"Wälder sind die Lunge der Welt"

  • Bundesregierung ⏐ Startseite
  • Schwerpunkte

  • Themen   

  • Bundeskanzler

  • Bundesregierung

  • Aktuelles

  • Mediathek

  • Service

Im Wortlaut: Müller "Wälder sind die Lunge der Welt"

Entwicklungsminister Müller mahnt im Interview, den Schutz der Wälder nicht zu vernachlässigen. Und er plädiert dafür, Entwicklungsländer im nachhaltigen Wirtschaften zu unterstützen. Besorgt zeigt sich Müller über die weltweit steigende Zahl der Flüchtlinge.

  • Interview mit Gerd Müller
  • Berliner Zeitung

Das Interview im Wortlaut:

Berliner Zeitung: Herr Müller, Sie beschäftigen sich immer stärker mit der Klimapolitik. Bauen Sie gerade eine Art Neben-Umweltministerium auf?

Gerd Müller: Warum Neben-Ministerium? Mein Haus ist das globale Umweltministerium. Wir investieren rund 1,7 Milliarden Euro jährlich in Umweltprojekte in unseren Partnerländern. Das sind gut 90 Prozent aller Mittel, die die Bundesregierung für die internationale Klimapolitik ausgibt. Es ist doch völlig klar, dass wir die Klimaschutzziele nur erreichen können, wenn wir auf diesem Weg alle Staaten mitnehmen. Nur ein Fakt dazu: Derzeit werden weltweit, aber vor allem in Ländern wie China oder Indien 1300 Kohlekraftwerke geplant. So sind die Klimaziele natürlich nicht zu schaffen.

Berliner Zeitung: Keine Konkurrenz von Ihnen zu Umweltministerin Barbara Hendricks?

Müller: Frau Hendricks und ich arbeiten hervorragend zusammen. Die Herausforderungen im Klimaschutz sind enorm, hier erreichen wir zusammen viel mehr als einer allein.

Berliner Zeitung: Was haben Sie in Kolumbien erlebt?

Müller: Wenn Sie über das Land fliegen, sehen Sie, dass die Abholzung des Regenwaldes dramatische Ausmaße erreicht hat. Das darf nicht so weitergehen. Ich halte es für einen Fehler, dass wir uns international zu stark auf die Minderung des CO2-Ausstoßes konzentrieren und dabei den Schutz der Wälder vernachlässigen. Sie sind die Lunge der Welt, speichern die Hälfte des auf der Erde gebundenen Kohlendioxids. Etwa zwölf Prozent der CO2-Emissionen gehen auf den Verlust der Wälder zurück. Das Ziel muss deshalb ein Stopp der Entwaldung sein. Parallel dazu brauchen wir Programme zur Wiederaufforstung.

Berliner Zeitung: Das schaffen gerade die ärmeren Staaten nicht allein. Was tun wir, um Ländern wie zum Beispiel Kolumbien zu helfen, wo sich große Teile des Amazonas-Regenwaldes befinden?

Müller: Kolumbien ist in einer schwierigen Lage, schließlich gibt es weiterhin den Konflikt mit der Farc-Guerilla, die ihre Waffen durch Drogenanbau finanziert. Aber die Friedensverhandlungen sind auf einem guten Weg. Die kolumbianische Regierung hat sich das Ziel gesetzt, bis 2020 die Abholzungsrate im Amazonas auf Null zu drücken. Das Land ist damit ein grüner Pionier.

Berliner Zeitung: Noch einmal: Der Westen macht es sich einfach und fordert den Schutz der tropischen Wälder. Die Menschen vor Ort müssen jedoch auch von irgendwas leben. Wie löst man diesen Konflikt zwischen Klimaschutz und wirtschaftlicher Entwicklung?

Müller: Tatsächlich ist das ein Dilemma. Aber wir suchen nach Lösungen. Neu aufgelegte Programm sehen vor, dass die betroffenen Länder Kompensationszahlungen dafür erhalten, wenn sie den Wald schützen und für Wiederaufforstung sorgen. Klimaschutz muss belohnt werden. Im Falle des Waldes darf es im Übrigen gar nicht um Nutzungsverbote gehen. Die Devise muss vielmehr heißen: Schützen durch nutzen. Ich stelle mir ähnlich wie in Europa Hilfen für die Bauern vor, wenn sie den Wald nachhaltig bewirtschaften.

Berliner Zeitung: Die Wälder stehen allerdings auch einer Ausbeutung von Rohstoffen wie Erdöl oder Kohle im Weg. Auch deshalb wird abgeholzt. Wie geht man mit diesem Problem um?

Müller: Natürlich müssen die Länder ihre Bodenschätze nutzen dürfen. Aber es wäre ja schon viel gewonnen, wenn die Förderung nicht illegal geschähe, was etwa auch in Kolumbien leider weiter an der Tagesordnung ist, sondern staatlich kontrolliert. Dabei muss Rücksicht genommen werden auf den Regenwald. Moderne Technologien ermöglichen inzwischen ein klimaschonendes Wirtschaftswachstum. Auch die Entwicklungsländer haben Anspruch auf Wachstum und Wohlstand. Das kann ihnen niemand verwehren. Aber wir können dabei helfen, dass diese Staaten nicht die Fehler machen, die wir in der westlichen Welt begangen haben.

Berliner Zeitung: Herr Müller, Sie sind jetzt seit einem Jahr im Amt. Bei welchen Themen haben Sie das Gefühl, dass sich nicht genug bewegt?

Müller: Mich sorgen die weltweiten Flüchtlingsströme. Es gibt zurzeit so viele Flüchtlinge wie seit 50 Jahren nicht mehr. Darauf sind wir nicht vorbereitet. Ich habe das gerade erst in Kolumbien erlebt. Dort berichteten UN-Mitarbeiter, dass sie die Hilfen für die indigene Bevölkerung gekürzt haben, die vor den bewaffneten Konflikten mit der Farc fliehen mussten. Der Grund ist eine Umverteilung der UN-Gelder zugunsten der syrischen Flüchtlinge. In den Lagern dort mussten die Lebensmittelrationen aber auch schon gekappt werden, weil die Staatengemeinschaft nicht bereit ist, die notwendigen Mittel für den Winter bereitzustellen. Das muss man sich einmal vorstellen!

Berliner Zeitung: Ihnen wurden rund 250 Millionen Euro mehr für die Flüchtlingshilfe bewilligt der Bund zahlt den Kommunen eine Milliarde Euro zusätzlich für die Aufnahme von Flüchtlingen.

Müller: Letzteres ist richtig und wichtig. Es besteht aber ein Missverhältnis zu den Mitteln, die wir für die Menschen in den Flüchtlingslagern zur Verfügung haben. Wir tragen eine Verantwortung, der wir nicht gerecht werden. Deshalb werde ich mich am Freitag in Brüssel beim EU-Ministerrat weiter für eine Sondermilliarde für die Flüchtlinge einsetzen.

Das Gespräch führte Timot Szent-Ivanyi für die