Neue Generationen künstlicher Herzklappen

Medizinforschung Neue Generationen künstlicher Herzklappen

Künstliche Herzklappen werden mittlerweile auch schonend mit einem Katheter eingesetzt. Allerdings bergen Implantate stets das Risiko bakterieller Infektionen. Wissenschaftler aus Mecklenburg-Vorpommern haben eine spezielle Beschichtung entwickelt, die dies verhindern soll. Gefördert wurde das Projekt durch zwei europäische Fonds.

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Dr. Michael Stiehm und Finja Borowski im Prüflabor für Herzklappenprothesen

Dr. Michael Stiehm und Finja Borowski im Prüflabor für Herzklappenprothesen.

Foto: Card-ii-Omics

Sie ist so klein wie eine Euromünze und hat eine große Bedeutung als Schleusentor des Herzens: Ohne die Aortenklappe wäre der Blutfluss aus unserem Herzen in die Hauptschlagader gestört. Diese aus dünnem Gewebe bestehende Klappe ist ständigen Belastungen ausgesetzt. Wenn sie verkalkt, also verengt wird, oder sich gar entzündet, leidet der Herzmuskel. 

So zählt eine Verengung der Aortenklappe inzwischen zu den häufigsten Herzklappenerkrankungen in Deutschland. Bis zu zehn Prozent der über 80-Jährigen sind davon betroffen. Ebenso können Aortenklappen durch entzündliche Prozesse oder Verschleiß im fortgeschrittenen Alter schwach werden und ihre Schließfähigkeit verlieren. Herzklappeninsuffizienz lautet hierfür die Diagnose. 

Mechanische oder biologische Prothesen als Ersatz

Dauerhaft leben muss mit diesen Herzklappenfehlern niemand: Durch die moderne Chirurgie können Herzklappen heute durch mechanische oder biologische Prothesen ersetzt werden. Dies erforderte lange eine große Operation mit einer Öffnung des Brustkorbs. Immer häufiger kommt jedoch auch ein minimalinvasives Verfahren zum Einsatz – das sogenannte TAVI-Verfahren.

Bei dieser schonenden Methode wird eine künstliche Aortenklappe von einem Drahtgeflecht umhüllt, auf einen Katheter aufgebracht und durch die Arterie bis ins Herz vorgeschoben. Dort entfaltet sich die Klappe und funktioniert sofort. Vor allem bei Hochrisikopatienten, die nicht operiert werden können, wird das TAVI-Verfahren angewandt. Allerdings sind auch hierbei Komplikationen möglich: Es besteht die Gefahr von Gefäßverletzungen und bakteriellen Infektionen. 

Spezielle Beschichtung verhindert Anhaftung von Bakterien

Diese hochmodernen Implantate – knapp 20.000 TAVI-Eingriffe werden in Deutschland jährlich vorgenommen – haben Forscherinnen und Forscher aus Rostock und Greifswald im Projekt Card-ii-Omics weiter optimiert. Sie entwickelten ein innovatives Verfahren, mit dem die Anhaftung von Bakterien auf den neuen Herzklappen deutlich reduziert wird. Durch eine infektionshemmende Beschichtung kann die Bildung von Biofilmen auf der Oberfläche verhindert werden.

„Bis zu drei Prozent der Patienten erleiden nach Ersatz der Herzklappe mit der TAVI-Methode eine Endokarditis“, sagt die Koordinatorin von Card-ii-Omics an der Universitätsmedizin Greifswald, Prof. Barbara Bröker. Diese Infektion der neuen Herzklappe könne lebensgefährlich verlaufen und werde oftmals erst spät erkannt. „Die Erreger breiten sich lange Zeit unbemerkt aus.“ 

Um diese schwelenden Infektionen frühzeitiger zu erkennen, hat das interdisziplinäre Forscherteam den Fokus auch auf die Verbesserung der Diagnose- und Therapiemöglichkeiten gelegt. Hierfür kommen neueste molekularbiologische Methoden zu Einsatz. „Wir haben erstmals den gesamten Prozess begleitet – von der Ursachenforschung bis zur Behandlung“, betont Bröker.

Forscher im HErzklappenlabor

Den neu entwickelten Herzklappen haben eine infektionshemmende Beschichtung.

Foto: Card-ii-Omics

Omics-Technologien ermöglichen Rückschlüsse zur Entstehung der Infektionen 

Das Besondere an dem Forschungsverbund ist, dass Expertisen aus der Medizintechnik, Kardiologie, Infektionsforschung, Immunologie sowie der Genomforschung zusammengeführt wurden. Insbesondere die Einbeziehung aktueller molekularbiologischer Methoden, der Omics-Technologien, erlaubt Rückschlüsse zur Entstehung der durch jene Implantate verursachten Infektionen.

„Mit unseren Forschungsergebnissen haben wir den Grundstein für weitere Innovationen auf dem Gebiet der Implantattechnologien gelegt“, sagt Professor Emil Reisinger, wissenschaftlicher Vorstand der Universitätsmedizin Rostock und Koordinator von Card-ii-Omics. Die spezielle Beschichtung könnte auch bei der Herstellung von Gefäßstützen, den Stents, oder weiterer Implantate angewandt werden. „Das bietet die Chance, Infektionen von Prothesen des Herz-Kreislauf-Systems insgesamt einzudämmen“, erklärt Reisinger. 

Card-ii-Omics ist ein Projekt des Exzellenzforschungsprogramms des Landes Mecklenburg-Vorpommern und wurde durch den Europäischen Sozialfonds (ESF) und den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) gefördert. Beteiligt waren die Universitäten Greifswald und Rostock, die Universitätskliniken beider Städte sowie das Rostocker Institut für Implantat-Technologien und Biomaterialien.