„Die Menschen packen einfach mit an“

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Münchner Initiativen „Die Menschen packen einfach mit an“

Die Hilfsbereitschaft ist groß: Es werden Unterkünfte vermittelt, Medikamente, Kleidung und Handys gesammelt – und Hilfstransporte auf den Weg gebracht. Bundesweit engagieren sich viele Menschen für Geflüchtete aus der Ukraine. So auch in München, der Partnerstadt von Kiew. Die Helfer verbindet der Wunsch, in der Notlage mitanzupacken.       

6 Min. Lesedauer

Das Bild zeigt Helfer und Geflüchtete am Münchner Hauptbahnhof.

Kleidung, Lebensmittel oder Vermittlung einer Unterkunft: Am Münchner Hauptbahnhof kümmern sich derzeit viele Helferinnen und Helfer um die Geflüchteten.

Foto: IMAGO/Wolfgang Maria Weber

12 Uhr mittags in München: Lagebesprechung für das Kernteam des Vereins „Münchner Freiwillige – Wir helfen e. V.“. Mit wie vielen neu ankommenden Flüchtlingen aus der Ukraine ist heute zu rechnen? Gibt es genug freiwillige Helferinnen und Helfer? Und liegen weitere Angebote für dringend benötigte Unterkünfte vor?

Fragen, über die sich Vereinsvorsitzende Petra Mühling seit knapp zwei Wochen u.a. mit dem insgesamt fünfköpfigen Vorstand jeden Mittag austauscht. Und abends um halb neun gibt es noch eine weitere Runde. Ehrenamtlicher Dauer-Einsatz, um Geflüchteten aus der Ukraine zu helfen. Bei allem Stress „ist es doch schön, konkret etwas tun zu können, über den Tellerrand hinauszublicken und Leute kennenzulernen, denen man ohne diese Tätigkeit nie begegnet wäre“, begründet Petra Mühling ihr großes Engagement.

Die Auswirkungen des Krieges mildern

Und das gelte sicher für viele, die sich in dieser schwierigen Zeit ehrenamtlich engagierten: „Am Krieg und an den politischen Verhältnissen kann ich konkret nichts ändern. Aber ich kann versuchen, die Auswirkungen zu mildern, indem ich tätig werde und konkrete Unterstützung leiste. Das hilft auch dabei, sich von negativen, frustrierenden Gedanken abzulenken“, hebt Mühling hervor.

Bei dem von der Stadt München geförderten Verein haben sich bereits 8.000 freiwillige Helferinnen und Helfer gemeldet – und täglich werden es mehr. Das Alter sei sehr gemischt: einige Ältere, aber auch viele Studierende engagierten sich, berichtet Petra Mühling. Es gebe auch zahleiche Freiwillige, die sich für den ehrenamtlichen Einsatz von ihrem Arbeitgeber beispielsweise für zwei Wochen hätten freistellen lassen.

Unterkünfte für Flüchtlinge dringend gesucht

Viele der Engagierten helfen in der sogenannten Vermittlungsstelle des Vereins: Hier wird der Kontakt von Geflüchteten zu Menschen hergestellt, die im Raum München für eine kurze Zeit oder längerfristig eine Unterkunft anbieten können. Diese Wohnungsangebote mit den Wohnungsgesuchen von Ukrainerinnen und Ukrainern zusammenzuführen, ist aktuell die Hauptaufgabe des Vereins. Dabei gibt es auch eine Zusammenarbeit mit Hotels, die Zimmer für Geflüchtete zur Verfügung stellen.  

Außerdem betreibt der Verein einen „Freiwilligenladen“, in dem beispielsweise Handys oder Laptops für die Flüchtlinge abgegeben werden können. Auch Essens- oder Verpflegungsgutscheine sind laut Petra Mühling herzlich willkommen. Weniger sinnvoll seien aktuell größere Sachspenden, da der Verein diese aufgrund begrenzter Raumkapazitäten selbst kaum lagern könne. Geldspenden für die Arbeit des Vereins seien dringend nötig. Und wer sich engagieren möchte, könne sich jederzeit melden.

Freiwillige sollten stressresistent sein

„Wir suchen u.a. Menschen, die eine Wohnung anbieten können. Und vor allem Freiwillige, die über bestimmtes, zum Beispiel technisches Know-how verfügen“, so Mühling.

Diese Kompetenz sei konkret bei der Einrichtung von mobilen Endgeräten von Vorteil. Gebraucht würden zudem Freiwillige mit ukrainischen, russischen oder englischen Sprachkenntnissen. Gleich, für welche Aufgabe man sich bei dem Verein melde: Wichtig sei, dass die Helferinnen und Helfer nach Möglichkeit stressresistent seien und strukturiert arbeiten könnten. „Sie dürfen sich vor allem nicht so leicht aus der Ruhe bringen lassen“, betont die Vereinsvorsitzende.

In der Vermittlungsstelle gehe es schon hektisch zu. Außerdem seien viele der Geflüchteten, vor allem Frauen mit ihren Familien aus der Ukraine, verängstigt, manche vielleicht auch traumatisiert. Da gelte es vor allem, Vertrauen aufzubauen, damit die Geflüchteten mal in Ruhe durchschnaufen und sich sicher fühlen könnten. „Man sieht hier Schicksale, die man auch selbst erst einmal verarbeiten muss“, berichtet Petra Mühling.

Seine Wurzeln hat der Verein im Jahr 2015: Damals empfingen Tausende hilfsbereite Ehrenamtliche am Münchner Hauptbahnhof ankommende Flüchtlinge. Aus dem Organisationsteam entstand im Frühjahr 2016 der Verein „Münchner Freiwillige – Wir helfen e.V.“ , der auf der Willkommenskultur aufbaut und weiterhin die ehrenamtliche Hilfe für Flüchtlinge koordiniert.

Tränen, Hoffnung und auch Wut mit geflüchteten Menschen aus der Ukraine teilen: Das kennt auch Petra Lehmann, 1. Vorsitzende des Münchner Vereins „Heimatstern“. Doch den Gefühlen zu sehr nachgeben, dafür hat sie kaum Zeit. „Ich habe jetzt eben Kleidung rausgesucht für acht Kinder, die jetzt um 11 Uhr vorbeikommen und die einfach diese Sachhilfe dringend brauchen“. Gemeinsam mit ihrem Mann Tilman Haerdle, einem weiteren aktiven Vereinsmitglied und einem Pool von 15 freiwilligen Helferinnen und Helfern ist Petra Lehmann aktuell von früh bis spät für ihren Verein aktiv. Zudem haben sich zuletzt 400 Menschen gemeldet, die ehrenamtlich bei Bedarf auf Abruf zur Verfügung stehen.    

Hilfstransporte mit Medikamenten, Decken und Lebensmitteln

„Wir könnten das auch nicht im Ehrenamt und neben unseren Familien und neben unserem Beruf machen, wenn wir nicht so unglaublich viele Menschen hätten, die auch diesen Gedanken haben, zu helfen. Das geht gerade so unfassbar toll unkompliziert: Die Menschen packen einfach mit an“, berichtet Lehmann begeistert.

Zum einen stellt der Verein u.a. Sachspenden für Kriegsflüchtlinge zusammen, die es nach Deutschland geschafft haben. Ein weiterer Schwerpunkt sind Hilfstransporte in die Ukraine bzw. an die Grenze. An Bord: Medikamente, Verbandsmaterial, Lebensmittel, Hygieneartikel, Decken, Schlafsäcke. Die Materialien bringt der Verein in Kleintransportern und großen Lastern ins Krisengebiet. Möglich wird dies durch eine Kooperation mit einer Spedition, mit der der Verein bereits seit sechs Jahren zusammenarbeitet.

Privatleute und Unternehmen unterstützen

Bevor es mit den Transporten losgeht, müssen Hilfsgesuche und direkte Angebote von Privatleuten und Unternehmen zusammengebracht werden: allein dies ist eine große organisatorische Aufgabe für den recht kleinen Verein. Helferinnen und Helfer nehmen die Sachspenden in zwei Münchner Lager- und Sortierhallen entgegen. Dort wird alles für die Transporte verpackt und palettiert.

Für die Fahrt in die Ukraine setzt der Verein vor allem auf krisenerfahrene Freiwillige. „Uns ist es natürlich wichtig, unsere Helferinnen und Helfer nicht in Gefahr zu bringen. Und wenn klar ist, dass es auch gefährliche Situationen geben kann, sprechen wir vor allem Freiwillige vom THW, der Feuerwehr oder der Polizei an. Da sind also Leute dabei, die vielleicht schon mal in Krisengebieten waren“, betont Petra Lehmann.

Besonders am Herzen liegt ihrem Verein, nicht nur Hilfsgüter in die Ukraine zu bringen. Sondern auch Menschen mit nach Deutschland zurückzunehmen, die an einen sicheren Ort möchten. Dadurch bekomme der Krieg auch für sie und ihre vielen Helferinnen und Helfer ein Gesicht. Geschichten und Schicksale, die „uns auch menschlich tief berührt haben“, so Lehmann.

„Die Menschen sind einfach am Ende“

Besonders in Erinnerung geblieben sind ihr zwei Mütter mit ihren insgesamt vier Kindern. “Die waren alle unglaublich freundlich und wahnsinnig diszipliniert. Als wir ihnen Lebensmittel-Gutscheine gegeben wollten, haben sie diese erst sehr zögerlich angenommen. Denn ihnen war es wichtig, dass auch die anderen Flüchtlinge noch etwas bekommen sollten. Den ganzen Tag über waren die Frauen auch sehr gefasst. Aber abends, so erzählten sie mir, als die Kinder im Bett waren, da brachen sie zusammen und weinten. Da war unglaublich viel Würde und Disziplin, aber hinter der Fassade sind die Menschen einfach am Ende“, sagt Petra Lehmann bewegt.

Diese Bilder und Erlebnisse motivieren sie und ihre freiwilligen Helferinnen und Helfer zusätzlich – Tag für Tag. „Hilfe ist vor allem kein Almosen. Sondern Hilfe sieht den Menschen“. Das will Petra Lehman noch mit auf den Weg geben, bevor sie weiter die Kleidung für die acht ukrainischen Kinder sortiert.     

Der gemeinnützige Verein „Heimatstern e. V.“ unterstützt unabhängig von Herkunft, Religion oder Geschlecht Menschen in Not. Ursprünglich hat der Verein seine Anfänge bei der allgemeinen Hilfe für Geflüchtete. Aktuell ist die Unterstützung für Menschen aus der Ukraine ein Schwerpunkt.