Regierungspressekonferenz vom 7. August 2023

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Im Wortlaut Regierungspressekonferenz vom 7. August 2023

Themen: schwere Unwetter in Slowenien, Österreichs und Kroatien; Putsch in Niger, Diskussionsentwurf des Bundesinnenministeriums zur Verbesserung der Rückführung von Angehörigen von Gemeinschaften der Organisierten Kriminalität, rechtsextreme Drohbriefe an Moscheen, Forderung nach einer Eigenbeteiligung von Eltern im Rahmen der Notfallversorgung für Kinder, Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine, Berichterstattung zum Ausbau der Aktienrente, Atomausstieg, Wirtschaftslage in Deutschland, mögliche Einführung eines Industriestrompreises, geplantes LNG-Terminal auf Rügen, Beschwerde des Auswärtigen Amts bei der Kommunikationsplattform X aufgrund eines Parodie-Accounts, Ukraine-Konferenz in Dschidda

38 Min. Lesedauer

  • Mitschrift Pressekonferenz
  • Montag, 7. August 2023

Sprecher: SRS’in Hoffmann, Kall (BMI), Collatz (BMVg), Fischer (AA), Nübel (BMG), Migenda (BMF), Chagheri (BMAS), Stolzenberg (BMUV), Einhorn (BMWK)

Vorsitzender Szent-Iványi eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt SRS’in Hoffmann sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

SRS’in Hoffmann: Guten Tag auch von meiner Seite! Ich beginne mit der Hochwasserkatastrophe in Slowenien. Die Bundesregierung ist bestürzt über diese schreckliche Hochwasserkatastrophe in Slowenien und in Teilen Österreichs. Unsere Gedanken sind bei den Opfern, ihren Angehörigen und den vielen Menschen, die ihr Obdach verloren haben.

Die slowenische Regierung hat technische Hilfe über das EU-Katastrophenschutzverfahren erbeten. Die Präsidentin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen, hat angekündigt, die notwendige Unterstützung zu mobilisieren. Der Kommissar für Krisenmanagement, Janez Lenarčič, ist bereits in Ljubljana. Neben Deutschland haben unter anderem bereits Bulgarien, Frankreich und Österreich konkrete Unterstützungsangebote im Rahmen des EU-Katastrophenschutzverfahrens angeboten.

Unabhängig davon hat die Bundesregierung unmittelbar nach den Berichten über die Hochwasserkatastrophe begonnen, Hilfsleistungen vorzubereiten. Zur Bewältigung der schon jetzt enormen Folgen der Unwetter zieht das THW derzeit Einsatzkräfte aus insgesamt zehn Ortsverbänden im Ortsverband Rosenheim zusammen, um diese schnellstmöglich in die betroffenen Gebiete zu entsenden. Die Kosten in Höhe von 700 000 Euro werden dabei durch das Auswärtige Amt getragen.

Darüber hinaus hat Slowenien die Nato um schwere Transporthubschrauber, vorgefertigte Brücken sowie Soldaten zur Wahrnehmung von Schutz-, Rettungs- und Hilfsaufgaben gebeten.

Aufgrund von starken Regenfällen sind große Teile Sloweniens sowie Teile Kärntens und der Steiermark von Überschwemmungen und Erdrutschen betroffen. Mit weiteren Regenfällen und Sturm ist zunächst bis heute, also bis zum 7. August, zu rechnen. Deshalb ein Hinweis an die deutsche Bevölkerung: Sollten Sie sich in den betroffenen Regionen aufhalten beziehungsweise diese durchreisen, beachten Sie bitte die regionalen Wetter- und Verkehrshinweise und leisten Sie den Anweisungen der lokalen Behörden Folge. Es ist mit der Sperrung betroffener Straßen zu rechnen. – So weit von mir.

Kall: Ich kann zur anlaufenden Hilfe des Technischen Hilfswerks, des THW, kurz etwas ergänzen. Slowenien hat ja gestern das EU-Katastrophenschutzverfahren aktiviert und um Hilfe ersucht, vor allen Dingen bei den Räumungs- und Bergungsarbeiten. Das THW, wie Frau Hoffmann gerade schon gesagt hat, entsendet diese Hilfe jetzt mit einem Vorausteam, das heute schon in den betroffenen Gebieten in Slowenien ankommt und das auf Bergungsarbeiten spezialisiert ist. Das THW wird dann weitere Kräfte hinterherschicken und wird auch Material wie Räumtechnik und Bagger und nach jetzigem Stand zwei mobile Brücken, die sehr kurzfristig aufgebaut werden können, um eben Infrastruktur wiederherzustellen oder vorübergehend herzustellen, nach Slowenien senden. Das ist ja die im Moment wahrscheinlich das am schwersten betroffene Gebiet. Das THW wird darüber gleich auch noch selbst informieren.

Frage: Ist über diese Hilfe hinaus mit weiterer Hilfe zu rechnen? Was ist, Herr Collatz, mit der Bundeswehr?

SRS’in Hoffmann: Wenn sich der erste Teil an mich oder Herrn Kall richtet, dann würde ich sagen: Das wird sich nach der Lage und dem Bedarf richten. Wir haben ja jetzt zunächst einmal mit der Hilfe begonnen, die jetzt unmittelbar nötig ist.

Collatz: Von mir gibt es auch nur die Ergänzung, dass ich bestätigen kann, dass Anfragen bei uns eingegangen sind. Die prüfen wir natürlich. In vorderster Linie stehen natürlich die zivilen Hilfsorganisationen. Gerade das Technische Hilfswerk ist natürlich bestens aufgestellt und optimiert für solche Einsätze. Sollte darüber hinaus noch Bedarf übrig bleiben, werden wir natürlich schauen, was wir tun können.

Fischer: Vielleicht kann ich auch noch etwas ergänzen. Es ist so, dass auch die Außenministerin in Gedanken bei den von den Unwettern und Überschwemmungen betroffenen Menschen ist. Derzeit liegt nur dieses Hilfsersuchen aus Slowenien vor. Aus Österreich und Kroatien liegt bisher nichts vor. Aber natürlich ist es so, dass wir, wenn Bedarf besteht, nach Kräften unterstützen werden. Das tun wir ja auch gerade in Zusammenarbeit mit dem THW, indem wir die Hilfsmaßnahmen als Auswärtiges Amt finanzieren.

Zusatzfrage: Nur noch einmal zur Klarheit: Ist das THW sozusagen Teil der EU-Hilfe, oder ist das nationale Hilfe?

Kall: Nein, das ist Hilfe über das EU-Katastrophenschutzverfahren. Das ist ja ein gemeinsamer Mechanismus, der sich in solchen Notlagen und Naturkatastrophen sehr bewährt hat, um einander sehr schnell und, wie Frau Hoffmann auch gesagt hat, eben auch bedarfsgerecht beizustehen, sodass das Land, das betroffen ist, sehr genau sagt, was es braucht - in diesem Fall Räumtechnik, Bagger, mobile Brücken -, und wir schauen, ob wir das haben und das liefern können, und es dann eben auch sehr schnell zur Verfügung stellen.

Frage: Ich habe eine Frage zu Niger an das Verteidigungsministerium und das Auswärtige Amt. Wie geht die Bundeswehr jetzt damit um, dass der Luftraum wieder geschlossen ist und die Frist abgelaufen ist, die ECOWAS den Putschisten gestellt hat? Wie bewertet das Auswärtige Amt jetzt die Lage?

Collatz: Ich kann gerne anfangen. – Für uns stellt sich zunächst einmal für das Kontingent keine grundsätzlich neue Lage dar. Auch im Rahmen der jüngsten Entwicklungen besteht keine akute Bedrohung durch den Putsch und die Nachläufer davon für das Kontingent. Das richtet sich nicht gegen unsere Kräfte. Insofern gehen wir unverändert davon aus, dass keine erhöhte Gefährdungslage vorhanden ist.

Natürlich ist das Aussetzen der Fluggenehmigungen ab heute wieder eine Bremse für uns, ein Rückschlag. Das wird natürlich bei den Planungen, wie sich unsere Abzugsbewegungen aus Mali dann weiter gestalten können, zu berücksichtigen sein.

Fischer: Wenn ich etwas ergänzen kann: Die Lage in Niger und vor allem in Niamey ist natürlich weiterhin fragil. Sie ist auch angespannt. Ich meine, wir haben gesehen, dass es am Wochenende in diesem Stadion auch zu einer Putschdemonstration gekommen ist. Aber wir glauben, dass man daraus nicht notwendigerweise schließen kann, dass die Putschisten auf die Breite der Bevölkerung bauen können, weil alle anderen Versammlungen vom Militär schlichtweg unterbunden werden.

Wir haben ja am Freitag schon über sozusagen die Auslöser des Putsches und darüber gesprochen, dass er zumindest improvisierte Aspekte hatte. Jetzt fangen auch die Sanktionen zu wirken an. Die haben auch durchaus schmerzhafte Auswirkungen auf die Menschen, aber auch auf das Regime. Sie wissen ja: Die Stromversorgung aus Nigeria ist gekappt worden. Auch scheint es erste Probleme mit Bargeld zu geben.

Gleichzeitig ist es so, dass wir uns Sorgen um den gewählten Präsidenten machen. Deshalb möchte ich an dieser Stelle noch einmal unsere Botschaft an die Putschisten unterstreichen, dass sie mit scharfen persönlichen Konsequenzen rechnen müssen, sollte dem demokratisch gewählten Präsidenten Bazoum und seiner Familie etwas zustoßen. Wir würden das genauso wie unsere afrikanischen Partner als eine Eskalation wahrnehmen.

SRS’in Hoffmann: Ich würde von meiner Seite noch ergänzen, dass wir uns natürlich, wie wir hier auch immer wieder gesagt haben, in dieser Situation auch eng mit unseren Partnern und Verbündeten austauschen. Insbesondere hat der Sicherheitsberater des Kanzlers, Jens Plötner, am Rande seines Aufenthalts in Dschidda intensive Gespräche mit amerikanischen und französischen Kollegen geführt.

Frage: Herr Fischer, Sie haben gerade von scharfen persönlichen Konsequenzen gesprochen. Können Sie das noch präzisieren? Reden wir also vom Einfrieren von Vermögen oder Reisebeschränkungen?

Noch etwas breiter gefragt: Bemerken Sie schon Auswirkungen der von ECOWAS gegen Niger verhängten Sanktionen, also zum Beispiel bei der Versorgung mit Energie oder Lebensmitteln?

Fischer: Ich glaube, den zweiten Teil der Frage hatte ich schon beantwortet. In der Tat gibt es Auswirkungen durch die Unterbrechung der Stromversorgung. Ich erwähnte zum Beispiel auch die Bargeldversorgung, von der wir hören, dass sie schwieriger wird.

Was Ihre erste Frage angeht, ist es natürlich so, dass Sanktionen als Mittel auf dem Tisch liegen. Aber ebenso käme im Falle eines Falles natürlich auch nationale oder internationale Strafverfolgung in Betracht. Aber das ist derzeit alles sehr spekulativ. Derzeit geht es uns darum, die Sicherheit des demokratisch gewählten Präsidenten und seiner Familie sicherzustellen.

Frage: Herr Fischer, ich wollte noch einmal auf das Ultimatum zu sprechen kommen, das den Putschisten gestellt wurde und das ja ausgelaufen ist. Italien hat jetzt eine Verlängerung um eine Woche gefordert. Die Franzosen haben ECOWAS ja ihrerseits angekündigt, dass sie deren mögliche Intervention unterstützen würden. Ich hätte ganz gerne einmal die Position der Bundesregierung gehört. Sind Sie wie Italien auch dafür, dass das Ultimatum um eine Woche verlängert wird? Würden Sie auch eine militärische Intervention unterstützen?

Fischer: Wir sind dafür, dass in Niger zur verfassungsmäßigen Ordnung zurückgekehrt wird, und wir unterstützen ECOWAS bei ihren Vermittlungsbemühungen, die ja noch anhalten. Es gibt ja weiterhin Gespräche zwischen ECOWAS und der nigrischen Regierung. Sie wissen, dass es neben der ECOWAS-Zeitlinie auch eine der Afrikanischen Union gab, die 14 Tage in Aussicht stellte. Sie wissen auch, dass es auf Seiten von ECOWAS keinen Automatismus für ein militärisches Vorgehen gibt. ECOWAS hat in den letzten Tagen mehrfach dargestellt, dass sie sozusagen an einer diplomatischen Lösung des Konflikts arbeitet und militärische Gewalt nur als letztes Mittel in Betracht zieht.

Ich habe die Presseberichte zu der ECOWAS-Mission nach Niamey gesehen. Aus unserer Sicht ist es so, dass damit Ende vergangener Woche erste Gesprächskanäle mit den Putschisten eröffnet wurden. Sie sehen ja auch, dass die Sanktionen durchaus schmerzhafte Folgen haben, und wir glauben nicht, dass es den Putschisten unter diesen Umständen leichtfallen wird, den nigrischen Staat langfristig erfolgreich zu führen, insbesondere, da sie ja auch bereits jetzt schon und ohne die Sanktionen gewaltigen Problemen gegenüberstehen. Deswegen hoffen wir weiterhin, dass die Putschisten auf die Vermittlungsbemühungen der Afrikanischen Union und von ECOWAS eingehen. Wir stehen in engem Austausch mit beiden Organisationen über die nächsten Schritte. Am Wochenende gab es sehr hochrangige Telefonate mit der ECOWAS, und wir hoffen, dass wir da jetzt weiter vorankommen.

Zusatzfrage: Diese italienische Aufforderung, das Ultimatum zu verlängern, ist dann Ihrer Meinung nach gar nicht notwendig, weil es schon diesen Gesprächszeitraum von 14 Tagen gab?

Fischer: Es gab unterschiedliche Zeitlinien, und die ECOWAS hat immer betont, dass sie zunächst ihre Vermittlungsbemühungen ausschöpfen wird. Die Vermittlungsgespräche laufen weiter. Ich habe am Freitag schon gesagt: Wir glauben, dass die Vermittlungsbemühungen eher erst am Anfang sind, weil auch jetzt erst die Sanktionen zu wirken beginnen. Vor diesem Hintergrund setzen wir darauf, dass diese Bemühungen dann am Ende zu einem Erfolg führen werden und die verfassungsmäßige Ordnung in Niger wiederhergestellt wird, und wissen uns darin auch mit der ECOWAS einig.

Frage: Herr Collatz, Sie und Ihre Kolleginnen und Kollegen haben hier ja schon mehrfach berichtet, dass Sie nach Alternativen zu Niger und Niamey für den Abzug aus Mali suchen. Jetzt ist zum zweiten Mal innerhalb weniger Tage der Luftraum über Niger geschlossen. Wie sehr erhöht das den Druck, nach Alternativen zu suchen, und können Sie auch schon welche benennen? Zwischenzeitlich war auch einmal Algerien im Gespräch und wurde ja offenbar auch schon angeflogen, jedenfalls nach den Daten eines Flugportals.

Collatz: Jeden Tag, an dem nicht fliegen können, geraten wir natürlich in einen gewissen Rückstand, der aufzuholen wäre. Das wird in den Planungen derzeit noch berücksichtigt. Aber wir wissen natürlich noch nicht, wie lange der Stopp jetzt wieder dauern wird. Deswegen kann ich Ihnen zu dem Ergebnis nichts sagen.

Was Gespräche mit anderen Partnern angeht, möchte ich dazu hier erst etwas sagen, wenn alles in trockenen Tüchern ist.

Zusatzfrage: Dass Algerien schon genutzt wurde - ein Flugportal, wie gesagt, gibt diese Daten schon her -, wollen oder können Sie aber nicht bestätigen?

Collatz: Nein. Das Flugportal können Sie ja selbst sehen. Ich kann aber über Vereinbarungen mit anderen Partnern, die formuliert worden wären, noch nichts sagen.

Frage: Herr Collatz, was würde denn ein militärisches Eingreifen von ECOWAS für die Bundeswehr bedeuten?

Collatz: Das lässt sich von hier aus jetzt nicht sagen. Das kommt auf die gesamten Rahmenumstände an, und ich würde die Breite der Variationen von Handlungsmöglichkeiten jetzt nicht ausführen wollen.

Zusatzfrage: Aber wenn die Bundeswehr Niamey als Drehpunkt braucht, wäre ein militärisches Eingreifen jedenfalls nicht im Interesse der Bundeswehr, oder?

Collatz: Die Position der Bundesregierung hat Herr Fischer ja eben ausgeführt, und das ist natürlich auch unsere: Anzustreben ist immer eine friedliche Entwicklung. Aber Eventualfallplanung und Militär, wie ich ja hier schon mehrfach sagte, sind Synonyme. Wir meinen, dass wir vorbereitet sind. Aber Ziel ist es, eine stabile Umsetzung unserer Planungen anzustreben.

Frage: Herr Fischer, was wäre denn die völkerrechtliche Grundlage einer Militärintervention, wie ECOWAS sie androht?

Fischer: Das müsste man dann im Einzelfall betrachten. Zunächst ist es ja so, dass, wie ich schon gesagt habe, die Vermittlungsbemühungen weitergehen und alles getan wird, um eben nicht dahin zu kommen. Wenn dann eine Situation entstehen sollte, muss die völkerrechtlich bewertet werden. Aber das kann man auch erst dann tun, wenn sie entsteht. Insofern würde ich mich dazu zum jetzigen Zeitpunkt nicht äußern wollen, weil das von den internationalen Rahmenbedingungen und den Rahmenbedingungen in Niger selbst abhängt. Da gibt es sehr viele Variablen, die dann am Ende eine Rolle spielen werden.

Zusatzfrage: Gäbe es denn eine Alternative zum UN-Sicherheitsratsbeschluss?

Fischer: Ich will derzeit nicht spekulieren, aber ich weise nur darauf hin, dass eine sogenannte Intervention gegebenenfalls auch auf Einladung Nigers beziehungsweise seiner vertretungsberechtigten Verfassungsorgane möglich wäre, also der demokratisch gewählten Regierung. Aber das hängt dann am Ende von dem Einzelfall ab.

Frage: Frau Hoffmann, ich habe eine Nachfrage zur Abstimmung mit Frankreich. Vielleicht habe ich es falsch verstanden, aber Sie erwähnten, dass sich Herr Plötner mit den amerikanischen und britischen Kollegen - - -

SRS’in Hoffmann: Nein, den französischen.

Zusatz: Und den französischen.

Zusatzfrage: Nein, unter anderem amerikanischen und französischen; die beiden kann ich konkret nennen.

Zusatzfrage: Ist die Bundesregierung denn mit dem Vorgehen Frankreichs einverstanden, weil es, wie ich eben erwähnt hatte, auch schon eine Unterstützung für mögliche Militärinterventionen vonseiten der ECOWAS gab?

SRS’in Hoffmann: Ich kann mich da nur dem einfließen, was Herr Fischer gesagt hat, nämlich dass wir grundsätzlich sehr umfassend das unterstützen, was ECOWAS dort tut, und das ist ja zunächst einmal darauf ausgerichtet, eine nicht militärische Lösung zu finden.

Frage: Ich habe eine Frage an das Innenministerium. Es geht um das Thema der Abschiebereform. Warum wurde dieses Diskussionspapier eigentlich jetzt in der Öffentlichkeit veröffentlicht, bevor es mit Ländern und Kommunen besprochen worden ist und bevor es ein Gesetzentwurf ist?

Kall: Dieser Diskussionsentwurf ist Teil eines laufenden Abstimmungsprozesses mit den Ländern und den Kommunen, der schon mit den beiden sogenannten Flüchtlingsgipfeln oder Spitzengesprächen zur Flüchtlingspolitik, die die Bundesinnenministerin mit den Ländern und Kommunen durchgeführt hat, geführt worden ist. Danach gab es einen sogenannten Clusterprozess, in dem in verschiedenen Arbeitsgruppen mit Ländern und Kommunen über verschiedene Vorschläge gerade zum Thema Rückführungen und Abschiebungen, für die die Länder zuständig sind, gesprochen worden ist. Deswegen ist es so wichtig, die Länder einzubinden und wirklich die Praktikerinnen und Praktiker an Bord zu haben.

Das war auch am 10. Mai Thema im Rahmen der Konferenz der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten mit dem Bundeskanzler, und verschiedene Punkte Teil sind des MPK-Beschlusses geworden. Auf all dem beruht dieser Diskussionsentwurf. Das ist ein Diskussionsentwurf und noch kein Gesetzentwurf, weil verschiedene Punkte, die die Länder und die kommunalen Spitzenverbände eingebracht haben, tatsächlich erst einmal zur Diskussion gestellt und weiter beraten werden sollen. Das betrifft unter anderem den Punkt, der jetzt gerade zum Thema Rückführungen im Bereich von Angehörigen der Clan-Kriminalität besprochen wird.

Zusatzfrage: Wie soll bewiesen werden, dass Clan-Mitglieder Clan-Mitglieder sind, wenn sie keine Straftaten begangen haben?

Kall: Dieser Diskussionsentwurf enthält eine Regelung, die von einigen Ländern und kommunalen Spitzenverbänden in den Diskussionsprozess eingebracht worden ist. Diese besagt, dass eine Ausweisung möglich sein soll, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass jemand Teil einer kriminellen Vereinigung war oder ist, also einer kriminellen Vereinigung angehört oder angehört hat. Aus der Formulierung „Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen“ ergibt sich, dass es hinreichende juristische Anhaltspunkte geben, aber noch keine strafgerichtliche Verurteilung vorliegen muss. Aber trotzdem muss sich aus Tatsachen klar ergeben, dass diese Person aktuell Teil einer kriminellen Vereinigung ist oder eben gewesen ist.

Frage: Herr Kall, inwieweit sind denn damit familiäre Clan-Mitglieder gemeint und auch Clan-Mitglieder, die bisher nicht selbst kriminell sind, also bislang keine Straftaten begangen haben?

Kall: Aus der Formulierung ergibt sich, dass es natürlich einen Bezug zu den kriminellen Aktivitäten geben muss. Eine Familienzugehörigkeit ist keine kriminelle Aktivität. Auch keine gesamte Familie ist eine kriminelle Vereinigung - zumindest wüsste ich nicht, dass das jemals ein Gericht entschieden hätte -, sondern man braucht natürlich immer einen Bezug zu den konkreten Straftaten, die in dem Bereich begangen werden. Da reden wir über organisierte und schwere Kriminalität. Wenn es einen solchen Bezug gibt und, wie gesagt, Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass diese Person involviert war oder ist, dann soll, so der Vorschlag, eine Ausweisung möglich sein. Es ist aber, wie gesagt, nur ein Diskussionsentwurf. Es ist kein Gesetzentwurf. Er speist sich sowohl aus Vorschlägen der Länder und der kommunalen Spitzenverbände als auch des Bundes.

In dem Fall hier ist es ein Vorschlag, den Länder und Kommunen eingebracht haben. Mit diesen soll dieser Vorschlag auch hinsichtlich aller rechtlichen Fragen weiter beraten werden, die sich ergeben.

Zusatzfrage: Zum Verständnis, auch wenn es ein Diskussionspapier ist: Jemand, der noch nicht verurteilt ist, kann dann aber trotzdem abgeschoben werden, weil der Verdacht besteht, dass er clankriminell ist?

Kall: Wenn Tatsachen bestehen, die belegen, dass diese Person involviert war, dann ja, auch schon vor einer strafgerichtlichen Verurteilung.

Frage: Wer bewertet das denn, wenn es kein Gericht ist, ob das Tatsachen sind, die hinreichend sind?

Zweite Frage: Wenn Sie sagen, dass es Anregungen sind, die von Ländern und Kommunen eingebracht worden sind, wie verhält sich denn Frau Faeser persönlich dazu? Ist sie der Meinung, man sollte das so machen, oder hat sie eine innere Reserve? Wie verhält sich das dann eigentlich im Kontext der Koalition? Ist das mit Grünen und FDP abgesprochen? Machen sie dabei im Zweifel mit oder nicht?

Dritte Frage: Wie ist der zeitliche Ablauf? Sie sagen, das ist ein Diskussionspapier. Wann und unter welchen Umständen wird daraus ein Gesetzentwurf?

Kall: Herr Kollege, in Ihren Fragen stecken ganz viele Punkte, die für uns dafür gesprochen haben, einen Diskussionsentwurf und keinen Gesetzentwurf vorzulegen - vorlegen klingt so nach Ressortabstimmung und Gesetzentwurf -, also tatsächliche Vorschläge zur Diskussion zu stellen und mit den Ländern und den kommunalen Spitzenverbänden weiter zu beraten. Genau dazu gehören eben diese Vorschläge. Insofern gibt es auch keinen fixen Zeitplan, sondern es wird einfach weitere Gespräche geben. Es gibt gerade im Rahmen dieser Spitzengespräche zur Flüchtlingspolitik fest vereinbarte Arbeitsstrukturen. Das war auch das Neue an diesen sogenannten Flüchtlingsgipfeln, dass man erstmals über alle drei staatlichen Ebenen hinweg - Bund, Länder und Kommunen – beraten hat. In diesen Formaten wird auch weiter beraten.

Insofern hat sich die Bundesinnenministerin persönlich zu diesem konkreten Vorschlag gar nicht positioniert, sondern ihn so wie andere Vorschläge zur Diskussion gestellt, eben im Wissen, dass für die praktische Umsetzung letztlich die Länder und Kommunen zuständig sind - das gilt für den Bereich der Rückführungen und Abschiebungen - und für uns natürlich auch andere Punkte in dem Bereich noch viel stärker im Fokus stehen. Das betrifft gerade Migrationsabkommen, um überhaupt zu ermöglichen, dass Menschen von ihren Herkunftsstaaten zurückgenommen werden. Das ist ja der Grund, warum die meisten Rückführungen scheitern, dass es eben an Rücknahmeübereinkommen fehlt. Deswegen liegt ein ganz großer Fokus unserer Politik darauf, solche Migrationsabkommen zu schließen. Das sind Punkte, an denen die Bundesinnenministerin sehr intensiv arbeitet. Hier geht es letztlich um eine Sammlung von Vorschlägen, die weiter mit den Ländern und Kommunen beraten wird.

Frage: Lieber Herr Kall, noch einmal zur Klarstellung: Es bezieht sich aber nicht nur auf Clan-Mitglieder, sondern auf Mitglieder jeder kriminellen Vereinigung, richtig?

Kall: Ja. Von dem Wort „Clan“ ist dort nicht die Rede. Es geht um Mitglieder krimineller Vereinigungen. Bisher gibt es einen Ausweisungstatbestand, also eine rechtliche Möglichkeit, eine Person auszuweisen, wenn es Hinweise darauf gibt, dass diese Person terroristische Vereinigungen unterstützt hat, beispielsweise Vereine, die im Bereich Terrorismusfinanzierung involviert waren. Diese Möglichkeit soll nach dem Vorschlag, den, wie gesagt, Länder und Kommunen eingebracht haben, auch auf kriminelle Vereinigungen ausgedehnt werden.

Frage: Vielleicht können Sie uns eine Vorstellung geben, um wie viele Personen es sich handelt. Sie sagen, es geht weiter als Clans. Wie viele sogenannte Clan-Familien gibt es Ihrer Schätzung nach? Wie viele Menschen könnten auf Grundlage eines solchen Gesetzes abgeschoben werden?

Kall: Dazu kann ich Ihnen keine Zahlen nennen. Es gibt vom Bundeskriminalamt ein Bundeslagebild zur Clan-Kriminalität, das, glaube ich, jährlich zusammengestellt und veröffentlicht wird. Diesem können Sie Zahlen zum Personenpotential von Straftätern, von Tatverdächtigen in dem Bereich entnehmen. Aber man muss ganz klar sagen, dass ein Großteil der Tatverdächtigen und Straftäter in dem Bereich deutsche Staatsangehörige sind, möglicherweise mit einer länger zurückliegenden Migrationsgeschichte, dass es sich aber zu einem großen Teil auch um deutsche Staatsangehörige handelt.

Frage: Angesichts der vielen Fragen, die hier gestellt wurden, und des Vergleichs, den Sie zur Terrorismusbekämpfung gezogen haben, die Frage: Ist die bisherige Rechtspraxis so, dass man angesichts der vielen Zweifel, die hier deutlich wurden, aus Ihrer Erfahrung rechtssicher ausgestalten kann, was ein Angehöriger ist, wer die Entscheidung trifft usw.?

Kall: Zu der Frage, wer die Entscheidung trifft: Das wären die Behörden, die über Abschiebungen entscheiden, also die Ausländerbehörden. Natürlich besteht Rechtsschutz gegen jede solche Entscheidung, so wie sehr viele Rückführungen und Abschiebungen letztlich vor Gericht entschieden werden. Natürlich besteht in jedem Fall Rechtsschutz. Das ist ganz klar.

Aber jenseits dessen noch einmal der Hinweis: Das ist ein Diskussionsentwurf. Er enthält nicht nur Punkte, die das BMI in diesen Diskussionsprozess eingebracht hat, sondern auch Punkte, die von einzelnen Ländern oder kommunalen Spitzenverbänden eingebracht worden sind. Über die rechtliche Ausgestaltung, wie man das konkret machen könnte, wollen auch wir als BMI weiter beraten.

Frage: Herr Kall, mir ist der Begriff „Tatsache“ immer noch nicht so ganz klar. Sie sagen, wenn es Tatsachen gibt, dass ein Mensch x ein Krimineller ist, warum wird er dann nicht juristisch verfolgt, sondern abgeschoben?

Kall: Es müssen Tatsachen bestehen. Das heißt, nicht pure Verdachtsmomente, sondern es muss schon auf Tatsachen gegründet sein. Es muss noch keine strafgerichtliche Verurteilung, die möglicherweise am Ende eines jahrelangen Strafprozesses steht, vorliegen. Es muss aber Tatsachen geben, die die aktuelle oder die vorangegangene Angehörigkeit in dieser kriminellen Vereinigung belegen. Das ist der Unterschied.

Frage: Nur zum Verständnis: Das BKA interpretiert Clan-Kriminalität als Organisierte Kriminalität. Ist das richtig?

Kall: Als einen Teilbereich der Organisierten Kriminalität. Das ist richtig.

Frage: Gesetzt den Fall, das käme so und Clan-Mitglieder würden ausgewiesen. Sie sagten gerade, von Clans ist da gar nicht die Rede, sondern von kriminellen Familien.

Kall: Vereinigungen.

Zusatzfrage: Ja, ja. Aber kriminelle Familien - das wissen wir ja - gibt es auch auf italienischem Boden, also die Mafia. Die wiederum sind EU-Bürger. Wenn so ein Gesetz käme, würden sie dann auch ausgewiesen? Könnten sie ausgewiesen werden, oder gelten da andere Regeln?

Kall: Ich müsste, ehrlich gesagt, unsere Expertinnen und Experten fragen, was mit EU-Bürgerinnen und -Bürgern ist, die in Deutschland schwere Straftaten begehen. Es gibt ganz sicherlich rechtliche Voraussetzungen, unter welchen Voraussetzungen sie ausgewiesen werden können. Aber das weiß ich nicht aus dem Kopf. Das muss ich nachreichen.

Frage: Viele Moscheen in Deutschland erhalten Drohbriefe. Werden in dieser Hinsicht Maßnahmen ergriffen?

Kall: Selbstverständlich gibt es Maßnahmen, wenn die Strafverfolgungsbehörden davon Kenntnis erlangen und das von den jeweiligen Moscheen oder Moscheevereinen angezeigt wird. Selbstverständlich müssen die Polizeibehörden vor Ort dann gegebenenfalls Gefährdungsbewertungen vornehmen beziehungsweise Schutzmaßnahmen treffen. Die übergreifenden, sozusagen bundesweiten Gefährdungsbewertungen nimmt das BKA vor. Aber es kommt insbesondere darauf an, gegebenenfalls vor Ort Schutzmaßnahmen zu treffen, wenn eine bestimmte Moschee bedroht wird.

Frage: Eine Frage an das Bundesgesundheitsministerium. Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte sagt, man muss von Eltern eine Eigenbeteiligung fordern, wenn sie die Notfallversorgung in Deutschland für „Pickel am Po“ der Kinder nutzen. Wie bewerten Sie diese Aussage? Glauben Sie, so etwas ist überhaupt machbar, oder glauben Sie, dass das eine Zuspitzung ist, um auf einen Sachverhalt hinzuweisen, dass wir einfach zu wenig Kinderärzte haben?

Nübel: Wie Sie sicher wissen, kommentieren wir solche Aussagen aus dem öffentlichen Raum generell nicht. Sie wissen aber sicher auch, dass die Regierungskommission einen Plan zur Reform der Notfallversorgung vorgelegt hat. Das ist Basis für unser politisches Handeln. Ich kann Ihnen so viel sagen, dass da eine Strafgebühr nicht vorgesehen ist.

Frage: Teilen Sie die scheinbare Analyse des Problems von Herrn Fischbach, dass es in einer relevanten Anzahl wegen Kleinigkeiten zu solchen Besuchen kommt, die eigentlich keine Notfallversorgung erfordern würden?

Nübel: Dazu kann ich mich hier jetzt nicht äußern. Wie gesagt, es gibt die Regierungskommission, die einen Plan zur Reform der Notfallversorgung vorgelegt hat. Darauf werden wir uns jetzt konzentrieren.

Frage: Eine Frage an das Bundesverteidigungsministerium zum Thema Taurus-Marschflugkörper: Ist es richtig, dass, wie aus den Reihen der FDP zu hören war, die Geodaten der Marschflugkörper vorab so programmiert werden können, dass ein Einsatz gegen Ziele in Russland ausgeschlossen werden kann?

Jetzt gibt es auch die Forderung aus den Reihen der SPD nach einer zügigen Lieferung, weil so die stockende ukrainische Bodenoffensive unterstützt werden könne. Wäre das nicht der dringende Entscheidungsbedarf, den der Verteidigungsminister bisher nicht sieht?

Collatz: Zu den technischen Details dieses Waffensystems kann ich mich hier aus Sicherheitsgründen nicht äußern. Auch den erst jüngsten Aussagen des Verteidigungsministers habe ich hier nichts hinzuzufügen.

Frage: Frau Hoffmann, es geht um das Thema Aktienrente. Es gibt Berichte, dass es innerhalb der Bundesregierung eine Einigung geben soll, dass der Beitrag, der für den Start der Aktienrente vorgesehen war, von 10 Milliarden Euro auf 12 Milliarden Euro aufgestockt wird. Können Sie das bestätigen?

SRS’in Hoffmann: Ich kommentiere diesen Bericht nicht.

Zusatzfrage: Es werden in dem Bericht zwei Ministerien genannt. Kann ich die Frage dann an das Bundesfinanz- und Arbeitsministerium weitergeben?

Migenda: Ich kann auch für das Bundesfinanzministerium die Berichterstattung und die Zahlen nicht bestätigen. Ich kann ansonsten noch einmal darauf hinweisen, dass der Minister immer gesagt hat, dass die 10 Milliarden ein erster Schritt sind und im Übrigen zu sehen ist, wie weiter verfahren wird. Da laufen gerade die Abstimmungen.

Chagheri: Das Generationenkapital liegt federführend beim Bundesfinanzministerium. Wir sind dazu in guten und konstruktiven Gesprächen. Weiter habe ich dazu heute nichts beizutragen.

Zusatzfrage: Frau Migenda hat die zehn Milliarden Euro als Start erwähnt. Aber wenn ich es richtig verstehe, geht es ja gerade darum, dass der erste Schritt höher sein soll. Es ist also durchaus möglich, dass dafür zwölf statt zehn Milliarden Euro gleich am Anfang zur Verfügung gestellt werden?

Migenda: Zur Erinnerung: Die zehn Milliarden Euro wurden im Bundeshaushalt 2023 eingestellt und sind erst einmal noch gesperrt. Der Bundeshaushalt 2023 ist ja bereits in Kraft.

Zusatzfrage: Zu einem anderen Aspekt die Frage an das Arbeitsministerium, ob nach Ihrem Verständnis, wenn die Aktienrente kommt, auch die Absicherung des Rentenniveaus bei 48 Prozent bleiben wird und ob es quasi ein direkter Zusammenhang ist, dass mit der Einführung diese Absicherung bei 48 Prozent sichergestellt wird.

Chagheri: Zu dem Punkt des Rentenniveaus von 48 Prozent hat sich neulich mein Kollege Herr Ehrentraut schon geäußert. Wir werden das mit dem zweiten Rentenpaket dauerhaft sichern.

Frage: An das Bundesumweltministerium und das Bundeswirtschafts­ministerium zum Thema Atomkraftwerke: Markus Söder hat in seinem Sommerinterview angekündigt: Sollte sich die Energiesituation nicht bis 2025 verändern und sollte die Union bei der Wahl erfolgreich sein, wäre eine Reaktivierung der Kernkraftwerke in seinem Sinn. Wie bewerten Sie diese Aussage?

Stolzenberg: Vielleicht mache ich für das Bundesumweltministerium den Anfang: Der Ausstieg aus der Nutzung der Atomenergie wurde am 15. April dieses Jahres vollzogen. Auch die Betreiberunternehmen haben lange vorher schon umgesteuert und haben gesagt, dass für sie die Atomkraft in Deutschland keine Zukunft mehr hat. Gemäß Atomgesetz müssen die Atomanlagen jetzt unverzüglich zurückgebaut werden, und an vielen Standorten gibt es auch schon große Fortschritte, was diesen Rückbau anbetrifft.

Deshalb noch einmal auf den Punkt: Bei der Atomkraft handelt es sich um eine Hochrisikotechnologie, und wir haben sehr gute Gründe gehabt, daraus auszusteigen. Es gibt aus unserer Sicht keinen Grund, darüber noch einmal nachzudenken.

Einhorn: Dem kann ich mich nur anschließen. Was für die Kernkraft gilt, und zwar bundesweit - also auch in Bayern -, steht im Atomgesetz, und das ist die geltende Rechtslage.

Frage: Eine kurze Nachfrage an Herrn Stolzenberg: Das heißt, so, wie Sie es darstellen, ist Bayern verpflichtet, das umzusetzen, und die Aussage von Herrn Söder, dass acht Kernkraftwerke relativ kurzfristig reaktivierbar wären, falsch?

Stolzenberg: Ich kann dazu nur so viel sagen, dass Herr Söder sich vermutlich auf eine Studie bezieht, die letztens auch über Medienberichte bekannt geworden ist und die aus unserer Sicht nicht so belastbar ist, dass man darüber tatsächlich eine Aussage treffen könnte. Darin werden beispielsweise Atomanlagen als reaktivierbar dargestellt, die schon lange vor dem Atomausstieg nicht mehr im Betrieb gewesen sind. Insofern müsste man an der Stelle hinterfragen, ob er sich auf diese Studie bezieht und was sozusagen seine Erkenntnislage dazu ist.

Unsere Erkenntnislage ist die, die ich gerade vorgetragen habe: Die Atomanlagen in Deutschland werden zurückgebaut, das ist gesetzlich so vorgesehen und wird unverzüglich vollzogen. Genehmigungen sind dafür tatsächlich auch schon von den jeweiligen Landesbehörden gegeben worden.

Frage: An Frau Hoffmann: Der Bundeskanzler ist jetzt ja aus dem Urlaub zurück. Es gibt eine intensive Debatte über die Wirtschaftslage in Deutschland und es wird auch koalitionsintern über die Einführung eines Industriestrompreises diskutiert. Inwieweit sieht der Kanzler jetzt Handlungsbedarf?

SRS’in Hoffmann: Der Kanzler sowie auch seine Ministerinnen und Ministern sind mit der wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland und der Lage der Konjunktur sozusagen ständig beschäftigt, das ist ein Dauerthema. In diesem Sinne ist es auch nicht so, dass er im Urlaub gewesen und sich damit gar nicht beschäftigt hat; vielmehr beschäftigt ihn das grundsätzlich und immer.

Was den Industriestrompreis angeht, so hat er sich dazu mehrfach geäußert. Seine Ansicht ist, dass Deutschland vertretbare niedrige Energiepreise braucht, aber ohne dauerhafte Subventionen. Die Vorschläge, die zum Industriestrompreises gemacht worden sind, sieht er zunächst einmal als Beiträge zu einer Diskussion, wie diese vertretbaren niedrigen Industrie- und auch sonstigen Strompreise erreicht werden können.

Zusatzfrage: Vielleicht können Sie auch etwas zum Zeitplan sagen? Die Industrie macht ja erheblichen Druck und sagt, man müsse jetzt handeln, die Hütte brenne sozusagen - das kommt aus allen möglichen Verbänden und Unternehmen. Ist im August noch irgendetwas geplant? Sie sagen, der Kanzler habe sich geäußert; er hat sich aber nicht entschieden. Wie dürfen uns darauf jetzt einstellen?

SRS’in Hoffmann: Grundsätzlich werden ja eine ganze Reihe von Maßnahmen diskutiert. Es gibt sehr viele Vorschläge, was in dieser Lage jetzt getan werden kann. Der Kanzler ist grundsätzlich der Meinung, dass Deutschland weiterhin ein sehr attraktiver Industriestandort ist, was sich auch an einer ganzen Zahl von Investitionen zeigt, die wir in den letzten Monaten und in der letzten Zeit in Deutschland etwa in den Bereichen Elektromobilität, Halbleiterindustrie, Batteriefertigung und Umstellung der Stahlindustrie auf klimaneutrale Produktion gesehen haben.

Deutschland ist grundsätzlich ein attraktiver Industriestandort, und die Bundesregierung hat bereits eine große Reihe von Maßnahmen beschlossen, um das auch zu bestärken, wird das aber auch weiterhin tun. Ich erinnere jetzt einfach einmal kursorisch an Maßnahmen zur Planungsbeschleunigung, insbesondere auch beim Ausbau der erneuerbaren Energien, oder an das Fachkräfteeinwanderungsgesetz. Jetzt hat der Finanzminister das Wachtsums-Chancen-Gesetz vorgelegt, über das jetzt in der Bundesregierung diskutiert wird und das ja auch Investitionsunterstützungen enthalten wird.

Eine ganze Reihe von Maßnahmen ist also bereits getroffen worden, weitere Maßnahmen sind auf dem Weg oder werden diskutiert.

Frage: Zum gleichen Thema eine Frage an das BMWK: Wie besorgniserregend wird die Lage im Ministerium gesehen? Gibt es schon Überlegungen über neue Maßnahmen oder Sonderpakete? Ist die Schuldenbremse eine Herausforderung, wenn man an Investitionen denkt?

Einhorn: Der Minister hat sich zuletzt ja schon häufiger zur konjunkturellen Lage eingelassen und gesagt, dass die Lage aktuell nicht zufriedenstellend ist, dass sie herausfordernd ist für die Unternehmen. Er hat auch schon gesagt, wie sein Lösungsweg dafür aussieht. Das ist ein Dreiklang, und der erste Punkt sind dabei zielgerichtete Investitionen. Etliche davon wurden schon angekündigt, und auch eine Unterstützung dieser Investitionen haben wir bekanntgegeben. Einige der Bereiche hat Frau Hoffmann gerade schon genannt, zum Beispiel die Mikroelektronik und die Batteriezellfertigung. Der zweite Punkt wären Abschreibungen, die der Industrie ermöglichen, vor allem auch in Zukunftstechnologien zu investieren. Der dritte Punkt ist der eben schon angesprochene Industriestrompreis für eine Übergangsphase von einigen Jahren, sodass den betroffenen Unternehmen dann eben einen Strompreis zur Verfügung gestellt wird, mit dem in Deutschland wettbewerbsfähig gearbeitet und produziert werden kann.

Zusatzfrage: Größere Investitionsprojekte oder Maßnahmen werden aber nicht vorgesehen?

Einhorn: Das sind die drei Maßnahmen, die ich gerade genannt habe: die Unterstützung zielgerichteter Investitionen, Abschreibungsmöglichkeiten und ein Industriestrompreis.

Frage: Frau Hoffmann, nachdem im Zusammenhang mit dem Industriestrompreis jetzt mehrfach das Stichwort Übergangsfinanzierung gefallen ist, also eine Brückensubvention: Ist das eine Verfahrensweise, der sich der Kanzler anschließen könnte? Er hat ja mehrfach betont, er würde „in the long run“ daraufsetzen, dass die erneuerbaren Energien letztlich dazu führen, dass die Preise sinken, sodass das langfristig nicht nötig wäre. Aber wäre das als Brückenstrategie aus Sicht von Herrn Scholz ein gangbarer Weg?

SRS’in Hoffmann: Ich würde da jetzt auf die Details nicht eingehen wollen. Man ist im Gespräch zu der Frage, was die richtige Lösung sein könnte. Ich würde mich dazu jetzt nicht so detailliert äußern wollen. Was Sie sagen, ist aber grundsätzlich richtig, also dass wir grundsätzlich daraufsetzen, dass durch den Ausbau der erneuerbaren Energien ein wettbewerbsfähiger Energiepreis zustande kommen wird.

Frage: Frau Hoffmann, ich möchte genau an der Stelle noch einmal nachfragen. Auf den ersten Blick klingt es ja wie ein Widerspruch: Der Kanzler ist nicht für einen dauerhaften Industriestrompreis, der Wirtschaftsminister ist aber für einen Industriestrompreis. Wäre es denn ein Kompromiss, wenn man einen Industriestrompreis für vier oder fünf Jahre, also für eine Übergangsphase, akzeptieren würde? Würde der Kanzler das mitmachen?

SRS’in Hoffmann: Das ist ja praktisch dieselbe Frage, die eben schon gestellt wurde.

Zusatz: Genau, aber Sie haben sie ja noch nicht beantwortet, deswegen stelle ich sie einfach noch einmal - vielleicht etwas anders.

SRS’in Hoffmann: Die Position des Kanzlers ist, dass Deutschland zu wettbewerbsfähigen Strompreisen kommen soll und wird, und dass die Diskussion über den Industriestrompreis, wie er jetzt in verschiedenen Varianten zur Diskussion steht, im Moment läuft. Seine Ansicht ist aber die, dass er sich eine dauerhafte Subventionierung nicht vorstellen kann.

Zusatzfrage: Es geht ja genau um das Wort „dauerhaft“. Es fordert ja niemand, dass das dauerhaft sein soll; vielmehr gibt es die Forderung, dass man zumindest für einen Übergangszeitraum diesen Industriestrompreis einführt. Könnte der Kanzler damit leben, wenn das Wort „dauerhaft“ als Kriterium wegfallen würde?

SRS’in Hoffmann: Auf diese Details würde ich mich jetzt nicht einlassen wollen.

Einhorn: Ich würde dazu nur ganz kurz etwas ergänzen. Herr Kollege, Sie haben eben gesagt, der Wirtschaftsminister sei für einen Industriestrompreis. Das könnte man jetzt so verstehen, als wäre er für einen dauerhaften Industriestrompreis. Deshalb möchte ich noch einmal klarstellen: Auch unser Vorschlag ist ja, dass es den Brückenstrompreis gibt - und der heißt eben so, weil er einen Anfang und ein Ende hat -, um die nächsten Jahre zu überbrücken, bis dann die erneuerbaren Energien ausreichend günstigen Strom für die gesamte Industrie liefern, um dann einen sogenannten Transformationsstrompreis zu haben, der dann auf erneuerbaren Energien beruht.

Frage: Frau Hoffmann, wenn ich den Tenor dessen, was Sie gesagt haben, zusammenfasse - Sie haben ja auch ausgeführt, was in den letzten Monaten schon alles passiert ist -, dann schließe ich daraus, dass der Kanzler keinen unmittelbaren Handlungsbedarf sieht, richtig?

SRS’in Hoffmann: Nein, vielmehr handeln wir ständig und unmittelbar. Diese Regierung hat das oberste Ziel, die deutsche Wirtschaft bei der Transformation, die jetzt notwendig ist, zu unterstützen - gerade angesichts der Umstände, unter denen diese Transformation stattfindet, was speziell die Folgen des Ukraine-Krieges und des Endes der russischen Energielieferungen betrifft. So habe ich meine Ausführungen auch begonnen: Das ist unser ständiges Thema, und wir handeln hier als Bundesregierung seit Tag eins - und werden das auch weiterhin tun - mit einer Vielzahl von Maßnahmen, die darauf gerichtet sind, Deutschland als attraktiven Industriestandort in dieser Transformation zu erhalten.

Frage: Frau Einhorn, vielleicht können Sie noch einmal erklären, warum die Vorschläge der Union, die Stromsteuer und die Netzentgelte abzusenken, die schlechtere Lösung sind? Söder hatte gestern auch argumentiert, der Nachteil am Industriestrompreis sei, dass es da nur für einige Unternehmen eine Entlastung gäbe, währenddessen die Senkung der Stromsteuer und der Netzentgelte eine Entlastung für alle bedeuten würde.

Einhorn: Die Vorschläge von Herrn Söder will ich jetzt nicht im Einzelnen kommentieren, aber beim Industriestrompreis, wie wir ihn vorgeschlagen haben, wäre es ja so, dass er den Unternehmen zugutekommt, die ihn besonders benötigen, also zum Beispiel den Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen und die jetzt auch große Herausforderungen bei der Transformation vor sich haben, und den Unternehmen, die im energieintensiven Bereich tätig sind, also entsprechend viel Strom verbrauchen. Das wäre also eine zielgerichtete Unterstützung für eine Übergangszeit, bis die Erneuerbaren dann genug Energie für den gesamten Sektor zur Verfügung stellen.

Was die Stromsteuer angeht, ist es ja so, dass besonders energieintensive Bereiche und Unternehmen bereits von der Stromsteuer ausgenommen sind und von so einem Vorschlag gar nicht profitieren würden. Insofern ist das ein Vorschlag, der zumindest hier nicht zum Ziel beiträgt.

Frage: An das Finanzministerium: Es gibt ja den Spitzenausgleich, von dem die Unternehmen in der Vergangenheit profitiert haben. Herr Lindner will diesen Spitzenausgleich jetzt auslaufen lassen. Dagegen gibt es erheblichen Widerstand in der Wirtschaft beziehungsweise bei den entsprechenden Unternehmen. Ist geplant, das noch einmal zu überdenken? Die Unternehmen argumentieren ja, dass das eine Entlastung war, die jetzt zusätzlich wegfallen würde.

Migenda: Danke für die Frage. Dazu habe ich Ihnen jetzt keinen neuen Sachstand mitzuteilen. Wie gesagt, der Haushaltsentwurf, der vom Bundeskabinett beschlossen wurde, sieht eine Verlängerung nicht vor, und das ist der aktuelle Stand.

Frage: An das BMWK zum Thema LNG-Terminal auf Rügen: Das Bergamt Stralsund hat jetzt eine vorläufige Baugenehmigung für Vorarbeiten im Mukraner Hafen erteilt. Das wird Herrn Habeck sicherlich freuen, weil es vielleicht vorangeht. Meine Frage: Gibt es positive Signale der mecklenburgischen Landesregierung, dass sie dieses Vorhaben ohne zusätzliche Geldzuflüsse unterstützen würde? In der letzten Zeit ist ja immer gesagt worden, man wolle noch finanzielle Hilfe haben, um das Projekt zu unterstützen.

Einhorn: Positive Signale aus Mecklenburg-Vorpommern müssten Sie sich bitte dort einholen. Ansonsten laufen die Gespräche aus unserer Sicht weiter. An unserer Haltung, dass wir Mukran als den richtigen Standort ansehen, hat sich nichts geändert. Die Gespräche mit der Landesregierung laufen.

Zusatzfrage: Die Gespräche laufen immer - das ist die Antwort, die Sie immer auf die Frage geben, ob es vorangeht. Das heißt, es geht eigentlich nicht vorn?

Einhorn: Diese Antwort geben wir immer dann, wenn die Gespräche noch laufen.

Frage: An das AA: Der Twitter-Account @baerbockpress ist nach einer Intervention von Ihrer Seite jetzt deutlicher als Parodie gekennzeichnet, wie die „Bild“-Zeitung berichtet hat. Sind Sie mit dieser Lösung zufrieden?

Fischer: Lassen Sie mich vielleicht ein bisschen ausholen. Vorab: Parodie hat ihren festen Platz in unserer Demokratie. Personen des öffentlichen Lebens können und müssen das aushalten. Das gilt natürlich auch für die Außenministerin.

Was das äußere Erscheinungsbild von @baerbockpress angeht, ist es so, dass bei der Anzeige in der Timeline der Nutzerinnen und Nutzer @baerbockpress de facto identisch aussah wie der Account der Außenministerin, was eine Verwechslungsgefahr hervorgerufen hat. Dies haben wir auch gegenüber Twitter angemeldet. Wir waren auch nicht die einzigen: Professionelle Faktenchecker unter anderem von der dpa haben dies in ihrer Berichterstattung auch aufgegriffen und vor Verwechslungen gewarnt.

Für uns kommt noch hinzu, dass es verschiedene Nutzergruppen gibt, die die deutsche Politik verfolgen. Das sind zum einen natürlich muttersprachliche Nutzerinnen und Nutzer. Für diese ist es sicherlich kein Problem, Satire beim Lesen zu erkennen, selbst wenn der Account auf den ersten Anschein ähnlich oder genau gleich aussieht. Es gibt aber sicherlich auch Nutzergruppen - gerade beim Auswärtigen Amt -, die nicht muttersprachlich sind und denen das schon schwerer fällt.

Wir haben die letzten Änderungen an diesem Account an diesem Wochenende wahrgenommen, glaube ich. Jetzt steht das Wort Parodie in der Betreffzeile weiter vorne. Wir müssen jetzt schauen, wie sich das auf das Verhalten und die Reaktionen, die wir bekommen, auswirkt. Denn in der Vergangenheit ist es tatsächlich zu Verwechslungen gekommen, und es war nicht nur die dpa, sondern es waren unter anderem auch die Faktenchecker von Mimikama, die sich dieses Themas angenommen hatten.

Frage: Sie sagen, es sei bereits zu Verwechslungen gekommen. Können Sie ein Beispiel nennen? Gab es zum Beispiel Verwechslungen aufgrund des Tweets zu der Lage in Niger?

Fischer: Lassen Sie es mich so sagen: Immer dann, wenn der Parodie-Account einen ausländischen Vertreter kommentiert, retweetet oder einen Tweet der Außenministerin direkt beantwortet hat, war in der alten Darstellung dieses Parodie-Accounts kein Unterschied zu dem Account der Außenministerin erkennbar, sodass wir gerade, wenn zum Beispiel auf Französisch oder Englisch getwittert wurde, die Rückmeldung bekommen haben, dass es da zu einer Verwechslung gekommen sein könnte. Dafür spricht ja auch, dass sich professionelle Faktenchecker dieses Themas angenommen haben. Sie haben einzelne Tweets, wie man so schön sagt, „debunked“ und darauf hingewiesen, dass sie von einem Satire-Account kommen und nicht von der Außenministerin.

Zusatzfrage: Erwägen Sie auch, den offiziellen Accountauftritt zu ändern? Denn es gab ja durchaus - also jetzt keine Satire-Tweets aus dem offiziellen Account - auch humorige Tweets, die auch einmal falsch angekommen sind, zum Leoparden in Afrika zum Beispiel. Erwägen Sie da ihren eigenen Auftritt noch einmal zu überarbeiten, zu überdenken?

Fischer: Ich glaube, wir überdenken ständig unseren eigenen Auftritt. Aber ich weise darauf hin, dass der Tweet, den Sie ansprechen, eben kein Tweet der Außenministerin war, sondern von dem Account des Auswärtigen Amtes. Von daher sehe ich diese Gefahr bei der Außenministerin nicht.

Aber ich lasse mir noch einmal sagen: Wenn in eine Krise, die sich zuspitzt, hinein getwittert wird - auch wenn das in bester satirischer Absicht entsteht -, aber das nicht allen Nutzerinnen und Nutzern klar ist, dann müssen wir abwägen. Es ist natürlich klar, dass, wenn wir Twitter darum bitten, sozusagen aktiv zu werden, um eine Verwechslungsgefahr zu verringern oder so gut wie möglich zu vermeiden, das auch Auswirkungen hat und zu Presseberichterstattung führen wird.

Wir müssen uns dementsprechend die Presseberichterstattung ansehen, die es gibt und die ja nicht nur positiv ist, und entsprechend agieren. Wir haben auf der einen Seite die Freude der Betreiber des Satire-Accounts und auf der anderen Seite den möglichen außenpolitischen Schaden, der in einer Krise entsteht oder entstehen könnte. Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass wir in der Krise handeln mussten, zumal wir ja auch nicht wussten, ob der Twitter-Account nicht noch weiter zu Niger twittert und dort zum Beispiel weitere Dinge verbreitet, die wir dann geradestellen müssen.

Frage: Ich hätte noch eine Frage an Herrn Fischer zur Ukraine-Konferenz in Dschidda, die am Wochenende zu Ende gegangen ist. Da würde mich eine abschließende Bewertung von Ihnen interessieren, vor allem mit Blick auf Saudi-Arabien und China. Glauben Sie, dass durch diese Konferenz, die von Saudi-Arabien organisiert, aber von China mitgestaltet wurde, diese beiden Länder diplomatisch stark aufgewertet wurden?

SRS’in Hoffmann: Ich könnte sonst auch anfangen, weil auch der Sicherheitsberater des Kanzlers daran teilgenommen hat.

Fischer: Die Politische Direktorin des Auswärtigen Amtes hat auch teilgenommen, insofern kann ich danach noch ergänzen.

SRS’in Hoffmann: Aus unserer Sicht war das in Dschidda ein erfolgreiches Treffen. Zunächst einmal hat die Konferenz ja den Wunsch und den Willen aller mehr als 40 beteiligten Staaten gezeigt, gemeinsam Grundsätze für eine Friedenslösung auszuloten. Das Treffen diente dem offenen Austausch über Wege zu einem gerechten und dauerhaften Frieden. Die von Präsident Selensky ja schon beim G20-Gipfel auf Bali vorgelegte Friedensformel hat dabei einen ganz entscheidenden Pfad aufgezeigt. Es gab bei der Konferenz durchaus unterschiedliche Auffassungen, aber alle dort vertretenen Länder haben sich zur UN-Charta und ihren fundamentalen Prinzipien bekannt. Wichtig ist aus unserer Sicht auch die erstmalige Teilnahme von China an diesem Format.

In Dschidda wurde verabredet, dass es zu verschiedenen Themen weitere Arbeitsstränge geben soll. Dazu gehören Ernährungssicherheit, nukleare Sicherheit, Energiesicherheit sowie humanitäre Themen, zum Beispiel Gefangenenaustausch oder die Rückkehr entführter Kinder, sowie die Beseitigung der ökologischen Kriegsfolgen. Diese Themen sind auch allesamt Bestandteile der ukrainischen Friedensformel, von der ich eben gesprochen habe.

Deutschland wird sich auch weiterhin aktiv einbringen, jetzt auch in diesen Prozess. Wir werten es als positiv, dass sich alle in Dschidda vertretenen Staaten für eine Fortsetzung des in Kopenhagen begonnenen Prozesses ausgesprochen haben. - So weit von mir.

Fischer: Ich kann mich dem nur vollumfänglich anschließen. Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass das sozusagen ein längerer Prozess ist. Die vorherige Zwischenstation war in Kopenhagen. Wir haben festgestellt, dass in Dschidda jetzt dreimal so viele Länder wie in Kopenhagen vertreten waren. Es waren alle EU-Länder, aber auch Japan, Südkorea, Indonesien, Brasilien, die Türkei, Südafrika und - wie die Regierungssprecherin sagte - erstmals auch China mit einem Sonderbeauftragten vertreten. Das sind auch Länder, die nicht regelmäßig mit der Ukraine über den Friedensplan im Austausch waren und die so die Gelegenheit bekommen haben, direkt mit der Ukraine zu sprechen. Das Ziel war es, einen internationalen Konsens über Prinzipien für eine dauerhafte und faire Friedenslösung für ein Ende des russischen Aggressionskrieges voranzubringen, wie es die Regierungssprecherin gesagt hat.

Der Prozess geht weiter. Das ist wichtig. Dazu haben sich auch die Teilnehmerinnen und Teilnehmer bekannt. Auch deshalb danken wir den saudischen Gastgebern für ihr diplomatisches Engagement. Das Treffen war letztlich ein wichtiges Zeichen an die Länder weltweit, dass der Krieg eben nicht nur die Ukraine, Russland und Europa angeht, sondern die ganze Welt unter den Konsequenzen dieses Krieges leidet und sie ertragen muss.

Zusatzfrage: Darf ich trotzdem noch einmal an den Teil der Frage Aufwertung Saudi-Arabiens und Chinas erinnern?

Fischer: Ich glaube, bei einem Sicherheitsratsmitglied wie China von einer Aufwertung zu sprechen, fände ich schwierig. Es ist wichtig, dass China dabei war und eine Rolle gespielt hat. Genau dasselbe gilt natürlich dafür, dass Saudi-Arabien den Konferenzort zur Verfügung gestellt und die Konferenz mitvorbereitet hat.

Wie gesagt: Dafür sind wir dankbar. Aber dass China ein P5-Staat ist und dementsprechend ein eigenes Gewicht in die Waagschale der internationalen Politik einbringt, das war gestern so, das ist heute so und das wird auch morgen so bleiben.