Asylverfahren schneller abschließen

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Im Wortlaut: de Maizière Asylverfahren schneller abschließen

Bundesinnenminister de Maizière will Asylverfahren aus sehr sicheren Herkunftsländern wie dem Kosovo oder sehr unsicheren Staaten wie Syrien schneller abschließen. Dafür sei mehr Personal bei den Länderbehörden nötig. Im Interview mit der Rheinischen Post spricht er auch über die Gefahr durch radikale Islamisten und ein neues Konzept gegen Einbrüche.

  • Interview mit Thomas de Maizière
  • Rheinische Post
Thomas de Maizière, Bundesminister des Innern.

de Maizière: Wir müssen auf viele Flüchtlinge einstellen, solange die internationalen Krisen nicht gelöst sind.

Foto: Peter Lorenz

Das Interview im Wortlaut:

Rheinische Post: Wir sitzen in Ihrem neuen Ministerium hinter schusssicheren Scheiben. Fühlen Sie sich auch abhörsicher?

Thomas de Maizière: Das Bundesamt für die Sicherheit in der Informationstechnik hat das überprüft und den Neubau insoweit für gut befunden. Eine hundertprozentige Sicherheit gibt es allerdings nirgendwo auf der Welt.

Rheinische Post: Wie sieht die aktuelle Bedrohungslage durch den islamistischen Terrorismus aus?

De Maizière: Die Zahl der Ausreiser in den Dschihad ist auf circa 700 gestiegen. So groß war sie bisher noch nie. Die Zahl der islamistischen Gefährder in Deutschland liegt inzwischen bei rund 330. Gefährder ist eine Person, zu der bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie politisch motivierte Straftaten von erheblicher Bedeutung, insbesondere solche im Sinne des Paragrafen 100 a Strafprozessordnung, begehen wird. Dabei ist Deutschland in keiner Sonderrolle, auch in anderen europäischen Ländern ist eine vergleichbare und teilweise noch deutlich stärkere Radikalisierung zu beobachten. Aber: Wir sind wehrhaft. Stetig werden kampfbereite Islamisten an der Ausreise gehindert und bundesweit laufen derzeit mehr als 500 Ermittlungsverfahren gegen 800 Beschuldigte aus dem islamistischen Spektrum.

Rheinische Post: Der "Islamische Staat" hat in Videobotschaften wiederholt Deutschland bedroht. Wie ernst nehmen Sie das?

De Maizière: Wir sorgen uns natürlich um systematisch im Ausland vorbereitete und angeordnete Anschläge gegen Ziele in Deutschland. Genauso aber um Anschläge von Einzeltätern, wie wir sie in Dänemark, Kanada und Australien erlebt haben. Dagegen ist eine Vorbeugung besonders schwierig.

Rheinische Post: Die Bundesregierung rechnet in diesem Jahr mit 400 000 Flüchtlingen. Bleibt es bei dieser Zahl?

De Maizière: Wir werden im Sommer unsere Prognose überprüfen. Nicht akzeptabel ist, dass in den ersten Monaten dieses Jahres die Hälfte aller Asylbewerber aus den Westbalkanstaaten kam. Deswegen werden die Länder sie künftig nicht mehr auf die Städte und Kreise verteilen, sondern sie bis zum Abschluss ihres Verfahrens in den Erstaufnahmeeinrichtungen behalten, so dass sie von dort aus zurückgeführt werden können. Die Bundespolizei wird dabei sehr viel stärker helfen, als bisher. Je früher dezentral untergebracht wird und je länger die Verfahren dauern, desto schwieriger ist die Rückführung für alle Beteiligten. All das kann die Zahl der Asylbewerber verändern.

Rheinische Post: Wie schnell können die Asyl-Verfahren werden?

De Maizière: Wenn nicht nur das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge — wie geschehen — mehr Personal bekommt, sondern die Länder auch die Ausländerbehörden und die Verwaltungsgerichte entsprechend ausstatten, dann können wir solche Verfahren in zwei bis drei Wochen abschließen. Das ist unser Ziel. So wollen wir es für sehr unsichere Herkunftsländer wie Syrien und für sehr sichere Herkunftsländer wie Kosovo handhaben. Andere Verfahren dauern dann natürlich länger. Insgesamt wollen wir im Durchschnitt auf drei Monate kommen.

Rheinische Post: Rechnen Sie dauerhaft mit diesen hohen Flüchtlingszahlen, wie wir sie aktuell verzeichnen?

De Maizière: Es muss gelingen, dass nicht mehr so viele Asylbewerber aus Europa nach Europa kommen. Dann fiele eine große Zahl von Antragstellern weg. Auf der anderen Seite müssen wir uns auf eine hohe Zahl von Flüchtlingen einstellen, so lange die internationalen Krisen nicht gelöst sind. Darüber hinaus gibt es diejenigen, etwa aus Afrika, die aus wirtschaftlichen Gründen nach Europa wollen. Um ihre Zahl zu verringern, brauchen wir eine Mischung aus Hilfe in den Herkunftsländern und Rückführung. Wie das gelingt, ist entscheidend für die Stimmung in der Bevölkerung.

Rheinische Post: Wie nehmen Sie die Stimmung gegenüber Asylbewerbern in Deutschland wahr?

De Maizière: Zunächst einmal bin ich sehr dankbar für die weit verbreitete und großartige Hilfsbereitschaft. Ich kann hier aber nicht nur Harmonie verbreiten. Wir dürfen nicht übersehen, dass bei einem kleinen Teil der Bevölkerung Frust und sogar Wut steigen. Die Zahl der Straftaten gegen Asylbewerber und deren Unterkünfte ist gestiegen. Dem müssen wir entschlossen und hart entgegentreten. Wir müssen zugleich zur Kenntnis nehmen, dass es einen wachsenden Teil der Bevölkerung gibt, der sich einfach Sorgen macht, etwa um die Turnhallen, die nicht mehr für den Sportunterricht zur Verfügung stehen, oder darum, dass Leistungen und Vorhaben der Kommunen gekürzt werden, weil die Flüchtlingsunterbringung viel Geld kostet. Diese Gruppe müssen wir mitnehmen und Ängste und Sorgen durch Diskussionen nehmen. Es wäre völlig falsch, sie als rechtsextrem abzustempeln.

Rheinische Post: Wie wollen Sie die Welle der Wohnungseinbrüche in den Griff bekommen?

De Maizière: Wir unterstützen die Eigentümer auch dabei, die passive Sicherheit zu verstärken. Schon jetzt gibt es 40 Prozent "erfolglose Versuche", in Häuser einzudringen. Das Wichtigste bleibt aber die Strafverfolgung. Es gibt ein neues Konzept des Bundeskriminalamtes und es gibt erste größere Fahndungserfolge, die wir bei der Innenministerkonferenz beleuchten wollen. Einbruchsdiebstahl war lange ein Delikt, das lokal verfolgt wurde. Wenn heute kriminelle Banden von Niedersachsen über Nordrhein-Westfalen bis nach Rheinland-Pfalz zuschlagen, dann brauchen wir eine bessere Zusammenarbeit der lokalen und Landesbehörden mit dem BKAund mit den Staaten, in denen die Hauptquartiere dieser Banden liegen. Einen wichtigen Beitrag erhoffe ich mir außerdem davon, dass wir den schweren Bandendiebstahl zukünftig mit dem Instrument der Vorratsdatenspeicherung bekämpfen können. Zudem bin ich Anhänger von predictive policing, also einer vorhersagenden Polizeiarbeit.

Rheinische Post: Der Streifenwagen der Polizei soll vor dem Einbrecher zur Stelle sein?

De Maizière: Eine kluge Auswertung von Einbruchsmustern der Vergangenheit lässt möglicherweise Prognosen zu, wo in Zukunft vermehrt Einbrüche verübt werden könnten. Wir werden versuchen, vor die Welle der Kriminalität zu kommen. Wenn systematische "Fischzüge" in drei oder vier ganz bestimmten Einfamilienhaussiedlungen entlang einer Autobahn unternommen werden, dann gehört nicht viel Fantasie dazu, dass die fünfte, sechste oder siebte derartige Siedlung in Autobahnnähe auch betroffen sein kann.

Rheinische Post: Braucht die CDU eine Debatte über die "Ehe für alle"?

De Maizière: Der Begriff "Ehe für alle" ist unscharf. Nach meinem Verständnis des Grundgesetzes und nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtes setzt Artikel 6 als Ehe eine Verbindung von Mann und Frau voraus. Die Beseitigung von Diskriminierung ist etwas anderes als eine völlige Gleichstellung. Für eine völlige Gleichstellung bräuchten wir eine Grundgesetzänderung. Ich habe Zweifel, ob wir das tun sollten. Ich halte nun wirklich andere Debatten für viel wichtiger.

Das Interview wurde für die

geführt.