"Größtes Projekt der Rüstungsbeschränkung"

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Im Wortlaut: Steinmeier "Größtes Projekt der Rüstungsbeschränkung"

Durch diplomatische Verhandlungen seien Lösungen möglich. Aus den erfolgreichen Iran-Verhandlungen über das Atomprogramm könne man diesen Schluss ziehen, so Außenminister Steinmeier im Interview. Nachbarn des Iran könnten sich ein Beispiel nehmen und ebenso nach einer politischen Lösung für Syrien suchen.

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Das Interview im Wortlaut:

ZDF: Sie sprachen von einem historischen diplomatischen Erfolg, die deutsche Wirtschaft sieht es genauso, freut sich, steht schon in den Startlöchern. Werden diese hohen Erwartungen sich erfüllen, dass auch die deutsch-iranischen Beziehungen am Beginn einer neuen Ära stehen?

Frank-Walter Steinmeier: Vielleicht gehen Politiker und Journalisten ein bisschen verschwenderisch um mit dem Begriff "historisch", aber ich glaube, dieser Tag verdient es wirklich, so genannt zu werden. Nach mehr als 12 Jahren Verhandlungen nicht nur eine politische Vereinbarung, sondern heute die Bestätigung, dass die Verpflichtungen, die der Iran eingegangen ist, auch umgesetzt hat. Das ermöglicht jetzt die Aufhebung von Sanktionen, ermöglicht Handel, der über mehr als 10 Jahre mit dem Iran untersagt war, und das sind natürlich auch Chancen für die deutsche Wirtschaft, völlig klar.

ZDF: Eine ganz wichtige Frage in diesem Zusammenhang wird sein, welche Rolle Iran im Syrien-Krieg spielt. Bisher unterstützt es einseitig das Assad-Regime. Könnte sich da in der Haltung etwas ändern, haben Sie diese Hoffnung?

Steinmeier: Ja, ich habe dieser Hoffnung heute Ausdruck gegeben, indem ich gesagt habe, wir können ja Lehren ziehen aus diesen zwölfjährigen Verhandlungen. Die erste mag sein, dass man sich selbst nicht enttäuscht zeigen darf, wenn Verhandlungen unterbrochen oder sogar zeitweise abgebrochen werden, dass man mit Beharrlichkeit auf ein Ziel hinarbeiten muss, und wir aus den Iran-Verhandlungen ja vielleicht auch den Schluss ziehen können, dass Beharrlichkeit sich auszahlt, dass durch diplomatische Verhandlungen Lösungen möglich sind. Das zweite ist, wir müssten diese Lehre, die wir ziehen, gar nicht nur auf den Iran beziehen und beschränken, sondern wir können die Hoffnung haben, dass viele andere Nachbarn des Iran und Nachbarn Syriens in einer krisengeschüttelten Region sich diese Verhandlungen zum Beispiel nehmen und jetzt in gleicher Weise nach fünf Jahren Bürgerkrieg in Syrien, nach 300.000 Toten, in ähnlichen Formaten, in ähnlichen Verhandlungen, wie wir sie im letzten Jahr in Wien begonnen haben, jetzt auch nach einer politischen Lösung für Syrien zu suchen. Wir sind weit entfernt davon, aber die ersten kleinen Schritte sind getan.

ZDF: Sie sprachen gerade die Nachbarn in der Region an. Eines dieser Länder in der Region freut sich nun überhaupt nicht über diese Entwicklung, Israel. Warum trauen die Deutschen den Iranern, wenn die Israelis davor so scharf warnen?

Steinmeier: Ich glaube, das ist ein großes Missverständnis, über das ich mit unserem israelischen Partner natürlich häufiger gesprochen habe. Es herrscht hier eben keine Vertrauensseligkeit. Da, wo der Iran Verpflichtungen in der Vergangenheit verletzt hat, kann nicht ohne weiteres ohne Schalterumlegen Vertrauen entstehen. Und deshalb ist dieses Abkommen, das wir im Juli vergangenen Jahres unterzeichnet haben, ein Abkommen, was Kontrolle, und zwar eine schärfere Kontrolle als gegenüber anderen Staaten, in den nächsten fünfzehn Jahren gegenüber dem Iran sicherstellt. Und insofern eben nicht nur Vertrauen, sondern wir haben jetzt einen ersten Schritt - in dem der Iran gezeigt hat, er hat zwei Drittel seiner Zentrifugen abgebaut, er hat angereichertes Uran außer Landes gebracht, und der Kern des Plutoniumreaktors ist unbrauchbar geworden -, gemacht. Und das ist jetzt der Einstieg, bei dem wir sagen, nach diesen Vorleistungen heben wir Sanktionen auf, aber der Iran bleibt natürlich die nächsten fünfzehn Jahre unter internationaler Kontrolle.

ZDF: Nichtsdestotrotz gibt es noch andere Länder außer Israel, die das kritisch betrachten, dass sunnitische Saudi-Arabien zum Beispiel. Hier steht der Vorwurf im Raum, dass die westliche Politik ein Machtungleichgewicht in der Region zu Gunsten Irans fördert. Wie lässt sich verhindern, dass dieser Rüstungswettlauf, den man jetzt schon beobachten kann, sich nicht noch mehr ausweitet?

Steinmeier: Ich glaube, zunächst einmal ist es gerechtfertigt zu sagen, dass dieses Abkommen mit dem Iran das größte Projekt der Rüstungsbeschränkung ist, das wir seit Jahren erreicht haben. Der Iran hat nämlich mit diesem Abkommen auf den Griff zur Atombombe verzichtet. Zweitens weiß ich natürlich, dass es für Nachbarn wie Saudi-Arabien um mehr geht, als nur Atomforschung und Atomprogramme, sondern hier geht es zwischen Iran und Saudi-Arabien um die Vorherrschaft in der muslimischen Welt. Und das genau war meine Sorge, die ich auch öffentlich zum Ausdruck gebracht habe bei den neuentstehenden, neuentflammenden Spannungen am Beginn dieses Jahres, dass diese Spannungen, wenn sie weiter eskalieren zwischen Iran und Saudi-Arabien, alles vernichten können, was wir vorsichtig in ersten Schritten im Bezug auf eine politische Lösung für Syrien im vergangenen Jahr erreicht haben. Und deshalb müssen wir mit beiden sprechen. Sie werden nicht über Nacht Freunde werden, aber wir müssen sehen, dass die Spannungen zwischen Iran und Saudi-Arabien, die es gibt und die ihren Grund haben, dass sie unter Kontrolle bleiben und beide, Saudi-Arabien und Iran, bei den Versuchen, eine Lösung für Syrien zu finden, beide weiterhin konstruktiv mitarbeiten.

Das Gespräch führte Marietta Slomka mit Frank-Walter Steinmeier.