Niedriglohnschwelle schrumpft
Innerhalb eines Jahres haben 1,1 Millionen Beschäftigte die Niedriglohnschwelle überschritten – im Zuge der Mindestlohnerhöhung sind auch ihre Einkommen gestiegen. Wer hat Anspruch auf Mindestlohn? Wie hoch ist er aktuell? Fragen und Antworten im Überblick.
5 Min. Lesedauer
Von der Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns profitieren Millionen Menschen in Deutschland. Vor allem Frauen und Menschen in Ostdeutschland, die häufig im Niedriglohnsektor beschäftigt sind und darüber hinaus Beschäftigte in Mini- und Teilzeitjobs sowie Neueinsteiger.
Niedriglohnsektor schrumpft
Der gestiegene Mindestlohn hat auch vielen Beschäftigten eine Gehaltserhöhung gebracht, die mehr als den Mindestlohn verdienen. In der Folge ist der Niedriglohnsektor geschrumpft. Im April 2023 gab es 1,1 Millionen weniger Niedriglohnjobs als ein Jahr zuvor. Das zeigt: Der Einsatz für gute Löhne zahlt sich aus.
Nominallöhne und Kaufkraft steigen
Die Nominallöhne – also die Beträge, die auf dem Lohnzettel erscheinen – entwickeln sich ebenfalls positiv: Laut Destatis sind die Löhne von Geringverdienerinnen und -verdiener mit 7,6 Prozent besonders stark gestiegen. Dazu beigetragen hat auch, dass die Bundesregierung den Mindestlohn auf zwölf Euro erhöht und die Entgeltgrenzen für Mini- und Midijobs ausgeweitet hat. Die Verdienste der Vollzeitkräfte insgesamt stiegen um 5,7 Prozent.
Hohe Lohnabschlüsse, die Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns und sinkende Inflationsraten haben außerdem die Kaufkraft gestärkt. Insbesondere Menschen mit geringen Einkommen haben von dieser Entwicklung profitiert.
Zum Niedriglohnsektor zählen alle Beschäftigungsverhältnisse, die mit weniger als zwei Drittel des mittleren Bruttostundenverdienstes entlohnt werden, und damit Personen, die unter 13,04 Euro im April 2023 verdient haben.
Hier finden Sie Antworten auf Ihre Fragen zum gesetzlichen Mindestlohn
Seit dem 1. Januar 2024 beträgt der gesetzliche Mindestlohn 12,41 Euro brutto in der Stunde. Mit Beginn des kommenden Jahres steigt die unterste Lohngrenze auf 12,82 Euro. Das hat das Kabinett beschlossen. Der Mindestlohn-Rechner des Bundesarbeitsministeriums hilft herauszufinden, ob und wieweit ein Gehalt dem Mindestlohn entspricht, darüber oder darunterliegt und wie hoch der Stundenlohn ist.
Zum 1. Oktober 2022 war der gesetzliche Mindestlohn auf 12 Euro gestiegen. Die Bundesregierung hatte ihn einmalig per Gesetz erhöht und damit eines ihrer wichtigsten Vorhaben umgesetzt. Wer zuvor nach Mindestlohn bezahlt wurde, erhielt bei einer 40-Stunden-Woche etwa 1.800 Euro brutto. Seit Oktober 2022 waren es etwa 2.080 Euro.
Einen allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn gibt es in Deutschland seit 2015. Damit wurde eine Lohnuntergrenze eingeführt, die nicht unterschritten werden darf. Sie schützt Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor unangemessen niedrigen Löhnen und trägt damit zu einem fairen und funktionierenden Wettbewerb bei. Gleichzeitig sorgt der Mindestlohn für mehr Stabilität in den sozialen Sicherungssystemen.
Der gesetzliche Mindestlohn gilt für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ab 18 Jahren. Unter bestimmten Voraussetzungen haben auch Praktikantinnen und Praktikanten Anspruch auf Mindestlohn.
Keine Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmer im Sinne des Mindestlohngesetzes sind unter anderen:
- zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigte,
- ehrenamtlich Tätige sowie Personen, die einen freiwilligen Dienst ableisten,
- Teilnehmerinnen und Teilnehmer an einer Maßnahme der Arbeitsförderung,
- Selbstständige,
- Langzeitarbeitslose innerhalb der ersten sechs Monate nach Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt,
- Menschen mit Behinderungen im Arbeitsbereich anerkannter Werkstätten.
Auf Branchenmindestlöhne haben ehemals Langzeitarbeitslose sofort Anspruch, denn diese Löhne sind tariflich vereinbart.
Der gesetzliche Mindestlohn gilt unabhängig von Arbeitszeit oder Umfang der Beschäftigung – und damit auch für Minijobberinnen und Minijobber. Er ist ein Bruttostundenlohn. Damit eine Wochenarbeitszeit von zehn Stunden möglich ist, steigt die Minijob-Grenze jeweils mit der Erhöhung des Mindestlohns. So wird sichergestellt, dass bei einem höheren Stundenlohn, die Arbeitszeit nicht gekürzt werden muss.
Seit Januar 2024 beträgt die Minijob-Grenze 538 Euro. Im kommenden Jahr wird sie bei 556 Euro liegen. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die Arbeitszeiten von Minijobbern aufzuzeichnen und diese Aufzeichnungen zwei Jahre lang aufbewahren, um sie bei einer Prüfung durch den Zoll vorlegen zu können.
Ausführliche Auskünfte erhalten Sie bei der Minijob-Zentrale.
Eine Dokumentationspflicht der Arbeitgeber gilt generell für geringfügig Beschäftigte und die im Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz genannten Wirtschaftsbereiche Dazu zählen etwa das Baugewerbe, Gaststätten und Herbergen, der Speditions-, Transport und Logistikbereich, Unternehmen der Forstwirtschaft, Gebäudereinigung, Messebau und Fleischwirtschaft. Auch Zeitungszustellerinnen und -zusteller und Beschäftigte bei Paketdiensten müssen regelmäßig ihre Arbeitszeit aufzeichnen.
Die Schwellenwerte der Mindestlohn-Dokumentationspflicht werden künftig entsprechend der Entwicklung der Mindestlohnhöhe angepasst.
Ein Auftraggeber haftet für die Einhaltung des gesetzlichen Mindestlohns, wenn er einen anderen Unternehmer mit der Erbringung von Werk- oder Dienstleistungen beauftragt. Diese sogenannte Auftraggeberhaftung gilt im Arbeitnehmer-Entsendegesetz bereits seit vielen Jahren. Das Mindestlohngesetz greift auf diese bestehende Regel zurück, da sie sich bewährt hat.
Eine unabhängige Kommission der Tarifpartner, die Mindestlohnkommission, schlägt der Bundesregierung alle zwei Jahre vor, in welcher Höhe der Mindestlohn angepasst werden sollte. Die Kommission prüft, welche Mindestlohnhöhe einen angemessenen Mindestschutz für die Beschäftigten bietet, faire Wettbewerbsbedingungen ermöglicht und die Beschäftigung nicht gefährdet. Sie orientiert sich bei ihrer Entscheidung an der Entwicklung der Tariflöhne in Deutschland.
Die Mindestlohnkommission evaluiert zudem laufend die Auswirkungen des Mindestlohns und stellt ihre Erkenntnisse der Bundesregierung alle zwei Jahre in einem Bericht zur Verfügung.
Im Koalitionsvertrag ist festgelegt, dass die Bundesregierung den gesetzlichen Mindestlohn in einer einmaligen Anpassung auf zwölf Euro pro Stunde erhöht. Dieses Vorhaben hat sie umgesetzt. Zukünftige Anpassungen des Mindestlohns erfolgen weiterhin auf Vorschlag der Mindestlohnkommission.
Die Mindestlohnkommission besteht aus einem oder einer Vorsitzenden und sechs stimmberechtigten sowie zwei beratenden Mitgliedern. Alle fünf Jahre schlagen die Spitzenverbände von Arbeitgebern und Arbeitnehmern je drei Vertreterinnen und Vertreter für die Kommission vor.
Die zwei beratenden Mitglieder sind nicht stimmberechtigt und sollen ihren wissenschaftlichen Sachverstand einbringen. Die Mitglieder werden von den Tarifpartnern benannt und dann von der Bundesregierung berufen.
Die Kontrolle der Einhaltung der Mindestlohnzahlung liegt, wie bisher bereits bei den Branchenmindestlöhnen, bei der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) der Bundeszollverwaltung.
Mindestlohnverstöße können mit einer Geldbuße bis zu 500.000 Euro sanktioniert werden. Verstöße gegen Verpflichtungen wie zum Beispiel die Dokumentation der Arbeitszeit können mit bis zu 30.000 Euro geahndet werden. Außerdem kann das Unternehmen von der Vergabe öffentlicher Aufträge ausgeschlossen werden.
Die Mindestlohn-Hotline nimmt Beschwerden und Meldungen von Verstößen entgegen und beantwortet alle Fragen rund um den Mindestlohn. Sie ist montags bis donnerstags von 8 bis 20 Uhr unter der Rufnummer 030 60 28 00 28 zu erreichen.
Zuständig für die Verfolgung von Rechtsverstößen ist der Zoll. Zudem gibt es die Möglichkeit, seinen Mindestlohnanspruch beim zuständigen Arbeitsgericht einzuklagen.