Härteres Vorgehen gegen Kriminelle

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Im Wortlaut: De Maizière Härteres Vorgehen gegen Kriminelle

Terror, Hooligans, Gewalt gegen Polizisten: Der Bundesinnenminister spricht im Interview darüber, wie ein Vorgehen gegen Kriminalität noch besser gelingen kann.

  • Interview mit Thomas de Maizière
  • Rheinische Post

Das Interview im Wortlaut:

Rheinische Post (RP): Heute spielt Deutschland gegen Polen - ein Risikospiel, wie es die Behörden nennen. Wie kann es sein, dass so viele Hooligans überhaupt da sind?

Thomas de Maizière: Auf Bitte der Franzosen haben wir 2.500 Namen potenzieller Hooligans an die dortigen Behörden übermittelt. Wir unterstützten die Franzosen bei den Grenzkontrollen und haben bislang 21 Hooligans an der Ausreise gehindert. Es gab im Vorfeld der EM zudem über 600 sogenannte Gefährderansprachen, mit denen die Polizei möglichen Hooligans klarmacht, dass sie sie genau im Blick hat. Aber an den Grenzen können Einzelne immer durchkommen.

RP: Was machen die EU-Innenminister falsch, dass es alle vier Jahre die gleichen Bilder gibt?

De Maizière: Zumindest für die Strafverfolgung ist es gut, solche Bilder überhaupt zu haben. Ohne Bodycams oder stationäre Kameras der Behörden wäre so etwas nicht möglich. Vielleicht begreift jetzt auch der Letzte in Deutschland, dass mehr Videoüberwachung an öffentlichen Plätzen in erster Linie eine Hilfe ist und nicht eine Beobachtung von Unschuldigen. Die Videoüberwachung muss auch in Deutschland ausgebaut werden. Auch Bodycams zum Schutz von Polizisten sind unverzichtbar.

RP: In Düsseldorf wurden kürzlich Terroranschläge vereitelt. Wie gefährlich waren die Täter?

De Maizière: Die Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen, daher bin ich zurückhaltend. Die Zugriffe beruhten im Wesentlichen auf der Zeugenaussage eines Beschuldigten in Frankreich. Wie weit die Pläne der Verdächtigen gingen, ist Gegenstand der Ermittlungen.

RP: Wären die Festgenommenen in der Lage gewesen, Bomben zu bauen oder sich Schnellfeuerwaffen zu besorgen?

De Maizière: Wie gesagt - die Ermittlungen laufen noch.

RP: War es Zufall, dass ein Anschlag verhindert werden konnte?

De Maizière: Man braucht dafür sowohl harte Arbeit als auch Glück. Unsere Sicherheitsbehörden bekommen mehrere Hinweise pro Woche. Wir hatten Hinweise mit Bezug zum Fußballspiel in Hannover und haben es abgesagt. Silvester wurde nach Hinweisen der Hauptbahnhof in München geschlossen.

RP: Hätte dann nicht nach Hinweisen im Januar der Karnevalszug in Düsseldorf abgesagt werden müssen?

De Maizière: Wenn Sie bei jedem Hinweis das öffentliche Leben lahmlegen, haben die Terroristen schon gewonnen. Jeder einzelne Hinweis muss im Terrorabwehrzentrum geprüft werden, ob er ernst zu nehmen ist oder nicht. Das sind in jedem Einzelfall schwere Entscheidungen, die dort im engen Austausch zwischen Bund und Ländern gemeinsam getroffen werden. Hinterher kommen immer die Schlaumeier.

RP: Warum war Düsseldorf Ziel?

De Maizière: Ich will darüber nicht spekulieren, solange die Ermittlungen noch laufen.

RP: Wir leben nun schon länger mit der Terrorbedrohung. Ist die Sicherheitsarchitektur in Deutschland optimal?

De Maizière: Ich hätte schon einige Ideen, wie wir die Sicherheitsarchitektur von Bund und Ländern optimieren könnten. Wir haben zurzeit aber weder die Zeit noch die Mehrheiten, dies umzusetzen, und deswegen tun wir alles, um mit der aktuellen Architektur bestmöglich zu arbeiten. Am Ende der Legislaturperiode sollten wir für die Zukunft ohne parteipolitische Schubladen überlegen, wie wir den Staat für Krisen und Katastrophensituationen noch besser wappnen können.

RP: Uniformierte werden immer öfter Ziel von Angriffen. Wie kann man Übergriffe auf Polizisten unterbinden?

De Maizière: Warum tragen Polizisten in England keine Waffe? Dort ist es gesellschaftlicher Konsens, dass man alles Mögliche machen kann, nur keine Polizisten angreifen.

RP: Dort sind die Strafen exorbitant.

De Maizière: Das ist richtig. Ich bin auch dafür, die Strafdrohung zu erhöhen, wenn Polizisten angegriffen werden. Das bringt aber nur etwas, wenn höhere Strafen auch umgesetzt werden und es zu harten Verurteilungen kommt. Neben dem Strafrecht muss es aber auch eine gesellschaftliche Debatte geben mit dem Ziel, dass wir einen Konsens darüber wiederherstellen, dass Gewalt und Beschimpfungen gegen Polizisten, Feuerwehrleute und THW-Mitarbeiter, die einen öffentlichen Auftrag erfüllen, tabu sind. Sie sind nicht die Stellvertreter für politische Auseinandersetzungen.

RP: Sollte auch ein Straftatbestand geschaffen werden, wenn Gaffer Einsatzkräfte bei der Arbeit behindern?

De Maizière: Ja, das kann ich mir durchaus vorstellen. Wir dürfen aber nicht glauben, dass wir mit der bloßen Einführung eines neuen Straftatbestandes auch schon das Problem beseitigen. Wir brauchen eine Justiz, die das nutzt, und es bedarf einer gesellschaftlichen Ächtung, dass sich Gaffen an Unfallstellen und das Schießen von Fotos, wenn andere Menschen in Not sind, schlicht nicht gehört und die Gefahr für die in Not Geratenen noch erhöht.

RP: Die Grünen lehnen die Einstufung der Maghreb-Staaten als sichere Herkunftsländer ab. Was bedeutet das für die Flüchtlingspolitik?

De Maizière: Wir können die Zustimmung der Bevölkerung zur Integration der vielen gekommenen Flüchtlinge nur aufrechterhalten, wenn diejenigen, die bei uns keinen Anspruch auf Schutz haben, unser Land auch wirklich wieder verlassen müssen. Die Landesregierungen sind nicht dem Parteiwohl der Grünen verpflichtet, sondern dem Wohl des Landes. Deswegen werde ich auch sehr interessiert auf das Abstimmungsverhalten von Nordrhein- Westfalen schauen, weil dort die meisten Marokkaner leben.

RP: Können Sie guten Gewissens jemanden nach Marokko abschieben?

De Maizière: Man kann Staaten für sicher erklären und trotzdem in Einzelfällen Schutz gewähren oder zumindest auf die Abschiebung verzichten, etwa wenn ein homosexueller Asylbewerber aus Marokko dort bedroht wäre. Das Prinzip der sicheren Herkunftsstaaten ist deutsches Verfassungsrecht und europäisches Recht. Teile der Grünen lehnen etwas ab, was in Europa Alltag ist. Das wird dem Ernst der Lage nicht gerecht und ist in Europa eine isolierte Position. Deshalb hoffe ich, dass wir noch eine Lösung finden.

RP: NRW konnte bisher nur 20 der 1.300 abgelehnten Asylbewerber in ihr Land zurückbringen. Macht sich der Staat nicht lächerlich?

De Maizière: Nach meiner Reise dorthin hat es mit allen drei Staaten Fortschritte gegeben, aber das reicht noch nicht. Marokko und Algerien lehnen etwa voll besetzte Charter-Flugzeuge ab. Dazu müssen wir mit diesen Ländern noch einmal reden und tun das auch. Wir müssen aber auch gemeinsam unsere eigenen Hausaufgaben erledigen und das vollziehen, worauf wir uns in den Asylpaketen I und II geeinigt haben. Es gibt da noch Vollzugsdefizite. Wichtig ist, Abschiebungen nicht anzukündigen. Der Ausreisegewahrsam kann entschlossener genutzt werden. Es werden immer noch zu viele Atteste von Ärzten ausgestellt, wo es keine echten gesundheitlichen Abschiebehindernisse gibt. Es kann nicht sein, dass 70 Prozent der Männer unter 40 Jahren vor einer Abschiebung für krank und nicht transportfähig erklärt werden. Dagegen spricht jede Erfahrung. Es muss auch Leistungskürzungen geben, wenn Asylbewerber nicht bei der Identitätsfindung helfen oder im Fall der Ablehnung nicht ausreisen. Die rechtlichen Instrumente dafür haben wir 2015 geschaffen, und jetzt müssen sie noch konsequenter angewendet werden.

RP: Die Einbruchskriminalität steigt seit Jahren. Viele Bürger fühlen sich nicht mehr sicher Ist der Staat machtlos?

De Maizière: Es stimmt, dass es einen starken Zuwachs gibt. Aber in den 90er Jahren waren die Einbruchszahlen sogar noch höher. Die gute Nachricht ist, dass 40 Prozent der Taten im Versuch steckenbleiben. Da zeigt sich, dass passiver Schutz und Umsicht der Betroffenen hilft. Zudem brauchen wir mehr Strafverfolgung und mehr Polizei.

RP: Sie haben schon 2014 gesagt, dass mehr gegen die Einbruchskriminalität unternommen werden muss...

De Maizière: Ja, das war für einen Bundesinnenminister ungewöhnlich, da ja eigentlich die Länder dafür zuständig sind. Hintergrund ist, dass für den Anstieg der Einbruchskriminalität internationale Banden verantwortlich sind, und hier kann auch der Bund etwas tun. Wir haben deswegen eine Koordinierungsstelle im Bundeskriminalamt eingerichtet. Wir arbeiten zum Beispiel auch eng mit den Niederlanden zusammen. Die Bundesländer sind unterschiedlich erfolgreich bei der Bekämpfung der Einbruchskriminalität. Darüber müssen wir bei der Innenministerkonferenz reden.

RP: Als Eigenheimbesitzer darf ich keine Kamera vor dem Haus installieren.

De Maizière: Ich halte mehr Videoüberwachung für ein wichtiges Element gegen Einbruchskriminalität. Ich möchte aber nicht, dass sich Bürger gegenseitig überwachen. Es gibt aber die Möglichkeit, auch Kreuzungen in Einfamilienhaussiedlungen zum Kriminalitätsschwerpunkt zu erklären und dort öffentliche Kameras zu installieren. Das tun wir bei Bahnhofvorplätzen auch. Videoüberwachung gehört zum entschlossenen Kampf gegen Einbruchskriminalität.

RP: Es gibt Blitz-Marathons. Warum nicht mobile Polizeieinsätze gegen Einbrecher?

De Maizière: Viele Länder machen das schon. Sehr nützlich ist eine sogenannte Wachpolizei, die besetzt ist mit Kräften, die über eine Kurzausbildung verfügen und begrenzte Befugnisse haben, aber Uniform und Waffe tragen. Sie können als Wache in besonders belasteten Vierteln eingesetzt werden. Sie würden die Präsenz der Polizei erhöhen und können Meldungen machen. Sachsen hat die Wachpolizei bereits eingeführt - das ist ein zukunftsweisendes Modell.

Das Gespräch wurde für die Rheinische Post geführt.