thema äußert.

Es wäre ein Fehler gewesen, die Panzerhaubitze 2000, die auf der ganzen Welt eine der modernsten Waffen mit der größten Leistungsfähigkeit im Artilleriebereich ist, einfach ohne jede Instruktion, ohne Ausbildung und sonst etwas auszuliefern. Jetzt finden in Deutschland Ausbildungen für dieses Gerät statt. Und einige sagen: Wieso ist sie nicht ausgeliefert? Die Frage könnte man einfach beantworten: Weil das beides zusammengehört und etwas ist, das miteinander vorbereitet werden muss.

Das Gleiche gilt übrigens auch für den Flakpanzer Gepard. Deshalb bitte ich noch, zu wollen, dass wir wirklich effektive Hilfe leisten. Es geht hier nicht um Presseerklärungen. Es geht um richtig schweres Gerät. Das muss man benutzen können; dafür muss man trainiert werden. Das findet gegenwärtig in der Bundesrepublik Deutschland statt. Diejenigen, die daran trainiert werden, wissen genau, warum das so ist. Es ist nämlich wirklich schwer, und es ist wirklich hocheffizient, was wir dort zur Verfügung stellen werden.

Das gilt auch für manche der anderen Ankündigungen, die ich gemacht habe, etwa was Cobra oder IRIS-T betrifft. Das sind hochmoderne Systeme, die auf der ganzen Welt gerne gewollt werden, für die es lange Bestelllisten gibt und was viele gerne haben wollen. Wenn man die einsetzen will, muss man sich übrigens auch mit denjenigen, die sie schon länger bestellt haben, darüber verständigen, dass sie bereit sind, zurückzutreten. Aber dann wird die Industrie in Deutschland so schnell wie möglich liefern. Das hat sie bereits vorbereitet. Wir hätten das nicht angekündigt, wenn die Bereitschaft dazu nicht vorher dagewesen wäre.

Ansonsten ist es so, dass alles gilt, was ich im Hinblick auf die Frage unseres kontinuierlichen Gesprächs mit der Ukraine bisher gesagt habe. Dazu wird immer das Nächste gesagt, wenn es etwas zu vermelden gibt.

Frage: Herr Bundeskanzler, der Bundeswirtschaftsminister plant eine rigide Verschärfung des Kartellrechts. Er wurde mit den Worten „mit Klauen und Zähnen“ zitiert. Unterstützen Sie das? Was erwarten Sie von so einer Verschärfung des Kartellrechts?

BK Scholz: Die Bundesregierung ist marktwirtschaftlich orientiert. Deshalb ist es so, dass wir dafür sind, dass es keine falschen Beeinflussungen von Marktpreisen gibt. Das Kartellrecht ist dazu ein ganz, ganz wichtiges Schwert der Sicherstellung einer hohen Effizienz marktwirtschaftlicher Ordnung.

Darüber sind sich alle drei Parteien, die diese Regierung tragen, einig. Es ist jetzt richtig, dass wir wegen der aktuellen Entwicklung der Preise genau hinschauen, dass sich auch das Bundeskartellamt bemüht, das Notwendige zu tun, wir dabei aber auch untersuchen, ob die Instrumente und Möglichkeiten, die wir haben, ausreichen und uns dann auch nicht scheuen, dort, wo wir Effizienzdefizite feststellen, gesetzgeberische Maßnahmen zu ergreifen.

Frage: Herr Bundeskanzler, wir wollen wissen, was Ihre Reise nach Kiew angeht: Wie konkret sind die Pläne? Was haben Sie im Gepäck?

BK Scholz: Ich glaube, der Regierungssprecher hat alles das, was wir jetzt zu diesen Themen sagen können, bereits gesagt.

Frage (ohne Mikrofon; akustisch unverständlich)

MP’in Schwesig: Ja, ganz konkrete Ergebnisse. Ein konkretes Ergebnis haben wir eben schon vorgestellt. Wir haben uns darauf verständigt, dass alle ostdeutschen Bundesländer inklusive Berlin eine gemeinsame Interessenvertretung gründen, eine Art Koordinierungsstelle, die zukünftig das ganze Thema Wasserstoff ‑ zum Beispiel die Förderung von Wasserstoff ‑ bündelt, dass nicht jedes Bundesland allein losgeht.

Es gibt ja andere Regionen, die in Deutschland größer sind. Wir schließen uns zusammen, weil wir bei allem jetzt konkret schauen müssen: Wo haben wir andere Möglichkeiten, Öl zu besorgen? Wo haben wir andere Möglichkeiten, Gas zu besorgen? Die echte Unabhängigkeit für Deutschland gibt es nur in Bezug auf das Thema erneuerbare Energien. Wir haben viel Windkraft; wir haben auch viel Sonne. Aber entscheidend ist die Speichertechnologie. Da spielt Wasserstoff eine große Rolle. Alle haben sich auf den Weg gemacht. In Mecklenburg-Vorpommern gibt es ein großes Wasserstoffkraftwerk ‑ in Rostock ist das die APEX Group ‑, aber auch in vielen anderen Bundesländern.

Uns geht es jetzt darum, dass wir im Bund, aber auch in der Europäischen Union eine Interessenvertretung haben wollen. Wir haben uns heute darauf verständigt, dass wir ostdeutschen Bundesländer uns zusammenschließen und dies gemeinsam finanzieren. Wir haben von der Bundesregierung die Zusage, dass sie uns bei der Finanzierung hilft. Das ist etwas ganz Konkretes, wie ostdeutsche Interessen beim Zukunftsthema Wasserstofftechnologie gebündelt werden.

Zweiter Punkt: Wir haben eben darüber gesprochen, wie wichtig das Thema Fachkräfte für die Zukunft von Ostdeutschland ist. Hier wollen wir Richtung Herbst eine gemeinsame Konferenz „Fachkräfteoffensive Ostdeutschland“ abhalten, und zwar mit der Bundesagentur für Arbeit und ihrer zukünftigen neuen Chefin und auch der Bundesregierung. Der Ostbeauftragte wird dabei sein.

Punkt drei: Wir haben uns in der Riemser Erklärung ganz klar darauf verständigt, dass das gemeinsame Ziel des Bundes und der ostdeutschen Länder ist, uns unabhängig von russischem Öl und russischem Gas zu machen und dass die ostdeutschen Länder dabei helfen. Zum Beispiel wollen wir mit den beiden Standorten Rostock und Lubmin prüfen, wie wir über diese Standorte konkret helfen können. Von dort gibt es zum Beispiel Verteilungen von Öl nach Schwedt oder Gas von Lubmin in alle ostdeutschen Länder runter nach Süddeutschland bis nach Tschechien. Der Bund prüft, welche Investitionen dazu notwendig sind.

Das sind alleine drei konkrete Beispiele, über die wir uns heute verständigt haben.

Es gibt noch mehr in der Riemser Erklärung. Ich freue mich sehr, dass wir uns heute auch über Thema medizinische Versorgung verständigt haben. Weil wir uns in den letzten Jahren alle hoch und runter Gedanken um Corona gemacht haben, ist eigentlich das zu kurz gekommen, was wir in der Coronazeit erlebt haben, dass nämlich wohnortnahe medizinische Versorgung wichtig ist, dass unsere Krankenhäuser am Limit sind, dass die Fallpauschalen nicht die ideale Finanzierung sind. Deswegen haben wir ostdeutschen Länder uns heute darauf verständigt, dass wir mit dem Bund darüber sprechen wollen, wie wir zu einer besseren medizinischen Versorgung kommen.

Am Donnerstag ist der Bundesgesundheitsminister in Mecklenburg-Vorpommern, und zwar in Rostock bei der Branchenkonferenz Gesundheitswirtschaft. Das ist eine schöne und eine gute Grundlage, mit dem Bundesgesundheitsminister ganz konkret über diese Initiative zu sprechen.

Allerletzter Punkt: Wir haben außerdem darüber gesprochen und darauf hingewiesen, dass unser Entlastungspaket, das Bund und Länder geschnürt haben, schon einmal ein wirklich großer Schritt ist. Im Herbst bekommt eine vierköpfige Familie mit zwei Berufstätigen und zwei Kindern 800 Euro Unterstützung: Energiegeld von 300 Euro für die Berufstätigen und 100 Euro für jedes Kind. Das ist eine gute Summe. Diese Summe wird nicht alles, was an Herausforderungen finanzieller Art kommt, ersetzen. Aber es ist das ganz deutliche Signal: Bund und Länder lassen die Bevölkerung, lassen die Familien, lassen die Berufstätigen bei dem Thema Preise nicht im Stich.

Wir haben heute darüber gesprochen, dass natürlich wichtig ist, an dieser Stelle weiterzumachen. Wir haben vor allen Dingen die Geringverdiener und die Rentnerinnen und Rentner im Blick. Der Bundeskanzler hat heute noch einmal berichtet, was er auch schon im Deutschen Bundestag erklärt hat, dass er eine konzertierte Aktion mit den großen Sozialpartnern plant. Das ist zum Beispiel etwas, was ich ausdrücklich unterstütze. Das zeigt doch, dass der Bundeskanzler sich neben den internationalen Fragen, die hier auch aufgerufen werden, ganz konkret kümmert: Wo kommt die Energie her? Was bedeutet das für die Preise? Wie können wir die Bürger unterstützen?

Wir hatten heute nicht nur das Gefühl, sondern mitbekommen: Der Bundeskanzler hat das alles konkret im Blick. Das sind konkrete Ergebnisse. Damit können wir sehr zufrieden sein. Bisher gab es in den vergangenen Ost-Ministerpräsidentenkonferenzen keine gemeinsame Erklärung mit dem Bund, sondern nur Forderungen von den Ländern. Jetzt gibt es eine gemeinsame Erklärung und damit auch ein gemeinsames Verständnis für diese Themen.

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