"Wenn es den Menschen besser geht, sind wir einfach nur froh"

Entwicklungszusammenarbeit in Äthiopien "Wenn es den Menschen besser geht, sind wir einfach nur froh"

Wenn Julian Schmid spricht, spürt man sofort: Der 33-Jährige ist nicht nur leidenschaftlicher Förster, er ist vor allem begeisterter Entwicklungshelfer. Im Auftrag des Bundesentwicklungsministeriums begleitet er ein Projekt zur Wiederaufforstung in Äthiopien.

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Förster und Entwicklungshelfer: Julian Schmid lehnt für das Foto an einem Baumstamm.

Förster und Entwicklungshelfer: Der Regensburger Julian Schmid arbeitet für drei Jahre in Äthopien.

Foto: Jemal Countess

Für die nächsten drei Jahre ist Addis Abeba, die Hauptstadt Äthiopiens, das Zuhause von Julian Schmid. Von da fährt er regelmäßig nach Arba Minch, eine kleine Stadt im Süden des Landes. Hier kümmert sich der Regensburger um die Baumschulen vor Ort und um Flächen, die wieder begrünt werden sollen. "Ich fahre auf die Plantagen und schaue mir die Überlebensraten der Bäume an oder erarbeite Empfehlungen, wie Plantagen gestaltet und welche Baumarten je nach klimatischer Zone gepflanzt werden sollten", berichtet Schmid und fügt hinzu: "Hier werden Förster wirklich gebraucht."

Erosion verschmutzt den Abaya-See

Arba Minch liegt auf 1000 Meter Höhe im Rift Valley zwischen dem Abaya- und dem Chamo-See. Das Gebiet, in dem Schmid tätig ist, umfasst ca. 1900 Quadratkilometer. Es ist etwa doppelt so groß wie Berlin. Hier leben rund 350.000 Einwohner. "Warum wir hier sind? Die ökologischen Verhältnisse des Abaya-Sees haben sich drastisch verschlechtert", erklärt Julian Schmid. "Die Flüsse kommen von den Bergen, doch die umliegenden Hänge und Berge sind abgeholzt. Dadurch kommt es immer wieder zu starker Erosion." Das heißt: Gestein und Boden werden durch Regenwasser abgetragen und gelangen in den Abaya-See. Dadurch ist dieser so stark verschmutzt, dass Sonnenlicht nicht mehr eindringen kann – viele Fischarten verschwinden. Schmid ergänzt: "Am Chamo-See, da, wo wir gerade im Einsatz sind, droht eine ähnliche Situation. Und es wird ihm genauso gehen, wenn wir hier nicht etwas dagegen tun."

Viele Wälder sind verschwunden

Oberstes Ziel sei jedoch nicht nur, die Landschaft wiederherzustellen, sondern auch, die Lebensgrundlage und damit die Existenz der Bevölkerung zu sichern. "Wir werden es nicht schaffen, dass niemand mehr in den Wald geht und Holz rausholt. Dafür ist Äthiopien zu arm. Die Menschen brauchen das Holz, um zu heizen, um zu kochen", erklärt Schmid. "Wir versuchen ihnen aber bewusst zu machen, was sie verlieren werden, wenn sie so weitermachen."

Äthiopien hat sehr viel seines ursprünglichen Waldbestandes verloren. Während um das Jahr 1900 ca. 40 Prozent der Landesfläche von Naturwäldern bedeckt waren, sind es heute nur noch geschätzte drei Prozent. Ursache dafür ist vor allem der Bedarf an Feuerholz: 96 Prozent des Haushaltsenergiebedarfs werden damit abgedeckt. Die abgeholzten Flächen werden landwirtschaftlich genutzt, bis sie durch Erosion so stark geschädigt sind, dass kaum noch Erträge erzielt werden können.

Und der Druck auf die noch wenigen vorhandenen Wälder steigt: Äthiopien ist mit 113 Millionen Menschen nach Nigeria das bevölkerungsreichste Land Afrikas. In den vergangenen 30 Jahren hat sich die Einwohnerzahl mehr als verdoppelt. Die Regierung hat das Problem erkannt und große Kampagnen für Aufforstungen gestartet. Bis 2030 will Äthiopien 15 Millionen Hektar mit baumreicher Vegetation wiederherstellen – das bisher ambitionierteste Ziel eines afrikanischen Landes. Das Bundesentwicklungsministerium unterstützt die Initiative.

Hilfe zur Selbsthilfe

Die Vorhaben des Entwicklungsprojekts sind ambitioniert: In vier Gemeinden, die besonders stark von der Erosion betroffen sind, sollen in diesem Jahr neue Baumschulen eröffnet werden. "Wir versuchen, in jeder Höhenstufe zwischen 1000 Metern und 3000 Metern eine Baumschule einzurichten. Und wir wollen die Menschen, die mit der Aufforstung zu tun haben, an einen Tisch bringen. Dort besprechen wir, wie man gut und nachhaltig Bäume und Wald wieder in degradierte Landschaften einbringt."

Mit diesen Zielen sollen Wertschöpfungsketten entstehen, die Einkommen und Existenz der Menschen vor Ort sichern. Überzeugungsarbeit dahingehend zu leisten, selbst Bäume zu pflanzen, daraus ein Geschäft zu machen und am Ende Arbeitsplätze zu schaffen, ist Julian Schmids größtes Anliegen: "Wir betreuen eine Baumschule am Chamo-See in den höheren Regionen. Diese hat sehr klein mit der Produktion von Baumsetzlingen angefangen, stellte zwei exotische Baumarten her." Mittlerweile produzieren einheimische Beschäftigte der Baumschule zehn Baumarten. Die Überlebensrate der Setzlinge ist hoch, die Qualität der Pflanzen gut. Schmid: "Die Menschen verdienen mit der Arbeit in dieser Baumschule nun besser als tageweise auf dem Bau, so dass ihr Einkommen gesichert ist, auch wenn wir eines Tages nicht mehr hier sind."

Hochwertiges Saatgut fehlt

Äthiopiens Rückgrat ist die Landwirtschaft. 80 Prozent der Bevölkerung leben in ländlichen Gebieten. Mit 72 Prozent stellt die Landwirtschaft den wichtigsten Erwerbszweig dar. Neben Kaffee werden hauptsächlich Getreide, Mais, Teff und Sorghum (beides Hirsearten) angepflanzt.

Doch die Erträge sind niedrig. Ein wesentlicher Grund dafür ist die unzureichende Versorgung mit qualitativ hochwertigem Saatgut. Einerseits dominieren staatliche Unternehmen die Vermehrung von Saatgut, anderseits können diese den Bedarf und die Nachfrage bei Weitem nicht decken. Hier setzt eine Initiative des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft an.

"Wir unterstützen die Äthiopier darin, dass die richtigen Sorten gezüchtet werden, mit dem Ziel, dass Saatgut nicht nur verbessert, sondern auch in ausreichendem Umfang zur Verfügung steht, so dass am Ende der Bauer einen Sack Saatgut kaufen kann", erklärt Andrea Rüdiger. Die 34-jährige Dresdnerin koordiniert in der Hauptstadt Äthiopiens Addis Abeba mit ihrem fünfköpfigen Team das Saatgut-Projekt.

Züchtungen machen Pflanzen widerstandsfähiger

Saatgutzüchtungen können Pflanzen widerstandsfähiger machen gegenüber Schädlingen, Pflanzenkrankheiten und gegenüber klimatischen Bedingungen. "Eine große Herausforderung sind die Folgen des Klimawandels", sagt Andrea Rüdiger. "Gerade in den Regionen, die ohnehin schon dürreanfällig sind, spürt man deutlich Veränderungen: Regenzeiten sind unvorhersehbarer und werden kürzer. Sorten zu züchten, die diesen neuen Bedingungen angepasst sind, ist sehr wichtig für die Ernährungs- und die Einkommenssicherung der kleinbäuerlichen Betriebe."

"Äthiopien muss gewappnet sein", sagt auch Julian Schmid. "Deshalb ist es so wichtig, sich divers aufzustellen", ergänzt Andrea Rüdiger. "Wenn wir einen kleinen Teil dazu beitragen, dass es den Menschen und der Natur besser geht, wenn Ökosysteme wieder intakt sind oder wiederhergestellt werden, sind wir einfach nur froh."

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