im Wortlaut
Themen: Tod einer Radfahrerin in Berlin, Klimaproteste, Termine des Bundeskanzlers (Festakt anlässlich des 70. Jubiläums des Betriebsverfassungsgesetzes, 27. Weltklimakonferenz in Ägypten, Kabinettssitzung, Übergabe des Jahresgutachtens des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Reise nach Vietnam, Singapur und Bali), Antrittsbesuch des Bundeskanzlers in der Volksrepublik China, Blockade der Freigabe von Gepard-Munition für die Ukraine durch die Schweiz, Zahl der unerlaubt eingereisten Personen nach Deutschland, Gaspreisbremse, Pflegeversicherung, Ausreiseaufforderung des Auswärtigen Amtes für deutsche Staatsangehörige im Iran, G7-Treffen in Münster, COP27-Klimakonferenz, mögliche Übernahme des Dortmunder Chipherstellers Elmos durch ein Tochterunternehmen des chinesischen Konzerns Sai Microelectronics
25 Min. Lesedauer
- Mitschrift Pressekonferenz
- Freitag, 4. November 2022
Sprecher: SRS Büchner, Kall (BMI), Säverin (BMWK), Burger (AA), Collatz (BMVg), Schmidt (BMG), Fichtner (BMZ)
Vorsitzende Wefers eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt SRS Büchner sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.
SRS Büchner: Guten Tag! Sie haben heute wahrscheinlich auch die aktuellen Nachrichten um den Tod einer Radfahrerin hier in Berlin gesehen. Ich möchte hier ausdrücklich gar keinen Zusammenhang zwischen den Klimaprotesten und diesem Ereignis herstellen. Das wird ermittelt, und es ist nicht meine Sache oder Sache der Bundesregierung, sich hierzu einzulassen. Aber ich möchte das gerne zum Anlass nehmen, grundsätzlich ein paar Sätze zum Thema dieser Klimaproteste zu sagen.
Der Schutz des Klimas ist für die Bundesregierung das zentrale Anliegen, und dafür steht auch diese Bundesregierung. Im Koalitionsvertrag sind unsere ambitionierten Ziele bis 2030 und darüber hinaus niedergelegt, die bereits konsequent abgearbeitet werden. Unser Ziel ist also ganz klar: Wir wollen effektive Klimaschutzpolitik als gesamte Bundesregierung umsetzen, und das machen wir durch unsere Entschlossenheit zum Handeln deutlich. Der Bundeskanzler unterstützt jedes demokratische Engagement, und das haben wir in diesem Zusammenhang mit den Klimaprotesten auch immer wieder betont.
Die Form des Protests, die wir jetzt sehen, gerade in dieser Woche, ist aber nicht zielführend oder konstruktiv. Der Bundeskanzler hat das am Montag klar formuliert: Protest darf nicht zur Gefährdung anderer führen. – Dass die Gefährdung von Menschen hier gleichwohl in Kauf genommen wurde, hat der Bundeskanzler klar bedauert. Ebenfalls hat die Bundesinnenministerin gestern deutlich gemacht, dass damit die Grenze des legitimen Protests überschritten ist. Es darf nicht sein, dass Menschenleben gefährdet werden. Deswegen akzeptieren wir auch diese Form des Protests nicht. Deshalb erfolgt heute mein Appell seitens der Bundesregierung: Das uns allen sehr wichtige Anliegen und Engagement hinsichtlich des Klimaschutzes muss uns gesellschaftlich einen und darf nicht außerhalb des Rahmens unserer Gesetze verlaufen. - Das würde ich gerne vorwegschicken.
Frage: Ich habe an das Innenministerium die Frage, wie das Ministerium und vielleicht auch die Ministerin die zunehmende Radikalisierung der Klimabewegung bewerten. Geht man da gegebenenfalls andere Schritte, beispielsweise eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz?
Kall: Die Bundesinnenministerin hat sich ja gestern dazu geäußert, ich glaube, auch bei Ihnen, bei RTL und gegenüber der dpa. Dabei hat sie auch gesagt, dass die Sicherheitsbehörden Radikalisierungsprozesse natürlich im Blick haben. Aber das sind keine Bewertungen. Wie jetzt eine einzelne Organisation, einzelne Gruppierungen oder einzelne Bestrebungen zu beurteilen sind, das haben dann die Sicherheitsbehörden zu beurteilen, also das Bundeskriminalamt, wenn es um politisch motivierte Kriminalität geht, und das Bundesamt für Verfassungsschutz, wenn es um staatsfeindliche, demokratiefeindliche Aktivitäten geht. Das sind Bewertungen, die durch die Sicherheitsbehörden vorgenommen werden müssen. Aber, wie gesagt, sagte sie: Radikalisierungsprozesse haben wir im Blick, und dort, wo Straftaten begangen werden, wo Menschen gefährdet werden, ist immer die Grenze legitimen Protests erreicht.
Frage: Herr Büchner, Herr Buschmann hat ja quasi den Vorstoß gemacht, wenn ich das richtig verstanden habe, über härtere Strafen für solche Aktionen nachzudenken. Wie bewertet das der Bundeskanzler?
SRS Büchner: Ich habe das, was der Bundeskanzler dazu sagen möchte, jetzt hier vorgetragen. Wenn wie in allen anderen Zusammenhängen auch Minister Vorschläge machen, dann wird das im Kollegium der Bundesregierung gesprochen. Davon können Sie auch in diesem Fall ausgehen.
Frage: Sie haben gesagt, die Demonstranten - „Last Generation“ und andere - würden Gefährdungen von Leib und Leben durch ihre Aktionen in Kauf nehmen. Das war, glaube ich, Ihre Wortwahl.
SRS Büchner: Ich habe keine Organisation namentlich benannt. Ich habe die Proteste als solches angesprochen.
Zusatzfrage: Diese Form des Protestes würde diese Gefährdung in Kauf nehmen - ist das tatsächlich ein anwendbarer Begriff? In Kauf nehmen kann man doch eigentlich nur etwas, von dem man mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit annehmen kann, dass es passiert. Ich weiß nicht, ob man bei dieser - - - Es wird ja auch immer noch geklärt, in welcher Weise der Hirntod der Radfahrerin in einem Zusammenhang mit der Blockade der Zufahrt steht. Kann man da wirklich davon sprechen, die Demonstranten hätten das in Kauf genommen?
SRS Büchner: Ich muss Sie an der Stelle vielleicht ein bisschen korrigieren. Ich habe ja einleitend gesagt, dass ich ausdrücklich keinen Zusammenhang mit dem konkreten Fall herstelle, weil wir als Bundesregierung nicht beurteilen werden und können, ob die Versorgung dieses Unfallopfers nun rechtzeitig möglich war oder nicht. Aber grundsätzlich kann man sagen, dass diese Form der Proteste Gefahren für andere in Kauf nimmt, und das verurteilt die Bundesregierung.
Zusatzfrage: Gilt das dann in umgekehrter Weise auch für die Argumentation der Protestler, die sagen, durch die schleppende Art der Bekämpfung des Klimawandels würden Regierungen und andere Verantwortliche die Unbewohnbarkeit des Planeten in Kauf nehmen?
SRS Büchner: Herr Kollege, ich glaube, man muss hier zwischen Zweck und Mittel unterscheiden. Das Ziel der Demonstranten, das Klima zu schützen, ist nicht nur nachvollziehbar, sondern auch tatsächlich unterstützenswert. Wir alle möchten, dass unsere Kinder noch möglichst lange etwas von diesem Planeten haben und nicht in Angst vor Dürren und knappen Ressourcen leben müssen. Was aber auf das Schärfste zu verurteilen ist, und das hat der Kanzler deutlich gemacht, sind die gewählten Mittel. Zum einen sind Klebe- und Beschmutzungsaktionen nicht geeignet, die Gesellschaft für den Klimaschutz zu mobilisieren. Die Aktionen finden nur wenig Beifall. Unterstützer für den Klimaschutz gewinnt man auf diese Weise nicht. Hinzu kommt, dass eben mit unüberlegten Aktionen Leib und Leben anderer Menschen gefährdet werden können, und das ist durch nichts zu rechtfertigen.
Kall: Für das BMI oder die Bundesinnenministerin möchte ich auch noch einmal ganz klar sagen: Die Grenze sind Straftaten. Jeder Protest, jede Protestform, jede Provokation unterhalb dessen ist vom Grundgesetz gedeckt. Aber die Grenze sind Straftaten. Wenn jemand zum Beispiel Rettungswege versperrt, Autobahnauffahrten, und der Rettungswagen im Stau nicht mehr durchkommt - unabhängig von dem Fall in Berlin, der jetzt noch bewertet werden muss -, dann kann das eine Straftat sein, und dann ist genau da die Grenze erreicht, oder eben, wenn Sachbeschädigungen begangen werden, wenn Eigentum oder Menschen gefährdet werden. Aber das gilt nur bei Straftaten. Deswegen ist das keine Generalisierung von Protesten, die alle legitim sind, sondern nur da gibt es die Grenze, und das verurteilen wir dann.
SRS Büchner: Wie freitags immer folgt hier der Überblick über die Termine des Bundeskanzlers in der kommenden Woche:
Am Montag, dem 7. November, wird der Bundeskanzler an einem Festakt der Hans-Böckler-Stiftung und des DGB zum 70. Jubiläum des Betriebsverfassungsgesetzes teilnehmen. Bei der Veranstaltung im Hamburger Bahnhof hier in Berlin wird er die Festrede halten. Das Betriebsverfassungsgesetz von 1952 legte die Grundlage für die betriebliche Mitbestimmung und ist damit ein wichtiger Bestandteil unserer Demokratie. In seiner Rede wird der Bundeskanzler auf die Geschichte des Betriebsverfassungsrechts und die Errungenschaften des Gesetzes eingehen. Mit Blick auf die derzeitigen Krisen und gesellschaftlichen Umbrüche wird er besonders die Bedeutung der Menschen hervorheben, die sich in der betrieblichen Mitbestimmung engagieren.
Noch am Montag, dem 7. November, wird der Bundeskanzler zur 27. Weltklimakonferenz in Ägypten reisen. Er wird im Plenum der Regierungschefinnen und -chefs das nationale Statement für Deutschland halten. Auf der Konferenz werden die weltweit drängenden Klimaschutzfragen vor dem Hintergrund der globalen Energiekrise diskutiert werden. Die wichtigsten Themen sind die Realisierung der internationalen Klimafinanzierung, der Umgang mit Klimaschäden und daraus resultierender Kosten und die bessere Anpassung an Klimaveränderungen. Ziel der Bundesregierung ist es zudem, Fortschritte bei den Klimaschutzzielen zur Reduktion von Treibhausgasen zu erzielen, die Staaten im Rahmen ihrer nationalen Klimabeiträge einreichen. Auch Fragen zur Ausrichtung der privaten Finanzströme auf die Pariser Klimaziele sollen geklärt werden. Über geplante Programmpunkte am Montag und Dienstag hatte Regierungssprecher Hebestreit hier an dieser Stelle bereits am vergangenen Mittwoch im Briefing informiert.
Am Mittwoch wird der Bundeskanzler zunächst ab 11 Uhr die Sitzung des Bundeskabinetts leiten.
Anschließend wird der Bundeskanzler das Jahresgutachten des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung entgegennehmen. Das Gutachten enthält insbesondere eine Prognose der wirtschaftlichen Entwicklung und Empfehlungen zur aktuellen Wirtschaftspolitik. Der unabhängige Sachverständigenrat leistet als Beratungsgremium der Bundesregierung wertvolle Arbeit. Anlässlich der Übergabe des Gutachtens ist eine Pressebegegnung geplant. Vonseiten der Bundesregierung werden daran wie üblich die Bundesminister für Wirtschaft, Finanzen, Arbeit und Soziales sowie Gesundheit teilnehmen.
Am Freitag, dem 11. November, wird der Bundeskanzler von 18 Uhr bis 19.15 Uhr Gast bei der „Leipziger Volkszeitung“ in der LVZ-Kuppel sein. Im Rahmen der Talkreihe „RND vor Ort“ wird er Fragen zu aktuellen bundespolitischen Themen beantworten. Die Veranstaltung wird von Eva Quadbeck, Vizechefredakteurin des Redaktionsnetzwerks Deutschland, und von Hannah Suppa, der Chefredakteurin der LVZ, moderiert.
Dann möchte ich heute bereits eine Reise des Bundeskanzlers in der übernächsten Woche ankündigen. Im Vorfeld seiner Teilnahme am G20-Gipfel auf Bali wird der Bundeskanzler am Sonntag, den 13. November, zunächst Vietnam und am Montag, den 14. November, Singapur besuchen.
Der Bundeskanzler wird in Vietnam und in Singapur von einer Wirtschaftsdelegation begleitet. In der vietnamesischen Hauptstadt Hanoi sind Gespräche mit Premierminister Chính sowie mit dem Generalsekretär der Kommunistischen Partei Trọng geplant.
In Singapur wird der Kanzler mit dem Premierminister der Republik Singapur Lee zusammentreffen. Des Weiteren ist ein Gespräch mit Präsidentin Yacob geplant. Außerdem wird der Bundeskanzler gemeinsam mit dem Vizepremierminister der Republik Singapur Wong an der 17. Asien-Pazifik-Konferenz der Deutschen Wirtschaft teilnehmen. – An der Stelle, denke ich, könnte Herr Säverin direkt etwas ergänzen.
Dr. Säverin: Ich kann vielleicht ergänzen, dass Bundesminister Habeck ebenfalls an der 17. Asien-Pazifik-Konferenz teilnehmen wird. Er ist ja dort Mit-Gastgeber und betreut dort auch die Wirtschaftsdelegation. Er möchte sich vor Ort ein Bild darüber machen, wie die Situation in der Region ist, was mit der Region möglich ist und wo sie hinsichtlich unserer wirtschaftspolitischen Ziele steht. Es geht auch um Lieferketten, es geht um Diversifizierung, und es geht auch darum, dafür zu werben, dass die Bundesregierung der Handelspolitik einen neuen Dreh gegeben hat. Es geht um die Nachhaltigkeitsziele, die in den Dienst der Handelspolitik gesetzt werden. Dort für diese neue Politik zu werben, ist auch ein wesentliches Ziel; denn man kann dort viele Gespräche am Rande führen, und das ist ein gutes Forum für ein solches Ziel.
SRS Büchner: Am Abend des 14. November wird der Kanzler dann zum G20-Gipfel nach Bali weiterreisen. Dort wird der Bundeskanzler von Dienstag, dem 15. November, bis Mittwoch, den 16. November, am G20-Gipfel in Bali teilnehmen. Unter dem Motto der indonesischen Präsidentschaft „Recover Together, Recover Stronger“ werden sich die Staats- und Regierungschefs der G20 gemeinsam mit Partnerländern und internationalen Organisationen in Arbeitssitzungen insbesondere über die Themen „globale Ernährungssicherung“, „nachhaltige Energiewende“, „globale Gesundheitsarchitektur“ und „digitale Transformation“ austauschen.
Vorab und um Missverständnissen vorzubeugen: Der Bundeskanzler wird dabei selbstverständlich auch den völkerrechtswidrigen russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine seit dem 24. Februar 2022 und seine weitreichenden sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen unmissverständlich ansprechen.
Daneben wird sich wie immer bei solchen Gipfeln auch die Gelegenheit zu bilateralen Gesprächen ergeben.
Ich darf Sie in diesem Zusammenhang noch auf das Pressebriefing „unter zwei“ zur Reise hinweisen. Das Briefing soll am Mittwoch, den 9. November, von 16 Uhr bis 17 Uhr hier in der Bundespressekonferenz stattfinden. Teilnehmen werden Regierungssprecher Steffen Hebestreit, Staatssekretär Kukies und Abteilungsleiter 2 Jens Plötner. – So weit zu den Terminen.
Frage: Ich habe eine Frage zur Westbalkankonferenz. Die Engländer haben gestern an der Konferenz teilgenommen. Ist das ein Zeichen dafür, dass die Engländer wieder zurück in die Europäische Union wollen?
SRS Büchner: Es ist, glaube ich, vor allem ein gutes Zeichen, dass alle miteinander ins Gespräch gekommen sind. Das war ja auch ein ganz großes Anliegen des Bundeskanzlers. Darüber hinaus möchte ich jetzt nicht solche Interpretationen vornehmen.
Frage: Eine Frage zur China-Reise des Bundeskanzlers an das Außenministerium. Die Außenministerin hat im Vorfeld der Reise Erwartungen an die deutsche China-Politik formuliert. Sehen Sie die Erwartungen an die Reise des Bundeskanzlers aus Sicht des Außenministeriums erfüllt? Wie bewerten Sie die Reise und das, was dort bisher geäußert worden ist?
Burger: Herr Kollege, ich werde, wie das hier üblich ist, die Reise des Bundeskanzlers überhaupt nicht kommentieren. Das ist nicht meine Aufgabe, sondern das ist die Aufgabe des stellvertretenden Regierungssprechers, wenn es dazu von dieser Bank etwas zu sagen gibt.
Ich würde nur gerne noch einmal zur Einordnung dessen, wie Sie die Ausführungen der Außenministerin charakterisiert haben, eine Korrektur vornehmen: Die Außenministerin hat die gemeinsame Position der Bundesregierung erklärt. Sie hat nicht Erwartungen an den Bundeskanzler formuliert.
Frage: Es geht um die Weitergabe Schweizer Munition für die Gepard-Panzer an die Ukraine. Das wurde von der Schweiz ein zweites Mal verneint. Wie bewerten Sie die Absage aus der Schweiz, die sich erneut auf die Neutralität beruft?
Collatz: Tatsächlich haben wir die Antwort erhalten, dass die Schweiz sich mit Berufung auf das Neutralitätsrecht dagegen entschieden hat, die Lieferung von vorhandener Munition an die Ukraine zu genehmigen. Das habe ich nicht zu kommentieren. Das ist eine souveräne Entscheidung einer anderen Regierung.
Natürlich kann ich aber deutlich machen, dass wir von unserer Seite aus weiterhin alles tun werden, damit die Ukraine befähigt wird, ihr Recht auf Selbstverteidigung wegen des Verbrechens des Angriffskriegs Russlands wahrzunehmen. Dazu stehen wir beständig im Kontakt mit vielen Partnern auf der Welt, gerade wenn es um die Lieferung von Munition geht. Aber ich kann hier noch keine Details und einzelne Staaten nennen, wo wir eine konkrete Aussicht auf Lieferung haben.
Zusatzfrage: Die Schweizer Munition wäre theoretisch schnell verfügbar, ist aber nicht verfügbar. Welche Alternativen gibt es jetzt?
Collatz: Wie ich sagte, ist der Gepard in einigen Ländern vorhanden, auch die entsprechende Munition. Hier stehen wir im ständigen Austausch, um zu schauen, welche Möglichkeiten sich für eine baldige Lieferung ergeben.
Zusatzfrage: Können Sie das konkretisieren?
Collatz: Nein.
Zusatzfrage: Abschließend: Wird man mit der Schweiz noch einmal ins Gespräch kommen, vielleicht persönlich und nicht nur auf dem Schriftweg?
Collatz: Das tun wir ständig. Diese einzelne Anfrage konzentrierte sich auf ein bestimmtes Munitionskontingent, was identifiziert wurde. Wenn sich andere Möglichkeiten ergeben, kommt man sicherlich auch erneut ins Gespräch.
Frage: Eine Frage an das Bundesinnenministerin zum Thema Flüchtlinge, Flüchtlingszahlen und Zahlen zur illegalen Emigration. Es gab in jüngerer Vergangenheit eine Differenz, was die Zahlen angeht, die Ihr Haus gemeldet hat und die in der Medienberichterstattung kursierten. Können Sie erklären, wie das zustande kam, damit man daraus lernen kann beziehungsweise feststellen kann, woran diese Differenz festzumachen war und vielleicht die aktuell gültigen Zahlen präsentieren?
Kall: Ja, sehr gerne. Die aktuell gültigen Zahlen zu den unerlaubten Einreisen hat die Bundespolizei gestern Nachmittag in einer Pressemitteilung herausgegeben. Sie werden sehen, dass sich diese Zahlen der Bundespolizei mit den sogenannten Faeser-Zahlen, wie es gestern in der „Bild“-Zeitung hieß, und den Zahlen decken, die daneben genannt wurden. Das sehen Sie schon daran, dass sie sehr gerundet sind. Wir können uns nicht erklären, wie diese Zahlen zustande gekommen sind. Wir haben ganz klar gesagt: Das sind nicht Zahlen der Bundespolizei. Diese Zahlen sind falsch. – Wie gesagt, die richtigen Zahlen hat die Bundespolizei herausgegeben. Das sind die Zahlen, mit denen wir auch immer gearbeitet haben. Danach gab es - von der Bundespolizei festgestellt - bis zum 31. Oktober dieses Jahres 71 011 Personen, die unerlaubt nach Deutschland eingereist sind.
Die genaue Aufschlüsselung nach Monaten finden Sie in der gestrigen Pressemitteilung der Bundespolizei.
Zusatzfrage: Welche Maßnahmen möchte man denn in Zukunft ergreifen, um dem wachsenden Ruf vieler Kommunen nach mehr Unterstützung gerecht zu werden, gerade bezüglich der Bewegung auf der Balkanroute? Es ist ja nicht das erste Mal, dass ein Flüchtlingsgipfel als Idee im Raum steht. Ist das eine Idee?
Kall: Einen Flüchtlingsgipfel hat die Bundesinnenministerin vor zwei Wochen mit den Kommunen und Ländern abgehalten und auch mindestens in den letzten zwei Monaten ein ganzes Bündel von Maßnahmen getroffen. Dazu gehört vor allem, dass die Bundespolizei weiterhin stationäre Grenzkontrollen an der Grenze zwischen Deutschland und Österreich durchführt, im Rahmen der sogenannten Schleierfahndung deutlich intensivierte Kontrollen an der Grenze zu Tschechien vornimmt und sich die Bundesinnenministerin auch mit ihren Amtskollegen in Österreich und Tschechien sehr eng abgestimmt hat, die jeweils an der Grenze zur Slowakei kontrollieren. Das ist ja gerade der Fall, um unerlaubte Einreisen, die über die Balkanroute kommen, einzudämmen. Da gibt es sehr konkrete Maßnahmen, die im Schengen-Raum, dem Raum der eigentlich offenen Grenzen, auch immer rechtfertigungsbedürftig sind, die aber aus unserer Sicht notwendig sind. Deswegen hat die Bundesinnenministerin diese Maßnahmen angeordnet.
Dann gibt es ein großes Bündel an weiteren Maßnahmen, beispielsweise das, was wir sowohl im Rahmen der Innenministerkonferenz der EU, also im Innenrat, als auch die Innenminister im Rahmen der Westbalkankonferenz thematisiert haben, was beispielsweise Serbien und die Visapolitik angeht. Frau Faeser hat sich ja auch deutlich geäußert, was die Bekämpfung von Schleuserkriminalität und all das angeht. Hier ist vor allem die Unterstützung der Kommunen zu erwähnen. Es ist ganz klar, dass wir in einer angespannten Situation sind. Das hat Frau Faeser auch ganz klar bei dem Flüchtlingsgipfel gesagt und hat weitere Bundesimmobilien als Unterkünfte zur Verfügung gestellt. Auch das THW unterstützt. Es wird alles getan, was der Bund da machen kann. Wir sind sehr froh, dass es in dieser Woche im Rahmen der Ministerpräsidentenkonferenz eine Einigung über mehr als vier Milliarden Euro gegeben hat, was weitere Mittel des Bundes in diesem und im nächsten Jahr für die Flüchtlingsfinanzierung angeht. Insofern sehen wir, dass die Lage weiter schwierig ist. Aber wir ziehen mit den Ländern und Kommunen an einem Strang und unterstützen sie stark.
Frage: Eine Frage zum Thema Gaspreisbremse, lieber Herr Büchner. In den Eckpunkten des BPA hieß es, dass sie prüfe, ob die Gaspreisbremse rückwirkend zum 1. Februar eingeführt werden könne. Wie ist der Stand der Dinge? Inwieweit - das fordern ja auch die Länder – prüft die Regierung eigentlich auch eine Rückwirkung zum 1. Januar?
SRS Büchner: Den Stand der Umsetzung kennen Sie ja. Die Bundesregierung hat die Eckpunkte erarbeitet. Sie hat beschrieben, wie die Vorschläge der Gaskommission umgesetzt werden können. Das schließt die Strom- und die Gaspreisbremse ein. In einem ersten Schritt wurde jetzt die Soforthilfe für den Dezember verabschiedet. Im nächsten Schritt folgen dann die Gesetzentwürfe zur Umsetzung der Preisbremsen für Strom, Gas und Fernwärme, in denen die genannten Punkte detailliert ausbuchstabiert werden. Ziel ist es, dass diese Gesetzentwürfe am 18. November ins Kabinett kommen.
Ziel ist auch das, was Sie erwähnt haben, dass man schaut, dass man dort zu der Lösung kommt, das ein Stück vorzuziehen. Zu den Details, zu welchem Termin exakt, kann ich Ihnen hier keinen neuen Stand mitteilen.
Zusatzfrage: Noch einmal konkret: In der Diskussion ist ja quasi diese Winterlücke und vor allem auch der Januar. Planen Sie konkret auch etwas für Januar?
SRS Büchner: Die Wirkung der Entlastung für den Dezember war ja immer so konstruiert, dass damit sozusagen eine Entlastung direkt für Januar und Februar gleich noch miterzielt wird. Es war ja genau der Ansatz, zu sagen: Die Abschlagszahlungen werden komplett übernommen. Das ist ja nicht nur sozusagen eine Entlastung für den Dezember, sondern das war eine Entlastung, die direkt für ein Vierteljahr – Dezember, Januar und Februar – geplant war. Wenn wir jetzt sozusagen auf den 1. Februar vorziehen würden, würde man eine noch stärkere Entlastung vorsehen. Darüber hinaus kenne ich keine Pläne, dass man auch darüber noch einmal hinausgeht.
Zusatzfrage: Frau Schmidt, es gibt Berichte, wonach Herr Lauterbach für dieses Jahr eine Aussetzung der Beiträge für den Pflegevorsorgefonds plant, um damit die Pflegeversicherung zu stabilisieren. Inwieweit können Sie das bestätigen? Falls ja, warum ist das geplant?
Schmidt: Dazu wurde der Minister bereits gestern in der Bundespressekonferenz befragt. Es ist richtig, dass regierungsintern Möglichkeiten besprochen werden, wie eine absehbare Finanzlücke in der Pflegeversicherung vorübergehend geschlossen werden kann. Dabei ist eine Möglichkeit, die Zuweisung an den Vorsorgefonds auszusetzen. Aber die regierungsinternen Gespräche sind hierzu noch nicht abgeschlossen. Daher bitte ich um Verständnis, dass ich hierzu nicht weiter ausführen kann.
Frage: Herr Burger, es gibt die Empfehlung an deutsche Staatsbürger im Iran, das Land zu verlassen. Können Sie uns einen Überblick geben, wie die Reaktion darauf ist? Vielleicht wurde die Zahl schon genannt. Um wie viele Menschen handelt es sich ungefähr? Gibt es von Betroffenen Nachfragen bei Ihnen? Gibt es besondere Hilfestellungen, oder wurde der Appell, die Empfehlung gegeben und damit ist es gut?
Burger: Herr Kollege, ich kann Ihnen keine belastbare Zahl nennen, wie viele deutsche Staatsangehörige sich im Iran aufhalten, und zwar aus dem einfachen Grund, dass es für Deutsche im Ausland keine Meldepflicht gibt. Das heißt, wir haben die Zahl derjenigen, die sich auf freiwilliger Basis bei uns für die Krisenvorsorgeliste angemeldet haben - das ist eine niedrige dreistellige Zahl -, gehen aber davon aus, dass die tatsächliche Zahl sehr viel höher liegt. Das ist einfach ein Erfahrungswert.
Gestern hat sich die Botschaft in Form eines sogenannten Landsleutebriefs per Email an bei uns registrierte deutsche Staatsangehörige gewandt und ihnen noch einmal persönlich diese Ausreiseaufforderung mitgeteilt und darauf hingewiesen, dass die Ausreise jetzt umgehend mit den verfügbaren kommerziellen Möglichkeiten erfolgen sollte. Sie hat auch Hinweise gegeben, welche Reiserouten sinnvoll beziehungsweise aus unserer Sicht die sinnvollsten und die risikoärmsten sind. Es gibt jetzt natürlich eine ganze Reihe von Rückfragen von deutschen Staatsangehörigen, die sich an die deutschen Auslandsvertretungen wenden. Wir versuchen, ihnen so gut es geht Rat zu geben. Ich glaube, man kann das jetzt nicht in einer „one-size-fits-all“-Empfehlung für alle formulieren, weil sich natürlich auch die persönlichen Umstände der Leute, um die es hier geht, sehr, sehr stark unterscheiden - ob es Menschen sind, die seit langer Zeit vor Ort leben, ob es Menschen sind, die sich dort nur zu Besuch aufhalten etc.
Zusatzfrage: Können Sie uns etwa zu den hier auch schon in den vergangenen Wochen thematisierten Bemühungen, deutschen Staatsangehörigen, die Doppelstaatler sind, also die deutsche und die iranische Staatsangehörigkeit haben, und im Iran inhaftiert sind, konsularisch zu betreuen? Das war beziehungsweise ist ja deswegen schwierig, weil der Iran eben nur die iranische Staatsbürgerschaft und nicht die deutsche akzeptiert. Gibt es dort irgendwelche Fortschritte, sind neue Fälle hinzukommen, konnten Fälle gelöst werden?
Burger: Frau Sasse hatte dazu hier ja schon am Montag gesprochen, und sie hatte von einer mittleren einstelligen Zahl von Deutschen und deutsch-iranischen Doppelstaatlern gesprochen, die in Iran inhaftiert sind. Ich kann das jetzt auch nicht weiter konkretisieren.
Ich kann vielleicht höchstens erklären, warum die Angaben, die wir dazu machen, in gewissem Maße vage bleiben müssen. Das liegt einerseits daran, dass es einfach eine gewisse Fluktuation gibt, beispielsweise dadurch, dass Menschen auf Kaution freigelassen werden, wir das aber nicht notwendigerweise direkt erfahren, weil, wie Frau Sasse ja erklärt hat, Doppelstaatler von iranischer Seite so behandelt werden, als seien sie ausschließlich iranische Staatsangehörige. Das heißt, es gibt keine offiziellen Benachrichtigungen darüber; wir erfahren das dann erst nachträglich, wenn die Betroffenen sich bei uns melden. Zum anderen gibt es auch Personen mit doppelter Staatsangehörigkeit, die von sich aus nicht wünschen, dass wir die Tatsache, dass sie die deutsche Staatsangehörigkeit haben, offenlegen, weil sie nicht davon ausgehen, dass das zu ihrem Vorteil ist. Auch deshalb kann ich hier keine ganz präzisen Angaben über diese Zahlen machen.
Die konsularische Betreuung im eigentlichen Sinn, das heißt, den konsularischen Zugang, so wie er nach dem Wiener Übereinkommen über die konsularischen Beziehungen deutschen Staatsangehörigen zusteht, ermöglicht uns die iranische Seite nur für ausschließlich deutsche Staatsangehörige.
Frage: Auch zu den Inhaftierten - wir hatten hier schon vor ein oder zwei Wochen darüber gesprochen -: Haben Sie inzwischen Kenntnisse oder mehr Kenntnisse darüber, inwiefern Inhaftierungen auch direkt im Zusammenhang mit Protesten stehen?
Burger: Ich kann das aus den Gründen, die ich gerade genannt habe, hier nicht für die Einzelfälle weiter ausführen. Aber in der Ausreiseaufforderung, die wir gestern herausgegeben haben und die als neuer Bestandteil in unsere Reisewarnung für Iran aufgenommen wurde, formulieren wir sehr deutlich, dass es für deutsche Staatsangehörige die konkrete Gefahr gibt, willkürlich festgenommen, verhört und zu langen Haftstrafen verurteilt zu werden. Vor allem Doppelstaatler, die neben der deutschen auch die iranische Staatsangehörigkeit besitzen, sind gefährdet. „In jüngster Vergangenheit kam es zu einer Vielzahl willkürlicher Verhaftungen ausländischer Staatsangehöriger.“ - so haben wir das in der Reisewarnung gestern formuliert.
Frage: Wenn ich Sie noch einmal generell zur Situation im Iran fragen darf: Die ist ja insofern besonders prekär, als die iranischen Autoritäten verfügt haben, es müsse nun Schluss sein mit Demonstrationen und Protesten, und harte Maßnahmen für den Fall angekündigt haben, dass die Aktionen dennoch weitergehen. Sie gehen, soweit wir wissen, weiter; vor allem Frauen halten sich nicht an dieses faktische Demonstrationsverbot. Können Sie einschätzen, wie die Reaktionen der iranischen Behörden gegen die andauernden Proteste sind? Wird dort eher zurückhaltend reagiert oder wird sozusagen mit voller Härte versucht, dieses Verbot und die Unterdrückung durchzusetzen? Wie ist da die Einschätzung des Auswärtigen Amtes?
Burger: Dazu kann ich Sie eigentlich nur auf die Äußerungen der Ministerin gestern beim G7-Außenministerinnen- und -ministertreffen verweisen, wo sie sagte:
„Wir erleben seit Wochen, mit welcher brutalen Gewalt das iranische Regime gegenüber seinen eigenen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern vorgeht, wie es auf seine Jugend, auf seine Gesellschaft einprügelt, Menschen dabei zu Tode kommen. Und da ich als Außenministerin auf der einen Seite mit allem, was wir tun können, im Rahmen des internationalen Rechts an der Seite der Menschen im Iran stehe, auf der anderen Seite auch eine Schutzverantwortung für diejenigen im Iran habe, die eine deutsche Staatsangehörigkeit haben, [reagieren wir mit dem jetzigen Schritt auf die verschärfte Sicherheitslage im Iran und stimmen auch solche Maßnahmen eng mit unseren internationalen Partnern ab.]“
Wir sehen keine Zeichen, dass die Repression der iranischen Sicherheitskräfte abnimmt - ganz im Gegenteil. Ich glaube, hier ist aber nicht die richtige Stelle, um das nun sozusagen im Detail auszubuchstabieren. Angesichts der Tatsache, dass die iranischen Behörden auch keine freie Berichterstattung zulassen, wäre das auch mit einiger Schwierigkeit verbunden.
Frage: Weil Sie gerade das G7-Treffen in Münster erwähnt haben, möchte ich dazu noch einmal ganz kurz nachfragen: Das hat ja unter anderem im Friedenssaal stattgefunden. Nun meldet die Stadt Münster, dass es dort ein Ratskreuz gegeben habe, das man auf Wunsch des Außenministeriums entfernt habe. Einfach einmal ganz offen gefragt: Stimmt das? Wenn ja, warum ist das so?
Burger: Wenn Sie sich die Bilder aus dem Friedenssaal in Münster ansehen, werden Sie feststellen, dass dort eine Reihe von Veränderungen beispielsweise des Mobiliars stattgefunden hat. Das ist üblich bei solchen Treffen. Da muss natürlich ein anderer Tisch rein, da muss eine andere Beleuchtung rein, da wurden andere Teppiche reingelegt - einfach im Rahmen der Vorbereitung für dieses Treffen, das dort ja in einem sehr speziellen Format stattfindet. In diesem Zusammenhang ist tatsächlich auch dieses Kreuz dort entfernt worden. Das ist auf Absprache zwischen unserem Protokoll und der Stadt Münster im Rahmen dieser Umgestaltungen geschehen. Ich kann dazu sagen, dass die Ministerin mit dieser Frage nicht befasst war.
Zusatzfrage: Das hatte, platt gesagt, aber nur logistische Gründe? War das im Weg, oder hatte das auch den Grund, dass vielleicht einige der Gäste mit einem Kreuz nicht so viel anfangen können?
Burger: Ich kann Ihnen das im Einzelfall nicht sagen. Wie gesagt, das war Teil einer größeren Umgestaltung dieses Saals, die von unserem Protokoll mit der Stadt Münster besprochen wurde. Ich kann Ihnen sagen, dass es dazu keine Entscheidung auf politischer Ebene gegeben hat.
Frage: An Herrn Fichtner vom BMZ zur COP27-Klimakonferenz: Die Industrieländer hatten ja eigentlich zugesagt, den ärmeren Ländern jährlich 100 Milliarden US-Dollar zur Verfügung zu stellen. Jetzt schreibt die Organisation ONE, dass Deutschland erst vier Milliarden Euro zugesagt habe. Stimmen diese Zahlen? Was ist da der Stand? Wie viel Geld gibt Deutschland, und wie bewerten Sie insgesamt die Tatsache, dass diese 100 Milliarden Euro bisher nicht annähernd erreicht worden sind?
Fichtner: Gut, dass Sie fragen. Ich würde da gerne weiter ausholen, weil tatsächlich sehr viele Missverständnisse in diesem Themenfeld kursieren.
Die 100 Milliarden US-Dollar sind ein sehr altes, symbolträchtiges Versprechen der Industrieländer. Es geht da ausdrücklich um die Mobilisierung von Finanzmitteln. Damit sind dann öffentliche Mittel gemeint, aber auch private Mittel, die mit öffentlichen Mitteln gehebelt wurden. Erreicht wurden 2020 nur 83,3 Milliarden US-Dollar; das ist international festgestellt worden, auch unter Beteiligung des Auswärtigen Amtes und der Regierung von Kanada. Es besteht also eine Lücke, und es ist eine Frage der Glaubwürdigkeit der Industrieländer, diese Lücke bis 2023 zu schließen.
Deutschlands Anteil an den 100 Milliarden lag im Jahr 2021 bei 8,1 Milliarden Euro. Genauer nachlesen können Sie das bei uns in der Pressemitteilung vom 20. Oktober. Von diesen 8,1 Milliarden Euro sind 5,34 Milliarden Euro Haushaltsmittel, die dann wiederum zum Teil weitere private Mittel gehebelt haben.
Warum kann man nicht exakt sagen, wie viel es für die nächsten Jahre ist? Das liegt daran, dass es bei uns nicht den einen Topf gibt, auf dem „Klimafinanzierung“ steht; vielmehr müsste man dann in den Maschinenraum gucken. Da geht es um bilaterale Verhandlungen, die wir mit den Partnerländern führen, wo wir dann konkrete Projekte zur Klimafinanzierung vereinbaren - zum Beispiel heute mit Peru und in den letzten Wochen mit anderen Ländern. Das ist also ein dezentraler partnerschaftlicher Ansatz, der aber letztlich auch erfolgreich ist, als wenn wir so einen Topf hätten, weil er die Projekte nämlich auch zum Anliegen der Entwicklungsländer selbst macht.
Zum Ausblick: Das Missverständnis kommt vielleicht daher, dass das Versprechen bisher war: Wir geben 4 Milliarden Euro Haushaltsmittel. Wir haben dieses Mittel mit den 5,34 Milliarden Euro jetzt übertroffen. Es gibt ein neues deutsches Versprechen, das der Bundeskanzler zuletzt auch bei der Generalversammlung abgegeben hat, nämlich für 6 Milliarden Euro Klimafinanzierung aus Haushaltsmitteln im Jahr 2025 plus dann wieder entsprechend höhere private Mittel. Deutschland leistet also einen guten Beitrag, die Lücke zu den 100 Milliarden US-Dollar zu schließen, und wir rufen andere auch auf, diesem Beispiel zu folgen.
Frage: An das Bundeswirtschaftsministerium: Herr Säverin, das Wirtschaftsministerium prüft ja, ob die Dortmunder Firma Elmos von einem chinesischen Konkurrenten übernommen werden soll. Wie skeptisch ist der Bundeswirtschaftsminister auch vor dem Hintergrund der Debatten um die Beteiligung von Cosco am Hafenterminal in Hamburg?
Dr. Säverin: Wir haben gestern noch ausführlich darüber beraten. Es ist so, dass dieses Verfahren einfach noch nicht abgeschlossen ist. Die Entscheidung ist noch nicht getroffen, und ich kann auch keine Zwischenergebnisse darüber mitteilen.