Pressekonferenz von Bundeskanzler Scholz anlässlich des Treffens der Europäischen Politischen Gemeinschaft am 1. Juni 2023 in Bulboaca

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BK Scholz: Meine Damen und Herren, ganz Europa ist heute zu Gast in der Republik Moldau. Die Staats- und Regierungschefs von 47 europäischen Ländern sind heute in einem wohl einmaligen Bekenntnis auch zur Solidarität mit Moldau hier zu Gast auf Schloss Mimi.

Europa steht zusammen und wächst zusammen auch in Reaktion auf den abscheulichen Krieg, den Präsident Putin gegen die Ukraine vom Zaun gebrochen hat. Ein Krieg, der viele Männer und Frauen, Kinder, Erwachsene und Ältere das Leben gekostet hat, der massive Zerstörung verursacht und noch mehr Ukrainerinnen und Ukrainer zur Flucht veranlasst hat.

Mit dem heutigen Treffen der Europäischen Politischen Gemeinschaft setzen wir ein starkes Signal gegen den russischen Imperialismus, ein Signal für gute und konstruktive Zusammenarbeit in Europa. Das ist mir auch wichtig im Hinblick auf die Europäische Politische Gemeinschaft insgesamt. Denn wenn wir einmal die Staaten anschauen, die hier zusammenkommen, sind das alle, die sich gegen die imperialistische Attacke Russlands zur Wehr setzen, mit dieser nicht einverstanden sind und selber solche Vorstellungen von Kolonisierung von Nachbarn, von Einflusssphären nicht teilen. Deshalb ist es bei all den Streitigkeiten und Schwierigkeiten, die auch zwischen einzelnen der hier versammelten Ländern existieren, so, dass trotzdem alle dieses Prinzip jedenfalls für sich als zentrales unterschreiben und alle deshalb gemeinsam genau verstehen, dass der russische Angriff auf die Ukraine auch ein Angriff auf die Friedens- und Sicherheitsordnung Europas ist und damit auf die Art und Weise, wie wir uns Europa für die Zukunft vorstellen.

Das Belarus und Russland nicht da sind, aber alle anderen, ist eigentlich auch eines der Zeichen der heutigen Zusammenkunft. Damit steht es natürlich in großen Traditionen, vielleicht auch in solch einer, die mit der Friedensordnung verbunden ist, die der Westfälische Frieden einmal hergestellt hat, die Vorstellung nämlich, dass Souveränität und territoriale Integrität Dinge sind, die man beachten soll und dass der Frieden der Staaten untereinander eine große Bedeutung für uns in Europa hat.

Wir stehen gemeinsam an der Seite der Ukraine und werden auch nicht bei der Unterstützung der Ukraine nachlassen und sie weiter politisch, finanziell, humanitär, aber auch mit Waffen unterstützen. Deshalb hat das natürlich große Symbolkraft. Die Republik Moldau ist neben der Ukraine wie kaum ein zweites europäisches Land den fortwährenden Destabilisierungsversuchen Moskaus ausgesetzt. Deshalb ist die große Solidarität Moldaus gegenüber der Ukraine etwas Bemerkenswertes. Ich danke Staatspräsidentin Maia Sandu und den Bürgerinnen und Bürgern Moldaus ganz besonders für ihre Unterstützung.

Mit dem heutigen Gipfel verbindet sich auch das Bekenntnis für Moldau - selbstverständlich für die Ukraine und perspektivisch für Georgien -, Mitglied der Europäischen Union werden zu können. Das gilt auch für die westlichen sechs Balkanstaaten, die Mitglied der Europäischen Union werden wollen und jetzt 20 Jahre darauf warten, dass das längst gegebene Versprechen auch umgesetzt wird. Da haben wir große Fortschritte zu verzeichnen, um die wir uns hier auch bemüht haben.

Sie wissen, dass ich im Übrigen zusammen mit meinem französischen Kollegen Emmanuel Macron sehr direkte Gespräche geführt habe, um ganz konkret dazu beizutragen, dass wir helfen können, Spannungen, die zwischen einzelnen Ländern existieren, abzubauen. Wir haben intensiv mit Armenien und Aserbaidschan gesprochen. Wir haben uns intensiv mit Kosovo und Serbien unterhalten. Wir sind ohnehin dabei, weiter voranzutreiben, dass das Versprechen, das wir Nordmazedonien im Hinblick auf die Beitrittsprozess zur Europäischen Union gegeben haben, mit den Entscheidungen realisiert werden kann, die wir in dem Fall in der EU getroffen haben, wo es aber auch darum geht, hier dafür zu werben, dass alle ihren Beitrag leisten, dass das jetzt auch Realität werden kann.

Also eine wichtige Aufgabe, der ich mich zusammen mit meinem französischen Kollegen nicht nur heute widme, aber eben bei der Gelegenheit dieses Treffens ganz besonders. Das ist auch einer der großen Vorteile dieser Zusammenkunft, dass wir jetzt die Gelegenheit haben, hier viele solcher Gespräche und Treffen informell zu organisieren.

Ansonsten hat es viele andere Themen gegeben, die wir miteinander verhandeln wollen und die uns bewegen. Die Energieversorgung Europas gehört dazu, aber auch die Infrastrukturen, die Verbindungen, die Netze, die wir haben, und ihr weiterer Ausbau, die Verbesserung dieser Infrastrukturen, der Energieproduktion, der Möglichkeiten der Verknüpfung, was eine große Rolle auch für den Wohlstand und die Versorgungssicherheit unseres europäischen Kontinents spielen wird.

Das gilt insbesondere natürlich auch unverändert für die Herausforderungen, die sich für viele im Hinblick auf die russischen Gaslieferungen stellen. Wir sind in Deutschland sehr schnell in der Lage gewesen, uns unabhängig von sehr erheblichen Importen von Öl und Gas aus Russland zu machen. Andere Länder haben diese Aufgabe noch vor sich. Aber auch da hilft der Zusammenhalt und auch diese Zusammenkunft, die wir heute haben.

Insgesamt also ein sehr gutes Treffen. Ich habe bei den Beratungen heute gesagt: Alles, was zweimal stattgefunden hat, ist schon eine Tradition. Und so wird es dann wohl sein. Wenn wir uns das nächste Mal treffen, ist es dann schon eine lange und fest etablierte Tradition. Sie hat sich aber bewährt, weil wir - das vielleicht noch zum Schluss – bei den Prinzipien klar geblieben sind, dass nämlich hier miteinander geredet wird, dass das nicht einfach nur die Europäische Union und ihre Freunde ist, sondern dass das eben die Staaten Europas sind, die sich auf die Art und Weise zusammenfinden, wie ich das eben beschrieben habe, und dass nicht wochen- und monatelang vorher irgendwelche Entschließungen verhandelt werden, die dann hier veröffentlicht werden können, sondern dass tatsächlich das Gespräch im Mittelpunkt steht. Das macht es dann auch möglich, sich öfter zu treffen, gegenwärtig zweimal im Jahr. Das macht es dann auch möglich, dass dabei sehr viele Verbesserungen des Miteinanders zustande kommen, ohne dass sich das in ganz konkreten Beschlüssen niederschlägt. Aber solche Treffen müssen eben auch sein. Für manche Länder wäre es eben gar nicht so einfach, jeden, der hier versammelt ist, in absehbarer Zeit zu treffen. Dass das hier gelingt, ist ein großer Fortschritt, auch für unser Europa.

Frage: Herr Bundeskanzler, der ukrainische Präsident hat heute hier nicht nur eine Kampfjet-Koalition gefordert, sondern auch eine Koalition zur Lieferung von Patriot-Luftverteidigungssystemen. Deutschland hat ein solches System schon geliefert. Sind Sie bereit, weitere zur Verfügung zu stellen?

Es gibt eine weitere konkrete ukrainische Anfrage, nämlich die nach Taurus-Marschflugkörpern. Konnten Sie dem ukrainischen Präsidenten heute zusagen, diese zu liefern?

BK Scholz: Deutschland ist das Land, das nach den USA die größte Unterstützung zur Verfügung stellt - finanziell, humanitär, aber eben auch mit den Waffen, die notwendig sind, damit die Ukraine sich verteidigen kann. Im Mittelpunkt unserer Bestrebungen stand und steht all das, was wir neben den Panzern geliefert haben, was der Luftverteidigung dient. Das ist ja gerade jetzt in dieser Situation ganz zentral.

Wir haben mit dem Paket im Wert von noch einmal 2,7 Milliarden Euro, das wir bei dem Besuch von Präsident Selensky geschnürt haben, gerade auf diesen Bereich sehr viel Wert gelegt und werden das Stück für Stück verbessern. Gleichzeitig ist es so, dass wir natürlich immer gucken, was mit unseren Freunden und Verbündeten genau in diesem Bereich zusätzlich möglich ist. Das ist aber nicht ganz einfach, weil das natürlich alles nur gemeinsam betrachtet werden kann, um gleichzeitig die Sicherheitsaufgaben, die für Europa erfüllt werden müssen, nicht zu vernachlässigen. Aber was wir machen, können wir im Prinzip auch immer mehr machen, wenn wir dazu Gelegenheiten haben.

Zusatzfrage: Und die Marschflugkörper?

BK Scholz: Ich habe über die Dinge gesprochen, die jetzt möglich sind und mit denen wir uns beschäftigen.

Frage: Herr Bundeskanzler, zwei Fragen zur Nato-Perspektive für die Ukraine.

Der ukrainische Präsident hat heute Mittag bei der Eröffnungssitzung eine eindeutige Einladung in Vilnius zur Mitgliedschaft gefordert. Ist das aus Ihrer Sicht realistisch?

Die zweite Frage: Der französische Präsident hat uns eben hier dargelegt, wie er sich Sicherheitsgarantien vorstellt, die vor Vilnius ausgehandelt werden sollen. Er sagte: mehr als Garantien, die man Israel gegeben hat, und weniger als eine volle Mitgliedschaft in der Allianz. Entspricht das auch Ihrem Denken? Können Sie diese Formel etwas erläutern? Was heißt das dann?

BK Scholz: Es ist allen klar, dass es jetzt darum geht, die Ukraine zu unterstützen und es gerade auch in der jetzigen Situation nicht darum geht, eine Mitgliedschaft zu begründen. Insofern haben wir uns alle darauf zu konzentrieren, wie wir als einzelne Staaten die Ukraine unterstützen können. Das ist eine Aufgabe, die die Mitgliedstaaten der Nato wahrnehmen, aber nicht als Nato, sondern die Mitgliedstaaten ganz bewusst, um die Situation darauf zu konzentrieren, die Ukraine in ihrem Verteidigungskampf zu unterstützen, ohne eine Eskalation des Krieges zu einem Krieg zwischen Nato und Russland zuzulassen. Das ist genau das Prinzip, das wir verfolgen, das sich bewährt hat und an dem wir auch weiter festhalten werden. Die Nato hat mit ihren Möglichkeiten unterstützt, die aber eben nicht Waffenlieferungen beinhaltet hat, wie sie zum Beispiel Deutschland aufgebracht hat. Dieser Kurs wird sicherlich auch für die nächste Zeit weiter gelten.

Was die Frage der Sicherheitsgarantien für die Ukraine in einer Situation nach dem Krieg betrifft, ist das etwas, was uns schon lange beschäftigt. Dabei geht es in der Tat darum, wie wir möglichst wirksame Sicherheitsgarantien formulieren können, die aber anders sind, als sie gegenwärtig mit einer Nato-Mitgliedschaft zum Beispiel eines europäischen Landes verbunden wären. Das genau zu besprechen und voranzubringen ist eine Aufgabe, der wir uns im Übrigen schon seit dem Kriegsausbruch widmen und wozu wir in intensiven Diskussionen mit anderen Freunden und Partnern sind. Das wird uns sicherlich auch noch beschäftigen.

Frage: Herr Bundeskanzler, erlauben Sie, dass ich da noch einmal nachfrage. Präsident Macron hat auch gesagt, dass er dabei jetzt vorankommen will. Sie treffen sich ja noch im Juni. Er sagte, dann wollen Sie bis zum Nato-Gipfel in Vilnius weiter darüber sprechen. Das ist ja nicht mehr lange. Wird man da schon konkrete Sicherheitsgarantien präsentieren? Ist das der Fahrplan?

BK Scholz: Die Sicherheitsgarantien müssen konkret beschrieben werden. Gleichzeitig geht es darum, zu gucken, wer sie konkret gewährleisten kann. Das ist ein Prozess, der, wie ich gesagt habe, schon seit einiger Zeit im Gange ist und der sicherlich mit dem weiteren Fortlauf der Dinge immer noch einmal neue Veränderungen mit sich bringen wird. Leider sind wir ja noch weit davon entfernt, uns über die Frage Gedanken machen zu können, wie eine Sicherung eines Friedens im Frieden gelingen kann; denn da sind wir ja noch nicht. Wir sind mitten im Krieg. Jeden Tag bombardiert Russland ukrainische Städte, Dörfer, Infrastrukturen, jeden Tag sterben in der Ukraine Menschen angesichts des Raketen- und Bombenterrors, und das dürfen wir nicht vergessen.

Frage: Können Sie noch einmal sagen, worin aus Ihrer Sicht heute der Fortschritt der Gespräche mit Serbien und Kosovo bestanden hat? Der französische Präsident hat eben von einer Art Deeskalationsplan geredet, den man vereinbart habe und der nächste Woche sozusagen weiter konkretisiert werden soll.

Eine zweite Frage zum Format der Europäischen Politischen Gemeinschaft; Sie sind ja schon ein bisschen darauf eingegangen: Am Anfang herrschte der Verdacht, dass das so eine Art luxuriöses Wartezimmer für die EU sein soll. Ist dieser Verdacht inzwischen ausgeräumt? Welchen Eindruck haben Sie da von den betroffenen Partnern erhalten?

BK Scholz: Zunächst einmal ist es so, dass sich der französische Präsident und ich, aber auch andere wie zum Beispiel Herr Borrell, sehr darum bemühen, dass wir die jetzt wieder größeren Spannungen wieder deeskaliert bekommen. Das ist eine Aufgabe, der wir uns natürlich auch deshalb sehr verpflichtet fühlen, weil wir nun schon kurz davor sind, eine sehr strukturelle und dauerhafte Lösung für den Konflikt zwischen Kosovo und Serbien zu finden, mit den verhandelten Vereinbarungen, die alle eingeführt werden müssen. Darüber haben wir ganz intensiv und ernsthaft gesprochen und auch den Beteiligten hier unsere Sicht der Dinge erläutert, und wir werden sehen, was davon gelingen wird. Aber es ist natürlich eine sehr ernste Sache, und darum haben wir auch mit allem Ernst, der dabei angebracht ist, hier diese Gespräche gesucht, sie auch mit unseren Gesprächspartnern vertieft und intensiv die Herausforderungen, die sich dort stellen, erörtern können. Das erfordert Mut bei allen Beteiligten, weil es ja darum geht, dass man als politisch Verantwortlicher auch seinen Beitrag dazu leisten muss, dass eine Deeskalation gelingt. Das ist ja nicht nur mit Forderungen an andere, sondern auch mit Forderungen an sich selbst verbunden, und das ist oft das Schwerste in der Politik.

Was die Frage nach der Europäischen Politischen Gemeinschaft betrifft, will ich gar keinen Hehl daraus machen, dass ich die für einen großen Erfolg halte und glaube, dass uns da etwas ganz Wichtiges gelungen ist, auch deshalb, weil wir uns, als wir diese Idee geformt haben, genügend Zeit genommen haben, zu überlegen, welche Rolle sie spielen soll. Wir haben den Europarat. Wir haben die OSZE. Wir haben die Europäische Union mit ihren assoziierten Mitgliedern, wir haben die Europäische Union und die Östliche Partnerschaft, wir haben die Europäische Union und Länder, die ihr beitreten wollen. Aber damit ist ja das ganze Europa nicht umfasst. Deshalb ist es ganz wichtig, wenn wir hier zusammenkommen, dass das nicht „die Europäische Union und andere“ sind, sondern dass es eben diese 47 europäischen Staaten sind, die hier eingeladen sind und sich eben von Russland und Belarus mit ihrer Idee von einer Welt unterscheiden, die sich in Einflusssphären aufteilen lässt. Es geht dabei um die Konstitution einer Kooperation europäischer Staaten, und da sind dann eben ganz kleine wie Monaco und Liechtenstein dabei, große wie Großbritannien oder ein Land wie Norwegen sowie viele Länder wie zum Beispiel Georgien, Armenien und Aserbaidschan. Gerade das ergibt einen Sinn, dass das auf diese Art und Weise zusammenkommt und dass es eben auch andere Aufgaben als die OSZE hat, andere Aufgaben als der Europarat hat und eine andere Aufgabe als alles das, was sich direkt um die Europäische Union herum rankt. Mir ist wichtig, dass man das auch betont. Ich habe auch hier in meinen Gesprächen gesagt, auch in unseren großen Diskussionen, dass das etwas ist, das einen eigenen Wert hat.

Es ist auch kein Warteraum für die Europäische Union. Das würde, wenn das so verstanden werden würde, schnell an Interesse verlieren. Das ist etwas Eigenständiges, das durch seine Beschränkung auf das, was damit verbunden sein kann, nämlich dass sich Staats- und Regierungschefinnen und Staats- und Regierungschefs miteinander treffen und einmal die Gelegenheit haben, sich im Rahmen dieser Zusammenkunft als Europäer zu treffen, das Gute ist.

Frage: Herr Bundeskanzler, ich habe noch eine Frage zu den Sicherheitsgarantien, auch wenn das natürlich noch ein längerer Prozess ist: Was ist denn Ihre persönliche Idealvorstellung davon?

BK Scholz: Sicherheitsgarantien müssen so beschaffen sein, dass sie der Ukraine die Sicherheit vor der Gefahr, angegriffen zu werden, geben, die sie braucht, und dass sie gleichzeitig auch die Ukraine stabilisieren. Das bedeutet natürlich auch ein Commitment im Hinblick auf die Herstellung von Verteidigungsfähigkeit seitens der Ukraine. Natürlich gehört zur Sicherheitsgarantie immer auch, dass sie ernst genommen wird, also nicht nur von denjenigen, denen man die Sicherheit garantiert, sondern auch von allen anderen. Das ist die Aufgabe, der wir uns nun wirklich schon lange widmen und mit der wir uns auch noch länger beschäftigen werden. Wie das konkret aussehen kann, wird sich sicherlich auch im weiteren Verlauf, der ja unterschiedliche Entwicklungsmöglichkeiten mit sich bringen kann, noch weiter verändern.

Frage: Ich habe auch eine Nachfrage zum Kosovo und zu Serbien. Können Sie bestätigen, dass es hier nicht nur separate Treffen mit den beiden Spitzen gab, sondern auch ein Vierer-Treffen mit Ihnen und Herrn Macron?

BK Scholz: Das kann man sogar durch ein Foto nachprüfen. Es standen Kolleginnen und Kollegen von Ihnen, die sich mit dieser Aufgabe beschäftigen, herum und haben das für die Nachwelt dokumentiert.

Zusatzfrage: Fantastisch! – Hoffen Sie jetzt auf eine Beruhigung der Lage in der Region?

BK Scholz: Die Lage ist sehr ernst, und ich will noch einmal sagen: Das erfordert auf allen Seiten die Bereitschaft, mutig zu sein, um die Situation zu deeskalieren und die Möglichkeit eines strukturellen Konsenses, der mit dem fertig verhandelten Vorschlag verbunden ist, der ja nun auf dem Tisch liegt und der nur implementiert werden muss, nicht gewissermaßen in die Ferne entschwinden zu lassen, weil man jetzt in dieser konkreten Situation nicht den Mut hat, die richtigen Handlungen zu verantworten.

Frage: Herr Bundeskanzler, ich habe noch eine Frage zum deutsch-russischen Verhältnis. Man hatte die letzten Tage und Wochen den Eindruck, dass sich das Verhältnis gerade so ein bisschen in einer Abwärtsspirale befindet, mit den Schließungen der Konsulate und dann im Grunde genommen auch dem Gutheißen dieser Angriffe auf Moskau. Würden Sie diesen Eindruck teilen, würden Sie auch sagen, momentan läuft das gerade doch in eine sehr negative Richtung, oder planen Sie in nächster Zeit einmal wieder ein Telefonat mit dem russischen Präsidenten?

BK Scholz: Ich habe in der Vergangenheit mit dem russischen Präsidenten gesprochen. Das werde ich auch zu einem mir geeignet erscheinenden Zeitpunkt gerne wieder tun. Aber das, was stattfindet, ist ja der russische Krieg gegen die Ukraine, und das ist das, was es auch zu berichten gibt. Das bedroht die Friedens- und Sicherheitsordnung Europas und ist mit furchtbaren Zerstörungen und unglaublich vielen Verlusten an Menschenleben verbunden.

Frage: Herr Bundeskanzler, ich habe auch noch eine Nachfrage zum Thema der Sicherheitsgarantien. Wenn ich Sie richtig verstanden habe, haben Sie vorhin gesagt, man müsse die nach Ende des Krieges formulieren. Bedeutet das, dass auch nach Ende des Kriegs, den die Ukraine überstanden hätte, nicht sicher ist, dass die Ukraine Nato-Mitglied wird?

BK Scholz: Dazu gibt es Beschlüsse, die schon lange existieren. Die sind in Bukarest gefasst worden. Mehr kann man dazu jetzt gar nicht sagen.

Aber das Thema, das uns versammelt und jetzt bewegt, ist, wie wir die Unterstützung für die Ukraine bei ihrem Verteidigungskampf organisieren können. Das ist die Aufgabe, die wir jetzt haben.

Zusatzfrage: Bedeutet das dann im Zweifel auch, nach einem Kriegsende wäre einfach nur weiter die Tür für die Ukraine offen?

BK Scholz: Es gibt sehr klare Kriterien für die Mitgliedschaft. Dazu steht zum Beispiel darin, dass man keine Grenzkonflikte hat.

Frage: Ich habe noch einmal eine Nachfrage zur Europäischen Politischen Gemeinschaft. Was könnte denn, vielleicht auch ein bisschen in die Zukunft gedacht, der Kitt sein, der diese Gemeinschaft zusammenhält, außer dass man gegen Russland und Belarus ist?

BK Scholz: Dass hier ein Angriff auf die europäische Friedens- und Sicherheitsordnung stattgefunden hat und die Verständigung darauf, dass mit Gewalt keine Grenzen verändert werden sollen, hat den Prozess jetzt sicherlich als Katalysator beschleunigt. Auch wenn man sich all die Staaten, die hier versammelt sind, einmal anschaut, und ein bisschen geschichtlich interessiert ist, dann weiß man von ganz schön vielen Grenzverläufen zu berichten, die es historisch gegeben hat. Dass wir uns alle einig sind, dass wir das Prinzip der territorialen Integrität richtig finden, ist wichtig, und um das zu stärken, habe ich ja dann auch zusammen mit meinem Freund Emmanuel Macron meine Bemühungen verstärkt, hier Gespräche zu führen, damit das auch dauerhaft gut zwischen allen Beteiligten funktioniert.

Ansonsten geht es aber natürlich um ein gemeinsames Interesse an der Entwicklung Europas als, wie ich für mich gerne hinzufüge, einem Europa, in dem es viele Staaten gibt, die sich den Prinzipien nicht nur einer Friedens- und Sicherheitsordnung, die nicht revisionistisch ist, verpflichtet fühlen, sondern die gleichzeitig Demokratie und Rechtsstaatlichkeit und soziale Marktwirtschaft als Prinzipien ihrer Selbstorganisation betrachten. Auch darum geht es natürlich, wenn wir hier zusammenkommen.

Frage: Herr Bundeskanzler, die Äußerungen des US-Außenministers legen nahe, dass man die Schuld für die Eskalation im Kosovo eher bei der kosovarischen Regierung sieht. Teilen Sie diese Einschätzung?

BK Scholz: Es ist jetzt wichtig, dass alle Beteiligten alles dafür tun, dass es zu einer Deeskalation kommt, und das setzt natürlich voraus, dass das auch in dem Geist der Verständigung gemacht wird, die wir getroffen haben. Dazu gehört, dass sich die Bürgerinnen und Bürger vor Ort an den Wahlen beteiligen können und beteiligen und dass man seine Vertreter selbst wählt. Dazu gehört auch die Gemeinschaft der serbischen Gemeinden im Kosovo. Das sind alles Teile der Vereinbarung, die ja fertig ausverhandelt ist und ein gutes Miteinander von Kosovo und Serbien möglich macht. Jetzt geht es einfach darum, dass alle den Beitrag dazu leisten, dass jetzt nicht eines das andere ergibt, sondern dass man aus dieser Spirale wieder herauskommt. Ich glaube, dass setzt schon Kraft und Führungswillen voraus, aber der ist notwendig im Sinne der Menschen vor Ort.