Pressestatement von Bundeskanzler Scholz zum Informellen Treffen des Europäischen Rates am 6. Oktober 2023

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BK Scholz: Guten Morgen! Das ist heute ein ganz wichtiges Treffen, bei dem wir uns hier über die Zukunft unserer Europäischen Union unterhalten. Im Wesentlichen geht es um die Frage der Erweiterung. Sie wissen, dass wir uns vorgenommen haben, nach 20 Jahren, die das schon zugesagt ist, die westlichen Balkanstaaten jetzt endlich in der Europäischen Union aufnehmen zu können, dass wir das mit Moldau und der Ukraine vorhaben und dass wir perspektivisch auch Georgien dabei sehen.

Aber all das macht auch klar, dass wir uns nicht nur mit den Fragen der Beitrittsprozesse dieser Länder beschäftigen müssen und damit, inwieweit und wann jeweils die Voraussetzungen für den Beitritt gewährleistet sind, sondern dass wir auch die Europäische Union selbst zukunftsfähig machen müssen. Das betrifft ganz besonders Entscheidungsstrukturen. In Prag habe ich versucht, in einer Rede zu diesem Thema deutlich zu machen, dass es nicht sein kann, dass es dann etwa in Fragen der Außenpolitik oder der Steuerpolitik immer bei Einstimmigkeit bleibt. Wir müssen dann auch mit qualifizierten Mehrheiten Entscheidungen treffen können, damit die Souveränität und Handlungsfähigkeit der Europäischen Union gewährleistet ist. Die Bürgerinnen und Bürger erwarten, dass wir Probleme, wenn sie da sind, lösen, dass wir etwa nach außen hin handlungsfähig sind. Das müssen wir sicherstellen.

Das gilt auch für Fragen der Governance. Je mehr Kommissarinnen und Kommissare, desto mehr muss man sich überlegen, wie das alles vernünftig gemacht werden kann. Man kann ja nicht immer einfach quasi die Regierung erweitern und neue Ministerien erfinden. Dafür wird man also eine pragmatische Lösung finden.

Für uns in Deutschland spielt natürlich auch immer die Frage eine Rolle, wie viele Sitze unser Land als großes Mitgliedsland im Europäischen Parlament hat. Auch das wird uns in den nächsten Jahren bewegen.

Darüber kann jetzt diskutiert werden. Das gilt natürlich auch für die finanziellen Fragen, die damit irgendwann verbunden sein werden. Jeder und jede weiß: Dann kann es nicht dabei bleiben, dass alle Länder, die heute netto Zahlungen empfangen, darauf rechnen können, dass es in Zukunft so bleibt, sondern sie werden dann auch zur Finanzierung von Wachstumsprozessen in den Beitrittsländern beitragen müssen. Auch das muss ja gemeinsam vorangebracht werden.

Aus meiner Sicht ist hier also ein guter Ort, um diese Fragen, die für die Zukunft Europas von großer Wichtigkeit sind, einmal ohne den Druck einer Entscheidung diskutieren zu können, damit wir die richtigen Grundlagen für das haben, was wir uns für die Zukunft vorgenommen haben.

Frage: (ohne Mikrofon, akustisch unverständlich)

BK Scholz: Ich bin froh, dass wir so früh diskutieren, weil ganz offensichtlich ist, dass viele Fragen nicht ganz einfach zu einem gemeinsamen Ergebnis gebracht werden können. Das ist nicht weiter schlimm. Wir alle sind erwachsene Menschen, und da muss man Probleme auch diskutieren und auflösen können. Aber das muss jetzt diskutiert werden.

Das war auch der Grund, warum ich sehr weitreichende Aussagen gemacht habe, auch in Prag, wo ich die Gelegenheit hatte, eine europapolitische Rede zu halten, die ganz bewusst auf das gezielt hat, was wir heute hier beraten. Ich bin ganz froh darüber, dass daraus in doch so relativ kurzer Zeit ein Diskussionsprozess entstanden ist, der in ganz Europa stattfindet, und zwar rechtzeitig, weil das zwar nicht nächstes oder übernächstes Jahr ansteht, aber doch bald. Deshalb darf man die Dinge nicht immer vor sich herschieben, weil sie so kompliziert sind, wie eben ja geschildert worden ist.

Das Gleiche gilt für das, was ich dem Europäischen Parlament in meinem Redebeitrag habe darlegen können. Wir müssen schon genau schauen, wie wir dafür Sorge tragen können, dass unser Europa souverän ist, dass es seinen Platz in der Welt hat und dass Europa auf die Probleme, die die Bürgerinnen und Bürger haben und bezüglich derer sie erwarten, dass Europa die Antwort finden muss, auch die Antwort findet.

Schönen Dank.