Das Netz – Raum der Chancen und der Freiheit

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Im Wortlaut: de Maizière Das Netz – Raum der Chancen und der Freiheit

Am Mittwoch verabschiedet das Bundeskabinett die "Digitale Agenda". Sie ist ein Angebot an alle gesellschaftlichen Gruppen bei der Beantwortung offener Fragen im Hinblick auf die Digitalisierung mitzuwirken, schreibt Bundesinnenminister de Maizière in einem Zeitungsartikel.

  • Ein Beitrag von Thomas de Maizière
  • Frankfurter Allgemeine Zeitung
Thomas de Maizière, Bundesminister des Innern.

De Maizière: "Digitale Infrastrukturen Deutschlands sollen die sichersten weltweit werden."

Foto: Peter Lorenz

Wir alle leben längst in und mit einer digitalen Selbstverständlichkeit. Viele Dinge unseres Alltags werden vernetzt und dadurch "smart": Smart Phones, Smart Meter, Smart Cars, Smart Cities oder auch Smart Industries. Es entstehen öffentliche digitale Räume, in denen Zivilgesellschaft, Wirtschaft und öffentliche Hand neue Formen der Kommunikation, der Interaktion und des Wirtschaftens herausbilden. Zugleich eröffnen eine leistungsstarke Breitbandinfrastruktur, Telearbeit, E-Health oder auch E-Government neue Zukunftsperspektiven für die Menschen. Sicher, da sind viele wolkige Begriffe dabei. So kann man zweifeln, ob es eine eigene digitale Welt tatsächlich gibt. Aber dass wir mitten in gewaltigen Veränderungen leben, ist nicht zu bestreiten.

Gesellschaftliche Veränderungen, wie die Digitalisierung sie mit sich bringt, haben zum Teil einschneidende Folgen. War es in der Vergangenheit noch möglich, bewusst als "digital outsider" zu leben, ist dies aufgrund der rasanten Vernetzung und Durchdringung unseres Lebens mit dem mobilen Internet und netzgesteuerten Geräten kaum mehr möglich. Hans Magnus Enzensberger hat in dieser Zeitung vor einigen Wochen die Leser dazu aufgerufen, ihr Mobiltelefon wegzuwerfen. Bitteschön. Doch selbst wer das Handy abschaltet und die Internetleitung kappt, wird in die digitale Welt einbezogen, sei es, dass private Fotos von anderen auf Facebook eingestellt werden oder Auskunftsagenturen Daten und Lebensläufe der Menschen im Internet vorhalten, erst recht von bekannten Schriftstellern. Nach einem Angriff auf die Steuerungstechnik eines Stromversorgers über das Netz wird auch derjenige von dem Ausfall betroffen sein, der das Internet meidet. Dies weckt bei manchen Menschen Befürchtungen und Ängste, die es nicht zu negieren, sondern aufzunehmen gilt.

Evgeny Morozov hat in einem Beitrag für diese Zeitung im Februar dieses Jahres drei Personengruppen bei der Bewertung des digitalen Wandels ausgemacht: die Technopessimisten, die Technooptimisten sowie die Technoagnostiker. Die agnostische Position wiederum differenziert er in einen naiven Agnostizismus der Gleichwahrscheinlichkeit des guten oder schlechten Einsatzes von Technologien und "einen radikalen Agnostizismus, der es ablehnt, Technologie als etwas außerhalb der Gesellschaft Stehendes zu begreifen". Dieser radikale Agnostizismus - ich würde eher von aufgeklärten Technonutzern sprechen - erkennt die Chancen des digitalen Wandels an, ohne den gesellschaftlichen Kontext aus den Augen zu verlieren, in dem sie stattfinden. Verantwortungsvolles politisches Handeln bedeutet nach diesem Verständnis ein sorgsames Abwägen des Für und Wider von politischen Entscheidungen, die unsere Gesellschaft prägen werden.

In der Debatte über die Inhalte der "Digitalen Agenda" der Bundesregierung, die in dieser Woche vom Bundeskabinett verabschiedet wird, können wir alle von Morozov beschriebenen Positionen schon heute in der öffentlichen Diskussion finden. Dies hängt auch mit einem weiteren, aus meiner Sicht eher zweifelhaften Aspekt des digitalen Wandels zusammen: seiner enormen Schnelligkeit und der Gier der sogenannten Internetgemeinde (was ist daran eigentlich noch eine Gemeinde?) nach immer neuen Informationen, seien sie auch noch so klein oder vorläufig. So hat es nur Stunden gedauert, bis der erste Entwurf der Digitalen Agenda "geleakt" wurde. Nur wenig später folgten die ersten Verrisse der Technooptimisten sowie der naiven Technoagnostiker. Sodann wurden zwischenzeitlich durchgeführte Veränderungen und Konkretisierungen des Entwurfs als Einflussnahme der Hauptstadtlobbyisten hochstilisiert und verdammt.

Die im Rahmen von Ressortabstimmungen seit Jahrzehnten sinnvolle und geübte Praxis, dass die Fachabteilungen der verschiedenen Ministerien jeweils aus ihrer - teilweise von anderen Ressorts anders eingeschätzten - Fach- und Expertenperspektive heraus versuchen, Änderungen an den bestehenden Entwürfen einzubringen, wird dabei übersehen oder gar ignoriert. Aus gutem Grunde werden daher die Arbeiten an Papieren und Gesetzen der Bundesregierung üblicherweise zunächst intern abgeschlossen, die Ergebnisse danach veröffentlicht und zur Diskussion gestellt.

Am Mittwoch dieser Woche wird die vom Bundeskabinett beschlossene Digitale Agenda der Öffentlichkeit präsentiert. Natürlich fangen wir mit der Agenda nicht bei null an, denn die Digitalisierung ist schon längst vom Megathema zum Metathema geworden. Wir knüpfen an die Entwicklung der vergangenen Jahre und Jahrzehnte an. Gleichwohl hat die Digitalisierung beispielsweise beim Thema Internet der Dinge oder Big Data eine neue Qualität erreicht. Die Digitale Agenda ist daher nicht ein weiteres Technologieprogramm der Bundesregierung, sondern nimmt den gesamten gesellschaftlichen Wandel durch netzbasierte Technologien und Dienste in den Blick. Alle Ressorts werden ihre Aktivitäten mit der Agenda bündeln und übergeordnete Fragen der Digitalisierung wie Entwicklung von Wachstum und Beschäftigung, Ermöglichung von Zugang und Teilhabe oder Wahrung von Vertrauen und Sicherheit im Netz gemeinsam beraten und gestalten.

Mit der Digitalen Agenda macht sich die Bundesregierung auf den Weg zu einer aufgeklärten Position im Hinblick auf die Digitalisierung. Unsere Verantwortung ist, die sich daraus ergebenden Chancen für unser Land fruchtbar zu machen. Die Politik sollte dabei nicht vorgeben, mehr zu können, als in einer vernetzten Welt möglich, erlaubt und auch sinnvoll ist. Wir sollten uns nicht vorgaukeln, dass fertige Antworten existieren, wo komplexe Abwägungen zwischen divergierenden Vorstellungen und Interessen vorzunehmen sind. Technooptimisten mögen die Digitale Agenda als zu "kurz gegriffen" und zu "unstrategisch" bezeichnen. Sie ist der Spiegel einer politischen und gesellschaftlichen Debatte, die hochkomplex und erfreulich intensiv ist - die auf vieles, aber noch nicht auf alles eine Antwort hat und haben kann und die uns lange beschäftigen wird. Die Digitale Agenda ist ein Angebot an alle gesellschaftlichen Gruppen, bei der Beantwortung der offenen Fragen mitzuwirken.

Diese eher zurückhaltende Herangehensweise entspricht der auch historisch fundierten Erfahrung, dass revolutionär anmutende Innovationen erst mit der Zeit zu erkennen geben, in welchen Bereichen staatliche Interventionen zum Beispiel durch neue Gesetze oder internationale Vereinbarungen tatsächlich förderlich oder notwendig sind: Wenn eine Geschwindigkeitsbegrenzung eingeführt worden wäre, als Bedenken aufkamen, dass Kühe womöglich gesundheitliche Schäden durch die irrwitzige Geschwindigkeit vorbeifahrender Züge erleiden, wäre die Entwicklung des Eisenbahnverkehrs und vielleicht der gesamten Industrialisierung vermutlich etwas anders verlaufen. Hand in Hand mit dieser Grundeinstellung geht indes die Verpflichtung, nicht zu zögern, wenn und sobald eine fundierte Aussage zu Regelungserfordernissen möglich und gesellschaftlich geboten ist. Diesen Punkt haben wir bei der IT-Sicherheit und beim Schutz der Persönlichkeitsrechte erreicht. Welche Fragen ein Ordnungsrahmen für die digitale Kommunikation beantworten muss, ergibt sich für mich aus der Verantwortung eines Innenpolitikers, der Verantwortung für die innere Verfasstheit unseres Gemeinwesens hat: Wie können wir Freiheit und Sicherheit im Netz in Einklang bringen und Vertrauen in die digitalen Dienste schaffen oder wiederherstellen? Welche Werte und Rechte sollen unser Handeln im Internet leiten, und wie können wir diese befördern? Wie können die staatlichen Institutionen durch eigenes Handeln Vorreiter und Vorbild für den digitalen Wandel sein? Alle drei Themenkomplexe begleiten mich bereits seit meinem ersten netzpolitischen Dialog vor vier Jahren. Am Ende dieser Debatte soll ein digitaler Ordnungsrahmen stehen, der konkrete Leitplanken für das Handeln im Netz bereitstellt.

Der Staat als Akteur dieser Debatte muss bei der Ausformulierung eines solchen Ordnungsrahmens drei Aufgaben erfüllen. Erstens: Der Staat muss die verschiedenen Positionen und Aspekte in den verschiedenen von der Digitalisierung betroffenen Feldern gegeneinander abwägen und Interessen ausgleichen. Das mag nicht spektakulär klingen, ist aber kompliziert und mühsam. Denn es ist die ureigenste Aufgabe von Politik überhaupt, das große Ganze im Blick zu behalten. Wie schwer dies ist, zeigt exemplarisch der jüngst veröffentlichte Konsultationsbericht der Europäischen Kommission zu den rund 11 000 eingegangenen Anregungen zur Weiterentwicklung des europäischen Urheberrechts. Die Ergebnisse verdeutlichen, wie festgefahren die Debatte zwischen den verschiedenen Interessensgruppen allein in diesem Aufgabenfeld der Digitalisierung ist. Sie zeigen auch, welche großen Aufgaben die Politik an dieser Stelle hat.

Zweitens: Der Staat muss das Funktionieren unseres Landes und den Schutz der Rechte des Einzelnen auch in der sogenannten digitalen Welt sicherstellen. Er trägt eine Mitverantwortung für das Internet als Infrastruktur, die für alle zugänglich sein und zuverlässig funktionieren muss. Dazu gehört vor allem ein angemessener Schutz des Internets als Teil der kritischen Infrastrukturen unserer Zeit. Wir brauchen Schutz und Sicherheit für das Internet und im Internet.

Drittens: Der Staat muss ein gutes Klima für Innovationen und gesellschaftlichen Fortschritt schaffen. Hierzu bedarf es eines kreativen Maßnahmenmixes aus klassischer Wirtschaftsförderung, neuen Finanzierungsinstrumenten und innovations- sowie wettbewerbsfreundlichen Rahmenbedingungen für neue digitale Dienste. Zugleich kann der Staat als Vorbild vorangehen und durch eigenes Handeln wie der Bereitstellung offener Daten, der Sicherstellung von Barrierefreiheit oder der gezielten Beschaffung von Green-IT-Entwicklungen angestrebte Entwicklungen in Wirtschaft und Gesellschaft befördern.

Die Natur der globalen Vernetzung bedingt, dass die Regelungsfelder nationalstaatlicher Ordnungspolitik im Hinblick auf die Digitalisierung häufig entgrenzt sind. Das zu unseren heutigen Rechtssystemen gehörende Territorialprinzip lässt sich nur schwerlich auf das grenzenlose Internet anwenden. Nicht zuletzt deshalb wurde die europäische und internationale Einbettung der Digitalen Agenda mit einem eigenen Handlungsfeld bedacht. Viele der Anforderungen des Staates an die Digitalisierung lassen sich nur europäisch oder global lösen, die einzelnen Nationalstaaten werden dabei jedoch trotz internationaler Verhandlungsregime und neuer Formen der Gestaltung von Rechtsordnungen wie der regulierten Selbstregulierung weiterhin eine zentrale Rolle einnehmen.

Im Aufgabenspektrum des Bundesministeriums des Innern sehe ich derzeit verschiedene zentrale ordnungspolitische Vorhaben: Dazu gehört die Verabschiedung eines Ersten IT-Sicherheitsgesetzes, das einen besonderen Schwerpunkt auf die Sicherung unserer Infrastrukturen legt, die Verabschiedung der Datenschutz-Grundverordnung der Europäischen Union zur Verwirklichung eines zeitgemäßen Datenschutzes für unsere Bürgerinnen und Bürger sowie intensive Verhandlungen auf internationaler Ebene, um der globalen Dimension der Digitalisierung gerecht zu werden.

Die Sicherheit der Informationstechnik ist Grundlage jeder Form von Digitalisierung. Mit dem Ersten IT-Sicherheitsgesetz, das in dieser Woche in die Ressortabstimmung geht, sollen die FT-Systeme und digitalen Infrastrukturen Deutschlands zu den sichersten Systemen weltweit werden. Profitieren werden davon alle, vor allem ab er auch der Wirtschaftsstandort Deutschland.

Im Kern der Überlegungen steht das Verhältnis zwischen Risiko, Schutz und Verantwortung nach folgendem Maßstab: Wer durch den Einsatz von IT Risiken für andere schafft, hat auch die Verantwortung für den Schutz vor diesen Risiken. Zudem gilt: Je gravierender diese Risiken für unsere Gesellschaft sind, desto höhere Anforderungen sind an die erforderlichen Schutzvorkehrungen zu stellen.

Den bisher bestehenden Initiativen für mehr IT-Sicherheit liegt ein freiwilliger Ansatz zugrunde. Es sind Angebote, selbst für mehr Sicherheit im Netz zu sorgen. Dies gilt beispielsweise für die Informationsmöglichkeiten und aktuellen Sicherheitshinweise des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) auf der Web eite „BSI für Bürger" und das "Bürger-CERT". Zusätzlich leistet der Verein "Deutschland sicher im Netz", für den ich die Schirmherrschaft übernommen habe, wichtige Arbeit bei der Aufklärung von Internetnutzern über die Risiken im Netz.

Speziell auf die Belange der Wirtschaft, Wissenschaft und öffentlichen Verwaltung ausgerichtet ist die vom BSI in Zusammenarbeit mit dem Branchenverband Bitcom vor rund zwei Jahren gegründete "Allianz für Cyber-Sicherheit". Fast 800 Institutionen aller Branchen und Größenordnungen haben sich der Allianz bereits angeschlossen. Sie alle profitieren von dem wechselseitigen Austausch von Know-how und dem umfangreichen Informationsangebot in der Allianz. Diese freiwillige Zusammenarbeit von Staat und Wirtschaft funktioniert. Die Resonanz der Beteiligten ist durchweg positiv. Wozu also ein IT-Sicherheitsgesetz? Mit dem Gesetz sollen in Deutschland branchenweite Standards für die IT-Sicherheit in den Bereichen der Wirtschaft eingeführt werden, die für das Wohl unserer Gesellschaft von elementarer Bedeutung sind. Adressat sind somit Unternehmen aus den Bereichen Energie, Informationstechnik und Telekommunikation, Transport und Verkehr, Gesundheit, Wasser, Ernährung sowie aus dem Finanz- und Versicherungswesen. Das IT-Sicherheitsniveau ist hier noch sehr unterschiedlich. Ausfälle der von diesen kritischen Infrastrukturen genutzten IT-Systeme könnten weitreichende, schlimmstenfalls sogar dramatische Folgen für unsere Gesellschaft haben. Es leuchtet daher unmittelbar ein, dass hier höhere Anforderungen an die IT-Sicherheit gelten müssen als in anderen Bereichen unseres gesellschaftlichen Lebens. Auf freiwilliger Basis bestehende Angebote und Initiativen in Anspruch zu nehmen reicht hier nicht mehr aus! Früher haben wir die Pflicht zum Anschnallen beim Autofahren geregelt. Heute brauchen wir Sicherheitsgurte für die IT der kritischen Infrastrukturen.

Das alles heißt aber nicht, dass der Kooperationsgedanke beim IT-Sicherheitsgesetz keine Rolle spielt - im Gegenteil: Wenn es im weiteren Verfahren darum gehen wird, zu bestimmen, welche Einzelsegmente der betroffenen Branchen wir als kritisch ansehen und demzufolge regulieren müssen, werden wir die Expertise der Wirtschaft umfassend miteinbeziehen. Mit Unterstützung des BSI sollen die Unternehmen zudem selbst sinnvolle branchenweite Standards nach dem aktuellen Stand der Technik erarbeiten - "maßgeschneidert" also, die dann verbindlich werden können oder müssen. Das führt mittelfristig zu einem deutlichen Gewinn an IT-Sicherheit in unserem Land. Hiervon profitiert nach meiner Überzeugung auch der Wirtschaftsstandort Deutschland insgesamt.

Damit wir Bedrohungen im Cyber-Raum frühzeitig erkennen und wirksame Vorsorge- und Gegenmaßnahmen ergreifen können, brauchen wir außerdem ein umfassendes Bild über die aktuelle Gefahrenlage im Netz. Denn die Angriffe auf und über das Netz kommen von überall gleichzeitig bei verschiedenen Nutzern. Mit dem IT-Sicherheitsgesetz wird deshalb für die Betreiber der kritischen Infrastrukturen eine Pflicht zur Meldung von Cyber-Angriffen eingeführt. Dem Bedürfnis der Unternehmen nach einem größtmöglichen Schutz ihrer Unternehmensinteressen möchte ich dabei so weit wie möglich entgegenkommen: So sollen die entsprechenden Meldungen an das BSI auch ohne namentliche Nennung des Unternehmens möglich sein, solange es noch nicht zu einem gefährlichen Ausfall oder einer Beeinträchtigung der kritischen Infrastruktur gekommen ist. Um den Aufwand bei den betroffenen Unternehmen möglichst gering zu halten, sieht der Gesetzentwurf außerdem vor, dass bereits etablierte Meldewege und Meldeverfahren so weit wie möglich genutzt werden können.

Die Meldepflicht wird den betroffenen Unternehmen einen deutlichen Mehrwert bringen: Nach Auswertung der beim BSI eingegangenen Meldungen in Verbindung mit dort vorliegenden weiteren Informationen zu Sicherheitslücken, Schadprogrammen und Angriffen auf die IT-Systeme sowie möglichen Auswirkungen auf die Verfügbarkeit der kritischen Infrastrukturell werden gefährdete Betreiber vom BSI umgehend unterrichtet, auch wenn sie bis dahin nicht betroffen waren. Damit können die erforderlichen Maßnahmen zum Schutz der eigenen Infrastrukturen eingeleitet werden. Die Beratungsfunktion des BSI wird weiter gestärkt und seine angestammte Rolle als Ansprechpartner für die Wirtschaft in IT-Sicherheitsfragen ausgebaut. Die Unternehmen leisten also durch ihre Meldungen einen eigenen Beitrag und bekommen dafür (da sie von den Meldungen der anderen Unternehmen profitieren) im Gegenzug ein Mehrfaches an Informationen und Knowhow zurück. Es heißt oft, dass Informationen die Währung der digitalen Welt sind. In diesem Sinne zahlt der Staat in bar zurück.

Wir wissen, dass wir beim Thema „IT-Sicherheit" verstärkt global denken müssen. Die Basis hierfür ist ein entschlossenes nationales Handeln Deutschlands. Die IT-Systeme und digitalen Infrastrukturen Deutschlands sollen die sichersten weltweit werden. Mit dem IT-Sicherheitsgesetz wollen wir international Vorreiter und Vorbild für die Entwicklung in anderen Ländern sein und so nicht zuletzt auch die deutschen IT-Sicherheitsunternehmen stärken und ihnen verbesserte Exportchancen eröffnen.

In Zeiten von Internet und digitaler Kommunikation sind Privatsphäre und Datenschutz neuen Risiken ausgesetzt, denen wir - je nach Gefährdungsgrad - adäquat begegnen müssen. Nehmen wir als Beispiel „Big Data": „Big Data"-Analysen bieten gesellschaftliche und ökonomische Potentiale und Chancen, zum Beispiel bei der vernetzten Mobilität, im Gesundheitsbereich, beim Umweltschutz und in der Bildung. Das ist gut. Wir sollten auf die Nutzung solchermaßen verknüpfter Daten nicht verzichten. Auf der anderen Seite sind auch die Gefahren der mittels „Big Data" getätigten Analysen für die Persönlichkeitsrechte, die Privatsphäre und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht zu unterschätzen. Wenn wir uns diesen Gefahren nicht "kampflos" beugen wollen, müssen wir Lösungsansätze finden, die einerseits die Chancen und den gesellschaftlichen Nutzen von „Big Data" wahren, andererseits die Individualrechte des Einzelnen auch in Zeiten von „Big Data" schützen. Diesen Fragen müssen wir uns im Zusammenhang mit der gegenwärtig in Brüssel verhandelten Datenschutz-Grundverordnung stellen.

Die bisher geltenden Regelungen werden der technischen Entwicklung und Vernetzung nicht mehr gerecht. Der Datenschutz muss modernisiert werden, um angemessene Antworten auf die Herausforderungen der globalen Vernetzung und des zunehmenden internationalen Datenverkehrs zu bieten. Wenn wir die Chancen der digitalen Revolution für den Einzelnen und die Gesellschaft bestmöglich nutzen wollen, brauchen wir Schutzkonzepte, die international wirksam und in der digitalen Welt tatsächlich durchsetzbar sind. Diese Datenschutz-Grundverordnung der EU hat überragende Bedeutung. Sie ersetzt unser liebevoll gestricktes deutsches Datenschutzrecht komplett.

Um unter anderem in diesem Kernanliegen der Modernisierung des Datenschutzrechts rasch voranzukommen, habe ich im Juni dieses Jahres eine Initiative gestartet. Dabei geht es mir unter anderem darum, die Internettauglichkeit der diskutierten Regelungen der Datenschutz-Grundverordnung in Bezug auf Technologien und Phänomene wie "Cloud Computing", „Big Data", „Machine-to-Machine"-Kommunikation oder das "Internet der Dinge" weiter zu verbessern. Denn Informationspflichten und Einwilligungserfordernisse können die Gefahren, die mit der technischen Entwicklung einhergehen, zwar mindern. Sie stoßen jedoch zum Beispiel dann an Grenzen, wenn die Information der Betroffenen erst deren Identifizierung verlangt, wodurch ein zusätzliches Datenschutzproblem entsteht. Auch wegen der zunehmenden Masse der Daten und der Vielzahl der Betroffenen werden deshalb weltweit in Wissenschaft und Praxis Ideen für zusätzliche Schutzmechanismen entwickelt.

Ich habe mich daher dafür ausgesprochen, neben der Stärkung bewährter Instrumente wie der Einwilligung weitere Schutzmechanismen vorzusehen, die dort greifen, wo die klassischen Instrumente an ihre Grenzen stoßen. Das Internet macht an Staatsgrenzen nicht halt. Umso wichtiger ist es, globale Lösungen für den Umgang mit personenbezogenen Daten über Ländergrenzen hinweg zu finden und über die EU-Verordnung hinaus die Entwicklung internationaler Datenschutzprinzipien voranzutreiben.

Mit der Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) sollen Vorschriften und Regeln in der Wirtschaft Europas und der Vereinigten Staaten von Amerika langfristig so gestaltet werden, dass Handelshemmnisse abgebaut und somit mit unserem amerikanischen Partner die Handelsbeziehungen zu unser aller Vorteil weiter ausgebaut werden. Wichtig ist mir, dass neben Themen, die in der Presse eine große Aufmerksamkeit erhalten, auch über IT-Sicherheits- und Datenschutzstandards verhandelt wird. Ungleiche IT-Sicherheits- und Datenschutzstandards führen unweigerlich zu Hürden im Warenaustausch. Deshalb dient diese Standardisierung dem Abbau von Handelsbarrieren. Hohe IT-Sicherheitsstandards sind angesichts der Digitalisierung von Schlüsselbereichen des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens von überragender Bedeutung. Diese dienen dem Schutz der Privatsphäre der Bürgerinnen und Bürger, dem Schutz von Betriebsgeheimnissen der Unternehmen sowie dem Schutz der Manipulation von Produktions- und Steuerungsanlagen kritischer Infrastrukturen.

Für mich ist es daher von größter Bedeutung, dass wir in diesem Freihandelsabkommen nicht hinter die hohen europäischen Standards zurückfallen. Grundsätzlich kann die Nutzung des Internets der Freiheit, der Innovation und dem gesellschaftlichen Fortschritt dienen. Es kann aber auch in Unsicherheit, Unterdrückung oder totalitärer Überwachung enden. Der digitale Wandel ist weder gottgegeben noch Teufelswerk. Er ist wie alle anderen gesellschaftlichen Entwicklungen von Menschenhand gemacht. Die Menschen haben es in der Hand, der Entwicklung die richtige Richtung zu geben.

Mit der Digitalen Agenda hat sich die Koalition das Ziel gesetzt, dies nicht einfach geschehen zu lassen, sondern einen bewussten Gestaltungsprozess zu initiieren und zu steuern. Alle sind aufgerufen, sich hieran aktiv zu beteiligen.