Das Feuer der Sonne auf die Erde holen

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Kernfusions-Versuchsreaktor Wendelstein 7-X Das Feuer der Sonne auf die Erde holen

Eine neue Phase bei der Suche nach bislang ungenutzten Energiequellen: Der Versuchsreaktor Wendelstein 7-X in Greifswald ist voll einsatzfähig. Ziel ist es, eines Tages die Energieproduktion der Sonne auf der Erde nachzuahmen. Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger spricht von einer „riesengroßen Chance“.

3 Min. Lesedauer

Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger vor der Kernfusions-Versuchsanlage "Wendelstein X-7" in Greifswald

Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger sieht in der Fusionsforschung eine riesengroße Chance für unsere Energieversorgung und unsere Unabhängigkeit.

Foto: picture alliance/dpa

Der Bedarf an klimafreundlicher Energie ist groß. Die Kernfusion ist hierbei eine Möglichkeit, klimaneutral Strom zu gewinnen Allerdings ist die Fusionsforschung zum großen Teil noch Grundlagenforschung. Langfristiges Ziel ist es jedoch, ein klima- und umweltfreundliches Kraftwerk zu entwickeln. Ähnlich wie die Sonne soll es aus der Verschmelzung von Atomkernen Energie gewinnen. Das passiert bei rund 15 Millionen Grad Celsius aus der Verschmelzung von Wasserstoff zu Helium.

Da die Fusionsbrennstoffe günstig zu bekommen, auf der Erde gleichmäßig verteilt sind und darüber hinaus ein Fusionskraftwerk gute Umwelt- und Sicherheitseigenschaften aufweisen kann, könnte die Fusion nachhaltig zur künftigen Energieversorgung beitragen.

Fusionsfeuer zünden für ein grundlastfähiges Kraftwerk

Genau diese Energieproduktion der Sonne auf der Erde nachzuvollziehen, ist Ziel der Experimentieranlage „Wendelstein 7-X“ - ein Forschungsgroßgerät und die inzwischen weltweit größte Fusionsanlage vom Typ „Stellarator“. Damit soll untersucht werden, ob sich daraus ein grundlastfähige Fusionskraftwerk bauen lässt. Dazu die Forschungsministerin beim Festakt im Max-Planck-Institut für Plasmaphysik in Greifswald: „Wenn es gelänge, durch Fusion große Mengen von Energie zu erzeugen, wäre das ein wertvoller Beitrag zur Abdeckung der Grundlast und eine riesengroße Chance für unsere Energieversorgung und unsere Unabhängigkeit“.

Ein extra dafür optimiertes Magnetfeld soll den Einschluss des Plasmas testen, das für die Kernfusion essentiell ist. Allerdings zündet das Fusionsfeuer erst bei Temperaturen von über 100 Millionen Grad. Gerät das Plasma an die kalten Gefäßwände oder Plasmateilchen dringen durch winzige Lücken im „Magnetkäfig“ nach außen, verliert das verbleibende Plasma Dichte und Energie, kühlt ab und geht quasi „verloren“. Folge: Der Fusionsprozess bricht zusammen.

Das Max-Planck-Institut für Plasmaphysik (IPP) erforscht die physikalischen Grundlagen der Fusion. Als weltweit einziges Institut wird es zwei Anlagentypen parallel betreiben - einen Tokamak in Garching und einen Stellarator in Greifswald. Dabei wird es von den Helmholtz-Zentren Jülich und Karlsruhe sowie von Universitäten und Unternehmen aus ganz Europa unterstützt. Die Projektkosten für Wendelstein 7-X betragen rund 1,3 Milliarden Euro. Davon trägt der Bund rund 70 Prozent.

Der Name Wendelstein wurde bereits Ende der 50er-Jahre gewählt. Er erinnert an die frühen Stellarator-Experimente am Princeton-Labor für Plasmaphysik in den USA, die unter dem Namen „Matterhorn“ durchgeführt wurden.

Die Hauptmontage von Wendelstein 7-X wurde 2014 abgeschlossen, das erste Plasma wurde am 10. Dezember 2015 erzeugt.

Magnetspulen und Supraleiter

Bei „W7-X“ hat man dieses Problem gelöst, indem ein Ring aus 50 supraleitenden, etwa 3,5 Meter hohen Magnetspulen den Magnetkäfig erzeugt. Er soll den Einschluss des Plasmas sozusagen „in der Schwebe“ halten und ist das technische Kernstück der gesamten Anlage. Ausgefeilte Modellrechnungen haben die Anlage inzwischen so optimiert, dass Energieverluste im Vergleich zu früheren Anlagen desselben Typs deutlich minimiert werden können.

Plasma „im Dauerbetrieb“ erzeugen

In der Erzeugung des Magnetfelds liegt der wesentliche Unterschied zwischen dem Stellarator Wendelstein und dem „Tokamak“, der im "International Thermonuclear Experimental Reactor" (ITER) in Südfrankreich aufgebaut wird. Dort ist das Magnetfeld viel einfacher konstruiert, ähnlich einem elektrischen Transformator, und erlaubt deswegen nur einen Pulsbetrieb. Das bedeutet, das Plasma müsste immer wieder neu gezündet werden.

Dagegen wird das Magnetfeld von W7-X vollständig durch externe Spulen erzeugt. Für ein künftiges Kernfusionskraftwerk ist es daher wünschenswert, kontinuierlich Plasmen zu erzeugen. Mit bis zu 30 Minuten langen Plasmaentladungen soll Wendelstein 7-X diese wesentliche Stellarator-Eigenschaft umsetzen, nämlich den Dauerbetrieb. „Sollte der Transfer in die Anwendung gelingen, wäre das eine Innovation von unglaublicher Tragweite, die einen enormen Beitrag für unsere Energie- und Klimapolitik leisten kann“, so die Bundesforschungsministerin.

Wasserkühlung gegen Überhitzung

Damit sich die Gefäßwände bei Temperaturen von über 50 Millionen Grad Celsius und im längeren Betrieb nicht überhitzen, wurden 630 neue Wasserkühlkreise installiert. Der Magnetspulen-Ring wird dabei auf minus 270 Grad heruntergekühlt. Für längere Plasmaentladungen von mehr als 30 Minuten ist die Versuchsanlage in Greifswald nicht ausgerichtet. Dafür müssen wiederum Kühltürme gebaut werden.

Das Bundesforschungsministerium fördert die Fusionsforschung als Vorsorgeforschung für eine kohlenstoffarme Energieversorgung und den Klimaschutz. Für die nächsten Jahrzehnte wird ein rasanter Anstieg der globalen Energienachfrage erwartet. Gleichzeitig besteht die Notwendigkeit, CO2-Emissionen zu reduzieren. Für eine zukünftige klimaneutrale Energieversorgung müssen daher alle in Frage kommenden Konzepte untersucht werden. Energieerzeugung aus Fusion ist eine solche Option. Deutschland verfügt im Bereich Fusion im internationalen Vergleich über ein herausragendes wissenschaftliches Know-how und weltweit über eine der leistungsfähigsten Forschungsinfrastrukturen.