Im Wortlaut
Themen: Termine des Bundeskanzlers (Teilnahme am ökumenischen Gedenkgottesdienst zu der Gewalttat in einem Regionalzug bei Brokstedt am 5. Februar in Neumünster, Kabinettssitzung, Regierungserklärung, Teilnahme am außerordentlichen Europäischen Rat in Brüssel am 9. und 10. Februar), Reise des Wirtschaftsministers in die Vereinigten Staaten von Amerika, Treffen des Bundeskanzlers mit der italienischen Ministerpräsidentin, EU-Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine, Panzerlieferungen und Diskussion über Kampfjet-Lieferungen an die Ukraine, Medienberichte über die verzögerte Umsetzung von Neuregelungen in Sachen Mietrecht, Teilnahme von Russland und Belarus an den Olympischen Spielen 2024, Übergewinnsteuer, Wohnungsbau, Auswertung von Autobahnausbauprojekten durch den BUND, Schließung des Generalkonsulates in Istanbul und Einladung des Botschafters zu einem Gespräch im türkischen Außenministerium, Diskussion um eine mögliche Wiedereinsetzung der Wehrpflicht, mögliche Verselbstständigung von thyssenkrupp Marine Systems
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- Mitschrift Pressekonferenz
- Freitag, 3. Februar 2023
Sprecher: StS Hebestreit, Sasse (AA), Hosemann (BMJ), Stolzenberg (BMUV), Kall (BMI), Steffen (BMBSW), Säverin (BMWK), Alexandrin (BMDV)
Vorsitzender Feldhoff eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Hebestreit sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.
StS Hebestreit: Die Übersicht über die Termine des Kanzlers ist heute relativ übersichtlich. Bereits am kommenden Sonntag, dem 5. Februar, wird der Bundeskanzler am ökumenischen Gedenkgottesdienst in Neumünster anlässlich der schrecklichen Gewalttat in einer Regionalbahn bei Brokstedt teilnehmen, bei der in der vergangenen Woche zwei Personen getötet worden sind. Der Gottesdienst findet um 14 Uhr auf Einladung des Erzbistums Hamburg und der evangelisch-lutherischen Kirche in Norddeutschland statt. Der Bundeskanzler wird dort eine stille Teilnahme vorsehen.
Nächste Termine: Am Mittwoch, 8. Februar, tagt wie gewohnt das Bundeskabinett ab 11 Uhr unter Leitung des Bundeskanzlers.
Um 12.30 Uhr wird der Bundeskanzler im Vorfeld der Sondertagung des Europäischen Rates eine Regierungserklärung im Deutschen Bundestag abgeben.
Das führt dann auch schon zu den Terminen: Am Donnerstag und Freitag, 9. beziehungsweise 10. Februar 2023, reist der Bundeskanzler nach Brüssel, um am außerordentlichen Europäischen Rat teilzunehmen. Thematisch werden sich die Staats- und Regierungschefinnen und -chefs in den beiden Tagen mit den Themen Wirtschaft, Migration und Ukraine befassen. Im Mittelpunkt der Diskussion zum Thema Wirtschaft wird die Frage stehen, wie die Wettbewerbsfähigkeit der EU gestärkt werden kann. Grundlage der Diskussion wird die am vergangenen Mittwoch veröffentlichte Mitteilung der Kommission über einen Green-Deal-Industrieplan bilden. Dann wird der Europäische Rat die aktuelle Migrationslage in der Europäischen Union und die Weiterentwicklung der gemeinsamen Politik erörtern. Der inhaltliche Fokus wird dabei auf der wirksamen Kontrolle der EU-Außengrenze sowie der externen Dimension von Migration für die Zusammenarbeit mit Drittstaaten und Rückführungskooperationen liegen. Außerdem wird es um die Fortsetzung der Reform des gemeinsamen Migrations- und Asylrechtes gehen.
Der Europäische Rat wird sich außerdem ein weiteres Mal mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine befassen. Hierbei werden sich die Staats- und Regierungschefinnen und -chefs zu den Konsequenzen des Krieges in ihren vielen Dimensionen austauschen. Mit Blick auf den dritten EU-Ukraine-Gipfel, der bekanntlich heute stattfindet, wird es insbesondere um die vielfältige Unterstützung der EU für die Ukraine gehen. Wie gewohnt ist am Ende des EU-Gipfels eine Pressekonferenz des Bundeskanzlers in Brüssel zu erwarten. – So weit die doch relativ übersichtliche Übersicht.
Vorsitzender Feldhoff: Wir kommen noch zu einer Reiseankündigung des Wirtschaftsministeriums.
Säverin: Bundesminister Habeck wird am Montag zu einer zweitägigen Reise in die USA aufbrechen. Am Montag sind Unternehmensbesuche geplant, und am Dienstag wird er mit seinem Amtskollegen Bruno Le Maire die Arbeitsministerin, die Handelsbeauftragte und den Wirtschaftsminister aufsuchen. Danach wird es eine Pressekonferenz geben, die wir auch im Livestream übertragen. Die Themen sind transatlantische Themen. Er wird zusammen mit Bruno Le Maire die Positionen der Europäischen Union hinsichtlich des Inflation Reduction Act vortragen und darüber Gespräche beginnen. Ansonsten geht es um grüne Technologien und um transatlantische Zusammenarbeit. Der Minister hat es als „grüne transatlantische Brücke“ bezeichnet, an der dort gebaut werden soll.
Frage: Sowohl der Gipfel als auch die Reise des Wirtschaftsministers sind, wenn ich das richtig sehe, thematisch verknüpft. Die Frage an Herrn Hebestreit, was die Erwartung an diesen Gipfel angeht: Erwartet der Bundeskanzler oder ist er bereit, dass da bereits Entscheidungen darüber fallen, wie die EU-Kommission auf die amerikanischen Subventionen reagieren sollte, oder ist das eigentlich ein Gipfel, bei dem zunächst einmal Arbeitsaufträge an die Kommission erteilt werden?
StS Hebestreit: Vielleicht einen Schritt zurück. Auf der Tagesordnung der Sondertagung steht ja bekanntlich insbesondere das Thema Wettbewerbsfähigkeit der EU. Dazu ist erst einmal ein Austausch geplant. Die Bundesregierung setzt sich für einen starken Zusammenhalt und ein souveränes Europa ein. Das wissen Sie auch. Die wirtschaftliche, industrielle und technologische Basis soll widerstandsfähiger, wettbewerbsfähiger und effizienter werden. Wir betrachten die Vorschläge der EU-Kommission als hilfreichen Beitrag. Klar ist, dass wir eine kraftvolle Antwort auf die großen Herausforderungen der Transformation auch für unsere Wettbewerbsfähigkeit brauchen.
Den eigentlichen Verhandlungen – das jetzt zum Kern Ihrer Frage – der Staats- und Regierungschefs und -chefinnen kann ich zu diesem Zeitpunkt nicht vorgreifen. Das muss sich zeigen. Es ist ein Sondergipfel, da kann es auch am Ende Schlussfolgerungen geben. Wie die genau aussehen werden, das müssen die Diskussionen zeigen. Das wage ich zum jetzigen Zeitpunkt nicht zu prophezeien.
Zusatzfrage: Darf ich kurz nachfragen: Wenn Sie zu den Vorschlägen der EU-Kommission „hilfreicher Beitrag“ sagen, dann klingt das ja nicht ganz so begeistert, also zumindest nicht so, als ob die jetzt schon zustimmungsfähig wären. Es gab ja auch die Kritik einiger Länder, auch der Bundesregierung, dass die EU neben dem Maßnahmenkatalog auch erst einmal eine Analyse vorlegen sollte, wie sich eigentlich die amerikanischen Subventionen auf die europäische und deutsche Wirtschaft auswirken. Ist das weiter die Forderung, dass das erst einmal geklärt sein muss, bevor man Entscheidungen fällt?
StS Hebestreit: Ich möchte Ihrer Interpretation des Wortes „hilfreich“ überhaupt nicht folgen. Es ist ein hilfreicher Beitrag. Und alles Weitere müssen jetzt die Diskussionen zeigen. In Brüssel - und da möchte ich dem nicht vorgreifen und auch keine Forderung vorab stellen - wird das alles miteinander zu besprechen sein.
Frage: Wenn sonst keiner möchte, möchte ich Herrn Säverin fragen, weil es eben auch die Reise des Wirtschaftsministers in die USA betrifft, die vor dem Gipfel stattfindet: Können Sie uns vielleicht auch eine Bewertung über diese Kommissionsvorschläge abgeben? Ist aus Sicht des Wirtschaftsministeriums eigentlich alles bereitet, dass man Entscheidungen fällen kann, also zum Beispiel, wie Geld verwendet werden kann, wie genau die Beihilferegeln in der EU gelockert werden können? Oder würden Sie sagen, dass da noch weiterer Beratungsbedarf besteht?
Säverin: Ich würde es als Diskussionsbeitrag bezeichnen. Es ist ja ein Diskussionsprozess innerhalb der EU, der teilweise bilateral, teilweise mit der Kommission durchgeführt wird, wo es darum geht, die Beihilferegeln zu flexibilisieren, an die aktuelle Situation anzupassen. Es geht darum, Finanzmittel für die grüne Transformation bereitzustellen – aus verschiedenen Töpfen, unter verschiedenen Bedingungen. Das ist ein sehr breit gefächerter, auf sehr vielen Ebenen stattfindender Prozess. Die Kommission ist natürlich eng sowohl inhaltlich als auch organisatorisch daran beteiligt. Die Vorschläge, die sie macht, passen genau zu dem, was dort jetzt diskutiert wird. Die im Einzelnen zu bewerten, würde ich jetzt nicht versuchen, weil die in manchen Dingen auch sozusagen nur einen Rahmen aufspannen und noch nicht genügend konkret sind. Wie gesagt: ein Diskussionsbeitrag, ein sehr wertvoller Diskussionsbeitrag.
Frage: Wo wir schon bei Migration sind: Heute gibt es noch einen Gast im Kanzleramt, bei dem Migration auch eine Rolle spielt. Deswegen würde mich interessieren, ob der Bundeskanzler mit der italienischen Ministerpräsidentin konkrete Anliegen hat, was Migration angeht, also zum Beispiel Forderungen, dass Italien weiter Flüchtlinge aus dem Mittelmeer aufnimmt. Das fließt ja dann auch in die EU-Debatte ein.
StS Hebestreit: Es wird Sie nicht überraschen, dass ich Gesprächen, die in dreieinhalb Stunden beginnen werden, hier sicherlich nicht vorgreife. Ich kann Sie aber darauf verweisen, dass es natürlich eine Pressekonferenz im Anschluss an das Treffen gibt. Wenn ich das richtig im Hinterkopf habe, beginnt die durch leichte Verzögerungen um 17.10 Uhr. Dann ist das geplant. Da können Sie dann diese Fragen inhaltlich klären. Ich weiß aus einer früheren Begegnung des Bundeskanzlers mit Frau Meloni am Rande des Gipfels in Sharm-el-Sheikh, am Rande der COP27, dass das Thema Migration da bereits einen breiten Raum eingenommen hat. Dieses Gespräch setzt der Bundeskanzler gern heute und in den kommenden Wochen und Monaten fort.
Zusatzfrage: Ich will dem Gespräch auch gar nicht vorgreifen, aber ich habe immer noch die Hoffnung – wie so oft –, dass man erfährt, mit welchen Positionen die Bundesregierung – in dem Fall der Kanzler – eigentlich in Gespräche hineingeht. Darauf zielte die Frage.
StS Hebestreit: Als Fan von Kickers Offenbach weiß ich, dass die Hoffnung zuletzt stirbt.
Zusatz: Aber Sie würden das nicht beantworten.
StS Hebestreit: Nein.
Frage : Herr Hebestreit, wahrscheinlich wird es auf dem Rat, genauso wie heute in Kiew, um die Aufnahme der Verhandlungen zur Aufnahme der Ukraine in die EU gehen. Mich würde interessieren, welche Vorstellung die Bundesregierung über den Zeithorizont hat, in dem die Ukraine Mitglied der EU werden könnte.
StS Hebestreit: Ich glaube, dazu ist seit Sommer vergangenen Jahres alles gesagt. Wir haben klar den Kandidaten – der Ukraine, aber auch der Republik Moldau – den Beitrittsstatus zuerkannt und Georgien als jemanden tituliert, der auch perspektivisch diesen Status erhalten kann. Klar ist, dass es dafür klare Kriterien gibt, die sogenannten Kopenhagener Kriterien. Die gilt es zu erfüllen. Die EU-Kommission ist als Hüterin der Verträge diejenige, die das prüfen und dann dem EU-Rat einen Vorschlag unterbreiten muss. Da fehlt es mir an Expertise, da einen klaren Zeitrahmen zu umschreiben. Das werden Sie sicherlich verstehen. Richtig ist: Es gibt klare Kriterien, und wenn die erfüllt sind, dann kann man den nächsten Schritt gehen.
Zusatzfrage : Und wenn man jetzt nur über die Verhandlungen redet, wann könnten die Verhandlungen Ihrer Ansicht nach beginnen?
StS Hebestreit: Da habe ich keinen Zeitpunkt, den ich jetzt nennen kann.
Frage: Ich versuche es noch einmal. Herr Hebestreit, zum Thema Beitritt: Herr Selensky hat ja nun ganz konkret gesagt, was er möchte. Er möchte, dass die Beitrittsverhandlungen dieses Jahr noch beginnen. Würde die Bundesregierung ein solches Anliegen unterstützen?
StS Hebestreit: Sowie die Grundlagen für Beitrittsverhandlungen da sind - und da gibt es Kriterien, die zu erfüllen sind -, können auch diese Verhandlungen beginnen. Und da bleibe ich bei dem, was ich auf die Frage vorher geantwortet habe.
Zusatzfrage: Würden Sie sagen, dass es gerade vor dem Jahrestag des russischen Einmarsches in die Ukraine ein wichtiges politisches Signal wäre, der Ukraine eine solche Zusage zu geben?
StS Hebestreit: Es ist ein ganz wichtiges politisches Signal an die Ukraine gewesen, dass man ihr diesen Beitrittskandidatenstatus im Sommer vergangenen Jahres zuerkannt hat. Das ist ein Signal. Das würde ich jetzt nicht verwässern, sondern immer noch als ein sehr wichtiges sehen.
Frage : Noch einmal zu den Grundlagen: Sie sagten, wenn die Grundlagen da sind, könne man die Verhandlungen beginnen. Was sind denn die Grundlagen?
StS Hebestreit: Das sind die Kopenhagener Kriterien, die vereinbart worden sind. Zu den Fragen würde ich Sie dann an die zuständige EU-Kommission verweisen, die darüber ein Urteil fällen muss, das dann die Staats- und Regierungschefs des Europäischen Rates absegnen müssten.
Frage: Herr Hebestreit beziehungsweise Herr Säverin, die Kollegen der Süddeutschen haben ja gemeldet, dass weitere Panzerlieferungen durch die Bundesregierung genehmigt worden seien, Panzer des älteren Typs Leopard 1. Meine Frage: Können Sie uns das bestätigen? Meine damit verbundene Frage ist: Welche besondere Rolle könnte dieser Panzer, sobald er denn von den beteiligten Firmen fertiggestellt ist, in dem Ukraine-Krieg spielen?
StS Hebestreit: Ich tue mich ein bisschen schwer damit, mich zu so etwas zu äußern, weil wir da eigentlich sehr klare Verfahren haben, dass der Bundestag nach einer ergangenen Genehmigung mit einem kurzen Zeitverzug darüber informiert wird. Ich würde aber ausnahmsweise insoweit davon abweichen, weil wir das Thema Panzer in den vergangenen Tagen und Wochen intensiv miteinander verhandelt haben. Ich kann bestätigen, dass eine Ausfuhrgenehmigung erteilt worden ist. Viel mehr möchte ich zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen. Das wird sich dann in den nächsten Tagen und Wochen womöglich noch konkretisieren.
Zusatzfrage: Dann würde ich die Frage mit der militärischen Möglichkeit an das Verteidigungsministerium geben, weil ich da einfach zu wenig weiß. Was kann dieser Panzer in dem Ukraine-Krieg bewirken, sobald er dann geliefert werden kann?
Collatz: Da kann ich Ihnen auch nur spärliche Informationen liefern. Seit 2003 hat die Bundeswehr diesen Panzer nicht mehr im Bestand. Er ist in den ersten Versionen seit den 60er Jahren in Betrieb. Vielleicht gibt Ihnen das einen Hinweis, und es hilft Ihnen, wenn ich aufzeigen kann, dass das ungefähr die Gerätegeneration mit dem T62 und dem T64 ist, die wir auch jetzt auf dem Gefechtsfeld sehen. Es ist also schon etwas, was sich annähernd vergleichen lässt. Aber im Vergleich zum Leopard 2, gerade in den moderneren Varianten, kann er natürlich im Gefechtswert überhaupt nicht Schritt halten.
Frage: Noch einmal nachgefragt: Es geht ja um Anträge auf Genehmigung von Rheinmetall und FFG in Flensburg. Rheinmetall soll 88 Leopard 1 haben, die FFG gut 100. Können Sie die Zahlen schon bestätigen?
StS Hebestreit: Nein, das möchte ich zu diesem Zeitpunkt nicht tun, dafür gibt es geregelte Verfahren, wo auch die konkreten Details genannt sind. Ich habe sie auch gar nicht vorliegen. Ich hätte mich eigentlich formal auch komplett zurückziehen und sagen können: Das tun wir zu gegebener Gelegenheit, aber ich dachte, gerade beim Thema Panzer und Leopard-Panzer ist hier eine sehr große Wissbegier. Da wollte ich jetzt auch nicht eine unnötige Geheimniskrämerei an den Tag legen. Aber da bitte ich dann doch darum, dass Sie das bisschen Geduld aufbringen, das es braucht, zunächst die zuständigen Stellen zu informieren und dann auch Sie.
Frage : Die Zahl werden Sie nicht nennen, das ist jetzt klar. Aber eine andere Frage zu den Leopard-Panzern. Das war auch Thema bei dem gestrigen Auftritt des russischen Präsidenten in Wolgograd. Gibt es da eine Reaktion der Bundesregierung? Er hatte ziemlich starke Worte in Bezug auf die deutschen Leopard-Panzer gebraucht.
StS Hebestreit: Die Bundesregierung hat die Worte des russischen Präsidenten selbstverständlich zur Kenntnis genommen. Das reiht sich in eine ganze Reihe von abstrusen historischen Vergleichen ein, die immer wieder als Rechtfertigung des russischen Überfalls auf die Ukraine herangezogen werden. Sie entlarven sich selbst. Es geht seitens der Ukraine darum, sich gegen einen Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine zu wehren. Die Ukraine bekommt finanzielle, politische, humanitäre und auch militärische Unterstützung von einer ganzen Reihe von Staaten. Deutschland gehört zu diesen Staaten, die die Ukraine intensiv bei ihrem Abwehrkampf unterstützen, aber das sind Hilfslieferungen und Unterstützungsleistungen und keine Kriegsbeteiligung. Das ist dem russischen Präsidenten sicherlich auch sehr klar.
Frage: Noch eine Frage zum Leopard 1 entweder an Herrn Hebestreit oder Herrn Collatz: Es sollen ja zwei Bataillone aufgestellt werden, wenn ich es richtig verstehe, eines aus Leopard 2, da beteiligt sich die Bundesregierung mit eigenen Panzern, und ein Bataillon mit Leopard-1-Panzern. Wenn die jetzt aus Deutschland geliefert werden, verstehe ich das richtig, dass das ein Beitrag sein könnte zum Auffüllen dieses einen Leopard-1-Bataillons?
StS Hebestreit: Ich würde das gern an drei Stellen korrigieren. Die erste Stelle: Die Bundesregierung hat keine Leopard-Panzer, sondern die Bundeswehr. Das zweite ist: Es soll zwei Bataillone Leopard-2-Panzer geben, nicht eines aus Leopard-1- und eins aus Leopard-2-Panzern. Es sind zwei Leopard-2-Panzerbataillone geplant. Insoweit ist das die Antwort auf die dritte Frage, ob das da irgendwie hineinpasst: Das ist ein Antrag, der schon vor geraumer Zeit gestellt worden ist, um eine Lieferung von Leopard-1-Panzern zu ermöglichen. Zu allem Weiteren bitte ich, wie gesagt, um ein bisschen Geduld. Das wird sich dann in den nächsten Tagen und Wochen materialisieren.
Frage: Ich hätte noch eine Frage an das Verteidigungsministerium: Der Hersteller vom Leopard 1 sagt, dass man ihn auch aufrüsten könne und dass er moderner und kampffähiger gemacht werden könne. Wie muss man sich das vorstellen? Gibt es da etwas, was Sie uns sagen können? Und was mich auch noch interessieren würde: Die Industrie hatte ja immer wieder gesagt, dass sie erst einmal noch eine ganze Zeit brauche, um die sozusagen wieder fitzumachen. Wissen Sie, wie lange das dauern könnte?
Collatz: Das sind tatsächlich Fragen, die nur die Industrie selbst beantworten kann. Was Aufrüstung angeht, ist es sicherlich so, dass man sich einige Verbesserungen vorstellen kann. Auch die Bundeswehr macht ja Upgrades an ihren Großgeräten. Und so kann ich mir vorstellen, dass da auch zum Beispiel, was Panzerung angeht, etwas leicht Installierbares durch die Industrie angeboten wird. Aber da würde ich Sie tatsächlich bitten, sich an die Industrie zu wenden. Vor allen Dingen sind die Zeitläufe von hier aus überhaupt nicht zu bewerten, weil es auch darum geht, was da im Einzelnen angefasst werden soll.
Frage : Nur eine Verständnisfrage. Herr Hebestreit, der Kanzler hat letzte Woche im Bundestag gesagt, Kampfjet-Lieferungen sind eine rote Linie für ihn. Ist das nur für ihn eine rote Linie oder für die Bundesregierung?
StS Hebestreit: Ich kann mich nicht an eine Äußerung des Bundeskanzlers erinnern, in der er von einer roten Linie gesprochen hat.
Zusatzfrage : Er hat gesagt: Mit mir gibt es keine Kampfjets.
StS Hebestreit: Das hat er nicht gesagt.
Zusatzfrage : Nicht?
StS Hebestreit: Nein.
Zusatz : Das gucke ich einmal nach.
StS Hebestreit: Ja, gern.
Frage: Herr Hebestreit haben Sie Kenntnis von dem Verhandlungsversuch, den der CIA-Chef William Burns Mitte Januar unternommen haben und im Rahmen dessen er den Kriegsparteien einen Plan zur Beendigung des Krieges unterbreitet haben soll? Was wissen Sie davon? Und falls so etwas tatsächlich stattfand: Haben die Amerikaner Deutschland zuvor konsultiert?
StS Hebestreit: Sie beziehen sich auf einen Bericht, der ohne Quellen auskommt, und den ich von dieser Stelle gar nicht kommentieren kann. Und so tief unter uns wäre ich da auch sehr vorsichtig, was da alles unterstellt worden ist. Jedenfalls hat die Bundesregierung keinerlei Kenntnisse von all dem, was da zusammengeschrieben worden ist.
Zusatzfrage: Und dann hat die deutsche Zögerlichkeit, Panzer zu liefern, auch keinen Zusammenhang damit?
StS Hebestreit: Es gibt keine deutsche Zögerlichkeit, –
Zusatzfrage: Die wir beobachtet haben.
StS Hebestreit: – Panzer zu liefern.
Zusatz: Über einige Monate.
StS Hebestreit: Moment. Normalerweise läuft es so: Sie fragen etwas, ich antworte. Und dann fragen Sie wieder nach, und Sie fallen mir nicht ins Wort. Es gibt keine deutsche Zögerlichkeit, sondern es gibt eine enge internationale Abstimmung über die Frage, ob Kampfpanzer geliefert werden sollten oder nicht. Diese enge Abstimmung hat es gegeben. Die deutsche Seite hat entschieden, Kampfpanzer zu liefern. Am gleichen Tag hat die amerikanische Seite verkündet, Kampfpanzer zu liefern. Weitere Länder haben sich - mal mehr, mal weniger - dazu geäußert, auch Kampfpanzer liefern zu wollen. Dann hoffen wir auch, dass diesen Worten Taten folgen werden. In diesem Prozess befinden wir uns. Es hat da relativ klare Abwägungen gegeben, die wir auch immer wieder öffentlich gemacht haben, welche Themen dabei abgewogen werden müssen und dass eine solche Abwägung keine einfache Angelegenheit ist, die man in einen Computer einspeist und ein Ergebnis bekommen kann, sondern es sind schwierige politische und auch strategische Fragen, die damit verbunden werden müssen.
Ich würde massiv davor warnen, Verschwörungstheorien oder abstrusen Unterstellungen zu folgen, die diese Abwägung entweder ins Lächerliche ziehen oder große dunkle Motive dahinter vermuten. Das ist eine sehr schwierige Abwägung in diesen Fällen.
Ich wiederhole - ich weiß, viele, die hier regelmäßig sind, können es schon gar nicht mehr hören - die drei Prinzipien, die uns immer wieder leiten. Das eine ist die massive Unterstützung der Ukraine, das zweite ist, dass einschlägig ist, dass die Nato in diesem Konflikt keine Kriegspartei werden darf und auch die Bundesrepublik Deutschland nicht. Und das dritte ist, dass der Bundeskanzler entschieden hat, dass es keine nationalen Alleingänge geben darf, sondern dass wir eng abgestimmt mit unseren internationalen Partnern - allen voran den Vereinigten Staaten von Amerika - vorgehen wollen. Genau das sind die Prinzipien, die uns von Anfang an in diesem Konflikt leiten und die immer wieder miteinander abgeglichen werden müssen – in einer hoch dynamischen Lage, wo sich das immer wieder verändert und man anpassen muss. Deswegen habe ich auf die Frage von dem Kollegen zum Thema rote Linien so vorsichtig reagiert, weil man immer wieder aufpassen muss: Es verschiebt sich vieles, und deshalb muss man die Möglichkeit haben, dann auch darauf zu reagieren und sich dann aber auch nicht übereilt - durch eine hektische, politisch-mediale Debatte befeuert - in Entscheidungen zwingen zu lassen, die fatale Folgen haben könnten.
Frage: Angesprochen auf diese drei Prinzipien: Jürgen Trittin hat gestern auch gesagt: Keine Alleingänge. Das ist ein offizielles Kriterium. Das zweite ist: nicht Kriegspartei werden. Beim dritten hat er gemeint: Wir liefern das, was die Ukraine braucht, um nicht überrollt zu werden. Jetzt will ich noch einmal nachfragen: Was ist denn die offizielle Haltung der Bundesregierung? Liefert man militärisch das, damit die Ukraine nicht überrollt wird? Oder liefert man mit dem Ziel, dass die Ukraine besetzte Gebiete befreien kann?
StS Hebestreit: Ich glaube, ich habe hier relativ gut die Prinzipien der Bundesregierung genannt. Ich kenne die Äußerung von Jürgen Trittin nicht, würde das aber auch jetzt nicht in einem massiven Widerspruch zu dem sehen, was ich gesagt habe. Auch unsere Unterstützungsleistungen, wenn Sie sich anschauen, was wir liefern, geben Ihnen die Antwort darauf.
Frage: Herr Hebestreit, nur noch einmal für mich zum Verständnis: Ein solcher Antrag zur Lieferung von Leopard-1-Panzern: Wird der von der Ukraine gestellt oder wird der von den betroffenen Unternehmen gestellt?
StS Hebestreit: Der wird von einem betroffenen Unternehmen gestellt. Das sind diejenigen, die die Geräte haben und sie ausführen wollen. Es geht ja um eine Ausfuhr, eine Exportgenehmigung.
Frage: Herr Hebestreit, eine Nachfrage zu dem Zeitungsbericht über diese Verhandlungen: Haben Sie unabhängig von diesem Bericht Kenntnis davon? Finden Sie es richtig, wenn die amerikanische Seite immer wieder auch mit der russischen und der ukrainischen Seite sondiert, unter welchen Voraussetzungen man Friedensverhandlungen beginnen könnte?
StS Hebestreit: Ich habe dazu keinerlei Erkenntnisse, die ich hier beitragen könnte. Grundsätzlich würde ich sagen: Es ist gut, wenn miteinander gesprochen wird. Der Bundeskanzler spricht regelmäßig mit dem ukrainischen Präsidenten Selensky und in etwas größeren Abständen auch regelmäßig mit dem russischen Präsidenten Putin. Der französische Präsident spricht auch mit Herrn Putin. Man muss immer wieder eruieren und hören, ob sich da eine Positionsverschiebung ergibt. Ob es darüber hinaus Überlegungen gibt oder jemand sowohl mit der einen als auch mit der anderen Seite spricht, entzieht sich meiner Kenntnis. Ich halte das in diesem Bericht unterstellte Verfahren für höchst fragwürdig. Deswegen glaube ich daran nicht.
Frage : Herr Hebestreit, ich habe noch einmal im Bundestagsprotokoll nachgeguckt. Dort sagt Herr Scholz: „Dass es nicht um Kampfflugzeuge geht, habe ich ja sehr früh klargestellt und mache das auch hier.“ Haben ihn fast alle Medien falsch verstanden, dass das eine Absage für Kampfjets war und damit auch eine rote Linie von ihm?
StS Hebestreit: Das ist ja eine lustige Kurve. Eben haben Sie noch gesagt, er hätte gesagt: Das ist eine rote Linie, und das gibt es nicht. - Nein, die Worte des Bundeskanzlers stehen genau für sich. Und das ist genau das, was er gesagt hat.
Zusatzfrage : Die soll jeder anders verstehen? Das kann ja nicht das Ziel eines Bundeskanzlers sein, wenn es um Kriegswaffen geht.
StS Hebestreit: Ich habe das Gefühl, Sie wollen mich absichtlich missverstehen.
Zusatz : Ne!
StS Hebestreit: Doch!
Zusatzfrage : Ich glaube, Sie wollen nicht ganz klar verstanden werden. Ich habe das so verstanden, dass der Kanzler meint: Mit mir gibt es keine Kampfjets. - Das ist jetzt eine falsche Interpretation?
StS Hebestreit: Das habe ich ja nicht gesagt. Sie haben gesagt, der Kanzler habe gesagt, das sei eine rote Linie. Und ich habe gesagt: Das hat der Kanzler nicht gesagt.
Zusatz : Will der Kanzler Kampfjets liefern? Nein. So habe ich ihn verstanden.
StS Hebestreit: Im Augenblick ist es klar: Der Kanzler hat - ich glaube, zuletzt in einer Pressekonferenz in Chile - gesagt, dass er diesen Überbietungswettbewerb, der sich im Augenblick bei der Lieferung von Waffen anzubahnen droht - - - Ich glaube, ein Kollege hatte mich an dem Tag, als wir entschieden haben, Kampfpanzer zu liefern, sofort gefragt, ob das nicht viel zu wenige seien, weil die Ukraine ja viel mehr gefordert habe. Es dauerte keine 24 Stunden und es kam auch die Forderung nach Kampfjets auf. Das hat der Bundeskanzler als einen „Überbietungswettbewerb“ tituliert. Er hat gleichzeitig gesagt - Sie haben ja die wörtliche Aussage -, dass das jetzt nicht ansteht. Und das ist seine Position
Frage : Herr Hebestreit, Sie sagten eben, es gab eine Forderung nach Kampfjets. Von wem kam denn diese Forderung?
StS Hebestreit: Ich glaube, unter anderem der stellvertretende Außenminister der Ukraine, Andrij Melnyk, hat diese Forderung aufgestellt. Sie wurde auch verschiedentlich im medialen Raum aufgestellt. Ich würde Sie einfach bitten, noch einmal Ihre eigenen Texte und Beiträge anzuschauen. Dann werden Sie merken, dass das eine Diskussion ist, die ziemlich genau so abgelaufen ist, wie die Diskussionen, die wir hatten, nachdem die Vereinigten Staaten von Amerika, Frankreich und Deutschland Anfang Januar erklärt haben, dass sie Schützenpanzer liefern wollen und es am nächsten Tag sofort um die Frage von Kampfpanzern ging.
Zusatzfrage : Das heißt, Sie betrachten einen Tweet von Herrn Melnyk als eine offizielle Forderung nach Kampfjets?
StS Hebestreit: Ich glaube, wenn Herr Melnyk als Vize-Außenminister der Ukraine spricht, ist er ein offizieller Vertreter der Ukraine. Ich glaube aber auch, dass sich, wenn ich mich richtig erinnere - das müsste ich wegen verschiedener Zeitzonen, die ich dazwischen hatte, noch einmal nachgucken -, der ukrainische Präsident auch zum Thema Kampfjets geäußert hat. Ich habe auch wahrgenommen, dass sich der amerikanische Präsident zu Forderungen nach der Lieferung von Kampfjets - ich glaube, es waren F-16-Kampfjets - geäußert und gesagt hat, dass das für ihn nicht infrage kommt. Insofern bin ich etwas überrascht, dass Sie diese Diskussion nicht mitbekommen haben, während ich sie in Südamerika mitgekriegt habe.
Frage: Sie haben jetzt ausgeführt, was der Bundeskanzler meinte. Der Vizekanzler wiederum hat ja im Fernsehen eine rote Linie gezogen, als er gesagt hat, dass damit die Grenze zu einem Kriegsbeitritt überschritten sein dürfte, weil diese Flugzeuge ohne direkte Wartung von Nato-Personal nicht eingesetzt werden könnten. Schließt sich der Bundeskanzler dieser Haltung an, dass mit der Lieferung von Kampfjets diese - ich nenne es jetzt doch so - rote Linie überschritten sein könnte?
StS Hebestreit: Zum Ersten würde ich sagen: Ich wäre immer vorsichtig, Begriffe wie „rote Linien“ zu benutzen, was Äußerungen des Vizekanzlers oder des Kanzlers angeht. Das kommt ja darauf an. Dann verselbstständigt sich das. Und dann denken auch sehr gute Journalisten wie der Kollege plötzlich, es sei gesagt worden, dass das eine rote Linie ist. Wichtig ist - deswegen versuche ich, mich von dieser Diskussion ein bisschen zu lösen -: Wenn ich einerseits den Bundeskanzler damit zitiere, dass es keinen Überbietungswettbewerb geben soll und wir gleichzeitig diese Diskussion munter weiter betreiben, ist das höchstens dialektisch aufzulösen. Ich würde auf die Worte des Bundeskanzlers vom vergangenen Mittwoch verweisen – der Herr Kollege mag sie gleich noch einmal zitieren, weil ich sie nicht wörtlich vor mir liegen habe -: Das steht im Augenblick nicht an. Wir warnen davor, diese Debatte jetzt zu führen.
Man muss sich noch einmal vergegenwärtigen: Wir haben uns bis Ende des vergangenen Jahres international massiv mit der Frage herumgeschlagen: Sollen wir das erste Mal westliche Schützenpanzer liefern? Wir sind von dem westlichen Schützenpanzer innerhalb von wenigen Wochen jetzt zu massiven Lieferungen von westlichen Kampfpanzern neuesten Standards gekommen. Dafür braucht es eine Ausbildung des Personals; es braucht die Lieferung und Ertüchtigung der Maschinen, und dann müssen sie auch eingesetzt werden. Wir führen munter eine Debatte, als sei das alles nicht geschehen und nehmen das nächste und übernächste Waffensystem vor, ohne dass wir uns einmal ernsthaft damit auseinandersetzen, was ein solches Waffensystem kann. Ich muss Ihnen hier nicht den Unterschied zwischen einem Flugzeug und einem Kampfpanzer erklären. Ich finde auch, die Diskussion wird im Augenblick der Ernsthaftigkeit des Unterfangens nicht immer gerecht.
Deswegen möchte ich eigentlich die Frage nach den Kampfflugzeugen am liebsten mit dem beenden, was Robert Habeck am Montag in der Sendung „Markus Lanz“ gesagt hat, was der Bundeskanzler verschiedentlich gesagt hat und Ihnen verschiedene andere Mitglieder der Bundesregierung entweder schon gesagt haben oder sagen werden. Ich weiß, das ist ein absurder Gedanke. So funktioniert das medial nicht. Aber ich möchte die Diskussion von dieser Stelle aus nicht weiter befeuern.
Zusatzfrage: Ich verstehe den Wunsch, aber natürlich ist es ein absurder Gedanke, weil die Debatte nicht von uns oder nicht nur durch Nachfragen von Medien angestoßen wird, sondern auch von befreundeten Regierungen, zum Beispiel der französischen, die das durchaus für möglich hält. Deswegen ist die Nachfrage angesichts von leichten Differenzen in der Bundesregierung, was die Lieferung von einzelnen Waffensystemen angeht, natürlich berechtigt. Herr Habeck - ich zitiere es noch einmal - sagt: „Aber zwischen den Kriegspanzern und Kampfjets ist ein Unterschied.“ Den solle man wahren. Die Frage zielte darauf, ob der Bundeskanzler diesen Unterschied zwischen diesen Waffensystemen, was geliefert wurde, was geliefert werden soll und worüber diskutiert wird, auch wahren möchte.
StS Hebestreit: Mit diesem wörtlichen Zitat bin ich sehr einverstanden. Das findet der Bundeskanzler ganz genauso. Es gibt einen Unterschied zwischen Kampfpanzern und Kampfflugzeugen, und diesen Unterschied sollten wir auch wahren.
Frage: Wenn man versucht, das zu beschreiben, was der Bundeskanzler gesagt hat, könnte man doch sagen: Er hat definiert, welche Grenzen des Handelns bei Waffenlieferungen nicht überschritten werden sollen. Der US-amerikanische Präsident hat das gleichermaßen getan, konkret beide in Bezug auf Kampfjets. Sie haben Grenzen mindestens des aktuellen Handelns benannt: Welche Waffen werden geliefert, welche nicht? Solche Grenzen des Handelns benennt man üblicherweise doch mit roten Linien, auch wenn der Begriff nicht als solcher auftaucht. Stimmen Sie also zu, dass diese Grenze, die sowohl vom Kanzler in Chile als auch im Bundestag definiert wurde, eine Grenze der Waffenlieferungen markiert, dass diese Grenze aber nicht ewig zu sein hat, sondern sich auch verschieben kann? So werte ich jetzt Ihre Äußerungen.
StS Hebestreit: Ich nehme Ihre Äußerung zur Kenntnis und möchte dem, was ich gesagt habe, an der Stelle nichts mehr hinzufügen. Ihre Interpretation ist Ihre Interpretation. Sie werden ja auch dafür bezahlt, dass Sie interpretieren.
Zusatz: Ja. Und Sie werden doch auch dafür bezahlt, dass Sie Klarheit schaffen.
StS Hebestreit: Nicht immer.
Zusatz: Ah! Das ist aber auch interessant.
Sie schließen als Sprecher der Bundesregierung nicht aus, dass es in Zukunft auch die Lieferung von Kampfjets mit deutscher Beteiligung geben kann?
StS Hebestreit: Ich glaube, ich mache das jetzt vierzehn Monate. Ich glaube, ich habe niemals auf die Frage, ob ich etwas ausschließe oder nicht ausschließe, hier etwas geäußert, weil es eben ein schwieriges Unterfangen ist. Ich weiß jetzt auch schon, dass ich auf diese Frage keine kluge Antwort geben kann, aus der der Kollege oder die Kollegen von dpa, AFP oder der Deutschen Welle - ich möchte die Kollegen nicht einzeln erwähnen - nicht eine Meldung machen, in der es heißt: Schließt nicht aus oder schließt aus.
Noch einmal zurück: Diese Diskussion über Kampfjets, die wir geführt haben, sieht der Bundeskanzler im Zuge eines Überbietungswettbewerbs, der der Angelegenheit nicht gerecht wird. Er hat im Bundestag gesagt: Diese Debatte steht im Augenblick gar nicht an. Deswegen will ich diese Debatte, die nicht ansteht und der der amerikanische Präsident an einer Stelle mit Blick auf amerikanische Kampfflugzeuge eine klare Absage erteilt hat, hier nicht weiter führen, auch wenn ich weiß, dass andere sie führen - medial, politisch und auch sicherlich der eine oder andere ausländische Staatsgast.
Frage : Herr Hebestreit, darf ich einmal zu den Äußerungen des russischen Präsidenten gestern in Wolgograd zurückkommen. Sehen Sie diese Äußerungen als einen Schritt zu einer weiteren Eskalation in den politischen Beziehungen zwischen Russland und Deutschland? Sehen Sie nach diesen Äußerungen überhaupt noch eine Möglichkeit seitens des Kanzlers, den russischen Präsidenten anzurufen?
StS Hebestreit: Nein. Ich glaube, man darf sich an der Stelle - - - Ich glaube, ich habe diese Äußerungen tituliert, wie ich sie titulieren will. Ich glaube, der Bundeskanzler hat gestern noch einmal während seines Kanzlergesprächs in Marburg gesagt, dass er sich durchaus mit dem Gedanken trage, in den nächsten Wochen abermals mit dem russischen Präsidenten zu telefonieren. Man weiß auch um die jeweiligen sehr unterschiedlichen Ansichten zu diesem russischen Überfall auf die Ukraine. Man kennt die Position des russischen Machthabers in- und auswendig. Trotzdem bleibt es dabei, dass man immer wieder versucht, miteinander zu sprechen, in der Hoffnung, dass es an irgendeiner Stelle eine Bewegung gibt. Wenn man nicht miteinander spricht, ist man auf Äußerungen über Dritte oder auf Reden in Wolgograd oder anderswo angewiesen. Deswegen ist es dem Bundeskanzler wichtig, diesen Kontakt auch zu halten.
Ich weiß aus vielen internationalen Treffen, dass viele andere Staats- und Regierungschefs es auch gut finden, dass man regelmäßig Kontakt hat. Da geht ja keiner blauäugig rein. Man weiß jeweils, wie der andere auf den Konflikt blickt. Alles Weitere muss sich dann in diesen Gesprächen zeigen. Wir führen diese regelmäßig. Ich glaube, das letzte Gespräch war Anfang Dezember. Auch da hat es wenig neuen Erkenntnisgewinn gegeben. Trotzdem muss man das tun. Der Bundeskanzler ist willens - ich glaube, er hat „in den nächsten Wochen“ gesagt -, das mal wieder zu versuchen.
Frage : Frau Sasse, eine Verständnisfrage: Wie ist angesichts der ablehnenden Haltung des Kanzlers und des Vizekanzlers zum Thema Kampfjets die Haltung der Außenministerin zur Lieferung von Kampfjets?
Sasse: Ich kann den Ausführungen von Herrn Hebestreit zum Thema Kampfjets in diesem Fall nichts hinzufügen.
Zusatzfrage : Also ist die Position des Kanzlers und des Vizekanzlers die Position der Außenministerin?
Sasse: Der Regierungssprecher hat hier gerade die Position der Bundesregierung deutlich gemacht. Diese Position ist selbstverständlich auch die Position der Außenministerin.
Frage: Herr Hosemann, es geht um das Thema Mietrecht. Es gibt Medienberichte, wonach ein Referentenentwurf zu mindestens drei Punkten fertiggestellt sein soll, die im Koalitionsvertrag festgelegt sind, der aber aus irgendwelchen Gründen nicht in die Ressortabstimmung geht. Ich hätte gerne eine Antwort, ob das so ist und ob es einen Zeitplan gibt. Es gibt daran, wenn das denn stimmen sollte, inzwischen auch Kritik aus der SPD.
Hosemann: Ein Referentenentwurf ist nach meinem Verständnis fertig, wenn der Minister ihn für die Einleitung der Ressortbeteiligung freigibt, und in diesem Sinne liegt kein fertiger Referentenentwurf vor.
Im Koalitionsvertrag sind verschiedene mietrechtliche Vorhaben vorgesehen. Ein mietrechtliches Vorhaben wurde im letzten Jahr schon umgesetzt. Das ist die Neuregelung der Verteilung der CO2-Kosten zwischen Mietern und Vermietern. Die anderen Vorhaben sind bislang noch nicht umgesetzt, und das BMJ wird demnächst einen Gesetzentwurf vorlegen, der diese Vorhaben umsetzt.
Zusatzfrage: Das habe ich leider nicht richtig verstanden. Geht es also um den Mietspiegel, die Mietpreisbremse und die Kappungsgrenze? Liegt dazu schon schriftlich etwas vor oder nicht?
Hosemann: Richtig ist: Es gibt diese drei Vorhaben im Koalitionsvertrag, die Absenkung der Kappungsgrenze, die Verlängerung der Mietpreisbremse - wobei man dazu sagen muss, dass die Mietpreisbremse ohnehin bis 2025 gilt und eine Verlängerung also nicht besonders zeitsensitiv ist - und die Verpflichtung der Gemeinden mit mehr als 100 000 Einwohnern zur Erstellung von qualifizierten Mietspiegeln. Genau diese drei Vorhaben sollen demnächst umgesetzt werden.
Alles Weitere ist ein sozusagen interner Vorgang. Ich kann jetzt keine Wasserstandsmeldungen dazu abgeben, in welchem Status sich bestimmte Dokumente befinden. Einen fertigen Referentenentwurf gibt es in dem Moment, in dem die Ressortabstimmung eingeleitet wird, und eine Ressortabstimmung ist bislang nicht eingeleitet worden.
Frage: Herr Hosemann, seit wann ist der Referentenentwurf denn fertig geschrieben und wartet jetzt auf die ministerielle Freigabe?
Hosemann: Ich glaube, es wäre ein völlig ungewöhnlicher Vorgang, zu diesen internen Abläufen Stellung zu nehmen. Schon zu dem Umstand, der quasi die Prämisse Ihrer Fragestellung ist, dass ein fertig geschriebener Entwurf vorliege, werde ich mich nicht verhalten.
Zusatzfrage: Ich hatte Ihre Ausführungen so verstanden, weil Sie sagten, fertig sei er, wenn er freigegeben sei.
Eine Frage an das Verbraucherschutzministerium: Sind Sie mit dieser Causa in irgendeiner Weise befasst? Warten Sie auch darauf, dass dieser dann vom Minister freigegebene Entwurf in die Ressortabstimmung geht, oder wie ist Ihre Rolle dabei?
Stolzenberg: Ich kann mich hier zu den Interna der Bundesregierung und den Abstimmungen nicht äußern. Das ist eigentlich auch nicht üblich.
Zusatzfrage: Aber Sie wären in der Ressortabstimmung mit im Boot und warten darauf, dass es dann einen zu diskutierenden Entwurf gibt, richtig?
Stolzenberg: Das ist ein durchaus üblicher Vorgang.
Frage : Herr Hosemann, warum dauert das denn so lange? Millionen Mieterinnen haben riesengroße Probleme beziehungsweise Angst, ihre Wohnung zu verlieren, da sie ihre Miete nicht mehr zahlen können.
Hosemann: Da ist vielleicht eine Einordnung wichtig. Das BMJ hat im vergangenen Jahr an mehreren Maßnahmen mitgewirkt, die erhebliche Entlastungen für Mieterinnen und Mieter bewirkt haben und die deutlich größere Bedeutung als das haben, was im Koalitionsvertrag vereinbart ist. Ich nenne insbesondere die Dezember-Soforthilfe und die mietrechtlichen Begleitregelungen zur Gas- und Wärmepreisbremse. Das wurde im BMJ erarbeitet, und davon profitieren Mieterinnen und Mieter ganz unmittelbar.
Wenn wir über den Koalitionsvertrag und die dort vereinbarten mietrechtlichen Vorhaben reden, dann reden wir erstens über die Verlängerung der Mietpreisbremse, die ohnehin bis 2025 gilt. Es macht keinen Unterschied, ob man die einen Monat früher oder später verlängert. Wir reden zweitens über die qualifizierten Mietspiegel. Die sind eine Art Fieberthermometer für Wohnungsmärkte. Die sind für alle Beteiligten, Mieter wie Vermieter, wichtig. Wir reden drittens über die spezifische Absenkung der Kappungsgrenze, wenn Mieten an die ortsübliche Vergleichsmiete angepasst werden. Die soll in Gebieten mit angespanntem Wohnraum beziehungsweise Wohnraummangel von 15 Prozent auf 11 Prozent abgesenkt werden.
Es ist also, glaube ich, eine falsche Suggestion, zu sagen, dass Millionen Mieter und Mieterinnen auf genau diese drei Reformen warten und ihnen ein großer Schaden dadurch entstanden ist, dass man im vergangenen Jahr andere Prioritäten gesetzt hat, nämlich sich auf die mietrechtlichen Begleitregelungen zur Gas- und Wärmepreisbremse und zur Dezember-Soforthilfe zu konzentrieren.
Zusatzfrage : Ich glaube auch nicht, dass die Bevölkerung oder viele Millionen Mieter auf genau diese Regelung warten, aber sie warten darauf, dass die Bundesregierung etwas tut, weil sie das versprochen hat. Die Mieten steigen und steigen und nehmen mittlerweile teilweise mehr als 50 Prozent des monatlichen Einkommens ein. Was haben Sie denn abseits dieser offenbar banalen Neuregelung, wie Sie gerade ausgeführt haben, vor, um die Mieter in Deutschland vor hohen Kosten zu schützen?
Hosemann: Zunächst einmal sind die Regelungen mitnichten banal. Es handelt sich um punktuelle Fortentwicklungen eines Mietrechts, das ohnehin einen sehr guten Mieterschutz bietet. Im Übrigen sind hier ja schon lange Ausführungen darüber gemacht worden, was die Bundesregierung alles auf den Weg gebracht hat, um insbesondere auch Mieterinnen und Mieter zu entlasten, die von den hohen Energiepreisen erheblich betroffen sind. Das Mietrecht ist nun nicht der naheliegende Hebel, um dieses Problem zu lösen. Deshalb hat man ja die Gas- und Wärmepreisbremse und sehr viele verschiedene andere Entlastungsmaßnahmen auf den Weg gebracht, die direkt bei den Menschen angekommen sind.
Frage : Ich habe eine Frage an das Innenministerium und vielleicht auch Sie, Herrn Hebestreit, zu den Olympischen Spielen im nächsten Jahr. Wir haben gestern gesehen, dass die baltischen Staaten und Polen gefordert haben, dass russische und belarussische Athleten vollständig von den Spielen ausgeschlossen werden sollen. Der polnische Sportminister hat gesagt, dass sich in den kommenden Tagen bis zur nächsten Woche ca. 40 Länder so positionieren würden. Frau Faeser hat diese Idee des IOC bereits kritisiert. Wird sich Deutschland also dieser Initiative anschließen?
Kall: Ich kann Ihnen erst einmal sagen, wie sich die Bundesinnenministerin als Sportministerin positioniert hat. Sie hat in der vergangenen Woche gesagt: Dass das IOC russischen Sportlerinnen und Sportlern offenbar wieder die Tür öffnet und die Teilnahme an den Olympischen Spielen ermöglichen will, ist der völlig falsche Weg. Der Sport sollte in seiner Verurteilung des brutalen Kriegs, den Putin gegen die ukrainische Zivilbevölkerung führt, klar sein. Große Sportereignisse finden nicht im luftleeren Raum statt. Diesen furchtbaren Krieg inmitten Europas darf niemand ausklammern oder zwiespältige Signale senden. Die internationalen Sportverbände bleiben hier in der Verantwortung, sich eindeutig zu positionieren, und den ukrainischen Athletinnen und Athleten muss auch weiterhin die uneingeschränkte Solidarität und die Unterstützung der anderen Sportverbände sowie von Sportlerinnen und Sportlern gelten. - Deswegen ist für uns immer klar, dass das die Position ist und dass wir in diesem Sinne auch mit anderen Staaten zusammenarbeiten, vor allem mit Frankreich als Gastgeber der Olympischen Sommerspiele im nächsten Jahr. Am Rande des Deutsch-Französischen Ministerrats hat die Bundesinnenministerin auch mit ihrer französischen Sportministerkollegin genau darüber gesprochen.
Zusatzfrage : Wie weit ist Deutschland zu gehen bereit? Lettland hat neben der Ukraine selbst mit einem Boykott gedroht. Kommt für Deutschland also ein Boykott infrage?
Kall: Wir stimmen uns sehr eng mit unseren europäischen Partnern und vor allem dem Gastgeberland und unserem engsten Partner Frankreich ab. Das ist das, was ich Ihnen im Moment dazu sagen kann.
Frage: Zu den Öl- und Gasunternehmen, die jetzt wieder massive Übergewinne gemacht haben oder Gewinne verbucht haben: Wie sieht es da mit der Übergewinnsteuer, mit der Zufallsgewinnsteuer aus? Wirkt die jetzt? Wird da jetzt abgeschöpft? Wie weit ist man da? Um welche Beträge geht es dabei? Weiß man das schon?
Säverin: Nein, dazu habe ich keine detaillierten Informationen. Das muss ich nachreichen.
Zusatzfrage: Ist das denn aktuell überhaupt noch auf dem Schirm?
Säverin: Ja, auf jeden Fall. Es ist ja eine EU-Vorschrift, diese Steuer einzuführen. Das betrifft die Unternehmen, die Gas und Öl fördern; denn dort entstehen diese Gewinne ja, die durch die hohen Öl- und Gaspreise initiiert worden sind. Über den genauen Sachstand kann ich Ihnen nichts sagen; das muss ich nachliefern.
Frage : Ich brauche Herrn Hebestreit und das Bauministerium. Herr Hebestreit, der Kanzler hat ja gestern in Marburg bei dem Bürgerdialog gesagt, die 400 000 Wohnungen, die pro Jahr gebaut werden müssen, seien weiterhin das Ziel. Er hat auch gesagt oder daran erinnert, dass 1972 in Deutschland sogar 800 000 Wohnungen gebaut wurden. Können Sie einmal kurz erläutern, wer diese 800 000 Wohnungen damals gebaut hat? War das die private Bauwirtschaft?
StS Hebestreit: Ich wüsste nicht, dass wir in den Siebzigerjahren staatliche Bauunternehmen hatten. Ich bin zwar alt und stamme auch aus den Siebzigerjahren, war damals aber noch nicht in dieser Funktion. Aber dass wir staatliche Bauunternehmen in den Siebzigerjahren gehabt hätten, wäre mir neu. Insofern müssten das private Unternehmen gewesen sein, die das zumindest handwerklich hinbekommen haben.
Zusatzfrage : Gab es denn damals andere Vorschriften, auf die sich Herr Scholz bezogen hat, als die, die es heute gibt, dass es damals ging, in Westdeutschland 800 000 pro Jahr zu bauen, und wir das heute nicht mehr hinbekommen?
Frau Steffen, die private Bauwirtschaft steckt ja gerade in der Krise und tut alles dafür, jetzt zu sparen und alle möglichen Projekte einzustampfen. Was ist denn das Ziel beziehungsweise die Maßnahme der Bundesregierung, etwas dagegen zu tun? Wird es jetzt Zeit, quasi selbst zum Bauherrn zu werden und selbst zu bauen, weil man sich auf die privaten Investoren nicht verlassen kann?
StS Hebestreit: Ich glaube, die 800 000 Wohnungen, auf die sich der Bundeskanzler bezieht, betrafen Westdeutschland und Ostdeutschland gemeinsam.
Das Zweite ist, dass man sagen muss, dass wir natürlich von ganz anderen - - - Wenn Sie allein die umweltrechtlichen Prüfungen von damals mit den heutigen vergleichen, dann ist das, glaube ich, heute deutlich aufwendiger. Deshalb gibt es ja auch die Bestrebung innerhalb der Bundesregierung, im Planungsrecht gewisse Beschleunigungen hinzubekommen. Darüber diskutieren wir, da sind wir dran. Das wäre vielleicht der Teil der Antwort, den ich liefern kann.
Zusatz : In Ostdeutschland hat der Staat gebaut.
StS Hebestreit: Da haben Sie recht.
Steffen: Ich kann Ihnen sagen, dass der Staat im Vergleich mit dem Modell in Ostdeutschland nicht vorhat, zu bauen. Es ist aber so, dass wir die Förderung zum Beispiel für den sozialen Wohnungsbau - das wissen Sie ja - auf 40,5 Milliarden Euro bis 2026 erheblich erhöht haben.
Es ist in der Tat so, dass sich die ganze Bau- und Immobilienwirtschaft im Moment in einer, würde ich einmal sagen, sehr starken Umbruchphase befindet und wir in dieser Umbruchphase aber tatsächlich gesagt haben: Wir verändern auch unsere Förderkonditionen, gehen also weg von diesem Gießkannenprinzip und ändern unsere Förderung dahin, dass wir eben sagen, dass wir soziale Kriterien und ökologische Kriterien ansetzen. Zum 1. März wird da auch eine neue Förderung von klimafreundlichem Neubau in Höhe von 750 Millionen Euro pro Jahr und ab dem 1. Juni eine Förderung in Höhe von 350 Millionen Euro für Familien, die bauen wollen, initiiert werden.
Frage: Wir erleben ja jetzt, dass auch angesichts bestehender Förderung, die es ja gibt, private Baukonzerne einfach nicht bauen, weil sie sagen: Wir können das nicht. Die Mieten, die wir dann zur Kostendeckung erheben müssten, wären von niemandem zu bezahlen. – Das bedeutet doch eine Sackgasse, in der sich die, sagen wir, Bauwirtschaft oder das Bauen befindet. Welches ist der strukturelle Ausweg, den die Bundesregierung verfolgt, um aus dieser Sackgasse herauszukommen?
Steffen: Ich glaube, wir sind hier noch im Bereich der Ankündigungen. Wir nehmen natürlich auch wahr, dass angekündigt wird, Baustopps einzuführen. Es ist aber so, dass wir festgestellt haben, dass diese Förderung, wie sie vorher stattgefunden hat, nicht dazu geführt hat, dass die Zahl der Wohnungen erheblich gestiegen ist. Auch 2021 sind wir bei weniger als 300 000 Wohnungen pro Jahr geblieben. Es kann also nicht die Schlussfolgerung sein, dass wir bei dieser Milliardenförderung bleiben, wie es sie früher gab. Insgesamt ist das, glaube ich, ein Kraftakt, den beide Seiten zu meistern haben.
Seitens der Politik, denke ich, müssen wir im Bereich der Planungs- und Genehmigungsverfahren deutlich schneller werden und es den Unternehmen erleichtern, hier schneller Wohnungen sozusagen auf das Bauland zu bringen. Dazu kann ich Ihnen sagen, dass wir vorhaben, bis Ende dieses Jahres zusammen mit dem Land Mecklenburg-Vorpommern die digitale Bauakte voranzubringen. Das beinhaltet die Tatsache, dass man dort dann auch die Bauanträge in den Ämtern weiter prozessieren kann.
Zusatzfrage: Aber eine Überlegung mit einem Ansatz, der Wohnen und das Recht auf bezahlbaren Wohnraum als öffentliche Infrastrukturaufgabe ansieht wie etwa ein Gesundheitswesen, die ja erhebliche Konsequenzen haben könnte, stellt die Bundesregierung nicht an, oder?
Steffen: Wir brauchen den frei finanzierten Wohnungsbau in Deutschland.
Frage: Meine Frage richtet sich an das Verkehrsministerium. Heute gibt es Proteste von Fridays for Future zum Thema von Verkehr und den Ausbauplänen. Der BUND hat eine Studie herausgegeben, wonach die Ausbaupläne des Ministers gerade auf Autobahnen mehr Verkehr anziehen und damit die CO2-Bilanz noch weiter verschlechtern würden. Wie bewerten Sie diese Untersuchung und die Gutachten?
Alexandrin: Die Gutachten kann ich im Detail nicht bewerten, weil sie mir persönlich nicht vorliegen. Ich denke, sie werden aktuell noch geprüft.
Ich kann aber ganz grundsätzlich zu der Debatte unter dem Motto „Wer Straßen sät, wird Verkehr ernten“ sagen, dass wir Verkehrsplanung nicht nach Gutdünken betreiben, sondern dass es dafür sehr eingespielte Verfahren gibt. Diese Verfahren bemessen sich an der Aufstellung des Bundesverkehrswegeplanes. Dahinter liegt eine Bedarfsplanung. Diese Bedarfsplanung erfolgt anhand wissenschaftlicher Prognosen, gleitender Prognosen. Das heißt, dass sie permanent angepasst und regelmäßig überprüft werden. Anhand des Bedarfsplanes wird letztendlich der Bundesverkehrswegeplan aufgestellt, der die aktuellen und zukünftigen Verkehrsbedarfe widerspiegelt und entsprechende Vorschläge für den Ausbau macht, die sich dann in dem Bundesschienenwege-, dem Fernstraßen- und dem Bundeswasserstraßenausbaugesetz widerspiegeln, die dann wiederum vom Parlament und damit demokratisch beschlossen werden.
Zusatzfrage: Sie haben gesagt, die Ausbaupläne würden gelten. Aber muss eventuell doch noch einmal nachgeschärft werden, wenn man feststellt, dass diese Pläne den CO2-Ausstoß doch deutlich stärker nach vorn treiben, um das dann eventuell doch zu korrigieren?
Alexandrin: Es ist eine Falschaussage, dass diese Pläne nicht überprüft würden. In § 4 der jeweiligen Ausbaugesetze ist verankert, dass die Ausbaupläne im Abstand von mindestens fünf Jahren überprüft werden. Das nennt sich Bedarfsplanüberprüfung. Die aktuelle läuft gerade. Dabei wird geschaut, ob die Verkehrsprognosen, die man angelegt und mit denen man die Verkehrsplanung gemacht hat, für die jeweiligen Projekte immer noch zutreffend sind und somit das Gesamtkonstrukt des Bundesverkehrswegeplanes weiterhin Bestand hat oder ob man Anpassungen vornehmen muss, weil sich anhand der Bevölkerungsentwicklungen und anhand der wirtschaftlichen Standortentwicklungen Veränderungen ergeben, die eine Anpassung erforderlich machten. Das passiert regelmäßig und läuft auch aktuell.
Frage : Herr Alexandrin, können Sie uns denn Beispiele dafür nennen, dass neue Fernstraßen und Autobahnen für weniger Verkehr gesorgt haben?
Alexandrin: Das ist eine andere Diskussion. Die Bundesverkehrswegeplanung basiert auf der Annahme, auf welchen Verkehrsträgern und in welchem Maße sich der Verkehr in Deutschland entwickelt. Dementsprechend wird Infrastruktur geplant. Gleichzeitig enthält diese Infrastrukturplanung auch Klimaschutzelemente und Verkehrsverlagerungselemente, sodass bereits bei der Verkehrsplanung Angebote dafür gemacht werden, wo wir in Ihrem Beispiel Verkehr von der Straße auf die Schiene oder die Wasserstraße hin entwickeln können. Die Verkehrsprognosen gehen aber eben davon aus, dass wir einen erheblichen Anstieg beispielsweise im Gütertransport haben werden. Dieser lässt sich nicht komplett in kürzester Zeit auf die Schiene verlagern, sodass wir die Bedarfsplanung so vornehmen, dass sie bedarfsgerecht erfolgt. Das bedeutet auch, dass Straßen ausgebaut werden müssen.
Zusatz : Ich wundere mich, dass Sie das als andere Diskussion bezeichnen. Denn es ging gerade um den Satz des Kollegen, wer Straßen baue, werde Verkehr ernten, den Sie verneint haben. Dann müssten Sie ja Beispiele dafür haben, dass wir, wo Straßen, Fernstraßen, Autobahnen gebaut wurden, weniger Verkehr hatten.
Alexandrin: Nein, ich sage: Die Grundannahme ist falsch. - Wir haben wissenschaftliche Prognosen, die anhand der Bevölkerungsentwicklung - die Bevölkerung steigt - und anhand der wirtschaftlichen Entwicklungen, die auch weiterhin steigen, besagen, wie der Verkehrsbedarf in Deutschland ablaufen wird. Diese Prognosen besagen, dass wir eine Zunahme der Verkehrsnachfrage haben. Die Alternative, die wir haben, ist, Verkehrsinfrastruktur auszubauen, damit wir den Wirtschaftsstandort Deutschland und die Mobilität der Menschen in unserem Land sichern.
Frage: Gestern hat die türkische Regierung die Botschafter von neun Ländern einbestellt. Können Sie uns etwas dazu sagen? Was genau war der Inhalt der Gespräche?
Deutschland war mit dabei. Anscheinend geht es um die Schließung von Generalkonsulaten. Sind sie weiterhin geschlossen?
Sasse: Ich kann bestätigen, dass unser Botschafter in der Türkei gemeinsam mit verschiedenen Kollegen aus anderen Ländern zu einem Gespräch ins türkische Außenministerium gebeten worden ist.
Hintergrund ist, wie Sie richtig geschildert haben, die Schließung unseres Generalkonsulats in Istanbul. Wir haben das Generalkonsulat aufgrund der Gefahr von Terroranschlägen geschlossen und alle Deutschen vor Ort mit einem Landsleutebrief und natürlich auch über die sozialen Medien darauf hingewiesen. Wir haben auch die Reise- und Sicherheitshinweise entsprechend angepasst. Die Botschaft in Ankara, das Generalkonsulat in Izmir und auch die Außenstelle in Antalya sind davon nicht betroffen, sondern weiterhin geöffnet.
Zu den Hintergründen der Terroranschlagsgefahr kann ich Ihnen naturgemäß keine Angaben machen. Aber Sie können sich sicher sein, dass wir eine solche Situation nicht auf die leichte Schulter nehmen, sondern unseren Pflichten sehr genau nachkommen.
Zusatzfrage: Warum genau wurden die Botschafter einbestellt? Hat die türkische Regierung dagegen protestiert?
Sasse: Zu den Hintergründen dieses Gesprächs muss ich Sie an die türkische Seite verweisen. Ich kann dazu keine genauen Einzelheiten nennen. Es war aber, wie Sie sich vorstellen können, eine Reaktion der türkischen Regierung darauf, dass wir auf die terroristische Bedrohung entsprechend reagiert haben.
Frage: Herr Hebestreit, hält die Bundesregierung die Wiedereinführung der Wehrpflicht für wünschenswert?
StS Hebestreit: Die Wehrpflicht ist nicht abgeschafft, sondern seit vielen Jahren ausgesetzt. Seither hat sich die Struktur der Bundeswehr massiv verändert. Deshalb ist die Debatte über eine Wiedereinführung der Wehrpflicht insoweit ein Stück weit - welches Wort nehme ich? - unsinnig, da man weder über die Kasernen verfügt, die zur Unterbringung nötig wären, noch über die Zahl der Ausbilder, und das in einer Phase, in der es keine Wehrpflichtarmee ist, sondern eine Berufsarmee. Dieser Umbau wurde vor vielen Jahren, vor zehn, zwölf Jahren, von einer anderen Bundesregierung beschlossen, und man kann ihn nicht so einfach rückgängig machen, insbesondere nicht in der jetzigen Phase. Insofern fehlt es einer solchen Debatte eigentlich an Substanz.
Frage: Das Unternehmen thyssenkrupp hat eben gemeldet, dass es mit der Bundesregierung in Gesprächen über einen Einstieg in den militärischen Teil des Unternehmens Marine Systems stehe. Können Sie das bestätigen? Ich weiß nicht, ob die Frage an Herrn Hebestreit oder an Herrn Säverin geht.
Säverin: Ich kann das nicht bestätigen. Ich weiß es einfach nicht.