Regierungspressekonferenz vom 28. September 2022

  • Bundesregierung | Startseite
  • Schwerpunkte der Bundesregierung  

  • Bundeskanzler

  • Bundesregierung

  • Aktuelles

  • Mediathek

  • Service

Im Wortlaut Regierungspressekonferenz vom 28. September 2022

Themen: Kabinettssitzung (Entwurf einer Verordnung zur befristeten Ausweitung des Stromerzeugungsangebots durch Anlagen aus der Versorgungsreserve, Wohngeldreform, Heizkostenzuschuss II, Entwurf eines Gesetzes zur temporären Senkung des Umsatzsteuersatzes auf Gaslieferungen im Erdgasnetz, Verordnung über die Öffnung des Kurzarbeitergeldbezugs für Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer, Gesetz zur Änderung des Raumordnungsgesetzes und anderer Vorschriften, Bericht des Beauftragten der Bundesregierung für Ostdeutschland 2022, Entwurf zum Klimaschutzbericht), Termine des Bundeskanzlers (Tag der Deutschen Einheit in Erfurt, Besprechung mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder zum dritten Entlastungspaket, Deutsch-Niederländisches Klimakabinett), Gasumlage, Energieversorgungssicherheit, Äußerungen des FDP-Politikers Wolfgang Kubicki über den türkischen Präsidenten, Aufruf der US-Botschaft in Moskau bezüglich Ein- und Ausreisen von amerikanischen Staatsangehörigen

40 Min. Lesedauer

  • Mitschrift Pressekonferenz
  • Mittwoch, 28. September 2022

Sprecher: StS Hebestreit, Baron (BMWK), Steffen (BMWSB), Leber (BMF), Kall (BMI), Stolzenberg (BMUV), Helmbold (BMVg), Wagner (AA)

Vorsitzender Feldhoff eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Hebestreit sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

StS Hebestreit: Ein herzliches Willkommen auch von mir! Zum Bericht aus dem Kabinett. Es gibt, wenn ich das richtig gezählt habe, vier Regelungen, die heute im Kabinett in Reaktion auf die massiv gestiegenen Kosten für Energie, Wohnen und Nahrungsmittel beschlossen worden sind.

Die Bundesregierung hat den Entwurf einer Verordnung zur befristeten Ausweitung des Stromerzeugungsangebots durch Anlagen aus der Versorgungsreserve beschlossen. Mit der Möglichkeit zur befristeten Rückkehr von Braunkohlekraftwerken aus der Versorgungsreserve an den regulären Strommarkt soll das Stromangebot erhöht werden. Damit können wir Versorgungsengpässen vorbeugen und die Einsparung von Gas ermöglichen.

Mit der Verordnung wird die Möglichkeit geschaffen, dass Stromerzeugungsanlagen der Versorgungsreserve befristet bis 30. Juni nächsten Jahres am Strommarkt teilnehmen können. Diese Teilnahme ist zudem an die Geltung der Alarmstufe Gas beziehungsweise der Notfallstufe Gas geknüpft.

Neben den Kraftwerken der Netzreserve können ab Inkrafttreten dieser Verordnung nun auch die Braunkohlekraftwerke der Versorgungsreserve - es handelt sich hierbei um zwei unterschiedliche Reservekreise - zusätzliche Erzeugungskapazitäten zur Verfügung stellen.

Die seit Jahren steigenden Wohnkosten stellen für viele Bürgerinnen und Bürger gerade mit kleineren Einkommen eine große Belastung dar. Diese Belastung nimmt durch den aktuellen Anstieg der Energiekosten weiter zu. Die Bundesregierung wird daher mit einer Wohngeldreform einen deutlich größeren Teil der Haushalte mit niedrigen Einkommen als bisher bei der Bewältigung der Wohnkostenbelastung dauerhaft unterstützen. Der heute beschlossene Entwurf des sogenannten Wohngeld-Plus-Gesetzes ist Teil des dritten Entlastungspakets der Bundesregierung.

Durch die Wohngeldreform steigt der Kreis der begünstigten Haushalte um mehr als der Doppelte. Rund 1,4 Millionen Haushalte bekommen nun zusätzlich durch die Reform einen Anspruch auf Wohngeld. Damit erreicht das Wohngeld ab kommendem Jahr insgesamt rund zwei Millionen Haushalte.

Das Wohngeld wird sich 2023 voraussichtlich um durchschnittlich rund 190 Euro pro Monat erhöhen. Das ist mehr als eine Verdoppelung. Das Wohngeld steigt von durchschnittlich rund 180 Euro pro Monat auf dann rund 370 Euro pro Monat. Zusätzlich wird eine dauerhafte Heizkostenkomponente die steigenden Heizkosten dämpfen.

Wie im Koalitionsvertrag vereinbart, wird es auch eine Klimakomponente geben. Sie stellt sicher, dass Wohnungen klimagerecht saniert werden können und Wohngeldhaushalte auch nach sanierungsbedingt steigenden Mieten nicht aus dem Bezug von Wohngeld fallen. Die Reform trägt zudem sehr unterschiedlichen regionalen Mietniveaus in Deutschland Rechnung, indem die Mietstufen nach Gemeinden und Kreisen aktualisiert werden.

Die Kosten der Wohngeldreform 2023 werden je zur Hälfte von Bund und Ländern getragen.

Das Gesetz bedarf der Zustimmung des Bundesrates und soll zum 1. Januar kommenden Jahres in Kraft treten.

Dann hat das Kabinett heute den Gesetzentwurf für einen zweiten Heizkostenzuschuss beschlossen. Wir alle erleben derzeit starke Preissteigerungen bei den Heizkosten. Wie eben schon gesagt, trifft das Bürgerinnen und Bürger mit kleineren Einkommen ganz besonders.

Auf den starken Anstieg der Energiekosten in der Heizperiode 2021/2022 hat die Bundesregierung bereits mit dem ersten Heizkostenzuschuss reagiert. Aufgrund der seither weiter ansteigenden Kosten wird die Bundesregierung mit dem zweiten Heizkostenzuschuss eine weitere Entlastung leisten.

Den Heizkostenzuschuss II erhalten Haushalte, die mindestens in einem der Monate von September 2022 bis Dezember 2022 Wohngeld beziehen, sowie Bezieherinnen und Bezieher von BAföG-Leistungen und anderer Aus- und Fortbildungsbeihilfen in einem der Monate von September bis Dezember 2022. Haushalte, die Wohngeld beziehen, erhalten einen nach Personenzahl gestaffelten Heizkostenzuschuss. Er beträgt für einen Zweipersonenhaushalt zum Beispiel 540 Euro. Zuschussberechtigte Azubis, Schülerinnen und Schüler und Studierende erhalten jeweils einen Heizkostenzuschuss in Höhe von 345 Euro.

Der zweite Heizkostenzuschuss entlastet insgesamt rund 2 Millionen Bürgerinnen und Bürger, davon rund 1,5 Millionen Personen, die in den 660 000 wohngeldbeziehenden Haushalte leben, rund 372 000 nach dem BAföG Geförderte, rund 81 000 mit Unterhaltsbeitrag nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz Geförderte sowie rund 100 000 Personen, die Berufsausbildungsbeihilfe oder Ausbildungsgeld beziehen.

Die Kosten für den Heizkostenzuschuss II werden vollständig vom Bund getragen.

Der Gesetzentwurf stellt weiterhin im Elften Buch des Sozialgesetzbuchs klar, dass zugelassene Pflegeeinrichtungen bei erheblich gestiegenen Energiekosten Verhandlungen zur Anpassung ihrer Vergütungsvereinbarungen mit den Pflegekassen aufnehmen können.

Des Weiteren hat das Bundeskabinett heute eine Formulierungshilfe beschlossen, um die im Koalitionsvertrag am 3. September vereinbarte Steuer- und Sozialversicherungsfreistellung von Zusatzzahlungen der Arbeitgeber an ihre Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu ermöglichen. Die Koalitionsfraktionen haben diese sogenannte Inflationsausgleichsprämie heute in den Gesetzentwurf zur temporären Senkung des Umsatzsteuersatzes auf Gaslieferungen im Erdgasnetz aufgenommen.

Eckpunkte der Regelung sind: Begünstigungszeitraum vom Tag nach der Verkündung des Gesetzes bis zum 31. Dezember 2024. Der großzügige Zeitraum gibt den Arbeitgebern Flexibilität. In diesem Zeitraum sind Zahlungen der Arbeitgeber bis zu einem Betrag von 3000 Euro steuer- und sozialversicherungsfrei möglich. Gezahlt werden kann auch in mehreren Teilbeträgen. Die Inflationsausgleichsprämie muss zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn gewährt werden. Jeder Arbeitgeber, jede Arbeitgeberin kann die Steuer- und Abgabenfreiheit für solche zusätzlichen Zahlungen nutzen.

Dann hat das Kabinett heute per Verordnung beschlossen, dass Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter ab 1. Oktober 2022 wieder erleichterten Zugang zum Kurzarbeitergeld erhalten. Die Regelung ist auf drei Monate befristet, gilt also bis 31. Dezember 2022. Grund sind insbesondere die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine auf die Lieferketten sowie Unsicherheiten in der Gasversorgung. Die Öffnung des Kurzarbeitergeldes für Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer soll insbesondere dazu beitragen, dass Arbeitsplätze erhalten und Kündigungen vermieden werden. Auch sollen Verleiher in die Lage versetzt werden, ihre Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu halten.

Die Bundesregierung will bekanntlich auch die Planungs- und Genehmigungsfristen in Deutschland verkürzen. Das Kabinett hat heute einen Beschluss zur Änderung des Raumordnungsgesetzes gefasst, mit dem die Planungs- und Genehmigungsverfahren für Infrastrukturvorhaben zum Beispiel im Bereich Schiene und Straße beschleunigt werden.

Bei der Raumverträglichkeitsprüfung wird die Pflicht zur Durchführung einer förmlichen Umweltverträglichkeitsprüfung entfallen. Sie erfolgt nur noch im anschließenden Zulassungsverfahren. Außerdem soll ein verbindlicher Zeitrahmen für die Durchführung der Raumverträglichkeitsprüfung eingeführt werden. Beides führt zu deutlichen Beschleunigungen.

Der Gesetzentwurf enthält zudem eine Änderung des Windenergieflächenbedarfsgesetzes. Genehmigungsverfahren in Gebieten, die für den Ausbau von Windenergie geeignet sind und in denen nicht mit erheblichen Umweltauswirkungen zu rechnen ist, sollen erleichtert werden. Diese Regelung ist erst anzuwenden, wenn die europarechtlichen Regelungen hierfür abschließend auf EU-Ebene verabschiedet sind.

Dann gab es heute noch zwei Berichte im Bundeskabinett. Den einen wird Staatsminister Carsten Schneider im Anschluss an diese Pressekonferenz hier vorstellen. Ich skizziere den Bericht trotzdem knapp.

Die Bundesregierung hat sich heute mit dem vom Staatsminister beim Bundeskanzler und Beauftragten der Bundesregierung für Ostdeutschland, Carsten Schneider, vorgelegten Bericht des Beauftragten der Bundesregierung für Ostdeutschland 2022 mit dem Titel „Ostdeutschland. Ein neuer Blick“ befasst.

Seit 1997 legte die Bundesregierung jährlich einen Bericht zum Stand der Deutschen Einheit vor. In diesem Jahr gibt es anstelle des Berichts der Bundesregierung erstmals einen eigenen, schwerpunktmäßig anders gelagerten Bericht des Ostbeauftragten. Der Bericht der Bundesregierung zum Stand der Deutschen Einheit soll künftig zweijährig, abwechselnd mit dem Bericht des Ostbeauftragten, vorgelegt werden.

Der Bericht zeichnet sich durch einen Perspektivwechsel aus. Nicht mehr die in der Vergangenheit häufig am Vergleichsmaßstab West ausgemachten vermeintlichen Defizite des Ostens - wie etwa fehlende Wirtschaftskraft, schwächere Infrastruktur und Abwanderung - stehen im Fokus, sondern die Vermittlung eines differenzierten, realistischen Bildes vom heutigen Osten, seiner Mentalität und seiner Potenziale. Unterschiede zwischen Ost und West werden nicht länger als Abweichung der ostdeutschen Länder von einem - implizit westdeutschen - Standard, den es aufzuholen gilt, präsentiert.

Der Bericht würdigt ostdeutsche Besonderheiten noch stärker als Bereicherung und eigenständigen Beitrag des Ostens zum vereinten, heutigen Deutschland. Erstmalig schildern unter anderem Gastautorinnen und -autoren ihren ganz eigenen, persönlichen Blick auf die Einheit und Ostdeutschland. Die Beiträge finden sich im Teil A des Berichts.

Teil B präsentiert die zentralen Ergebnisse einer repräsentativen Befragung zu allgemeinen politischen Einstellungen und Haltungen sowie zu spezifischen Themenfeldern in Ost und West. Die Befragung führt den vor zwei Jahren von der Regierungskommission „30 Jahre Friedliche Revolution und Deutsche Einheit“ initiierten und im Jahr 2020 erstmalig durchgeführten „Deutschland-Monitor“ fort.

Abschließend widmet sich der Bericht im Teil C ausgewählten Vorhaben der Bundesregierung in der 20. Legislaturperiode mit besonderer Relevanz für Ostdeutschland. Neben dem Zukunftszentrum für „Deutsche Einheit und Europäische Transformation“ informieren die Beiträge unter anderem über die wirtschaftliche Entwicklung Ostdeutschlands, die Regionalentwicklung in den ostdeutschen Kohleregionen, die Ansiedelung von Bundeseinrichtungen im Osten und die Stärkung der Repräsentanz Ostdeutscher in Führungspositionen.

Der zweite Bericht heute im Kabinett war der Entwurf zum Klimaschutzbericht. Dieser jährliche Bericht stellt nach Vorgaben des Bundes-Klimaschutzgesetzes die Entwicklung der Treibhausgasemissionen in Deutschland sowie den Stand der Umsetzung der Klimaschutzprogramme und ihrer Minderungswirkung dar. Die Maßnahmen aus dem Klimaschutzprogramm 2030, das im Herbst 2019 verabschiedet wurde, befinden sich nun vollständig in Umsetzung, wurden bereits umgesetzt oder sind in konkreter Planung.

Der Bericht zeigt, dass die Emissionen im Jahr 2021 um rund 4,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr angestiegen sind. Im Jahr 2020 waren sie allerdings coronabedingt stark zurückgegangen. Gegenüber 1990 konnte im Jahr 2021 eine Minderung von 38,7 Prozent erzielt werden.

Der Bericht wurde vom federführenden BMWK erstellt, wobei die für die jeweiligen Klimaschutzmaßnahmen zuständigen Bundesministerien dort maßgeblich beige-tragen haben.

Zur Bewertung des Berichts ist zu sagen, dass der vorliegende Bericht verdeutlicht, dass die Treibhausgasemissionen in Deutschland deutlich schneller sinken müssen als bisher. Die derzeitigen Maßnahmen reichen nicht aus, um diese Ziele zu erreichen. Zu dieser Einschätzung kommen die Autorinnen und Autoren des Berichts auch deshalb, weil das Klimaschutzprogramm 2030 noch auf das alte Klimaziel aus-gerichtet war und nicht auf die aktuellen Emissionsminderungsziele von mindestens minus 65 Prozent im Vergleich zum Jahr 1990.

Um schnellstmöglich den Trend steigender Emissionen umzukehren und die CO2-Emissionen bis 2030 nahezu halbieren, arbeitet die Bundesregierung mit Hochdruck an einem umfassenden Klimaschutzsofortprogramm, das noch in diesem Jahr vorgelegt werden soll.

So weit der Bericht aus dem Kabinett.

Dann habe ich aufgrund von ablaufenden Akkreditierungsfristen noch drei Ausblicke auf Termine des Bundeskanzlers - voraussichtlich - in der kommenden Woche.

Das Land Thüringen richtet in diesem Jahr den Tag der Deutschen Einheit mit einem Bürgerfest vom 1. bis 3. Oktober aus. Das Motto lautet „Zusammenwachsen, um zusammen zu wachsen!“. Bundestag, Bundesrat und das Bundesverfassungsgericht sowie die Bundesregierung präsentieren sich auf dem Domplatz in Erfurt. Die Bundesregierung ist unter anderem mit einem LED-Cube, einer Licht- und Filminstallation, vertreten, der auf allen vier Seiten bespielt wird. Protokollarische Höhepunkte der Einheitsfeierlichkeiten sind am 3. Oktober der ökonomische Gottesdienst im Erfurter Dom und der anschließende Festakt zum Tag der Deutschen Einheit im Theater Erfurt.

Weitere Informationen zur Präsentation und den Veranstaltungen finden Sie auf www.bundesregierung.de sowie auf www.tag-der-deutschen-einheit.de. Ich freue mich, dass ich das hier vortragen kann.

Um vielen Jugendlichen näherzubringen, wie die Bundesregierung arbeitet, wird es auch Planspiele geben. Themen in den fiktiven Bundeskabinettssitzungen sind die Einführung von Volksentscheiden auf Bundesebene und die Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht. Auch das findet am Tag der Deutschen Einheit statt.

Die Teilnahme des Bundeskanzlers an den Feierlichkeiten ist im Hinblick auf die bekannte Coronainfektion derzeit noch offen. Allerdings hat er sich heute - zugeschaltet im Kabinett - recht hoffnungsfroh gezeigt, dass er daran teilnehmen kann. Wir werden es sehen.

Am Dienstag, den 4. Oktober, trifft sich der Bundeskanzler mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder zu einer Besprechung zum dritten Entlastungspaket. Sie wissen, eigentlich war das für heute vorgesehen. Es wurde um sechs Tage geschoben. Alle Beteiligten waren sich einig, dass es besser ist, sich persönlich zu begegnen, nicht nur virtuell.

Das Entlastungspaket enthält Hilfen für Familien, Bedürftige, Geringverdiener, Verbraucherinnen und Verbraucher, Autofahrer und Berufspendler. Dadurch will die Koalition Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen wegen der hohen Preise vor allem für Industrie entlasten.

Zweiter Baustein des Entlastungspakets ist der schnellstmögliche Ausbau der erneuerbaren Energien, weniger Verbrauch und mehr Energieeffizienz, um von der Abhängigkeit von russischen Energieimporten wegzukommen.

Die Besprechung soll der Einbindung der Länder in die Umsetzung dieses Pakets dienen.

Außerdem möchte ich Ihnen aufgrund der knappen Akkreditierungsfristen schon heute einige Informationen zum Deutsch-Niederländischen Klimakabinett in der nächsten Woche geben. Ebenfalls am Dienstag wird auf Wunsch des Bundeskanzlers und des niederländischen Ministerpräsidenten Mark Rutte im Bundeskanzleramt das Deutsch-Niederländische Klimakabinett tagen. Eine erste gemeinsame Sitzung dazu fand im Juli 2019 in Den Haag statt - damals wie heute unabhängig von den Regierungskonsultationen, die wir für kommendes Jahr in den Blick nehmen.

Um 14 Uhr ist eine gemeinsame Pressekonferenz von Bundeskanzler Scholz und dem Ministerpräsidenten Rutte vorgesehen.

Das war es jetzt aber wirklich.

Frage: Ich stelle erst einmal eine ganz allgemeine Frage zum Thema Gasumlage: Wird sie am Samstag eingeführt, oder ist es möglich, dass die Bundesregierung die Einführung in den Tagen davor noch stoppt?

StS Hebestreit: Durch den Stopp der russischen Gaslieferungen und der - lassen Sie es mich „Havarie“ nennen - Havarie der Nord-Stream-Pipeline, ist klar, dass sich die Situation am deutschen Gasmarkt auf absehbare Zeit sehr nachhaltig verändert hat. Die Bundesregierung arbeitet deshalb mit Hochdruck an einer Gesamtlösung, die zum Ziel hat, die Verbraucherinnen, Verbraucher und Unternehmen vor den hohen Gaspreisen zu schützen, den Gasmarkt zu stabilisieren und die Versorgungssicherheit in Deutschland zu gewährleisten.

Zusatzfrage: Das war jetzt nicht ganz die Antwort auf meine Frage. Vielleicht versuche ich es einfach noch einmal: Tritt die Gasumlage am Samstag in Kraft, auch wenn sie erst Ende des Monats erhoben wird?

StS Hebestreit: Die Gasumlage ist im Augenblick geltendes Recht. Viel mehr kann ich im Augenblick nicht dazu sagen.

Frage: Ich habe zwei Fragen. Herr Hebestreit, der Kanzler konnte sich ja mit Herrn Lindner und Herrn Habeck offensichtlich nicht einigen. Warum nutzt er nicht seine Richtlinienkompetenz?

Frau Baron, die Gasumlage ist ja eine Verordnung des BMWK. Können Sie die nicht von heute auf morgen ändern?

StS Hebestreit: Herr Kollege, das war eine Frage - - -

Zusatz: Nach der Richtlinienkompetenz des Kanzlers.

StS Hebestreit: Die gibt es.

Zusatzfrage: Warum nutzt er sie nicht?

StS Hebestreit: Ich glaube, die Gespräche zwischen dem Bundeskanzler, dem Bundeswirtschaftsminister und dem Bundesfinanzminister sind auf einem guten Weg.

Baron: Ich kann das nur noch einmal unterstreichen. Die Bundesregierung arbeitet an einer geordneten Lösung, an einem Gesamtkonzept, das diese zwei sehr wichtigen Parameter im Blick hat, nämlich zum einen die Preisdämpfung, um Unternehmen sowie Verbraucherinnen und Verbraucher durch die Krise zu helfen, und zum anderen, ebenso wichtig, um den Gasmarkt zu stabilisieren und die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. In diesem Gesamtkonzept werden wir natürlich dann auch die notwendige Rechtstechnik anwenden und Sie darüber informieren, wenn das Konzept geeint ist und vorliegt.

Zusatzfrage: Bezogen auf meine Lernfrage: Das ist ja eine Verordnung. Können Sie die von heute auf morgen ändern? Das stimmt doch, oder?

Baron: Es gibt - das habe ich schon in der vergangenen Regierungspressekonferenz dargestellt - das Energiesicherungsgesetz und die Gaspreisanpassungsverordnung. Beides ist natürlich gültiges Recht; das ist so. Wir arbeiten mit Hochdruck an einer Gesamtlösung und werden dann auch die notwendige Rechtstechnik anwenden.

Frage: Herr Hebestreit, ich möchte Sie fragen bezüglich der Debatte um Nuklearkraftwerke, die ja zur Versorgung über den Winter beitragen sollen, ob sich der Bundeskanzler vorstellen kann, dass es eine Verlängerung der Laufzeiten nicht nur um wenige Monate, sondern sogar um Jahre gibt, wie es zum Beispiel die FDP fordert.

StS Hebestreit: Ich glaube, der Bundeskanzler hat sich dazu in den vergangenen Wochen immer wieder geäußert. Er hat klar gesagt, dass er den sogenannten Streckbetrieb - ich glaube, wir nennen das im Moment nicht mehr so -, dass er die Verlängerung der Laufzeit der beiden süddeutschen Kraftwerke bis in das Frühjahr hinein unterstützt, weil er sagt, damit sei die Versorgungssicherheit gewährleistet, die wir in den harten Wintermonaten brauchen.

Frage: Die Rechtsfrage, die das Wirtschaftsministerium aufgeworfen hatte, ist ein bisschen in den Hintergrund getreten. Bei der Gasumlage ist das mittlerweile geklärt. Sie hatten ja dazu ein Gutachten vom Finanzministerium gefordert. Hat es geliefert? - Das ist die eine Frage.

Die zweite Frage gleich hinterher, eine Lernfrage: Welche Summen sind denn eigentlich in dem Stabilisierungsprogramm für die Versorger aus der Gasumlage bis Ende des Jahres vorgesehen?

Baron: Wie gesagt: Die Abstimmungen laufen. Im Kontext der Abstimmungen werden auch alle offenen Rechtsfragen geklärt. Dann muss ich leider wieder darauf verweisen, dass wir, wenn wir so weit sind, das Gesamtkonzept vorlegen werden.

Zusatzfrage: Vielleicht kann das Finanzministerium noch sagen: Hat es das Gutachten geliefert? Das war ja die Frage.

StS Hebestreit: Zu internen Abläufen - so halten wir es hier eigentlich immer - äußern wir uns ungern oder gar nicht. In dem Fall ist es so, wie es die Kollegin Baron gesagt hat: In dem Moment, in dem wir das Gesamtkonzept, von dem wir jetzt schon zwei- oder dreimal gesprochen haben, vorlegen, wird sich auch diese Frage für Sie beantworten. Da müssen wir ein bisschen um Geduld bitten.

Zusatz: Die Frage der Summe ist noch offen, die aus der Umlage für die Stabilisierung der Importeure bis Ende des Jahres eingeplant war.

Baron: Das kann ich jetzt nicht genau beziffern. Wir hatten ja immer gesagt, es gibt eine Gasumlage, so wie sie im Gesetz und in der Verordnung jetzt beschrieben ist, mit einem Umfang von 34 Milliarden Euro. Natürlich haben wir aber in den letzten Wochen auch Veränderungen bei den Preisen gesehen. Insofern kann ich da jetzt nicht mit einer seriösen Bezifferung dienen.

Zugleich ist klar, dass wir schon Stabilisierungsmaßnahmen ergriffen haben. Ich erinnere an das jüngste Paket für Uniper, bei dem wir noch einmal mit erheblichen Stabilisierungsgeldern reingehen, vor allem auch mit den Maßnahmen zum Eigenkapital, um das Unternehmen Uniper stabil zu halten. Die Zahlen dazu sind ja bekannt und veröffentlicht.

Frage: Ich habe eine Frage zum Thema Wohngeld, die sich wahrscheinlich an das Bundesbauministerium richtet. Es geht um die Kritik, die der Städte- und Gemeindebund geäußert hat. Er sagt, dass durch die zu erwartende Erhöhung der Anzahl der Wohngeldempfänger ein Problem entsteht, nämlich dass aufgrund von bürokratischen Hemmnissen und fehlenden Personals nicht sichergestellt sei, dass die Auszahlung schon zum 1. Januar umgesetzt werden könne. Die Frage ist: Können Sie das trotzdem sicherstellen, oder welche Maßnahmen sind da geplant?

Steffen: Wichtig ist zu sagen, dass das Gesetz zum 1. Januar in Kraft tritt. Wir haben es heute durch das Kabinett gebracht. Wenn der Zeitplan eingehalten wird, dann ist es ab dem 1. Januar 2023 gültiges Gesetz. Ab dann können die Menschen, die noch kein Wohngeld bekommen, einen Antrag auf Wohngeld stellen.

Die Kritik haben wir zur Kenntnis genommen. Vielleicht zum Hintergrund: Wir sind seit Langem mit den Ländern, aber auch mit den kommunalen Spitzenverbänden zum Wohngeld im Gespräch, weil das auch ein großes Anliegen der Länder und der Kommunen ist. Wir haben die Sorgen der Verbände entgegengenommen und einige Änderungen in den Gesetzentwurf eingefügt, die insgesamt die Auszahlung in den Wohngeldbehörden erleichtern sollen. Wir machen das Gesetz. Die Kommunen und die Länder müssen es umsetzen.

Zusatzfrage: In diesem Zusammenhang war auch immer von möglichen Abschlagszahlungen die Rede, bis die endgültigen Bescheide erlassen worden sind. Wäre das eine Möglichkeit?

Steffen: Ja. Das haben wir von Anfang an gewollt. Wir haben das als Sollbestimmung hineingeschrieben. Es wurde jetzt eine Kannbestimmung. Das heißt, die Länder können entscheiden, ob sie das machen wollen.

Frage: Herr Hebestreit, Sie sagten, das Wohngeld wird hälftig von Bund und Ländern bezahlt. Das ist gültige Rechtslage. Die Länder haben jetzt die Idee, dass der Bund das komplett übernehmen soll, um sie von Kosten zu entlasten. Wie steht der Bund dazu?

StS Hebestreit: Der Bund ist schon der Überzeugung, dass auch die Entlastung der Bürgerinnen und Bürger eine Aufgabe ist, die sich Bund und Länder teilen sollten, und dass man an dieser doch sehr guten Regelung der Kostenteilung beim Wohngeld festhalten sollte. Ich kann mir vorstellen, dass das Punkte sind, die auch in der kommenden Woche bei der Zusammenkunft der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der Länder mit dem Bundeskanzler eine Rolle spielen können.

Frage: Herr Hebestreit, warum werden beim Heizkostenzuschuss die Kosten komplett vom Bund getragen, beim Wohngeld nicht?

StS Hebestreit: Der Heizkostenzuschuss ist eine einmalige Leistung, die wir geben, um die besonderen Spitzen, die es im Augenblick gibt, auszugleichen. Das hat der Bund gesagt, weil auch die Kostendimension eine kalkulierbare ist. Das ist der Unterschied zu dem eigentlichen Wohngeld, das eine Dauerlösung ist. Da ist die Kostenteilung sinnvoll.

Zusatzfrage: Frage an Frau Steffen: Erwartet Ihr Ministerium einen Antragsstau in Sachen Wohngeld, wie ihn die Kommunen erwarten?

Steffen: Dazu muss ich wieder sagen: Wir machen die gesetzlichen Bestimmungen. Wie das letztendlich in den Kommunen und Ländern erfolgt, ist deren Sache. Ich kann nicht von hier aus bewerten, inwiefern es da zu Staus kommen wird.

Vielleicht noch zum Hintergrund: Beispielsweise Mecklenburg-Vorpommern war ein Land, das sehr frühzeitig auf Digitalisierung in diesem Bereich gesetzt hat. Grundsätzlich gibt es ein Verfahren, das alle Länder nutzen können, um den Wohngeldantrag digital durchzuführen, was sicherlich zu einigen Beschleunigungseffekten führen kann. Aber nicht alle Länder haben dieses Verfahren bereits umgesetzt.

Frage: Noch einmal zum Thema Gasumlage. Was ist das politische Ziel der Bundesregierung? Soll die Gasumlage am 1. Oktober in Kraft treten? Damit verbunden die Frage: Welche Auswirkungen hat die Entscheidung, ob Gasumlage ja oder nein auf die Senkung der Mehrwertsteuer auf Gas?

StS Hebestreit: Ich glaube, das Ziel haben wir jetzt verschiedentlich genannt. Ich trage es gerne auch noch einmal für die ARD vor:

Durch den Stopp der russischen Gaslieferungen und die Havarie der Nord-Stream-Pipeline ist klar, dass sich die Situation am deutschen Gasmarkt auf absehbare Zeit sehr nachhaltig verändert hat. Die Bundesregierung arbeitet deshalb mit Hochdruck an einer Gesamtlösung, die zum Ziel hat, die Verbraucherinnen und Verbraucher und die Unternehmen vor den hohen Gaspreisen zu schützen, den Gasmarkt zu stabilisieren und die Versorgungssicherheit in Deutschland zu gewährleisten.

Vorsitzender Feldhoff: Frage beantwortet? - Für die Frage der Finanzen ist im Zweifel Herr Leber zuständig.

Zuruf: (akustisch unverständlich)

StS Hebestreit: Wir arbeiten Hand in Hand in der Bundesregierung.

Vorsitzender Feldhoff: Das will ich gar nicht bestreiten.

Zusatzfrage: Dann frage ich trotzdem noch einmal, weil ich es vielleicht doch noch nicht verstanden habe: Wenn die Gasumlage nicht eingeführt wird, soll dann trotzdem die Mehrwertsteuer auf Gas gesenkt werden? Oder will man diese Maßnahme dann zurücknehmen?

StS Hebestreit: Da habe ich keinen neuen Stand für Sie. Das wäre ja spekulativ; da müsste ich also Ihren ersten Teil aufnehmen, nämlich die Spekulation, dass die Gasumlage nicht kommt, und dann die Frage beantworten, was wir, wenn das nicht passiert, im zweiten Schritt als Nächstes tun. Das tun wir hier ja für gewöhnlich nicht, und das wollte ich jetzt auch nicht einführen.

Frage: Herr Hebestreit, noch einmal ganz konkret nachgefragt: Können Verbraucher zum 1. November mit niedrigeren Gaspreisen rechnen oder müssen sie mit höheren rechnen? Höhere Gaspreise gäbe es ja mit der Gasumlage ohne irgendeine Reduzierung; niedrigere Gaspreise gäbe es, wenn das Gesamtpaket greift. Das müsste man doch sagen können?

StS Hebestreit: Ich tue mich im Augenblick sehr schwer, aufgrund der aktuellen auch weltpolitischen Ereignisse darüber zu spekulieren, wie der Gaspreis in den nächsten Wochen sein wird.

Frage: Herr Hebestreit, noch einmal zur Mehrwertsteuer auf Gas nachgefragt: Wenn ich Sie jetzt richtig verstanden habe, sagen Sie nicht, dass die nicht kommt - weder die Gasumlage noch die Mehrwertsteuersenkung -, aber Sie haben durchaus gesagt, dass die beiden Themen zusammengehören. Eine Mehrwertsteuersenkung kommt also dann, wenn die Gasumlage kommt? Sie wollen nicht spekulieren, ob die kommt oder nicht, aber diese beiden Themen sind miteinander verbunden, richtig?

StS Hebestreit: Diese Themen sind in der Frage von Herrn Kollegen oder in der Frage des Kollegen von der ARD miteinander verbunden worden, nicht von mir. Insofern würde ich jetzt auch darum bitten, diese Verbindung jetzt nicht zu einem Junktim zu erheben. Das eine ist die Entscheidung, den Mehrwertsteuersatz auf Erdgas insgesamt von 19 auf 7 Prozent zu verringern, und das andere ist die Frage einer Gasumlage.

Zusatzfrage: Genau. Aber dann können Sie doch die Frage beantworten, ob die Mehrwertsteuersenkung auf Gas kommt oder nicht?

StS Hebestreit: Meine Antwort war: Dazu gibt es keinen neuen Stand.

Frage: In den Koalitionsfraktionen werden ja verschiedene Summen herumgereicht, die notwendig wären, um eine Gaspreisbremse zu finanzieren. Ich weiß, dass Sie dazu jetzt nichts sagen werden, aber vielleicht können Sie einmal die volkswirtschaftlichen Effekte, die durch die erhöhten Energiepreise sowohl für Strom als auch Gas entstehen, grob einordnen. Reden wir da über 100 Milliarden, 200 Milliarden oder 300 Milliarden Euro zusätzliche Belastung, können Sie uns da vielleicht eine Dimension geben?

StS Hebestreit: Nein, das kann ich nicht. Es sind große Summen, über die wir reden, aber dazu, welche Summen das sind, kann ich Ihnen im Augenblick von dieser Warte aus nichts Belastbares mitteilen.

Frage: Ich habe noch einmal eine Frage zu den Kohlekraftwerken: Um wie viel Leistung geht es da eigentlich? Sind die Betreiber mit Blick auf ihr verfügbares Personal eigentlich darauf eingestellt, kann das also kurzfristig so umgesetzt werden?

Baron: Das kann ich gerne beantworten. - Vielleicht vorab noch zur Einordnung und Klarstellung: Es ging heute im Kabinett um zwei Verordnungen. Beide haben das Ziel der Stärkung der Vorsorge für den kommenden Winter, in dem eben die Stromerzeugung aus Kohle gesteigert wird, um gleichzeitig Gas in der Stromerzeugung zu sparen.

Wie gesagt geht es konkret um zwei Verordnungen. Bei der einen geht es um die sogenannte Netzreserve; das betrifft vor allem die Stromerzeugung mit Steinkohle, die jetzt eben bis zum 31. März 2024 verlängert wurde - immer unter der Voraussetzung, dass noch eine angespannte Notsituation vorhanden ist, sprich die Alarmstufe oder die Notfallstufe gilt.

Daneben gibt es die Versorgungsreserve; das betrifft die Braunkohle. Das heißt, die Kraftwerke, die sich jetzt schon in der Sicherheitsbereitschaft Braunkohle befinden, kehren wie geplant und wie im Ersatzkraftwerkebereithaltungsgesetz vorgesehen zum 1. Oktober in den Markt zurück. Bei der Braunkohle geht es um 1,9 Gigawatt, die in den Markt zurückkehren. Die betroffenen Kraftwerke sind die Kraftwerksblöcke, die schon in der alten Sicherheitsbereitschaft waren: Das sind die LEAG-Kraftwerksblöcke Jänschwalde E und F im Lausitzer Revier und die RWE-Kraftwerksblöcke Niederaußem E und F sowie Neurath C im rheinischen Revier, und das eben mit der Menge von 1,9 Gigawatt.

Zusatzfrage: Es geht ja um den Zeitraum bis 2024. Gibt es eine Abschätzung darüber, wie viel Prozent des voraussichtlichen Strombedarfs dadurch zusätzlich gedeckt werden kann? Das ist im Moment sehr schwierig abzuschätzen.

Baron: Ich kann nur diese Menge von 1,9 Gigawatt nennen.

Sie hatten ja auch noch eine zweite Frage zu den Vorbereitungsmaßnahmen: Zu den Vorbereitungsmaßnahmen sind wir seit Juni im Austausch mit den Betreibern, und die Betreiber haben selbst mitgeteilt, dass sie Maßnahmen, die nötig sind, natürlich vorbereiten und treffen werden. Bei der Steinkohle sind ja schon zwei Kraftwerke angezeigt, in den Markt zurückzukehren.

Insgesamt, glaube ich, muss man die Maßnahmen immer im Kontext sehen und muss sehen, dass verschiedene Zahnräder ineinandergreifen müssen. Das ist auf der einen Seite eben die Stromerzeugung durch Kohle, um den Gasverbrauch zu senken. Gleichzeitig kommen Maßnahmen wie die LNG-Terminals dazu, die zum Jahreswechsel in Kraft treten und die dann auch wieder das Mengenverhältnis im Markt ändern werden. Zugleich findet natürlich der Ausbau der erneuerbaren Energien statt, den wir mit der Energiesicherungsgesetz-Novelle 3.0 ebenfalls noch einmal beschleunigen - Stichworte PV und Biomasse -, wodurch wir noch einmal mehr Erzeugungskapazität in den Markt bringen. In diesen verschiedenen Handlungsfeldern ist die Betrachtung dann eben zu treffen.

Frage: Noch einmal zur Mehrwertsteuer: Die BGF der SPD sagte heute Morgen, das Gesetz werde am Freitag in der zweiten und dritten Lesung verabschiedet. Es sei eine Entlastungsmaßnahme für die Bürger und daran werde man nicht mehr rütteln. Heißt „kein neuer Stand“ also, dass diese Mehrwertsteuersenkung unabhängig von der Gasumlage kommt?

StS Hebestreit: Der neue Stand heißt, dass ich keinen neuen Stand habe.

Frage: An das BMWK bezogen auf die gestrigen Kommentare von Minister Habeck: Er sagte ja, er habe zur Kenntnis genommen, dass jetzt offensichtlich alternative Finanzierungsmöglichkeiten bezüglich der Gasumlage bestünden, die vor drei Monaten noch nicht da waren, und das nähme er erfreut zur Kenntnis und dann solle dieser Weg auch gegangen werden. Können Sie das ein bisschen erläutern? Was für alternative Finanzierungsmöglichkeiten hat Herr Habeck da identifiziert?

An das Finanzministerium: Stimmt es, dass man da Möglichkeiten gefunden hat, die es vor drei Monaten noch nicht gab, und sind die dann auch mit der Schuldenbremse vereinbar?

Dr. Leber: Der Bundesfinanzminister hat sich dazu ja schon geäußert; er hat auch einen Arbeitsstab im BMF eingesetzt, der sich mit Instrumenten beschäftigt, die wirksam zu einer Dämpfung der Energiepreise führen. Er hat allerdings auch klar gemacht, dass diese Maßnahmen aus seiner Sicht verbunden werden sollen mit einem klaren Bekenntnis zur Einhaltung der Schuldenbremse in den Haushaltsverhandlungen für 2023. Das steht aus seiner Sicht nicht zur Disposition.

Zusatzfrage: „Alternative Finanzierungsmöglichkeiten“: Worüber reden wir da, und um welche Summen geht es?

Dr. Leber: Über Summen kann ich da nicht sprechen; die sind mir auch nicht bekannt. Wie gesagt, die Diskussionen in der Regierung und die Abstimmungen sind ja im Gange. Es werden verschiedene Instrumente diskutiert, aber auf die kann ich hier jetzt nicht näher eingehen.

Zusatzfrage: Es hieß ja schon beim letzten Entlastungspaket, dass man da wirklich am absoluten Limit gearbeitet habe, damit das noch mit der Schuldenbremse vereinbar ist. Insofern ist mir jetzt unklar, wo jetzt noch alternative Finanzierungsmöglichkeiten herkommen sollen.

Dr. Leber: Dazu kann ich Ihnen aber nichts weiter sagen. Die sind in der Abstimmung.

Zusatzfrage: Wann erwarten Sie ein Ergebnis?

Dr. Leber: Ich denke, dass sich in den kommenden Tagen eine Lösung dazu abzeichnen wird.

Frage: Ich möchte noch einmal zu den Atomkraftwerken zurückkehren: Die Umweltministerin Steffi Lemke hat heute erklärt, dass sie einen Weiterbetrieb der beiden verbliebenen AKWs nach dem Frühjahr 2023 ausschließen kann. Ist das die geeinte Position der Bundesregierung?

StS Hebestreit: Ich glaube, die geeinte Position der Bundesregierung ist es, den Weiterbetrieb der beiden süddeutschen Kernkraftwerke über den 31. Dezember hinaus zu gewährleisten. Es ist ein Zeitraum bis März/April, bis dann dort die Brennstäbe wirklich so ausgelutscht sind, dass sie keine ausreichende Energie mehr liefern können.

Frage (zu den Energiekosten): Ich will es einmal so versuchen: Ein Minister, nämlich der Wirtschaftsminister, sagt, es gebe alternative Finanzierungsquellen. Das zuständige Ministerium sagt, es könne sich nicht äußern. Es gibt also sozusagen eine halbe Öffentlichkeit darüber. Könnten Sie denn vielleicht sagen, ob es diese alternativen Finanzierungsquellen gibt?

Dr. Leber: Ich habe ja gesagt, dass der Bundesfinanzminister einen Arbeitsstab im Ministerium eingerichtet hat, der sich mit der Frage beschäftigt, Instrumente zu finden, die wirklich zielgenau zur Dämpfung von Energiekosten verwendet werden können, dass aber die Diskussion über die Schuldenbremse im Haushalt 2023 davon getrennt zu sehen ist und es für ihn keine Option ist, die Schuldenbremse aufzuheben.

Zusatzfrage: Das heißt aber, es gibt alternative Quellen?

Dr. Leber: Es gibt Diskussionen darüber. Wie gesagt - das war ja auch öffentlich - beschäftigt der Minister das Haus damit und hat dort einen Arbeitsstab eingerichtet, der sich mit verschiedenen Instrumenten beschäftigt und die auch betrachtet.

Frage: Lernfrage: Ignoriert der Finanzminister, dass es Ausnahmesituationen für die Schuldenbremse gibt, zum Beispiel eine Wirtschaftskrise?

Dr. Leber: In dem laufenden Jahr 2022 ist für die Schuldenbremse ja die Ausnahmeregelung gezogen worden, zum Beispiel im Ergänzungshaushalt im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Beginn des Ukrainekriegs. Insofern kann ich die Frage nur so beantworten, dass der Bundesfinanzminister das natürlich im Blick hat und diese Regel ja auch schon angewandt worden ist.

Zusatzfrage: Warum dann nicht 2023? Es ist doch eindeutig, dass das als Krise ansteht.

Dr. Leber: Weil das kein Selbstzweck ist und der Minister immer klar gemacht hat, dass er auf der einen Seite wirksame Instrumente zur Energiekostendämpfung einführen will, auf der anderen Seite aber eine allgemeine Aufhebung der Schuldenbremse, die neuen Ausgabenwünschen Tür und Tor öffnen würde, nicht befürwortet - nicht nur aus dem rechtlichen Zusammenhang heraus, sondern auch aus einem volkswirtschaftlichen, nämlich dass er eine expansive Finanzpolitik eher für inflationstreibend als für inflationssenkend hält.

Frage: Herr Leber, daran anschließend: Es gibt ja Forderungen aus der Opposition, aber auch aus der FDP, dass angesichts dieser Finanzlage Projekte im Koalitionsvertrag auch zur Disposition gestellt werden sollten. Würde sich Ihr Minister dieser Forderung anschließen?

Dr. Leber: Es gibt ja einen vorliegenden Entwurf für 2023, und darin ist eine Priorisierung ja bereits vorgenommen worden. Er hat auch gesagt, dass in den Zeiten, in denen wir uns jetzt befinden, eine Priorisierung von Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag notwendig ist. Aber die bildet sich ja jetzt erst einmal, wie gesagt, im Haushalt 2023 ab. Darin sind ja auch nicht alle Maßnahmen enthalten, die in der Koalitionsvereinbarung stehen. Insofern stehen der Haushaltsentwurf und der Ausfluss der Haushaltsverhandlungen da für sich.

Frage: Mehrere Medien berichten darüber, dass es bereits im Sommer eine Warnung von der CIA bezüglich der Gefahr von Angriffen auf die Pipelines gab. Was sagen Sie dazu?

StS Hebestreit: Zu möglichen - ob die nun stattgefunden haben oder nicht - Warnungen und nachrichtendienstlichen Erkenntnissen äußern wir uns grundsätzlich nicht. Lassen Sie mich aber sagen, dass es nach unseren Erkenntnissen keine Anhaltspunkte für eine natürliche Ursache für den Druckabfall in den Pipelines gibt. Die Lecks haben aktuell auch keine Auswirkungen auf die Gasversorgung in Deutschland; darauf hat Herr Feldhoff ja schon hingewiesen. Nord Stream 1 wird seit wenigen Wochen nicht mehr bedient, und Nord Stream 2 ist nie in Betrieb gegangen. Insofern ist die Versorgungssicherheit in Deutschland dadurch nicht beeinflusst. Sie ist gewährleistet. Wie Sie wissen, kommt die russische Seite ihren Lieferverpflichtungen durch Nord Stream 1 seit Beginn des Monats aber nicht nach.

Aufgrund des Lecks strömen im Augenblick große Mengen Gas aus. Es besteht jedoch keine akute Umweltgefährdung. Wir stimmen uns über diesen Vorfall mit unseren Partnern eng ab, insbesondere mit Dänemark und Schweden, und stehen auch mit der Europäischen Kommission und unseren Nato-Alliierten im engen Austausch.

Frage: Ich möchte gerne nach der Sicherheitslage in der Ostsee fragen, weil etwa 40 000 Tonnen chemischer Munition nach dem Zweiten Weltkrieg in der Ostsee versenkt wurden. Wie schätzen Sie das Risiko jetzt ein? Gibt es also ein Risiko, dass eine Explosionsgefahr besteht? Wie hat Deutschland das berücksichtigt?

StS Hebestreit: Im Zusammenhang mit den Pipelines Nord Stream 1 und Nord Stream 2 sehen wir da keinerlei Zusammenhang.

Frage: Ich brauche das BMU. - Herr Hebestreit, vielleicht können Sie die erste Frage beantworten: Beteiligt sich denn der Bund an der Untersuchung der Lecks der Pipelines, oder machen das ausschließlich die Dänen und Schweden?

StS Hebestreit: Wir befinden uns im engen Austausch mit den dortigen Behörden. Ich glaube, zuständigkeitshalber liegt das größtenteils in der dänischen Wirtschaftszone. Insofern wäre Dänemark zuständig. Ob es dann im Zuge der Amtshilfe auch noch eine Beteiligung der deutschen Seite gibt, müsste ich nachreichen. Dazu liegen mir keine Erkenntnisse vor. Das heißt aber nicht, dass das nicht möglich ist.

Zusatzfrage: Herr Stolzenberg, könnten Sie aufzeigen, wie klimaschädlich diese Lecks jetzt sind?

Stolzenberg: Sie haben recht: Aus diesen Lecks tritt gerade Methan aus. Methan ist ein 25 mal klimaschädlicheres Gas als CO2. Man muss also von einer starken Klimawirkung ausgehen. Die Frage, die Sie stellen, habe ich mir heute Morgen auch gestellt, und ich würde die Antwort gerne nachreichen, wenn das Umweltbundesamt das ausgerechnet hat.

Frage: Herr Hebestreit, glaubt die Bundesregierung, dass sich die Ursache überhaupt feststellen lassen wird und dass sich daraus dann auch Konsequenzen werden ziehen lassen, oder muss man nicht realistischerweise davon ausgehen, dass eine klare Urheberschaft sozusagen nicht feststellbar sein wird?

An das Verteidigungsministerium habe ich die Frage, was aus dem Ereignis jetzt für die Aktivitäten der Bundeswehr beim Schutz kritischer Infrastrukturen konkret folgt, vor allem in der Ostsee.

StS Hebestreit: Herr Kollege, bezüglich Ihrer Frage kann ich nur spekulieren. Warten wir einmal ab, was die Fachleute sagen. Ich habe gelernt, dass dieses Gas jetzt erst einmal aus der Pipeline entweichen muss, bevor man sich die auch Schadstelle näher anschauen kann. Dann müssen wir sehen, welche Ergebnisse das zeitigt. Ich teile allerdings Ihren Eindruck, dass das nicht einfach werden wird.

Helmbold: Ich habe erst noch einmal eine Information zu einer Frage, die eben gestellt worden ist, nämlich dazu, ob wir uns an der Aufklärung von Ereignissen beteiligen. Die Verteidigungsministerin hat sich mit ihrem dänischen Amtskollegen ausgetauscht. Dabei wurde vereinbart, Informationen zu teilen, und damit auch, dass sich die Marine mit ihrer Expertise in die Aufklärung einbringen wird. Sie wissen ja: Wir sind in den Räumen gemeinsam mit unseren internationalen Partnern regelmäßig bei Übungen präsent. Jetzt wird es darauf ankommen, alle Informationen, die man hat, zusammenzubringen, um dann gegebenenfalls dem näherzukommen beziehungsweise aufzuklären, was tatsächlich passiert ist. Genau wie der Regierungssprecher kann ich aber auch sagen: Eine Prognose, was dabei herauskommen wird, ist von unserer Seite im Moment in keiner Weise möglich.

Mit Blick auf die kritische Infrastruktur und die Rolle der Bundeswehr: Wir sind grundsätzlich erst einmal nicht zuständig für den Schutz kritischer Infrastruktur, können aber im Rahmen der Zusammenarbeit und der Ressortzusammenarbeit Beiträge leisten. In diesem Zusammenhang würde ich Sie dann bitten, sich an das zuständige Ressort zu wenden.

Zusatzfrage: Wird die Marine jetzt zusätzliche Aktivitäten entfalten, werden da mehr Schiffe unterwegs sein, werden da U-Boote unterwegs sein? Passiert da irgendetwas Konkretes?

Helmbold: Wir haben generell ja immer eine Lage, die wir gerade im Ostseeraum verfolgen. Wir machen eine Lageaufklärung; das passiert immer vor dem Hintergrund von sicherheitspolitischen Ereignissen - mit Sicherheit natürlich auch in veränderter Form durch die Ereignisse in der Ukraine und den russischen Angriff auf die Ukraine.

Mit Blick auf konkrete Maßnahmen in diesem Zusammenhang kann ich Ihnen nichts mitteilen. Generell muss ich dazu natürlich auch sagen, dass solche Informationen eingestuft sind und üblicherweise nicht öffentlich geteilt werden.

Kall: Mit Blick auf die kritische Infrastruktur kann ich sagen, dass nach der Einschätzung der Sicherheitsbehörden eine abstrakte Gefährdungslage insgesamt für die kritische Infrastruktur und gerade für die Energieinfrastruktur anzunehmen ist - auch nicht erst seit diesem Vorfall jetzt, sondern auch schon zuvor, insgesamt seit Kriegsbeginn. Die kritische Energieinfrastruktur steht eben besonders im Fokus; deswegen sind die Sicherheitsbehörden da sehr, sehr wachsam, was Entwicklungen angeht. Konkrete Gefährdungshinweise auf deutsche Energieinfrastruktur liegen im Moment nicht vor, aber wie gesagt, eine abstrakte Gefährdungslage besteht da.

Auf See muss man dann differenzieren, wer wo zuständig ist. In den Küstengewässern ist das die Küstenwache der jeweiligen Länder. Insofern waren wir natürlich mit Mecklenburg-Vorpommern zu dem aktuellen Vorfall in engem Kontakt - auch wenn das nicht in den dortigen Gewässern geschehen ist, ist Mecklenburg-Vorpommern ja sozusagen das anliegende Bundesland. Die Bundespolizei unterstützt mit ihren Schiffen bei den polizeilichen Aufgaben in den Küstengewässern und in den davor liegenden ausschließlichen Wirtschaftszonen. So ist die Bundespolizei 24 Stunden am Tag und sieben Tage die Woche mit ihren Schiffen auf Nord- und Ostsee mit den primären Aufgaben der Grenzpolizei, des Grenzschutzes, unterwegs. Mit dieser Präsenz trägt sie aber eben auch zur Sicherheit und zur Überwachung auf See bei.

Frage: Ich möchte nur ganz konkret nachfragen: Wurden die Sicherheitsmaßnahmen in Bezug auf kritische Infrastruktur in Deutschland erhöht? Sie sagen ja, dass das, was an der Pipeline passiert ist, keine natürliche Ursache hat.

Kall: Die Sicherheitsmaßnahmen für kritische Infrastruktur werden laufend an die jeweilige Lage angepasst. Insofern wird natürlich auch jetzt aufgrund der aktuellen Vorfälle die Lage laufend neu bewertet und werden entsprechende Maßnahmen getroffen.

Frage: Herr Hebestreit, Sie sprechen von einer Havarie an den Pipelines. Die Regierungen in Schweden und Dänemark sprechen von einem Anschlag. Sehen Sie das als Anschlag oder interpretieren Sie das als Havarie? Was ist die offizielle Sprachregelung?

StS Hebestreit: Ich habe das erst einmal gar nicht bewertet, sondern ich habe darauf verwiesen, dass es Untersuchungen gibt, und nach diesen Untersuchungen können wir Genaueres wissen. Ich habe aber auch deutlich gemacht, dass es nach unseren Expertenerkenntnissen keine natürliche Ursache für diesen Vorfall geben kann. Alles Weitere habe ich nicht bewertet.

Zusatzfrage: Würden Sie das als Anschlag beschreiben?

StS Hebestreit: Ich würde es im Augenblick gar nicht beschreiben.

Frage: Ich möchte auch noch einmal nach den Erkenntnissen fragen, die der Bundesregierung vorliegen. Das Verteidigungsministerium beziehungsweise Frau Lambrecht sprach von einem möglichen Sabotageakt; Sie schließen natürliche Ursachen aus. Ist das jetzt nur ein Ausschlussverfahren, oder welche konkreten Erkenntnisse liegen Ihnen, liegen der Bundesregierung - vielleicht auch dem Innenministerium - vor?

StS Hebestreit: Ich glaube, der Bundesregierung liegen insgesamt Erkenntnisse vor, dass es zu zwei unterschiedlichen Zeitpunkten am Montag - einmal frühmorgens und einmal am frühen Abend - einen massiven Druckabfall in diesen Leitungen gegeben hat. Dann haben wir zur Kenntnis genommen, dass es, ich glaube, in Dänemark Messungen seismischer Aktivität, also möglicher Explosionen gegeben hat. Außerdem sehen wir das austretende Gas. Das sind die Erkenntnisse, die der Bundesregierung vorliegen.

Zusatzfrage: Sie haben aber keine eigenen Erkenntnisse, ob es sich eventuell um einen Anschlag handelt?

StS Hebestreit: Keine, die ich Ihnen hier mitteilen darf.

Frage: Herr Hebestreit, eine Frage dazu, was eigentlich im Moment Vorrang hat. Wenn es die Abstimmung mit Dänemark und Schweden gibt, ist die Aufklärung sicher ein Punkt. Wie vorrangig ist es denn, diese Lecks, die es gibt, wieder zur verschließen? Es gibt zwar keine Umweltgefahr, wenn ich Sie richtig verstanden habe, aber es tritt ja weiter Methangas aus. Ist es derzeit das vorrangige Bemühen, diese Lecks wieder zu verschließen, oder kann man daran sowieso nichts machen?

StS Hebestreit: Es liegen mir keine Erkenntnisse vor, die ich hier belastbar sagen kann, ob es überhaupt solche Möglichkeiten gibt, diese Lecks, wie wir sie jetzt alle beide nennen, zu schließen.

Frage: Ich ahne die Antwort darauf, aber ich probiere es trotzdem. Herr Hebestreit, gab es denn lediglich Warnungen von amerikanischen Geheimdiensten oder auch von anderen, zum Beispiel ukrainischen, polnischen, russischen?

StS Hebestreit: Ich habe mich hier weder über amerikanische Warnungen zu äußern noch über andere.

Zusatzfrage: Gab es andere?

StS Hebestreit: Ich habe mich hier dazu gar nicht zu äußern. Sie wissen doch, dass wir uns zu nachrichtendienstlichen Erkenntnissen grundsätzlich nicht äußern - ob sie nun zutreffen oder nicht. Auch das Nichtäußern ist nicht ein Eingeständnis, dass es sie gegeben hat oder dass es sie nicht gegeben hat.

Frage: Wenn die Pipelines repariert werden, ist es dann politisch möglich, sie noch für Gaslieferungen zu nutzen?

StS Hebestreit: Bislang sind Gaslieferungen nicht ausgeschlossen, auch nicht sanktioniert in dem Regime. Wir haben Nord Stream 2 nie in Betrieb genommen. Insofern wäre es an der Stelle ausgeschlossen, außer man bewertet das neu. Aber dafür habe ich keinerlei Erkenntnisse.

Was Nord Stream 1 angeht, hätte bis zu diesem Vorfall, bis zu dieser Havarie die Möglichkeit bestanden, Gas zu liefern. Es gab gültige Lieferverträge, die allerdings von russischer Seite nicht erfüllt worden sind. Insoweit: Für den hypothetischen Fall, den ich jetzt ausnahmsweise einmal zulasse, dass die Pipeline Nord-Stream 1 repariert werden könnte, stünde zum jetzigen Zeitpunkt einer Gaslieferung nichts im Wege.

Frage: Rechnet die Bundesregierung noch damit, dass Russland in irgendeiner Form seinen vertraglichen Verpflichtungen zur Lieferung von Gas nachkommt? Welche Bedeutung messen Sie der Erklärung von Gazprom bezüglich der Nutzung des ukrainischen Pipelinenetzes bei, die, wie ich glaube, am Dienstag herausgegeben worden ist, wonach dort künftig die bisher anfallenden Transitgebühren nicht mehr gezahlt werden sollen?

StS Hebestreit: Ich glaube, das möchte ich nicht bewerten.

Was Ihre andere Frage angeht, muss man sagen: Sie weisen ja zu Recht auf die Pipeline hin, die noch ein bisschen Gas nach Deutschland über die Ukraine liefert. Solange das der Fall ist, ist das gut. Wenn das nicht der Fall ist, nehmen wir das zur Kenntnis.

Frage: Nun hat die russische Regierung durch ihren Sprecher angekündigt, den Havarievorfall zu untersuchen. Erwarten Sie sich von dieser Untersuchung irgendetwas, oder hat es vielleicht sogar schon eine Information von russischer Seite über irgendwelche Erkenntnisse gegeben?

StS Hebestreit: Es liegen mir keine Erkenntnisse vor, dass es einen solchen Kontakt gegeben hat.

Was die Untersuchung angeht, müssten wir auch abwarten. Ich will nicht spekulieren, ob das dann sinnvoll ist oder nicht.

Frage: In Dänemark sagt die Ministerpräsidentin, dass man das nicht als einen Anschlag gegenüber Dänemark gesehen hat. Wie sieht Deutschland das?

StS Hebestreit: Ich glaube, ich habe mich dazu zu Anfang schon geäußert. Ich habe gesagt: Wir bewerten das im Augenblick nicht, sondern wir warten die Untersuchung ab.

Frage: Ich sehe gerade eine Nachricht bei uns im Dienst; das müssten die schwedischen Kollegen besser wissen. Offenbar sagen die Schweden jetzt, dass die Pipeline eigentlich so beschädigt ist, dass sie nicht mehr genutzt werden kann. Haben Sie ähnliche Informationen? Sie sagten ja eben, wenn man sie reparieren könnte, würde auch einer weiteren Gaslieferung nichts entgegenstehen. Das klang so, als ob Sie noch davon ausgehen, dass man das vielleicht reparieren kann. Verstehe ich das richtig?

StS Hebestreit: Herr Kollege, das ist ein gutes Beispiel dafür, warum man sich nicht auf hypothetische Fragen einlassen sollte, weil dann nämlich solche Schlüsse zu ziehen sind, die wir gar nicht wollen. Ich habe keinerlei Informationen oder eigene Erkenntnisse vorliegen, wie der Zustand dieser Pipeline im Augenblick ist. Sie haben aus Ihrem aktuellen Dienst eine Meldung in Bezug auf Schweden erwähnt. Den habe ich in den letzten 55 Minuten nicht verfolgt oder verfolgen können. Deshalb sage ich ja: Lassen Sie uns die Untersuchung abwarten. Ich habe die hypothetische Frage, ob eigentlich aus politischen Gründen aufgrund der aktuellen Entwicklungen eine Nutzung von Pipelinegas durch die Ostsee von Russland nach Deutschland für Deutschland noch möglich wäre, beantwortet. Das wird mir nie wieder passieren.

Frage: Schnelle Frage an Frau Baron: Wer ist denn für die Reparatur der Pipelines zuständig?

Baron: Die Pipelines sind rechtlich weiterhin das Eigentum der Nord Stream 2 AG. Die Nord Stream 2 AG ist eine Gesellschaft mit Sitz in der Schweiz, die sich in einem Insolvenzverfahren befindet und wo ein Insolvenzverwalter agiert. Insofern liegt die Verantwortung bei der Nord Stream 2 AG, die sich dann mit dem Insolvenzverwalter abstimmen muss.

Frage: Zum Klimaschutzbericht 2022 beziehungsweise dem Klimasofortprogramm, das Sie erwähnten: Eigentlich war der Bericht vom Wirtschaftsminister spätestens für Mittwoch angekündigt. Der Termin ist jetzt offenkundig gerissen worden. Habe ich es richtig verstanden, dass der neue Termin Ende des Jahres ist? Kann man dann noch von einem Sofortprogramm sprechen? Das ist ja über ein Jahr nach der Wahl.

Baron: Heute war der Klimaschutzbericht 2022 im Kabinett. Dieser blickt sozusagen in der Perspektive zurück. Wir sehen es weiter als absolut notwendig an, dass es ein Klimaschutzsofortprogramm gibt, das alle Handlungsfelder in den Blick nimmt. Der Klimaschutzbericht 2022 sagt ja eben auch: Es ist einiges erreicht. Es ist einiges an Tempo erzeugt worden, vor allem durch die Beschleunigungsmaßnahmen zum Ausbau der erneuerbaren Energien, die vor der Sommerpause verabschiedet wurden. Zugleich bedarf es natürlich mehr Tempo bei den Klimaschutzmaßnahmen mit Blick auf das Ziel 2030. Deshalb befinden wir uns innerhalb der Bundesregierung in Abstimmung und müssen das Klimaschutzsofortprogramm mit Hochdruck vorantreiben.

Zusatzfrage: Habe ich es richtig verstanden, dass Termin Ende des Jahres ist?

Baron: Wir sind in den Abstimmungen und wollen diese Abstimmungen so schnell wie möglich vorantreiben. Daraus ergibt sich dann auch der Zeitplan.

Frage: Es geht um die Türkei und die Bemerkungen des FDP-Politikers Kubicki über Herrn Erdoğan. Die türkische Regierung hat den deutschen Botschafter einbestellt. Ich hätte ganz gerne vom Auswärtigen Amt gewusst, wie Sie eigentlich diesen Vorfall bewerten.

Wagner: Vielen Dank für die Frage, Herr Kollege. Ich spreche hier für das Auswärtige Amt und werde die Äußerungen eines Abgeordneten nicht kommentieren.

Ich kann gerne noch einmal ganz grundsätzlich unsere Haltung darlegen, wenn es um zwischenstaatliche Beziehungen geht. Wir sind natürlich der Auffassung, dass unser Umgang mit Repräsentanten anderer Staaten respektvoll sein muss. Das erwarten wir ja auch von anderen. Insofern haben beleidigende Äußerungen im internationalen Umgang und in unserer Kommunikation keinen Platz.

Zusatzfrage: Herr Hebestreit, weil es ein Politiker der Ampelkoalition ist: Wären Sie eigentlich dafür, dass das irgendwelche Konsequenzen nach sich zieht, weil das möglicherweise ja auch das Image der Ampelkoalition beschädigt?

StS Hebestreit: Herr Kollege, ich halte es da eng wie das Auswärtige Amt, dass wir uns zu Äußerungen aus dem parlamentarischen Raum und deren Bewertung grundsätzlich nicht äußern.

Zusatzfrage: Sie haben also keine Sorge, dass das Image der Ampelkoalition dadurch belastet wird?

StS Hebestreit: Ich äußere mich gar nicht zu Äußerungen aus dem parlamentarischen Raum. Das machen wir von dieser Regierungsbank alle nicht.

 Frage: Eine Frage an das Auswärtige Amt. Es gibt einen Aufruf der US-amerikanischen Regierung, dass amerikanische Staatsbürger Russland umgehend verlassen sollen. Wird die Bundesregierung folgen und deutsche Staatsbürger auch aufrufen, Russland zu verlassen? Wenn ja, wann könnte das passieren? Wenn nein, warum nicht?

Wagner: Der Aufruf ist mir nicht bekannt. Aber Sie wissen ja, dass unsere Reise- und Sicherheitshinweise immer aktuell sind. Diese finden Sie auf unserer Homepage. Insofern habe ich hier in der Hinsicht jetzt nichts Weiteres zu verkünden.