Regierungspressekonferenz vom 18. Juli 2022

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im Wortlaut Regierungspressekonferenz vom 18. Juli 2022

Themen: COVID-19-Pandemie, Forderungen nach einem nationalen Hitzeschutzplan, Energieversorgungssicherheit, Diskussion über ein befristetes Tempolimit auf Autobahnen, Forderung nach einem 365-Euro Ticket für den ÖPNV, geplante Änderung des § 46 StGB, russischer Angriff auf die Ukraine, Zensus 2022

  • Mitschrift Pressekonferenz
  • Montag, 18. Juli 2022

Sprecher: SRS’in Hoffmann, Schmidt (BMG), Stolzenberg (BMUV), Baron (BMWK), Zimmermann (BMJ), Kall (BMI), Burger (AA)

Vorsitzende Welty eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt SRS’in Hoffmann sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

Frage: Ich möchte nach den verfallenen MODERNA-Impfdosen fragen: Das war ja absehbar. Warum wurde nicht vorher Sorge dafür getragen, dass sie dann vielleicht auch noch kurzfristig anderswohin gebracht wurden, wo sie vielleicht gebraucht werden könnten? Es wäre ja vielleicht auch eine Solidaritätslieferung ins Ausland möglich.

Schmidt: Richtig ist, dass bis Ende Juni 2022 ca. 4 Millionen Impfstoffdosen, die im zentralen Lager des Bundes liegen, das Verfallsdatum erreicht haben und nun fachgerecht entsorgt werden. Grundsätzlich gilt hier, dass es eine logische Konsequenz aus dem Portfolioansatz ist, dass der Impfstoff verworfen wird. Es wurde zu Beginn entschieden, dass wir hier eine Portfoliostrategie fahren, um den Impfwilligen unterschiedliche Impfstoffe anbieten zu können.

Wie viele Impfstoffe in den nächsten Monaten verfallen, ist aufgrund der derzeit laufenden Impfkampagne nicht absehbar, aber man kann sagen, dass noch weitere Impfstoffdosen verfallen werden. Nichtsdestotrotz setzt sich das BMG hier auch in Zusammenarbeit mit der EMA, dem PEI, der EU-Kommission und den Herstellern kontinuierlich damit auseinander, die Haltbarkeit der bereits ausgelieferten Impfstoffe zu verlängern.

Zu Ihrer Frage zu Impfstoffspenden: Die Bundesregierung prüft stets, ob wir spenden können. Wir haben jetzt zum Stand 1. Juli mehr als 118 Millionen Impfstoffdosen an rund 45 Empfängerländer gespendet, die weitestgehend über COVAX ausgeliefert wurden. Weitere 5 Millionen befinden sich in Auslieferung. Das Problem bei der Sache ist aber, dass das globale Impfstoffangebot derzeit bei Weitem die Nachfrage übersteigt und COVAX und auch andere Beschaffungspools überhaupt keinen Bedarf an weiterem Impfstoff haben.

Zusatzfrage: Ich verstehe das dann so, dass Sie sozusagen gar keine Chance gehabt hätten, die jetzt verfallenen Dosen anderswohin zu liefern. Was bedeutet das aber für weitere Beschaffungen? Portfolioansatz muss ja auch heißen, dass man eine Einschätzung hat, welche Impfstoffe tatsächlich nachgefragt werden. Wenn vier Millionen Dosen verfallen sind und Sie sagen, dass noch weitere Dosen verfallen werden, dann ist das doch ein Zeichen dafür, dass dieser Impfstoff im Portfolio zu stark vorhanden ist. Was bedeutet das oder welche Auswirkungen hat das auf weitere Beschaffungen?

Schmidt: Zu dieser Frage hat sich der Minister am Wochenende via Twitter geäußert und dem habe ich auch nichts hinzuzufügen. Was den Herbst betrifft, werden wir angepassten Impfstoff beschaffen. Die Beschaffungen laufen über EU-Verträge. Das steht für sich.

Frage: Auch an das Gesundheitsministerium und vielleicht auch an das Innenministerium: Aus aktuellem Anlass gibt es Forderungen vom Ärzteverband Marburger Bund nach einem nationalen Hitzeschutzplan. Soweit mir bekannt ist, sind solche Hitzeschutzpläne weitgehend Ländersache. Wird trotzdem an so etwas gearbeitet? Ist es realistisch, dass es eine Art nationalen Plan geben wird?

Schmidt: Ich kann gerne anfangen; ansonsten würde ich dann auch an meinen Kollegen Stolzenberg vom BMUV verweisen.

Hitzeschutz ist grundsätzlich eine übergreifende Aufgabe für Bund, Länder und Kommunen sowie auch für Träger von Einrichtungen, Selbstverwaltungen und auch die Fachgesellschaften. Man kann hier also von einer Art Querschnittsaufgabe sprechen. Für das BMG kann ich sagen, dass wir hier in engem Dialog mit sämtlichen relevanten Akteuren im Gesundheitswesen stehen, auch mit internationalen Organisationen. Das BMG fördert derzeit auch Vorhaben insbesondere von Kommunen, weil Kommunen einfach am besten wissen, wie es um die Krankenhäuser, Pflegeheime oder auch Ärzte steht. Wir haben zum Beispiel einen Hitzeaktionsplan mit der Stadt Köln, der besonders für vulnerable Gruppen ausgerichtet ist.

Abschließend kann ich sagen, dass der Minister sich auch hierzu geäußert hat. Er appelliert, zu kühlen und viel Flüssigkeit zu sich zu sich zu nehmen. Ansonsten haben wir zusammen mit der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, der BZgA, ein Internetportal für die Bevölkerung eingerichtet: klima-mensch-gesundheit.de. Das wurde 2021 ins Leben gerufen und jetzt um den Schwerpunkt UV-Strahlung und UV-Schutz erweitert. Es bietet Informationen und Verhaltenstipps für die Allgemeinbevölkerung, Menschen ab 65, Eltern mit Kids usw.

Für den Rest darf ich an das BMUV übergeben.

Stolzenberg: Hitzeaktionspläne sind ja Maßnahmen der Klimaanpassung, insofern liegen sie auch in der Zuständigkeit des BMUV. Die Forderung vom Marburger Bund haben wir gehört. Das ist tatsächlich auch etwas, womit wir uns beschäftigen.

Bislang ist es so - das hat die Kollegin ja richtig gesagt -, dass das Thema Hitzeschutz beziehungsweise Hitzevorsorge vor allem eine Aufgabe der Kommunen ist; so sieht das die Verfassung auch vor. Denn einerseits wirken sich Hitzewellen lokal sehr unterschiedlich aus. Abgesehen davon muss man auch die Risikogruppen in den Blick nehmen, und darüber wissen Kommunen einfach am besten Bescheid; insofern gibt es auch eine Sachbegründung dafür.

Nichtsdestotrotz haben wir mit den andauernden Hitzewellen in den letzten Jahren einige Erfahrungen gemacht. Wir haben heute auch eine Studie dazu vorgestellt, die die durch die Hitzewellen von 2018 und 2019 verursachten Schäden sehr genau aufzeigt. Das zeigt: Man muss wahrscheinlich die Situation überdenken. Deshalb haben wir ein Forschungsvorhaben angestoßen, das sich einerseits die Zuständigkeitsproblematik anschaut, sich zum anderen aber auch genau anschaut: Welcher Bedarf besteht für einen zusätzlichen nationalen Hitzeaktionsplan, der über das hinausgeht, was die Kommunen vorsehen, beziehungsweise das irgendwie sinnvoll ergänzt? Wie gesagt, da hören wir in erster Linie auf die Wissenschaft.

Trotzdem sind wir nicht untätig. Ich sprach gerade Risikogruppen an: Wir haben ein eigenes Förderprogramm zur Klimaanpassung in sozialen Einrichtungen. Schon jetzt, nach etwas mehr als einem Jahr, kann man sagen: Die allermeisten Anträge von Pflegeheimen, Altenheimen, Krankenhäusern, Grundschulen und Kindertagesstätten gehen in Richtung Hitzeschutz. Das ist also offensichtlich ein relevantes Problem für vulnerable Gruppen. Es geht dabei dann um investive Maßnahmen, beispielsweise Fassadenbegrünung, Dachbegrünung, Trinkbrunnen oder die Neuanlage von Grünanlagen, aber eben auch konzeptionelle Maßnahmen; denn man muss eben nicht nur die zu betreuenden Personen in den Blick nehmen, sondern eben auch die Beschäftigten, und muss versuchen, da eine umfassende Lösung zu finden.

Das Zentrum KlimaAnpassung ist für Kommunen da der Ansprechpartner, der mit Fachberatung seit über einem Jahr zur Verfügung steht, und wir stellen auch da fest: Es gibt einen sehr großen Bedarf der Kommunen, hier mehr zu wissen. Sie können auch sehr viel tun. Insofern ist es eigentlich sehr ermutigend, nach über einem Jahr Bilanz ziehen und sagen zu können: Da arbeiten wir schon gut zusammen. Hoffentlich mündet das auch in einen wirksamen nationalen Hitzeaktionsplan - wir werden es sehen.

Zusatzfrage: Wenn ich Ihre beiden Einlassungen zusammenfasse, dann würde ich sagen: Es gibt viele Einzelmaßnahmen - Sie haben die Problematik der Zuständigkeiten angesprochen -, es ist aber kein kurzfristiges nationales Handeln mit Blick auf die jetzt anstehende Hitzewelle geplant. Ist das richtig?

Stolzenberg: In erster Linie geht es ja darum, dass wir erst einmal Informationen darüber verbreiten, was jeder persönlich für seine Lebenswirklichkeit tun kann, um sich vor der Hitze zu schützen. Da gibt es zahlreiche Angebote vom Bundesgesundheitsministerium und vom Bundesumweltministerium, aber vor allem auch vom Umweltbundesamt und von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Ich glaube, da muss man als allererstes ansetzen: dass jedem das bewusst ist und dass auch jeder aktiv werden kann.

Darüber hinaus ist das erst einmal eine Aufgabe der Kommunen, die ja auch reagieren. Das Stichwort Cooling Center ist etwas, was in den letzten Wochen immer öfter bei uns angefragt worden ist, und das ist auch etwas, womit sich viele Kommunen beschäftigen. Es geht dabei darum, Orte zu schaffen, an denen man sich aufhalten kann, wo es kühler ist und wo man sich vor der Hitze schützen kann. Da können wir im Augenblick aufgrund der Zuständigkeiten aber nur mit Fachexpertise beiseite stehen oder eben unsere Handlungsempfehlungen, die auch schon seit vielen Jahren in den Kommunen umgesetzt werden, immer wieder hervorholen und den Kommunen ans Herz legen.

Frage: An das BMG und vielleicht auch an Frau Hoffmann: Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil hat vom Bund gefordert, bis Mitte September einen coronabedingten Rechtsrahmen für die Bundesländer zu schaffen. Er sagt, anders würden wir die Welle, die auch nach Aussagen des Gesundheitsministers wohl kommen wird, nicht bewältigen können. Er wirft dem Bund vor, er habe die Länder - so seine Wortwahl - entwaffnet. Wie reagieren Sie auf diese Kritik und auf diese Forderung? Arbeiten Sie an einem solchen Rechtsrahmen, der dann im September vorliegen könnte?

Schmidt: Hier geht es ja um das Infektionsschutzgesetz, das am 23. September ausläuft. Ich kann Ihnen sagen, dass die Verhandlungen zwischen dem BMG und dem Justizministerium laufen. Der Minister hat für das BMG betont, dass hier Stillschweigen vereinbart worden ist; zu den einzelnen Maßnahmen kann ich daher zum jetzigen Zeitpunkt nichts sagen. Der Minister hat am Wochenende aber noch einmal betont, dass die Länder eine solide Rechtsgrundlage brauchen, um auf die unberechenbaren Dynamiken, die im Herbst auf uns zukommen, reagieren zu können. Das Ziel ist, rechtzeitig und vor dem Auslaufen des Infektionsschutzgesetzes hier Ergebnisse veröffentlichen zu können, die auch mit den Ländern abgestimmt worden sind.

SRS’in Hoffmann: Ich kann das nur unterstreichen: Genau so ist es, und wir sind zuversichtlich, dass das auch so kommen wird. Wir haben ja auch sehr frühzeitig damit angefangen, uns darauf vorzubereiten, hatten zwei Gutachten in Sachen Corona eingeholt, und nachdem deren Ergebnisse vorliegen, sind wir sehr zügig dabei, das voranzutreiben, um dann auf den Herbst vorbereitet zu sein.

Zusatzfrage: Das bedeutet aber im Kern: Als Zustandsbeschreibung für den Moment akzeptieren Sie die Kritik, die von Stephan Weil geäußert worden ist? Sie machen dann ja Ihre Maßnahmen.

SRS’in Hoffmann: Ich verstehe das gar nicht als Kritik, sondern ich verstehe das als eine Aufforderung, dass es nötig ist, zum Herbst vorbereitet zu sein. Genau das will die Bundesregierung in enger Abstimmung mit den Ländern und genau das passiert.

Frage (zur Energieversorgungssicherheit): Meine Frage geht wahrscheinlich an das Wirtschaftsministerium: Können Sie uns sagen, wo sich die von allen gesuchte Turbine aktuell befindet und wann damit gerechnet wird, dass sie an Russland geliefert wird?

Baron: Die Meldungen, die heute dazu kursierten, kann ich nicht kommentieren. Ich muss um Verständnis bitten, dass hier Sicherheitsfragen berührt sind und wir deswegen keine Auskunft geben können, wann sich die Turbine wo befindet. Ich kann aber noch einmal deutlich machen, dass auch Siemens bereits in der letzten Woche mitgeteilt hat, dass alles dafür getan wird, dass Transport und Einsatz schnellstmöglich erfolgen. Die Frage der EU-Sanktionen und die sonstigen sanktionsrechtlichen Fragen sind ja alle geklärt. Kanada hat die Ausnahmegenehmigung erklärt, und EU-seitig bedarf es keiner Genehmigung, weil die Transporte EU-seitig nicht von den Sanktionen erfasst sind.

Ich muss aber noch einmal um Verständnis bitten: Es sind Sicherheitsfragen berührt, und ich kann deswegen nicht sagen, wann sich die Turbine wo befindet.

Zusatzfrage: Auch wenn es sich womöglich generell um einen Vorwand handelt - das wird ja vermutet -: Können Sie sagen, ob Sie damit rechnen, dass die Wartungsarbeiten so wie ursprünglich geplant abgeschlossen werden können?

Baron: Die Frage zu den Wartungsarbeiten müssten Sie sozusagen an Nord Stream beziehungsweise an Gazprom Export richten. Die Wartungsarbeiten führen ja nicht wir durch, sondern die führt dieser Konzern durch. Die hatten ja zu Beginn der Wartungsarbeiten auch eine Information dazu herausgegeben, dass sie mit zehn Tagen Wartung rechnen. Aber wie gesagt, diese Frage müssen Sie an die andere Seite richten. Wir beobachten die Lage sehr genau und wir bereiten uns auf alle denkbaren Szenarien vor.

Frage: Weil Sie sagten „zehn Tage Wartung“: Dieser Zehntageszeitraum läuft am Donnerstag ab. Gehen Sie in irgendeiner Weise davon aus beziehungsweise sehen Sie irgendeine Chance, dass eine Turbine, deren Standort im Moment nicht öffentlich genannt werden kann - das spricht ja nicht dafür, dass sie jetzt in Einsatzortnähe ist -, bis Donnerstag eingebaut und betriebsfertig gemacht werden kann?

Baron: An dieser Stelle möchte ich noch einmal betonen, dass nach allem, was wir wissen und was uns auch technische Experten gesagt haben, diese Turbine bislang als Vorwand genutzt wurde. Es handelt sich um eine Ersatzturbine. Dennoch tun wir alles, um diesen Vorwand zu nehmen. Technische Gründe sehen wir aber nicht. Nach unseren Informationen ist diese Turbine eine Ersatzturbine, die für den Einsatz im September bestimmt war. Aber noch einmal: Wir tun auch alles, um der russischen Seite etwaige Vorwände zu nehmen.

Frage: Noch einen Tick allgemeiner gefragt: Nun ist ja auch nicht völlig auszuschließen, dass die russische Seite sagt: Nord Stream 1 befüllen wir nicht weiter, aber es gibt ja auch die Pipeline Nord Stream 2. Schließen Sie klipp und klar aus, dass diese Pipeline in Betrieb genommen wird?

Baron: Die Nord-Stream-2-Pipeline ist eine Pipeline, die nicht zertifiziert ist und nicht rechtlich zugelassen ist. Damit stellt sich diese Frage nicht.

Frage: Ich habe eine Frage, die im Grunde die Folgen davon betrifft, nämlich ob ein Tempolimit in befristeter Art vielleicht ein adäquates Mittel wäre. Frau Hoffmann, wie steht der Kanzler dazu? Wäre ein befristetes Tempolimit eine Option, um Energieproblemen im Herbst und Winter vorzubeugen?

SRS’in Hoffmann: Sie wissen ja, dass der Koalitionsvertrag kein Tempolimit vorsieht. Wir hören jetzt im öffentlichen Raum eine ganze Menge von Vorschlägen darüber, was für den Herbst und Winter helfen könnte. Wir nehmen das zur Kenntnis, aber kommentieren das hier jetzt nicht weiter.

Zusatzfrage: Es gibt ja auch andere Punkte, die beschlossen wurden und die so nicht im Koalitionsvertrag standen. Ich möchte deshalb doch noch einmal nachfragen: Ist das ein Punkt, über den man nachdenken könnte oder sollte?

SRS’in Hoffmann: Im Moment kann ich dazu nicht mehr sagen als das, was ich gesagt habe. Wir nehmen zur Kenntnis, dass da im Moment eine ganze Reihe von Vorschlägen unterbreitet werden, wie die Energieversorgung erleichtert, verbessert oder - dazu nehmen wir auch viele Vorschläge wahr - entlastet werden könnte. Wir äußern uns dazu hier im Moment aber nicht.

Frage: Auch noch einmal zur Gasversorgung: Die „Bild“ schreibt, es stehe jetzt schon fest, dass es im Winter regionale Engpässe geben könnte. Stimmt das? Wo genau würde das eintreffen und was wollen Sie dagegen tun?

Baron: Wir tun ja alles, damit die Versorgungssicherheit gewährleistet bleibt, und da hilft es jetzt auch nicht, über alle möglichen Szenarien zu spekulieren. Wir müssen vielmehr anhand der aktuellen Lage entscheiden, und wir gehen ja auch konkrete Schritte, damit der Gasverbrauch reduziert wird. Ich möchte noch einmal daran erinnern: Es gibt 15 Milliarden Euro, die die Bundesregierung für die Speicherbefüllung zur Verfügung stellt. Das hat dazu geführt, dass die Gasspeicher weiter befüllt wurden. Natürlich ist das noch nicht ausreichend, aber sie wurden in den letzten Monaten weiter befüllt.

Wir sind heute bei einem Speicherstand von 64,6 Prozent. Das sind im Vergleich zum Vortag 0,2 Prozentpunkte mehr. Es geht langsam damit voran, dass das jetzt steigt. Aber diese 15 Milliarden Euro, die die Bundesregierung für die Speicherbefüllung zur Verfügung stellt, haben schon eine Wirkung gezeigt, und das Geld wird natürlich weiter zur Speicherbefüllung genutzt.

Zweitens gibt es natürlich konkrete Maßnahmen, um den Gasverbrauch in der Stromerzeugung zu reduzieren. Dafür sind die gesetzlichen Voraussetzungen geschaffen worden, um mehr Strom aus Kohle ins Netz zu bringen und dafür Strom aus Gas herauszunehmen. Die entsprechende Verordnung zur Netzreserve ist am vergangenen Donnerstag, am 14. Juli, in Kraft getreten. Seitdem ist es jetzt also möglich, dass Steinkohlekraftwerke in der Netzreserve auch wieder am Markt tätig werden können.

Drittens arbeitet die Bundesnetzagentur ja an einem Gasauktionsmodell, um auch in der Industrie Anreize dafür zu setzen, Gas einzusparen. Auch das wird über den Marktgebietsverantwortlichen Trading Hub Europe abgewickelt, der auch erste Bausteine eines solchen Modells bereits mit der Branche besprochen hat.

Das ist insofern die Schrittfolge, die wir gehen müssen, die konkrete Schritte, die wir jetzt eben konsequent und Schritt für Schritt tun, um den Gasverbrauch zu reduzieren und die Speicher weiter voll zu bekommen, aber eben auch nicht über alle möglichen Szenarien zu spekulieren.

Frage: Ich möchte den Faden gerne aufnehmen und hoffe, dass das jetzt nicht in so einem Zuständigkeitspingpong zwischen dem BMWK, Ihrem Ministerium, und Frau Hoffmann endet. Es geht ja nicht darum, dass man über Szenarien spekuliert. Es geht aber, wie wir es ja auch bei der Coronapandemie gesehen haben, bei der es ja auch Szenarien einer guten, einer schlechten beziehungsweise einem mittleren Entwicklung gab, darum, ob Sie den Verantwortlichen, die dann für solche Mangellagen in manchen Regionen planen müssten, solche Szenarien schon zur Verfügung gestellt haben und welche Regionen im schlechtesten Falle dann betroffen wären. Es ist ja auch für die Bürger wichtig zu wissen, ob es da Vorkehrungen gibt. Das hat ja nichts mit Panikmache zu tun, sondern vielleicht ist man ja auch beruhigt, wenn man weiß, dass sich auch der Bund in dieser Frage kümmert.

Baron: Genau, und genau deswegen gibt es dafür ja auch Strukturen, die seit Wochen arbeiten. Es gibt ja also den Notfallplan Gas, der bereits in der ersten Stufe vorsieht, dass das Krisenteam Gas eingerichtet wird und arbeitet. Das arbeitet seit Wochen. Im Krisenteam Gas sind die Bundesnetzagentur, die Fernleitungsnetzbetriebe und die zuständigen Vertreter der Länder, und dieses Krisenteam Gas tagt täglich. Es gibt also täglich einen Lagebericht und eine Absprache, in die die Bundesländer eingebunden sind. Die Ergebnisse der Sitzung des Krisenteams Gas, was die aktuelle Lageeinschätzung angeht, finden sich im täglichen Lagebericht der Bundesnetzagentur gebündelt zusammengefasst. Natürlich werden darin auch Diskussionen über Szenarien geführt, die man in den Blick nehmen muss. Aber ich möchte noch einmal betonen: Seit Ausrufung der ersten Stufe des Notfallplans Gas arbeitet das Krisenteam Gas, und das trifft sich täglich.

Frage: Ich habe noch eine Frage an das Umweltministerium und das BMWK. Dabei geht es um mögliche längere Laufzeiten für Atomkraftwerke. Unter welchen Umständen wären Sie denn bereit, einer solchen Maßnahme zuzustimmen?

Stolzenberg: Ich kann dazu nur sagen, dass sich mit Blick auf eine Laufzeitverlängerung der zurzeit noch in Betrieb befindlichen AKWs derzeit keine neue Situation ergibt und damit auch kein Anlass für eine neue Bewertung. Insofern gilt nach wie vor der Prüfvermerk von BMWK und BMUV, wie wir ihn im März festgelegt haben.

Baron: Ich kann gerne noch einmal etwas ergänzen. - Ja, genau so ist es. Wir haben uns ja diese Frage angeschaut, ob es sinnvoll ist, die drei noch am Netz befindlichen Atomkraftwerke über den 31. Dezember 2022 hinaus laufen zu lassen. Nach wie vor gilt, dass man ja schauen muss, wo das Problem ist und was man tun muss, um das Problem zu lösen. Atomkraftwerke können das Gasversorgungsproblem nicht lösen, weil sie eben keine Wärme produzieren und Strom auch nicht bei Stromspitzen zur Verfügung stellen können.

Natürlich müssen wir das Bild aber auch noch einmal breiter ziehen und uns das breiter anschauen, was die Stromversorgung insgesamt anbetrifft. Genau deswegen haben wir gestern ja auch bekannt gegeben, dass wir noch einmal einen zweiten Stresstest Strom, also für die Stromversorgungssicherheit, berechnen lassen.

Einen ersten Stresstest haben die Übertragungsnetzbetreiber im Zeitraum von März bis Mai 2022 berechnet. Die Ergebnisse haben wir auch veröffentlicht. Dabei wurde schon noch einmal unter verschärften Annahmen gerechnet. Der Zeitraum März 2022 bis Mai 2022 liegt ja bereits nach dem russischen Angriffskrieg. Also wurde eben schon einmal mit einer verschärften Gasmangellage und mit erhöhten Preisen am Gasmarkt gerechnet. Es wurde in diesem Szenario mit 200 Euro pro Megawattstunde gerechnet. In diesem Szenario kam man zu dem Ergebnis, dass die Stromversorgungssicherheit im Winter 2022/2023 dennoch gewährleistet ist.

Aber unser Job ist es ja, die Vorsorge abzusichern und alles abzuklopfen. Deswegen haben wir die Übertragungsnetzbetreiber gebeten, noch einmal einen zweiten Stresstest mit noch einmal verschärften Annahmen zu berechnen, um jeden Punkt abzuklopfen, und diese Analyse wird jetzt eben durchgeführt.

Zusatzfrage: Könnte das am Ende auch zu dem Ergebnis führen, dass man sich die drei verbliebenen Atomkraftwerke noch einmal anschaut?

Baron: Was wir von Beginn an gesagt haben, ist, dass wir auf Basis von Fakten und Analysen entscheiden, nicht auf Zuruf. Es gibt jetzt diese zweite Stresstestberechnung, die erstellt wird, um noch einmal andere Szenarien abzuklopfen. Ich möchte nur noch einmal sagen: Die erste Rechnung von März 2022 bis Mai 2022 hat schon sehr verschärfte Annahmen unterstellt. Aber dennoch rechnen wir jetzt noch einmal und entscheiden dann auf Basis von klaren Fakten.
Frage: In der Union gibt es ja den Vorstoß, dass man über das Tempolimit reden könnte, dafür aber eben auch die Atomkraftwerke länger am Netz lässt. Gibt es darüber innerhalb der Regierung bereits irgendwelche internen Diskussionen?

SRS’in Hoffmann: Über interne Diskussionen möchte ich hier jetzt eigentlich nichts sagen. Ich kann nur noch einmal betonen, was Frau Baron eben auch gesagt hat, nämlich dass die Frage der Atomkraftwerke für die Bundesregierung von Anfang an keine ideologische, sondern eine rein fachliche Frage gewesen ist, die Expertenprüfungen unterlegen hat und ihnen jetzt noch einmal unter verschärften Umständen unterliegen wird. Dabei wird es um mögliche Szenarien der Stromversorgung gehen. Das ist die Grundlage von Entscheidungen, nicht irgendwelche ideologischen Überlegungen - und wir spielen hier nicht Pingpong, wollte ich nur noch sagen!

Frage: Zur Frage der Folgekostendämpfung gibt es zwei konkrete Vorschläge. Zum einen hat in einem politisch eher seltenen Schulterschluss der bayerische Ministerpräsident einen Vorschlag der Linkspartei aufgegriffen und nach dem Auslaufen des 9-Euro-Tickets jetzt das 365-Euro Ticket gefordert. Zum anderen hat Wirtschaftsminister Habeck gesagt, auch auf mittlere Zukunft müsse es Energieentlastungen vor allem für Gering- und Mittelverdiener geben. Sind diese Vorschläge vom Kanzler sozusagen nicht nur zur Kenntnis genommen worden, Frau Hoffmann, sondern fließen sie in aktives Regierungshandeln ein? Greifen Sie die auf?

SRS’in Hoffmann: Der Kanzler hat ja immer wieder gesagt, dass er sehr im Blick hat, was die gestiegene Inflation und die gestiegenen Energiepreise für die Menschen in diesem Land bedeuten. Wir haben ja als Bundesregierung in diesem Zusammenhang bereits zwei Entlassungspakete im Umfang von insgesamt 30 Milliarden Euro beschlossen, die jetzt wirken. Gleichzeitig ist klar, dass wir die Situation auch weiterhin sehr genau beobachten und im Blick haben.

Ich kann Ihr Interesse daran, dass wir die einzelnen Maßnahmen hier genau durchdiskutieren, total verstehen. Aber ich bitte auch darum, zu verstehen, dass es im politischen Raum total schwierig wäre, wenn wir das tun würden. Im Interesse der Sache werden diese Fragen intern diskutiert, und natürlich werden alle Vorschläge, die da gemacht werden, zur Kenntnis genommen. Aber die Frage, wie es im Endeffekt in dieser Frage weitergeht, wird intern entschieden und hier nicht öffentlich diskutiert.

Zusatzfrage: Im Interesse der Sache, aus dem heraus wir ja nun fragen, ist natürlich auch, dass soziale Spannungen nicht über das erträgliche Maß hinaus fortgesetzt werden. Deswegen habe ich wirklich noch einmal konkret die Frage: Ist das 365-Euro-Ticket als eine langfristig wirkende, konkrete Maßnahme eine realistische Perspektive, die Sie ernst nehmen und diskutieren, oder nehmen Sie das nur zur Kenntnis? Das wäre ja ein anderer Vorgang.

SRS’in Hoffmann: Ich kann über die interne Diskussionen hier tatsächlich nichts sagen. Ich kann Ihnen nur sagen, dass es natürlich Diskussionen gibt, dass wir das alles genau im Blick haben, dass die Bundesregierung entschlossen ist, das Notwendige zu tun, und dass wir dabei auch alle gesellschaftlichen Folgen im Blick haben, genau so, wie Sie sie jetzt hier benennen. Der Kanzler hat das ja auch selbst thematisiert. Aber das führt nicht dazu, dass wir das jetzt hier offen diskutieren können.

Frage: Frau Baron, können Sie noch kurz etwas zum Zeitrahmen für diesen zweiten Stresstest sagen? Bis wann rechnen Sie also mit Ergebnissen? Was ist Ihrer Kenntnis nach sozusagen der Point of no Return, an dem dann allein aus technischen Gründen dieser berühmte Weiterbetrieb der drei AKWs nicht mehr möglich wäre?

Baron: Der Stresstest ist jetzt sozusagen in Arbeit, und er wird in den nächsten Wochen finalisiert und dann auch vorgestellt werden. Es muss eben das klare Ergebnis abgewartet werden. Es gibt ja ein Gesamtergebnis. Das Gesamtergebnis des ersten Stresstests war: Die Gesamtversorgungssicherheit in Deutschland ist weiterhin gewährleistet. So wird es auch ein Ergebnis geben, dass dieser zweite Stresstest haben wird. Von dem müssen sich dann natürlich die Folgefragen ableiten und entschieden werden.

Zusatzfrage: Gibt es für Sie ein Datum, bis zu dem Sie zumindest diese AKW-Frage einfach entschieden haben müssen?

Baron: Ich glaube, den einen Zeitpunkt gibt es nicht. Natürlich drängt die Zeit - das ist allen Beteiligten klar -, weil daran natürlich Folgefragen in Bezug darauf hängen, wie zu entscheiden ist. Aber noch einmal gesagt: Wir müssen auf Basis von klaren Fakten entscheiden, und die Berechnungen, die durchgeführt wurden, hatten schon einmal sehr verschärfte Annahmen vorausgesetzt, also eine Annahme von 200 Euro pro Megawattstunde. Was Gas betrifft, geht das Szenario schon von einer sehr starken Annahme aus. Da sind wir, Gott sei Dank, momentan noch nicht. Wir sind bei hohen Gaspreisen. Aber die 200 Euro pro Megawattstunde zeigen ja, dass auch in diesem ersten Stresstest nicht mit geringen Annahmen, sondern schon mit sehr hohen Annahmen gerechnet wurde.

Frage: Ich kenne die Logik dieses Stresstests nicht im Detail. Ist damit im Grunde genommen die Laufzeitfrage offen, bis man weiß, wie die Lage tatsächlich laut dem zweiten Stresstest ist?

Baron: Die Lage ist die, die in diese gesamte Krisensituation geführt hat. Man muss in der Krise situationsangemessen entscheiden und auf Basis von klaren Fakten entscheiden. Die jetzige Faktenlage sagt nach dem ersten Stresstest: Die Stromversorgungssicherheit ist weiter gewährleistet, auch wenn man unterstellt, dass wir einen Gasmangel haben, hohe Gaspreise haben und einige französische Kernkraftwerke nicht am Netz sind. Das sagt der erste Stresstest. Die Stromversorgungssicherheit ist im Winter 2022/2023 dennoch gewährleistet. Jetzt wird eben dieser weitere Stresstest unter noch einmal verschärften Annahmen berechnet, und auf Basis dieser Ergebnisse wird dann entschieden, was zu tun ist.

Frage: An die Frage der Kollegin anschließend, die ja gar keine politische war, sondern eine rein logistische: Wie lange vorher müssen die Kernkraftwerksbetreiber wissen, dass sie weitermachen sollen, um das fachlich auch wirklich hinzubekommen?

Baron: Ich weiß nicht, ob die Kollegen etwas ergänzen wollen. Ich kann nur noch einmal sagen: Ich glaube, man kann nicht „Es ist dieser Tag und kein anderer“ sagen, sondern es ist klar, dass die Dinge zügig geprüft werden. Das tun wir jetzt in dieser Analyse. Deswegen wird sie in den nächsten Wochen vorliegen.

Stolzenberg: Vielleicht zur Ergänzung: Wir befinden uns ja im Bereich einer Spekulation. Wir wissen ja noch nicht, wie der Stresstest ausgehen wird. Ich würde an dieser Stelle auch noch einmal klarmachen: In Ihren Fragen klingt immer ein bisschen mit, die AKW-Laufzeiten zu verlängern, sei eine Option, die ja noch auf dem Tisch liege. Ich habe auf den Prüfvermerk verwiesen. Wir befinden uns jetzt in einem Stresstest, der, glaube ich, wesentlich breiter schaut. Das hat die Kollegin ja schon gesagt. Insofern würde ich jetzt an dieser Stelle auch nicht darüber spekulieren, was die möglichen Rahmenbedingungen sind. Es ist jetzt, glaube ich, erst einmal abzusehen, was der Stresstest eben bringen wird und welche Maßnahmen dabei eine Rolle spielen werden. Der Prüfvermerk sagt ganz eindeutig, dass wir eine Laufzeitverlängerung nach aktueller Lage eben nicht empfehlen.

Frage: Sie verweisen jetzt immer auf den Stresstest. Aber lassen wir den einmal beiseite. Die rein sachliche Frage ist, wie viel Zeit ein Kernkraftwerksbetreiber braucht, um einen Weiterbetrieb zu ermöglichen. Wie groß ist die Warnzeit im Vorfeld, damit das tatsächlich passieren kann?

Stolzenberg: Dafür muss ja - wir bleiben im Bereich der Spekulation - klar sein, für wie lange. Ich betrachte einfach einmal die Diskussionen, die gerade ablaufen, und darin ist ja wirklich alles zu finden, von mehreren Monaten bis zu mehreren Jahren. Insofern ist dann doch die Frage, was denn die Rahmenbedingungen wären, die man dafür hätte, um dann zu sagen, welche Maßnahmen zu treffen sind und welche Zeitvorläufe die haben. Das ist etwas, das wir jetzt tatsächlich zu diesem Zeitpunkt so pauschal nicht sagen können. Das ist, wie gesagt, zu diesem Zeitpunkt eine Spekulation.

Frage: Trifft es zu, Herr Stolzenberg, dass jenseits von technischen Möglichkeiten nach derzeitiger Rechtslage des Bundesrechts ein Weiterbetrieb der drei AKW über den 31. Dezember hinaus nicht zulässig wäre, einfach aus rechtlichen Gründen? Ist das die aktuelle Rechtslage?

Stolzenberg: Ich verweise, wie gesagt, auf den Prüfvermerk, der das sehr deutlich macht. Darüber hinaus gibt es keine Möglichkeit. Ich würde mich dabei, wie gesagt, auch wirklich an diesen Prüfvermerk halten, weil das darin sehr detailliert aufgeführt wird. Es geht dabei um genehmigungsrechtliche Fragen und um Sicherheitsfragen, die dann den Schluss zulassen, am Ende zu sagen, dass die Laufzeitverlängerung für uns zurzeit eben keine Option ist.

Frage: Ich habe eine Frage an das Justizministerium. Es geht um das schon bekannte Vorhaben bezüglich der Strafzumessung beziehungsweise Strafverschärfung bei geschlechtsspezifischen Beweggründen des Täters, zu denen sich der Justizminister jetzt geäußert hat. Können Sie noch einmal sagen, warum es nicht ausreicht, zu sagen, dass das menschenverachtende Taten sind, wie es ja schon in diesem § 46 steht? Können Sie wohl noch einmal genau sagen, was unter „geschlechtsspezifisch“ zu verstehen ist?

Zimmermann: Zunächst vielen Dank für die Frage! – Ich muss zunächst um Verständnis bitten. Der Entwurf befindet sich im Moment ja immer noch in der Ressortabstimmung. Insofern kann ich mich jetzt noch nicht zu allen Einzelheiten äußern. Ich kann im Wesentlichen zunächst auf die Äußerungen des Ministers verweisen, der gesagt hat:

Für mich ist klar: Gewalttaten von Männern gegen Frauen dürfen nicht als „private Tragödien“ oder „Eifersuchtsdramen“ bagatellisiert werden. Geschlechtsspezifische Gewalt muss als solche benannt und mit der gebotenen Strenge bestraft werden. Um dies sicherzustellen, werden wir das Strafgesetzbuch ergänzen, und wir senden damit auch ein Signal in die Gesellschaft. Wer aus männlichem Besitzdenken Frauen angreift, handelt unserer Werteordnung in besonders eklatanter Weise zuwider.

Zusatzfrage: Noch einmal die beiden Fragen: Warum ist das in § 46 nicht schon enthalten, und was genau ist unter „geschlechtsspezifisch“ zu verstehen?

Zimmermann: Der Minister hat gesagt, geschlechtsspezifische Gewalt müsse als solche benannt werden. Es ist also etwas Eigenständiges, was im Rahmen der Strafzumessung zum Ausdruck gebracht werden soll, nicht als Unterform einer anderen Kategorie. Dafür gibt es auch andere Beispiele in § 46.

Zu den genauen Beispielen: Es gibt im Moment noch Diskussionen. Sicherlich wird die Begründung des Gesetzentwurfs das dann genauer ausführen. Einiges wird man sicherlich auch der Rechtsprechung in der Anwendung auf den Einzelfall überlassen müssen.

Frage: Frau Hoffmann, die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Frau Strack-Zimmermann, hat einen Brief an den Kanzler geschrieben, in dem sie eine nationale Ukrainekonferenz fordert hat, mit der sie Rüstungsindustrie, Bundeswehr, Politik und Gewerkschaften an einen Tisch bringen will, um zu sehen, wie man der Ukraine weiterhelfen will. Ist der Brief angekommen? Wie reagieren Sie darauf?

SRS’in Hoffmann: Wir werden jetzt auf den Brief nicht reagieren. Ich kann sagen, dass wir zu allen Themen, die die Ukraine betreffen, ständig im Austausch sind, sowohl im parlamentarischen Raum als auch die Minister, das Verteidigungsministerium usw. Diese Forderung müssen wir jetzt nicht noch weiter kommentieren.

Zusatzfrage: Teilen sie die Einschätzung, dass es jetzt insbesondere auf Deutschland ankomme, was die Unterstützung der Ukraine angehe - das bezieht sich auf Waffenlieferungen -, damit sie sich gegen den russischen Angriff - sie ist ja im Osten des Landes sehr unter Druck - zur Wehr setzen könne?

SRS’in Hoffmann: Natürlich spielt der deutsche Anteil an den internationalen Waffenlieferungen für die Ukraine eine wichtige Rolle. In dem Sinne: Ja, aber natürlich nicht auf Deutschland allein. Viele andere Länder unterstützen die Ukraine mit Waffenlieferungen, die USA, weitere Verbündete in der Nato, Großbritannien usw. Deutschland spielt eine wichtige Rolle, aber viele andere auch.

Frage: Herr Kall, offensichtlich gibt es Probleme mit der Software im Zusammenhang mit dem Zensus 2022. Rechnen Sie noch damit, dass er pünktlich und auch mit validen Ergebnissen zu Ende geführt werden kann?

Kall: Es tut mir leid, mit diesem Thema habe ich nicht unmittelbar gerechnet. Dazu müssen wir unsere Expertinnen und Experten fragen und Ihnen heute Nachmittag eine Antwort geben.

Frage: Ich habe eine Frage an das Auswärtige Amt. Sie kennen die Berichte, denen zufolge Russland im Ukrainekrieg vermehrt Truppen der Söldnerorganisation Wagner einsetzt. Haben Sie eigene Erkenntnisse darüber? Wie bewerten Sie diese Form des Militäreinsatzes auch vor dem Hintergrund, dass bei Wagner offenbar auch rechtsradikale Kräfte mitwirken?

Burger: Wir kennen solche Berichte natürlich. Aus Gründen, die Sie sicherlich verstehen, kann ich hier nicht über unsere Erkenntnisquellen im Einzelnen Auskunft geben.

Grundsätzlich bewerten wir das Handeln der Truppen, die sozusagen auf Befehl, auf Veranlassung Russlands in der Ukraine oder anderswo vorgehen, und zwar ganz unabhängig davon, wie Russland sie kategorisiert, ob es reguläre russische Truppen sind oder Truppen, die einen anderen Status haben, oder Truppen, die als Truppen sogenannter Volksrepubliken deklariert werden. Dort, wo auf Veranlassung der russischen Regierung gehandelt und Völkerrecht gebrochen wird - der gesamte Angriffskrieg ist eine Völkerrechtsverletzung -, lehnen wir das natürlich rundheraus ab. Dort, wo sich Truppen oder Truppenteile, gleich welchen Status sie haben, an Kriegsverbrechen, an Verbrechen gegen die Menschlichkeit beteiligen, ist unser Anliegen, das wir mit einem erheblichen Teil der internationalen Gemeinschaft teilen, sehr eindeutig, dass solche Fälle nicht ungestraft bleiben dürfen. Deswegen unterstützen wir ganz konkret die Arbeit des Internationalen Strafgerichtshofs in der Ukraine. Wir unterstützen auf unterschiedliche Weise auch die Generalstaatsanwaltschaft der Ukraine bei ihrer eigenen Arbeit, solche Fälle zu dokumentieren, aufzuklären und zu verfolgen. Das ist für uns der Maßstab. Der Maßstab ist das humanitäre Völkerrecht. Daran messen wir das Verhalten all dieser verschiedenen Formationen.

Zusatzfrage: Macht es aus Ihrer Sicht keinen Unterschied, ob es sich um sogenannte reguläre Truppen oder sogenannte Söldnertruppen handelt?

Burger: In der politischen Einordnung kann man darüber natürlich ausführlich diskutieren. Auch der Bundeskanzler hat sich gerade noch einmal dazu geäußert, dass wir eine eindeutig imperiale Motivation vonseiten der russischen Regierung sehen. Dazu passt es natürlich in einem sehr furchtbaren Sinne, wenn es Berichte gibt, dass sich Menschen, die einer entsprechenden Ideologie anhängen, da freiwillig melden.

Natürlich gibt es auch internationale rechtliche Vereinbarungen, was den Einsatz von Söldnern angeht. Natürlich kann im humanitären Völkerrecht die Tatsache, ob jemand regulärer Kombattant ist oder nicht, eine Rolle dafür spielen, welche Behandlung er erfährt, wenn er in Kriegsgefangenschaft gerät.

Aber völlig unabhängig davon, welchen Status diejenigen haben, die sich als Täter an solchen Taten beteiligen, sind Kriegsverbrechen, Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht, Verbrechen gegen die Menschlichkeit völlig inakzeptabel. Völlig unabhängig davon, welchen Status diejenigen haben, die diese Verbrechen begehen, müssen sie aufgeklärt und verfolgt werden.

Frage: Das Unternehmen Uniper hat heute angekündigt, dass es einen Kredit vom Staat in Höhe von zwei Milliarden Euro in Anspruch nehme. Wie lange werden diese Mittel nach Einschätzung der Bundesregierung ausreichen?

Baron: Es ist richtig, dass das Unternehmen heute darüber informiert und eine Ad-hoc-Mitteilung herausgegeben hat. Dabei geht es um eine bestehenden Kreditlinie, die schon Ende des vergangenen beziehungsweise Anfang dieses Jahres gewährt wurde und die jetzt genutzt wurde. Sie bestand noch, war nicht gezogen und wurde jetzt genutzt.

Im Übrigen gilt weiterhin, was wir auch am vergangenen Freitag gesagt haben: Wir stehen mit Uniper, mit Fortum und allen Beteiligten im Austausch. Alle arbeiten mit Hochdruck daran, eine Lösung zu finden. Aber nähere Details kann ich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht nennen.

Zusatzfrage: Können Sie also nicht sagen, was passieren wird, wenn die Mittel aufgebraucht sein werden? Was kommt danach?

Baron: Die Frage, wie lang die zwei Milliarden Euro reichen werden, müssten Sie dem Unternehmen stellen. Das hängt natürlich von den unternehmensseitigen Kalkulationen ab.

Aber es ist klar - das hatten wir auch deutlich gemacht -, dass alle mit Hochdruck daran arbeiten, eine Lösung zu finden. Daran wird jetzt gearbeitet, sodass ich zum jetzigen Zeitpunkt noch keine Details mit Blick darauf, welche Strukturen eine solche Unterstützung hätte, nennen kann.

Frage: Der ägyptische Präsident ist in der Stadt. Kann das Wirtschaftsministerium sagen, welches Potenzial Gaslieferungen aus Ägypten haben könnten?

Baron: Die Antwort müsste ich gegebenenfalls nachreichen. Dazu habe ich jetzt keine Zahlen im Kopf. Wir werden prüfen, ob wir Zahlen dazu haben, was Ägypten an Gasförderung hat. Das müsste ich nachreichen.

Zusatzfrage: Reichen Sie dann bitte ebenfalls nach, welches Potenzial Sie darin sehen.

Baron: Wir müssen das prüfen. Ich habe, wie gesagt, jetzt keine Zahlen im Kopf, die ich nennen könnte.