„Immer mehr Menschen haben den Mut, Diskriminierung anzusprechen“

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Jahresbericht der Antidiskriminierungsstelle „Immer mehr Menschen haben den Mut, Diskriminierung anzusprechen“

Die Zahl der gemeldeten Fälle von Diskriminierung ist im letzten Jahr weiter gestiegen: Das zeigt der Jahresbericht 2022 der Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Wie haben sich die Zahlen konkret entwickelt? Wo kommt Diskriminierung am häufigsten vor? Welche weiteren Schritte sind geplant?

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Ferda Ataman, Unabhängige Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung.

Ferda Ataman, Unabhängige Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung.

Foto: picture alliance/dpa/ Bernd von Jutrczenka

„Noch nie haben sich so viele Menschen an die Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) gewandt wie im Jahr 2022.“ Das sagte die Antidiskriminierungsbeauftragte des Bundes, Ferda Ataman, bei der Vorstellung des Jahresberichts 2022 . Im Vergleich zum Vorjahr seien die Anfragen um 14 Prozent auf insgesamt über 8800 Beratungsanfragen gestiegen. Im Vergleich zu 2019 hätten sich die Zahlen sogar mehr als verdoppelt.

Sie beobachte mit großer Sorge „eine Rückkehr des Ressentiments in politischen Debatten und eine noch nie dagewesene Welle von Hass im Netz“.  So komme es „in den Alltag vieler Menschen“ und das mache sich dann in einem Anstieg der Beratungsanfragen deutlich. 

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) wurde 2006 eingeführt und soll „Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität verhindern und beseitigen“. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) – als unabhängige Stelle im Bundesfamilienministerium angesiedelt – unterstützt und berät Personen, die Benachteiligungen erfahren haben.

Welche Formen von Diskriminierung kommen häufig vor?

Menschen erleben Diskriminierung aus ganz unterschiedlichen Gründen und in unterschiedlichen Situationen. Die ganz überwiegende Zahl der Anfragen – 6.627 – betraf auch 2022 ein oder mehrere Merkmale, die durch das AGG geschützt sind. Das heißt, Menschen dürfen aufgrund dieses Merkmales nicht benachteiligt werden.

Es meldeten sich jedoch auch rund 2.200 Menschen, die aufgrund von anderen, nicht geschützten Merkmalen benachteiligt wurden, beispielsweise wegen ihres sozialen Status.

Die Zahlen aus dem Jahresbericht im Einzelnen:

  • Mit einem Anteil von 43 Prozent betrafen die meisten Anfragen rassistische Diskriminierung – ein deutlicher Anstieg im Vergleich zu den Vorjahren; 
  • 27 Prozent der Fälle bezogen sich auf Diskriminierung aufgrund einer Behinderung; 
  • 21 Prozent auf Diskriminierung wegen des Geschlechts;
  • 10 Prozent der Anfragen gab es zu Benachteiligungen wegen des Alters;
  • 5 Prozent der Anfragen bezogen sich auf Diskriminierungen wegen der Religion;
  • 4 Prozent bezogen sich auf Diskriminierungen aufgrund der sexuellen Identität.

In welchen Situationen kommt es zu Diskriminierung?

Die meisten Ratsuchenden erlebten Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt (27 Prozent). 20 Prozent der Menschen wurden bei sogenannten Alltagsgeschäften diskriminiert, zum Beispiel bei der Wohnungssuche, aber auch beim Restaurantbesuch, beim Einkaufen oder in Bus und Bahn. Arbeitsmarkt und Alltagsgeschäfte sind die Bereiche, in denen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) gilt und Diskriminierung verbietet.

Diskriminierung komme aber in allen Lebensbereichen vor, so Ataman. Das zeigen auch die Beratungsanfragen an die Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Häufig erlebten Menschen Ungleichbehandlung in Lebensbereichen, die nicht durch das AGG geschützt sind, zum Beispiel bei Ämtern und Behörden, bei Justiz, Bildung und der Polizei. „Das ist nicht nachvollziehbar und es schwächt das Vertrauen in den Staat“, betonte die Antidiskriminierungsbeauftragte. Auch hier müsse ein wirksamer Diskriminierungsschutz eingeführt werden, forderte sie und verwies in diesem Zusammenhang auf die Reform des AGG, die im Koalitionsvertrag vorgesehen ist.

Antisemitische Vorfälle 2022

Ein Bild von Alltagsanfeindungen, das der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, am selben Tage bei der Vorstellung des Jahresberichts Antisemitismus beinahe kongruent schilderte: „Die Betroffenen werden mit Judenhass bei ihren ganz normalen Aktivitäten konfrontiert, sei es bei der Arbeit, im öffentlichen Nahverkehr, im Supermarkt oder eben im Theater, im Museum oder beim Konzert. Bei Jüdinnen und Juden erschüttert dieses regelmäßige und meist unvermeidbare dem Antisemitismus Ausgesetztsein ihr Vertrauen in unsere Gesellschaft und ihr Zugehörigkeitsgefühl zu ihr.“

Immer mehr Menschen wehren sich 

Atman konnte den gestiegenen Zahlen aber auch etwas Positives abgewinnen: „Immer mehr Menschen haben den Mut, Diskriminierung anzusprechen.“ Jeder gemeldete Diskriminierungsfall stehe „für das Vertrauen in unsere Demokratie“ und zeige, dass der Rechtsstaat funktioniere und Menschen sich sicher genug fühlten, ihr Recht auf Gleichbehandlung einzufordern. Insofern sei die wachsende Zahl von Beratungsanfällen „ein Zeichen für eine gesellschaftliche Reife und Fortschritt“.

Unter der Telefonnummer 0800 546 546 5 ist das Team der Antidiskriminierungsstelle des Bundes von Montag bis Donnerstag, jeweils von 9 Uhr bis 15 Uhr, erreichbar. Wenn Sie konkrete rechtliche Fragen haben und beispielsweise eine rechtliche Erstberatung benötigen, können Sie sich über ein Kontaktformular direkt an das juristische Beratungsteam der ADS wenden.

Was plant die Diskriminierungsbeauftragte?

Ataman bezeichnete den Umgang mit Diskriminierung als „ein zentrales Zukunftsthema“. Um den flächendeckenden Ausbau der Beratung bei Diskriminierung auszubauen, kündigte Atman ein neues Förderprogramm an. „Mit dem Programm „respekt*land“ unterstützen wir gemeinsam mit den Ländern 35 Projekte aus dem gesamten Bundesgebiet mit einem Fördervolumen von insgesamt fünf Millionen Euro“, erläuterte Ataman.

Zudem kündigte die Antidiskriminierungsbeauftragte eine Informationskampagne für den Herbst an: „Ich will ermutigen, sich Diskriminierungen nicht gefallen zu lassen. Und ich will, dass alle Menschen dabei ihre Rechte kennen.“ Außerdem wolle sie den Schutz vor Diskriminierung durch Künstliche Intelligenz stärker in den Blick nehmen und dazu im Sommer konkrete Vorschläge vorlegen.

Zum Abschluss sagte Ataman: „Antidiskriminierung ist kein ‚nice-to-have‘, sondern essentiell für eine Demokratie.“ Jede Demokratie sei nur so stark wie ihr Umgang mit Minderheiten und mit Vielfalt.