„Häusliche Gewalt ist keine Privatsache“

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Opferzahlen deutlich gestiegen „Häusliche Gewalt ist keine Privatsache“

240.547 Menschen sind 2022 Opfer von Häuslicher Gewalt geworden – 8,5 Prozent mehr als im Vorjahr: Das ist das Ergebnis des neuen Lagebilds des Bundeskriminalamts. Bundesfamilienministerin Paus und Bundesinnministerin Faeser appellieren an Betroffene, Taten zur Anzeige zu bringen.

4 Min. Lesedauer

Fast alle zwei Minuten wird in Deutschland ein Mensch Opfer von Häuslicher Gewalt. Jede Stunde werden mehr als 14 Frauen Opfer von Partnerschaftsgewalt. Beinahe jeden Tag versucht ein Partner oder Expartner eine Frau zu töten

Obwohl viele Taten nicht bei der Polizei angezeigt werden und die Dunkelziffer deshalb wesentlich höher sein könnte: Das Lagebild Häusliche Gewalt zeigt, dass die Zahlen der Opfer Häuslicher Gewalt im letzten Jahr gestiegen sind.

Foto: Bundesregierung

„Fast alle zwei Minuten wird in Deutschland ein Mensch Opfer von Häuslicher Gewalt. Jede Stunde werden mehr als 14 Frauen Opfer von Partnerschaftsgewalt. Beinahe jeden Tag versucht ein Partner oder Expartner eine Frau zu töten“, sagte Bundesfamilienministerin Lisa Paus bei der Vorstellung des Lagebilds Häusliche Gewalt gemeinsam mit Bundesinnenministerin Nancy Faeser und BKA-Präsident Holger Münch in Berlin.

Das neue Lagebild ist eine Fortschreibung und Ergänzung der Kriminalstatistischen Auswertung „Partnerschaftsgewalt“, die seit dem Berichtsjahr 2015 jährlich durch das BKA veröffentlicht wurde. Neben der Partnerschaftsgewalt werden nun auch die Delikte der sogenannten innerfamiliären Gewalt von und gegen Eltern, Kinder, Geschwister und sonstige Angehörige mitbetrachtet. So entsteht eine Lageübersicht zur Häuslichen Gewalt insgesamt.

Im häuslichen Kontext sind überwiegend Frauen von Gewalt betroffen

Das Lagebild „Häusliche Gewalt“ zeigt: Die Zahl der Opfer in Deutschland sind deutlich gestiegen. 2022 wurden demnach 240.547 Opfer von Häuslicher Gewalt erfasst. Das sind 8,5 Prozent mehr als noch im Jahr zuvor. Überwiegend betrifft es Frauen: 71,1 Prozent der Opfer Häuslicher Gewalt sind weiblich, während die Täter zumeist Männer waren (76,3 Prozent).

Angesichts der Zahlen sprach Bundesfamilienministerin Paus von einer traurigen Bilanz und Realität: „Die deutlich gestiegenen Zahlen verdeutlichen noch einmal das erschreckende Ausmaß.“

Bundesinnenministerin Faeser betonte: „Häusliche Gewalt ist keine Privatsache, sondern ein gravierendes Problem in allen gesellschaftlichen Gruppen. Sie appellierte an alle Betroffenen: „Bringen Sie die Gewalt bitte bei der Polizei zur Anzeige! Nur wenn bei der Polizei die Daten bekannt werden, können Täter zur Rechenschaft gezogen werden.“

Opfer von Häuslicher Gewalt im Jahr 2022 in Zahlen:

  • Opfer von Tötungsdelikten: 702 Opfer (454 weiblich und 248 männlich)
  • Opfer von vorsätzlicher einfacher Körperverletzung:  135.502 Opfer (95.736 weiblich und 39.766 männlich)
  • Opfer von Bedrohung, Stalking und Nötigung: 57.376 Opfer (44.044 weiblich und 13.332 männlich)
  • Opfer von Freiheitsberaubung: 2.575 Opfer (2.138 weiblich und 437 männlich)
  • Opfer von gefährlicher Körperverletzung: 28.589 Opfer (17.312 weiblich und 11.277 männlich)

Hälfte der Opfer lebte mit der tatverdächtigen Person zusammen

In Bereich der Partnerschaftsgewalt seien die Zahlen noch größer, sagte BKA-Präsident Münch. Dort stieg sie sogar um 9,1 Prozent auf 157.550 Opfer. Knapp die Hälfte von ihnen lebten mit der tatverdächtigen Person zusammen.

„Hinter jedem dieser Fälle verbirgt sich das Leid und der Horror ausgerechnet im eigenen Zuhause oder im engsten Umfeld angegriffen worden zu sein, wo man sich eigentlich ja in der Familie zu Hause am sichersten fühlen sollte“, so die Bundesinnenministerin.

Die Mehrheit der Opfer und auch der Tatverdächtigten waren laut Lagebricht zwischen 30 und 40 Jahre alt. Bei der innerfamiliären Gewalt seien die meisten Opfer Kinder. Ihr Anteil mache mehr als ein Drittel aus, so BKA-Präsident Münch.

Bundesinnenministerin Faeser, Bundesfamilienministerin Paus und der Präsident des Bundeskriminalamts Münch bei der Vorstellung des bundesweiten Lagebildes zum Thema Häusliche Gewalt.

Immer mehr Männer müssen ausziehen oder Abstand halten, weil sie ihrer Partnerin Gewalt angetan beziehungsweise angedroht haben. Das zeigt das aktuelle Lagebild zur Häuslichen Gewalt.

Foto: picture alliance/dpa/Michael Kappeler

Dunkelfeld besser beleuchten

Trotz steigender zur Anzeige gebrachter Zahlen werden noch immer viele Taten – etwa aus Angst oder Scham – nicht der Polizei gemeldet. Deshalb sei mit einem erheblich größeren Dunkelfeld zu rechnen. Die Bundesregierung will deshalb eine großangelegte Studie zur Aufdeckung des Dunkelfelds starten.

Ziel ist, mit der Erhebung ein Gesamtbild zu erhalten. „Die Ergebnisse werden uns dabei helfen, die Hilfs- und Unterstützungsangebote passgenauer zu machen und auszubauen. Wir wollen Frauen und Männer wirksamer vor Gewalt schützen“, so Bundesinnenministerin Faeser.

Die Studie „Lebenssituation, Sicherheit und Belastung im Alltag“ verantworten das Bundesfamilienministerium und das Bundesinnenministerium gemeinsam mit dem Bundeskriminalamt (BKA). Deutschlandweit sollen 22.000 Menschen befragt werden. Erste Ergebnisse sollen 2025 vorliegen.

Schnelle Hilfe für Betroffene

Anlaufpunkte – übrigens auch für Personen aus dem Umfeld der Betroffenen – sind:

  • Polizei: Polizei und Justiz in Deutschland sind verpflichtet, Betroffene häuslicher Gewalt zu schützen. Bei unmittelbarer Gefahr ist die Polizei über die kostenlose Notrufnummer 110 erreichbar. In allen Bundesländern hat die Polizei rechtliche Möglichkeiten, eine gewalttätige Person aus der gemeinsamen Wohnung zu weisen und ein Betretungsverbot auszuprechen.
  • Hilfetelefone: Viele scheuen zunächst den Gang zur Polizei oder in eine Beratungsstelle. Hilfetelefone, wie beispielsweise das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ (116 016) oder das Männertelefon (0800 1239900) sind niedrigschwelligere Angebote. Gemeinsam kann dann mit den Betroffenen und Unterstützenden überlegt werden, wie weitere Hilfe aussehen könnte.
  • Beratungsstellen: Es gibt Beratungseinrichtungen vor Ort, die betroffenen Frauen oder ihrem Umfeld helfen. Beim Bundesverband der Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe in Deutschland können Betroffene beispielsweise nach Angeboten in ihrer Umgebung suchen.
  • Frauenhäuser: In Deutschland stehen gewaltbetroffenen Frauen und ihren Kindern Frauenhäuser sowie Schutz- oder Zufluchtswohnungen zur Verfügung. Bei der Frauenhauskoordinierung kann nach einer Einrichtung in der Umgebung gesucht werden.

Was tut die Bundesregierung?
Die Bundesregierung hat sich zum Schutz der Frauen vor Gewalt viel vorgenommen. Im kommenden Jahr investiert sie beispielsweise zehn Millionen Euro in den Ausbau von Frauenhäusern und Beratungsstellen. Sie fördert das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“  und das Bundesprogramm „Gemeinsam gegen Gewalt an Frauen“. Außerdem hat der Bund die Einrichtung eines Runden Tisches von Bund, Ländern und Kommunen auf den Weg gebracht.