Rede des Bundesministers der Justiz und für Verbraucherschutz, Heiko Maas,

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Sehr geehrte Frau Präsidentin!
Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Sehr geehrter Herr Abgeordneter Claus,

ein Satz hat mir in Ihrer Rede ganz besonders gefallen, der da lautete: „Das Fazit ist doch einfach toll.“ – Aufgrund Ihrer Schlussbemerkung gehe ich davon aus, dass Sie dem Justizetat in diesem Jahr möglicherweise zustimmen können, wenn wir das alles so gut gemacht haben.

Es ist noch kein Jahr her, dass die Bundesregierung ihre Arbeit aufgenommen hat. Wir haben uns auch für den Bereich Justiz und Verbraucherschutz eine ganze Menge vorgenommen. Und vieles von dem, was wir uns vorgenommen haben, ist schon auf den Weg gebracht, teilweise auch schon umgesetzt worden.

Ein neues Adoptionsrecht für Kinder, die in Regenbogenfamilien aufwachsen, ist bereits in Kraft getreten.

Die Mietpreisbremse wird nächste Woche im Rechtsausschuss beraten und kann im kommenden Jahr bereits in Kraft treten. Damit wird Wohnraum für Familien, Rentner und vor allen Dingen Normalverdiener auch bezahlbar bleiben.

Die Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses setzen wir ebenfalls zügig um. Der Gesetzentwurf liegt Ihnen vor. Damit setzen wir ein Zeichen gegen Rechtsextremismus und Gewalt und auch dafür, dass wir uns nicht damit abfinden wollen, dass Behörden in unserem Land so gnadenlos versagt haben.

Wir reformieren auch das Sexualstrafrecht, um die Schwächsten der Gesellschaft vor Missbrauch und vor Kinderpornografie besser zu schützen. Dieses Gesetz haben wir intensiv beraten, und es kann bereits in wenigen Wochen in Kraft treten.

Ich finde, es ist schon eine ganze Menge, was wir in nicht einmal einem Jahr auf den Weg gebracht haben.

Was das Strafrecht angeht, will ich auch noch einmal betonen – wie immer an diesem Punkt –: Prävention bleibt der beste Opferschutz. Das gilt auch, wenn es um den sexuellen Missbrauch von Kindern geht. Wir haben bereits in diesem Jahr die Mittel für das Präventionsnetzwerk „Kein Täter werden“ um 40 Prozent erhöht. Wir werden diesen Zuschuss auch weiter steigern, weil wir überzeugt sind: Die beste Kriminalpolitik bleibt die, die dafür sorgt, dass es gar nicht erst zu neuen Straftaten kommt.

Auch der Verbraucherschutz ist ein Thema, mit dem wir uns intensiv auseinandersetzen. Wir sind dabei, vieles auf den Weg zu bringen, und haben auch schon vieles auf den Weg gebracht. So haben wir etwa nach dem Insolvenzantrag der Firma Prokon sofort einen besseren Schutz von Kleinanlegern angepackt. Mit mehr Transparenz, verständlicheren Informationen und mehr Aufsichtsbefugnissen sorgen wir für faire Spielregeln auch auf dem grauen Kapitalmarkt, der dies ganz besonders notwendig hat. Der Gesetzentwurf zum Kleinanlegerschutz ist bereits im Kabinett beschlossen worden und wird uns demnächst hier beschäftigen.

Für eine bessere Orientierung der Verbraucherinnen und Verbraucher werden auch die sogenannten Marktwächter sorgen. Der Marktwächter für den Finanzmarkt wird Anfang kommenden Jahres bereits seine Arbeit aufnehmen. Der Marktwächter für die digitalen Märkte, der genauso notwendig ist, wird bald folgen. Beides ist vor allen Dingen auch dank der Mittel aus dem Haushalt, der heute hier beraten wird, möglich geworden. Deshalb sage ich dem Bundestag und insbesondere den Berichterstattern für unseren Einzelplan ein ganz herzliches Dankeschön dafür, dass das möglich gemacht wurde.

Wir haben uns viel vorgenommen. Auch für die Zukunft bleibt noch viel zu tun. Zurzeit berät – das ist ein ganz aktuelles Thema – die Koalition noch einmal über die Frauenquote in den Aufsichtsräten. Sie wissen, dass das Justiz- und Verbraucherschutzministerium eine entsprechende Vorlage für die Änderung des Aktiengesetzes eingebracht hat. Ich sage nur das, was alle sagen: Der Koalitionsvertrag gilt. Das bedeutet: Die Frauenquote wird kommen. Vielleicht kommen wir heute schon einen ganz entscheidenden Schritt weiter.

Dabei geht es nicht darum, wer politisch obsiegt. Nein, wir setzen mit der Frauenquote, wie ich finde, auch den Gleichstellungsauftrag aus dem Grundgesetz um. Sie ist vor allen Dingen – das soll noch einmal gesagt werden – wirtschaftlich sinnvoll. Wir wollen, dass Deutschlands Unternehmen die vorhandenen Potenziale stärker nutzen. Frauen in Führungsetagen der deutschen Wirtschaft sind keine Belastung, sondern ein Gewinn. Deshalb wird die Frauenquote kommen.

Es stehen weitere Themen auf unserer Tagesordnung. Wir haben zusammen mit den Kolleginnen und Kollegen aus dem Bundesinnenministerium, also dem Ministerium von Herrn de Maizière, einen Gesetzentwurf zur Bekämpfung von Doping vorgelegt. Wir sind nämlich der Auffassung, dass Profisportler – um die geht es –, die dopen, zum einen den Wettbewerb verzerren und zum anderen vor allen Dingen die Integrität des Sportes beschädigen. Sie sind damit als Vorbilder in der Gesellschaft, vor allem für Kinder, ein kompletter Totalausfall. Deshalb bringen wir diesen Gesetzentwurf auf den Weg. Seit vielen Jahren wird über Doping diskutiert. Es ist höchste Zeit, dass endlich gehandelt wird. Dieser Gesetzentwurf ist ein Statement für sauberen Sport und eine Kampfansage an alle dopenden Betrüger.

Wir werden uns in den kommenden Wochen und Monaten außerdem mit der Frage auseinandersetzen müssen, wie wir Frauen besser vor sexueller Gewalt schützen können. Wir haben uns, auch in Abstimmung mit den Bundesländern und den Justizbehörden vor Ort, mit Fallgestaltungen auseinandergesetzt und dabei festgestellt, dass der Vergewaltigungsparagraf, so wie er heute gilt, das Unrecht, das bedauerlicherweise Realität ist, nicht in allen Fällen erfasst. Es gibt Schutzlücken. Das Recht muss aber tatsächlich alle Situationen abdecken, in denen sexuelle Übergriffe stattfinden. Wenn das heute nicht der Fall ist – so ist das leider –, werden wir diese Schutzlücken schließen müssen. Wir werden deshalb einen Gesetzentwurf vorlegen, durch den die Gesetzeslücken und die Schutzlücken, die es bedauerlicherweise bei Vergewaltigungen gibt, in Zukunft geschlossen werden.

Eine moderne Rechtspolitik nimmt nicht nur die Herausforderungen der Zukunft an, sondern stellt sich auch der Vergangenheit. Wenn es um die deutsche Justiz und den Nationalsozialismus geht, dann mag persönliche Schuld verjährt sein; aber die Verantwortung, die wir alle haben, bleibt bestehen.

Deshalb müssen wir

erstens die historische Aufarbeitung dieses Themas weiter vorantreiben. Ich meine das Projekt des Bundesjustizministeriums, das schon unter meiner Vorgängerin auf den Weg gebracht wurde, das Rosenburg-Projekt. Wie Sie wissen, untersucht eine unabhängige wissenschaftliche Kommission den Umgang des Ministeriums mit der NS-Vergangenheit nach dem Zweiten Weltkrieg, also in den 50er- und 60er-Jahren. Ende des kommenden Jahres soll der Abschlussbericht vorliegen. Es zeichnet sich bereits heute ab: Die NS-Verstrickung der Nachkriegsjustiz und unseres Ministeriums war noch weitaus tiefer als bekannt. Das müssen wir aufarbeiten, und das tun wir auch vorbehaltlos.

Zweitens müssen wir unsere Gesetze, wie ich finde, auch von den letzten Überresten des nationalsozialistischen Rechtsdenkens befreien. Deshalb – auch wegen anderer praktischer Probleme, aber auch deshalb – haben wir eine Reform des Mordparagrafen in Angriff genommen.

Drittens: Schließlich darf die Vergangenheit nie vergessen werden. Ich habe deshalb in diesem Jahr den Fritz-Bauer-Studienpreis gestiftet. Er ist benannt nach dem Initiator des Frankfurter Auschwitz-Prozesses, über den es mittlerweile sogar Kinofilme gibt und über den weitere gedreht werden.Mit diesem Preis wollen wir gerade junge Juristinnen und Juristen ermuntern, sich mit den Verbrechen und dem Versagen der deutschen Justiz wieder stärker zu beschäftigen, weil wir finden: Diese Erinnerung ist kein Selbstzweck, nein, sie stärkt unseren Rechtsstaat.

Wie wichtig ein entschlossenes Vorgehen gegen Antisemitismus, Rassismus und Neonazis ist, das haben die Verbrechen des NSU erneut gezeigt. Wir sind deshalb überzeugt: Eine Justiz, die die Schattenseiten ihrer Geschichte kennt, wird den Herausforderungen der Gegenwart viel besser gerecht.Auch deshalb bleibt die Erinnerung an die Vergangenheit so wichtig für die Zukunft.