Regierungspressekonferenz vom 16. Februar 2022

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Im Wortlaut Regierungspressekonferenz vom 16. Februar 2022

Themen: Tod der stellvertretenden Regierungssprecherin a. D. Martina Fietz, Kabinettssitzung (Viertes Corona-Steuerhilfegesetz, Einführung eines nationalen Gedenktags für die Opfer terroristischer Gewalt), Münchner Sicherheitskonferenz, Russland-Ukraine-Konflikt, COVID-19-Pandemie, Abweisung der Klagen Ungarns und Polens gegen den Konditionalitätsmechanismus, Förderung von Elektrofahrzeugen, Positionspapier des Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, ehemalige Betreiber von Läden auf Standorten der Bundeswehr in Afghanistan und ehemalige afghanische Ortskräfte, Mali, offener Brief von Sozialverbänden an die Bundesregierung in Bezug auf Unterstützungsleistungen für von Armut betroffene Menschen

  • Mitschrift Pressekonferenz
  • Mittwoch, 16. Februar 2022

Sprecher: StS Hebestreit, Burger (AA), Deffner (BMG), Ungrad (BMWK), Wendt (BMI), Mühlhausen (BMAS)

Vorsitzender Detjen eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Hebestreit sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

StS Hebestreit: Ich komme heute mit einer sehr traurigen Nachricht zu Ihnen. Einige haben das vielleicht schon aus den Medien erfahren. Unsere Kollegin, die Stellvertretende Regierungssprecherin a. D. Martina Fietz, ist nach kurzer schwerer Krankheit an diesem Dienstag, den 15. Februar, verstorben. Ihr plötzlicher Tod hat uns sehr erschüttert. Wir trauern um sie. Sie wissen, dass wir uns eigentlich zu Personalfragen an dieser Stelle immer sehr zurückhaltend äußern. Aber in Abstimmung mit der Familie und ihrem Ehemann, den jetzt viele Anfragen erreicht haben, möchten wir an dieser Stelle eine Ausnahme machen. Wir sind sehr erschüttert von ihrem plötzlichen Tod. Wir trauern um sie und wünschen der Familie viel Kraft für diese Zeit. Wir würden Sie alle bitten, von weiteren Anfragen, auch im Namen der Familie, zunächst Abstand zu nehmen. - Vielen Dank.

Vorsitzender Detjen: Danke, Herr Hebestreit. - Ich möchte mich dem im Namen des Vorstands und sicherlich auch im Namen vieler Mitglieder der Bundespressekonferenz anschließen. Wir kannten Martina Fietz nicht nur in der letzten Legislaturperiode hier an dieser Stelle als Stellvertretende Regierungssprecherin. Sie saß oft hier auf dieser Bank. Wir waren ihr dankbar dafür, dass sie immer zu uns gekommen ist, wann das gefragt war, wenn ihr das möglich war. Wir kannten sie aber auch über 30 Jahre lang als Mitglied der Bundespressekonferenz. Wir haben sie geschätzt. Auch unsere Gedanken sind bei ihrem Mann, bei ihrer Familie, bei allen, die ihr nahe sind.

StS Hebestreit: Heute hat es eine Kabinettssitzung gegeben, wie üblich am Mittwoch. Unter anderem ist das Vierte Corona-Steuerhilfegesetz beschlossen worden. Mit einer ganzen Reihe steuerlicher Verbesserungen unterstützt die Bundesregierung die Bürgerinnen und Bürger, aber auch die Unternehmen weiterhin darin, die Folgen der Pandemie zu bewältigen. Dazu hat das Kabinett heute das Vierte Corona-Steuerhilfegesetz beschlossen. Es bündelt wirtschaftliche, aber auch soziale Maßnahmen, die schnell greifen und helfen sollen, um den Auswirkungen der Pandemie entgegenzuwirken.

Mit dem Gesetz werden bewährte Instrumente wie die Homeoffice-Pauschale und die Steuerfreistellung der Arbeitgeberzuschüsse zum Kurzarbeitergeld verlängert. Auch für Unternehmen werden steuerliche Erleichterungen wie der Verlustrücktrag und weitere Abschreibungsmöglichkeiten fortgeführt. Zudem soll es einen steuerfreien Coronabonus für Pflegekräfte geben.

Vielleicht kurz zum Pflegekräftebonus: Arbeitgeber können Boni bis zu 3000 Euro, die auf bundes- oder landesrechtlichen Regelungen beruhen, steuerfrei an ihre Beschäftigten zahlen. Die Boni müssen bis 31. Dezember 2022 ausgezahlt werden. Mit dem Steuerfreibetrag soll die besondere Leistung der Pflegekräfte in der Pandemie abermals honoriert werden. - So weit dazu.

Dann gibt es einen weiteren Beschluss. Die Bundesregierung hat heute die Vorlage der Bundesministerin des Innern und für Heimat zur Einführung eines nationalen Gedenktages für die Opfer terroristischer Gewalt sowie dessen jährliche Begehung ab dem Jahr 2022, also ab diesem Jahr, am 11. März in Deutschland beschlossen.

Der Kampf gegen Extremismus und terroristische Gewalt, verfassungsfeindliche und gewaltbereite Bestrebungen als zentrale Bedrohung für die Demokratie unseres Landes ist eines der Hauptziele der Bundesregierung. Neben der Prävention, der Deradikalisierung und einer effektiven Gefahrenabwehr sowie der Bekämpfung von Extremismus und terroristischer Gewalt soll auch die Situation der Betroffenen weiter in den Fokus der Bundesregierung und der Gesellschaft gerückt werden. In diesem Zusammenhang soll der Umgang mit Betroffenen noch empathischer und würdiger gestaltet werden. Eine solche Würdigung findet in der Einführung eines nationalen Gedenktages für die Opfer aller terroristischer Gewalt ihren Niederschlag.

Der 11. März knüpft dabei auf nationaler Ebene an den Europäischen Gedenktag für die Opfer des Terrorismus an, der nach den Bombenanschlägen in Madrid vom 11. März 2004 eingeführt wurde. Die Europäische Union gedenkt seit 2005 jährlich an diesem Tag den Betroffenen terroristischer Gräueltaten weltweit. Das Bundesministerium des Innern und für Heimat wird anlässlich des Gedenktages am 11. März regelmäßig die bundesweite Trauerbeflaggung der Dienstgebäude des Bundes anordnen.

So weit aktiv von mir an dieser Stelle.

Frage: Herr Hebestreit, ist das Gesetz, das jetzt zu den Corona-Steuerhilfen beschlossen wurde, mit dem Referentenentwurf identisch, der online steht, oder gab es daran noch einmal Änderungen? Ist die erweiterte Verlustverrechnung, die vorgesehen ist, in dieser Form neu, oder war das in dieser Form auch schon vorher möglich?

StS Hebestreit: Meines Wissens gibt es da keine größeren Änderungen; sonst müsste mich das BMF korrigieren. Bei dem Verlustvortrag geht es meines Wissens genau um das gleiche bereits bestehende Verhältnis.

Vorsitzender Detjen: Kopfschütteln beim Bundesfinanzministerium.

Frage: Zu dem Gedenktag: Ist das nur mit einer Trauerbeflaggung geplant, oder wird es, so wie im Bundestag, auch eine Gedenkstunde geben, zu der man Menschen einlädt, die dann zum Bundestag sprechen? - Danke.

StS Hebestreit: Nach meinen Informationen wird sich das in der Ausgestaltung in den Jahren sicherlich noch erweisen müssen. Wir haben mehrere nationale Gedenktage. Dieser Gedenktag ist jetzt erst einmal mit der Trauerbeflaggung vorgesehen. Es war jetzt erst einmal aus dem Koalitionsvertrag herausgehend wichtig, dass wir diesen Tag rechtzeitig einführen. Dann wird er sich in der Ausgestaltung sicherlich noch entwickeln.

Burger: Ich darf Ihnen mitteilen, dass die Außenministerin am Freitag und Samstag an der Münchner Sicherheitskonferenz teilnehmen wird. Neben der Teilnahme an verschiedenen offiziellen Programmpunkten der Konferenz an sich - die werden Sie dann dem offiziellen Konferenzprogramm entnehmen können -, ist das natürlich immer auch eine Gelegenheit zum Austausch mit Außenministerkolleginnen und -kollegen am Rande dieser Konferenz. Sie wissen, dass das oft auch spontan stattfindet. Deswegen kann ich hier einige der Eckpunkte dieses Programms auch nur unter Vorbehalt vortragen. Ich möchte dies trotzdem kurz tun.

Vorgesehen ist, dass Außenministerin Baerbock am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz ein Treffen der G7-Außenministerinnen und -Außenminister leiten wird. Dabei wird es vor allem um die fortgesetzte Abstimmung zu der Krise gehen, die durch den russischen Truppenaufmarsch in der Nähe der Ukraine entstanden ist. Zum Thema Ukraine wird es außerdem voraussichtlich Gespräche im N3-Format geben, also Deutschland, Frankreich und Ukraine. Auch ein Treffen mit Deutschland, Frankreich, Großbritannien und den USA auf Ebene der Außenminister ist zu diesem Thema vorgesehen. Daneben sind derzeit unter anderem Treffen mit dem Generalsekretär der Vereinten Nationen, dem israelischen Verteidigungsminister, dem türkischen Außenminister und dem iranischen Außenminister in Planung.

Frage: Herr Burger, können Sie vielleicht den Tag nennen, an dem dieses G7-Treffen stattfinden soll, am Freitag oder am Samstag?

Burger: Wie gesagt, mit dem Vorbehalt, unter dem das alles bei dieser Veranstaltung immer steht, ist die Planung derzeit für den Samstag.

Frage: Ist es bei der Nichtteilnahme hochrangiger russischer Vertreter geblieben?

Burger: Da würde ich Sie bitten, sich an die Veranstalter der Münchner Sicherheitskonferenz zu wenden. Die haben den besseren Überblick darüber, welche Teilnehmerinnen und Teilnehmer sich angekündigt haben und welche nicht.

Frage: Direkt anknüpfend an G7: Ist zum einen sichergestellt, dass alle G7-Außenminister kommen? Das nehme ich an, sonst könnte es ja nicht stattfinden. Haben die alle schon fest zugesagt? Sie sagten, dass es da auch um die aktuelle Krise geht. Was genau ist das Ziel dieses G7-Treffens?

Burger: Der derzeitige Planungsstand ist, dass alle G7-Außenministerinnen und -Außenminister planen teilzunehmen, wie gesagt, mit den Caveats, die ich vorher genannt habe.

Das Ziel ist, wie ich gerade auch schon gesagt habe, die enge Abstimmung, die es im Kreis der G7 von Anfang an, seit Beginn dieser Krise gegeben hat, fortzusetzen. Die verschiedenen Aspekte der Abstimmung, die das betrifft, haben wir hier in der Vergangenheit immer wieder ausgeführt. Das betrifft zum einen die gemeinsame Bereitschaft zum Dialog. Zum anderen haben wir uns in diesem Forum in der Vergangenheit auch immer wieder über die möglichen Reaktionen und Konsequenzen für den Fall einer erneuten russischen Aggression gegen die Ukraine, zum Thema Sanktionen und zu anderen Fragestellungen ausgetauscht.

Zusatzfrage: Sie haben noch weitere Treffen erwähnt, unter anderem eines mit dem iranischen Außenminister. Was genau ist dabei das Ziel?

Burger: Ich möchte diesen einzelnen Treffen jetzt an dieser Stelle nicht weiter vorgreifen.

Frage: Herr Burger, wird auch das Thema Minsker Vereinbarungen auf der Tagesordnung stehen? Wenn ja, würde ich gleich eine Zusatzfrage (zum Russland-Ukraine-Konflikt) hinterherschieben. Der Bundeskanzler hat ja gestern die Bereitschaft des ukrainischen Präsidenten gelobt, drei Gesetzentwürfe zur Umsetzung des Minsker Abkommens zumindest vorzulegen. Was wird denn von deutscher Seite von Russland erwartet? Welche Punkte sind bei der russischen Seite sozusagen im Verzug? Was sollte Russland tun, um den Minsker Prozess mitzutragen?

Burger: Vielen Dank. - Ich fange vielleicht zunächst einmal mit der etwas allgemeinen Bemerkung an, die Sie jetzt nicht überraschen wird, dass der Minsk-Prozess bei sehr vielen der Gespräche, die wir in den letzten Wochen und Monaten zum Thema Russland und Ukraine geführt haben, ein ganz wichtiger Bestandteil und ein ganz wichtiger Referenzpunkt dieser Gespräche gewesen ist. Ich habe ja gesagt, dass wir in München ein Treffen auch im Format der sogenannten N3 planen, also mit Deutschland, Frankreich und der Ukraine. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass die Frage der Umsetzung der Minsker Vereinbarungen dabei ein Thema sein wird.

Ich weiß nicht, ob Herr Hebestreit noch etwas zu Ihrer Bezugnahme auf die Äußerungen des Bundeskanzlers in Moskau beziehungsweise in Kiew sagen möchte. Unsere Haltung war von Anfang an klar. Wir erwarten natürlich von allen Seiten, dass die in der Minsker Vereinbarung gemachten Zusagen und Schritte eingehalten und umgesetzt werden.

Zusatzfrage: Herr Hebestreit, was genau erwartet Deutschland von Russland in Bezug auf Minsk?

Vorsitzender Detjen: Ich verknüpfe das gleich mit der Frage von außen: Sind weitere Gespräche mit russischen und ukrainischen Vertretern geplant, auf welcher Ebene und in welchen Formaten konkret?

StS Hebestreit: Erst einmal ist es so, dass der Bundeskanzler gestern in Moskau und vorgestern in Kiew wichtige Gespräche geführt hat. Das waren sehr nützliche Begegnungen, muss man sagen. Sie fanden in enger Abstimmung statt und reihten sich in eine ganze Offensive von Dialogen ein, die die westlichen Verbündeten mit der Ukraine, aber vor allem auch mit Russland in den letzten Wochen geführt haben. Bei den Gesprächen mit Wladimir Putin ist die ganze Bandbreite der Themen abgedeckt worden, wie Sie auch einer durchaus lebhaften Pressekonferenz im Anschluss entnehmen konnten.

Auf Ihre Frage gemünzt: Die erste Aufforderung des Bundeskanzlers ist - da sieht er sich im Einklang mit dem amerikanischen Präsidenten, dem französischen Präsidenten und vielen anderen westlichen Führern -, für eine Deeskalation an der ukrainischen Grenze zu sorgen. Es gibt jetzt erste vorsichtige Ankündigungen, dass die Truppenmassierung dort verringert werden würde. Das wäre ein gutes Signal. Noch fehlen uns allerdings deutliche Belege, die diese Ankündigung auch bestätigen würden. Insofern ermuntern wir die russische Seite, diesen Worten auch Taten folgen zu lassen.

Klar ist auch, dass Russland und auch Belarus weiter aufgefordert sind zu deeskalieren und dass den Ankündigungen, dass die russischen Truppen nach dem Abschluss des Manövers in Belarus das Land wieder verlassen sollten, auch tatsächlich Fakten folgen sollten.

Die Gespräche mit Wolodymyr Selensky am Montag haben noch einmal deutlich gemacht, dass das Minsker Abkommen sowohl für die ukrainische Seite als auch für die russische Seite weiterhin Grundlage aller Verhandlungen ist. Sie haben es genannt: Die drei Gesetzentwürfe sollen jetzt der Trilateralen Kommission der OSZE vorgelegt werden. Dort sollen sie diskutiert werden, um danach den weiteren Gesetzgebungsweg gehen zu können. Die russische Seite soll sich daran auch beteiligen.

Ich glaube, das ist, wenn man die Gesamtlage anguckt und die letzten Wochen im Blick behält, eine Entwicklung, die jetzt erst mal gut ist und hoffentlich sich auch im Laufe der Zeit bestätigen wird.

Zusatzfrage: Aber konkrete Punkte, die Russland noch nicht erfüllt hat, können Sie nicht nennen?

StS Hebestreit: Ich dachte, ich hätte relativ konkret gesagt, dass ein Abzug der Truppen aus dem ukrainisch-russischen Grenzgebiet eine sehr konkrete Forderung ist.

Zuruf: Aus dem Minsker Abkommen?

Burger: Ich darf noch ganz kurz ergänzen, weil Sie jetzt gerade noch diese Bemerkung nachgeschoben haben: Wenn wir speziell auf die Minsker Vereinbarung schauen, ist eines der Themen, über das wir dazu ständig mit Russland im Gespräch sind, die Erwartung, dass es beispielsweise seinen Einfluss auf die Separatisten nutzt, damit es humanitäre Verbesserungen und die Eröffnung von weiteren Übergangspunkten über die Kontaktlinie gibt und damit insbesondere die Beobachtungsmission der OSZE, die SMM, ungehinderten Zugang zu dem gesamten Gebiet bekommt und dort sicher und ungehindert ihre Arbeit machen kann.

Denn das ist die Voraussetzung dafür, dass wir, die internationale Gemeinschaft, die Welt, sich ein eigenes Bild davon machen kann, was dort eigentlich passiert, und im Übrigen ein wichtiger Beitrag dazu, dass die wirklich schwierige humanitäre Lage der Menschen in dieser Region verbessert werden kann.

Vorsitzender Detjen: Es gibt noch weitere Fragen zur Moskau-Reise. Ein Kollege fragt: „Es wird immer wieder behauptet, Nord Stream 2 sei nur geplant worden, um der Ukraine zu schaden. Gibt es diesbezügliche Absprachen“ - ich weiß nicht, ob er Schädigungsabsprachen meint oder Absprachen, um das zu verhindern - „der Bundesregierung mit den Regierungen der anderen Konsortialpartner, also Paris, Wien, Helsinki?“

StS Hebestreit: Das fällt mir jetzt schwer. Ich versuche, diese Frage mal im bestmöglichen Sinne zu interpretieren. Klar ist, dass Nord Stream 2 einen Teil der Energieversorgung Deutschlands und auch Westeuropas abdecken soll. Parallel dazu lief ein Prozess, den unter anderem der damalige Bundesminister der Finanzen, Olaf Scholz, angestoßen hat, dass die Transitverträge für das Durchleiten russischen Gases durch die Ukraine verlängert würden. Da gab es einen Special Envoy, Graf Waldersee, der das mit verhandelt hat.

Es gab am Montag in Kiew klare Erklärungen, Erläuterungen des Bundeskanzlers, dass er sich weiterhin darum bemühen wird, wiederum auch mit Graf Waldersee, dass eine Verlängerung dieser Gaslieferverträge über das Jahr 2024 hinaus erreicht werden soll. Die vorsichtigen Signale aus dem Kreml gestern - vorsichtig vor allem, weil man das alles mit Vorsicht zu genießen hat - sprachen in eine Richtung, dass auch der Kreml weiterhin gewillt ist, Gas durch die Ukraine zu leiten. Insofern ist die Prämisse der Frage, glaube ich, nicht richtig.

Vorsitzender Detjen: Dann habe ich die Frage von einem Kollegen, der mit Blick auf die Manöver in Belarus sagt: Russland hat angekündigt, ausländische Militärattachés einzuladen. Ist da auch der deutsche dabei? - Kann jemand etwas dazu sagen?
Burger: Wenn wir als Auswärtiges Amt darüber Informationen haben sollten, dann müsste ich sie nachreichen.

Ich kann Ihnen dazu sagen, dass es nach dem Krisenmechanismus aus dem Wiener Dokument ein Verfahren gibt, das derzeit läuft, das von den baltischen Staaten wegen der aktuell stattfindenden gemeinsamen Militärübungen gegenüber Belarus eingeleitet wurde. Dazu sind auf Basis des Wiener Dokuments Konsultationen eingeleitet worden. Sie finden heute statt, und die Bundesrepublik unterstützt dieses Verfahren.

In dieser Hinsicht hat sich Belarus übrigens offener gezeigt als Russland. Auch die Ukraine hat auf Basis des Wiener Dokuments Konsultationen mit Russland beantragt. Russland hat hier bisher leider die Möglichkeit der schriftlichen Stellungnahme nicht genutzt, um einen Beitrag zur Reduzierung der Spannungen zu leisten. Vor diesem Hintergrund hat die Ukraine jetzt beschlossen, im nächsten Schritt Russland und alle interessierten OSZE-Staaten zu Konsultationen einzuladen. Sie müssen bis spätestens heute durchgeführt werden.

Wir unterstützen diesen Mechanismus sehr nachdrücklich. Wir glauben, dass die Herstellung von Transparenz eine der wichtigsten Möglichkeiten ist, in einer solchen Situation deeskalierend zu wirken. Deswegen ist unsere Erwartung an alle Beteiligten, diese Mechanismen, auf die sich alle in der Vergangenheit verständigt haben - wie gesagt, das findet alles auf Basis des Wiener Dokuments statt -, auch zu nutzen, entsprechende Informationen offenzulegen und sich an diesen Konsultationen zu beteiligen.

Frage: Eine Frage an Herrn Hebenstreit: Es gab bei dem Auftritt des Bundeskanzlers zuerst in Kiew und dann in Moskau bei einigen den Eindruck, dass er eigentlich einem Nato-Beitritt der Ukraine eine Absage erteilt hat, nicht nur auf die lange Bank geschoben hat, dass es nicht auf der Agenda steht, sondern dass man jetzt die Absage auch formalisieren sollte. Ist das auch Ihrer Meinung nach eine richtige Interpretation dessen? Oder was genau hat der Bundeskanzler gemeint?

StS Hebestreit: Nein. Ich kann ganz klar sagen, dass das vom Bundeskanzler so nie gesagt worden ist und auch so nie gemeint worden ist. Der Bundeskanzler hat sowohl in der Pressekonferenz in Kiew als auch in beiden Pressekonferenzen in Moskau, einmal im Kreml und dann nachher noch für weitere Journalisten in einem Moskauer Hotel, deutlich gemacht, dass die Aufnahme der Ukraine in die Nato im Augenblick nicht auf der Tagesordnung stehe und auch auf absehbare Zeit dort nicht stehen würde.

Ich habe gesehen, dass das hinterher von einem Beobachter so interpretiert wurde, er habe gesagt, das solle jetzt formalisiert werden. Das ist ausdrücklich nicht richtig. Richtig ist, dass die Ukraine es selber in der Hand hat, zu bestimmen, ob sie einem Bündnis beitreten will und ob sie dann die nötigen Voraussetzungen erfüllen kann. Es ist im Augenblick nicht der Fall, dass man das so sieht.

Aber dass es eine Formalisierung oder einen Verzicht geben solle oder dass es eine solche Behauptung zur Nato gibt, ist absolut nicht richtig. Da muss man auch sagen: Das würde auch all dem widersprechen, was wir allesamt seit vielen Wochen und Monaten sagen. Deshalb hat mich das auch etwas verblüfft, was der eine Kollege aus dieser Äußerung herausgelesen hatte.

Zusatzfrage: Ich will kurz nachfragen, weil das ja wirklich ein schmaler Grat ist, einerseits eine Nato-Mitgliedschaft der Ukraine in die Zukunft zu verschieben und dann zu sagen, dass es überhaupt nie stattfinden kann. In welchem Zeitraum denken wir denn da? Denn der russische Präsident hatte ja darauf hingewiesen, dass er jetzt eine Entscheidung wolle, weil er offenbar unterstellt, dass westliche Regierungen ihre Meinung in, sagen wir mal, zehn Jahren ändern könnten.

StS Hebestreit: Ich glaube, der Bundeskanzler hat in einer Bemerkung den Zeitraum, für den diese Aussage gilt, insoweit etwas eingegrenzt, dass er sagte, solange er im Amt ist - und er plane, durchaus länger im Amt zu bleiben - und auch der russische Präsident, würde diese Frage wohl eher nicht auf der Tagesordnung stehen.

Zusatzfrage: Können Sie uns noch sagen, wie lange er im Amt bleiben will?

StS Hebestreit: Nein.

Vorsitzender Detjen: Eilmeldung!

StS Hebestreit: „Regierungssprecher schließt nicht aus …“

Vorsitzender Detjen: Ja, genau. So machen wir das.

Zu logistischen Aspekten der Moskau-Reise fragt der Kollege: Können Sie erklären, warum der Bundeskanzler darauf bestanden hat, nach der Ankunft in Moskau seinen PCR-Test im Flieger von einer Botschaftsärztin machen zu lassen? Warum hat er nicht den russischen Test genommen?

Ich nehme auch die Frage von dem Kollegen dazu: Warum ist der Kanzler von Kiew zurück nach Berlin und dann am nächsten Tag nach Moskau geflogen statt direkt?

StS Hebestreit: Zur zweiten Frage: Das hatte einfache logistische Gründe und hat sich so ergeben. Wir hatten bei den beiden Reisen auch unterschiedliche Journalistinnen und Journalisten an Bord. Insofern machte es durchaus Sinn, den Zwischenstopp in Berlin einzulegen.

Zu der ersten Frage: Dazu äußern wir uns eigentlich ungern. Es gab das Politikum - dadurch ist das ja publik geworden - mit dem französischen Präsidenten. Der deutsche Bundeskanzler hat das ganz genauso gehandhabt.

Das ist reziprok zu den Bedingungen, die wir in Deutschland haben, indem wir sagen: Jeder Staats- oder Regierungschef, der nach Deutschland kommt, kann selbstverständlich einen PCR-Test vorlegen; er wird auch anerkannt. Wir haben da keine Zweifel, aber hätte man Zweifel, könnte man auch jemanden sozusagen mit an Bord nehmen.

Die russische Seite hat das anders gesehen und hat gesagt: Wenn, dann nehmen wir einen russischen Test. - Da hat der Bundeskanzler entschieden, dass er dafür nicht zur Verfügung steht. Aber da würde ich jetzt nicht viel hineingeheimnissen.

Vorsitzender Detjen: Dann habe ich noch eine Frage von einem Kollegen: Trifft es zu, dass Herr Scholz in Kiew auf der Pressekonferenz die Steinmeier-Formel nicht erwähnt hat? Warum? Ist das überhaupt noch zeitgemäß, nachdem Moskau in den besetzten Gebieten offenbar massiv russische Pässe verteilt hat?

StS Hebestreit: Die Bundesregierung hält eindeutig an der Steinmeier-Formel fest. Ich weiß, dass das in den Gesprächen sowohl in Kiew als auch in Moskau eine Rolle gespielt hat. Ich meine, mich auch zu erinnern, dass es auf jeden Fall auf der Pressekonferenz in Moskau genannt worden ist. Zu der Frage, ob das in Kiew in der Pressekonferenz genannt worden ist, will ich Ihnen gar nicht widersprechen; das weiß ich nicht besser.

Wenn, dann ist eher die Frage danach nicht gestellt worden. Aber es war kein absichtsvolles Weglassen. Die Steinmeier-Formel ist ein wichtiger Faktor in der Lösung dieses Konfliktes, im Übrigen ein von allen Seiten akzeptierter.

Frage: Wie erschließen sich der Bundesregierung die Unterschiede der Darstellungen zum Truppenabzug, teilweisen Truppenabzug, Beginn desselben? Das geht ja vom Nato-Generalsekretär, der ihn nicht erkennt, im Gegenteil von Austausch, von Aufstockung spricht, über die OSZE, die durchaus Bewegung erkennt, bis zu anderen. Ich will nicht alle aufzählen. Wie kommt es zu den Unterschieden? Werden da verschiedene Erkenntnisquellen, also Satelliten, genutzt? Es klingt ja alles ein bisschen unprofessionell. Oder liegt das an meiner Aufnahmefähigkeit?

StS Hebestreit: Ich würde Ihnen nie unterstellen, dass es eine Frage Ihrer Aufnahmefähigkeit ist. Ich glaube, die Komplexität der gesamten Angelegenheit ist Grund für diese unterschiedlichen Meldungen.

Wir reden über ein sehr, sehr großes Gebiet. An unterschiedlichen Ecken und Fronten wird sich dort bewegt. Da kann es auch mal sein, dass eine Einheit sowieso zurück in die Kaserne beordert werden würde oder worden ist und dass das als Abzug verbrämt werden könnte. Insofern würde ich da im Augenblick doch eher um Geduld bitten. Das Bild wird sich im Laufe der nächsten Tage schon vereinheitlichen und verklaren.

Wenn ich den sich jetzt häufenden Ankündigungen der russischen Seite und auch der belarussischen Seite Glauben schenken kann, dann kann es nicht mehr lange dauern, bis man das dann tatsächlich auch nachvollziehen kann.

Burger: Ich würde auch dem Eindruck noch mal entgegentreten wollen, dass es da substanzielle Diskrepanzen gibt. Das ist überhaupt nicht mein Eindruck.

Frage: Herr Hebestreit, der russische Präsident hat gestern unter anderem bei dem Wortaustausch mit dem Bundeskanzler bemerkt, dass es in der Donbass-Region einen Völkermord gebe, worauf der Bundeskanzler nichts entgegnet hat. Heißt das, das hat er so hingenommen? Gibt es Erkenntnisse über einen Völkermord oder irgendwelche Feindseligkeiten der russischen Bevölkerung gegenüber in der Donbass-Region?

StS Hebestreit: Ich glaube, der Bundeskanzler hat an einer zweiten Stelle, in dem zweiten O-Ton - da ist er nämlich auch genau danach gefragt worden - deutlich gemacht, dass er es nicht für richtig hält, im Donbass einen Genozid zu erkennen oder dies zu behaupten.

Die Frage, warum er das auf der Pressekonferenz mit dem russischen Präsidenten nicht gleich zurechtgerückt hat, hat, glaube ich, etwas mit der Dynamik dieser Frage-Antwort-Situation zu tun. Denn das war ja schon eine Replik auf eine Replik von Olaf Scholz. Auch wenn man Tischtennis mag, gibt es irgendwann den Punkt, an dem man sagt: Jetzt geht man voran.

Ich glaube, beide Seiten waren deutlich in der Aussage, worum es da ging. Das war eher rhetorisch. Trotzdem ist die Bundesregierung nicht der Auffassung und hat keine Erkenntnisse dazu, dass es in der Donbass-Region zu einem Genozid kommt.

Burger: Ich will noch anmerken: Das sieht auch die OSZE-Sonderbeobachtungsmission in der Ukraine so, und das sehen auch internationale Menschenrechtsorganisationen so.

Aus unserer Sicht wäre es sinnvoll, wenn Russland seinen Einfluss dafür einsetzen würde, dass die OSZE-Beobachter und internationale Menschenrechtsorganisationen endlich uneingeschränkten Zugang zu den nicht unter Regierungskontrolle stehenden Gebieten im Donbass erhalten.

Auch das Internationale Komitee vom Roten Kreuz muss endlich Zugang zu den Gefangenen in diesen Gebieten erhalten. Das wäre ein sinnvoller und ein dringend notwendiger Beitrag, um über solche Fragen völlige Transparenz und Klarheit herzustellen.

Frage: Herr Hebestreit, ich habe eine Frage in eigener Sache. Die Deutsche Welle war ja auch Thema des Gespräches. Der russische Präsident hat auf der Pressekonferenz etwas ausweichend geantwortet, er wolle die Sache nicht verkomplizieren, glaube ich. Können Sie vielleicht ein bisschen Licht ins Dunkel bringen? Was wurde da besprochen? Was wurde eventuell versprochen? Dürfen die Journalisten der Deutschen Welle demnächst wieder in Russland arbeiten oder nicht?


StS Hebestreit: Dazu habe ich nichts weiter als das beizutragen, was der Bundeskanzler in der Pressekonferenz ja klar gesagt hat, und die Reaktion, die Sie vom russischen Präsidenten beschreiben. Alles Weitere muss sich dann ergeben.

Frage: Wenn ich darf, stelle ich eine unpolitische Frage zu dem Drumherum, nämlich zu dem Tisch. Sieht der Gast eigentlich eher eine Symbolik in dieser Riesengröße, eine dramaturgische Bedeutung, oder schlichtweg Coronavorsicht als den Grund für diese Entfernung an?

StS Hebestreit: In der Politik empfiehlt es sich immer, dem Gegenüber das Bestmögliche zu unterstellen. Insofern gehe ich fest davon aus, dass das den Coronabedingungen im Kreml geschuldet gewesen ist. Aber zu Ihrer Beruhigung: Es gibt da Mikrofone und auch Kopfhörer, sodass eine gute Kommunikation zwischen den beiden Gesprächspartnern - „Unterhändlern“ hätte ich fast gesagt - gewährleistet ist, auch wenn mindestens einer von beiden nicht gerade zu einer übermäßig lauten Stimme neigt.

Vorsitzender Detjen: Wir kommen zu anderen Themen, und ich nehme zum Einstieg einmal eine Frage von außen herein. Fangen wir mit dem Gesundheitsministerium und Corona an. Der Kollege fragt das Gesundheitsministerium: Welche konkreten milden Coronaschutzmaßnahmen will die Bundesregierung im Zuge der laufenden Überarbeitung des Infektionsschutzgesetzes auch über den 19. März hinaus ermöglichen?

Deffner: Da möchte ich es mir an dieser Stelle wirklich einfach machen und auf die Konferenz der Ministerpräsidenten verweisen, die heute Nachmittag tagen und sämtliche damit einhergehenden Fragen sicherlich ausführlich erörtern werden.

Frage: Herr Deffner, ich habe noch eine Frage dazu, wie man niedrigschwellige Maßnahmen auch noch nach dem 20. März für die Länder ermöglichen kann. Können Sie uns einmal die Wege erklären? Muss dafür das Infektionsschutzgesetz geändert werden, weil darin ja das Auslaufen der Maßnahmen steht? Wie genau könnte das gehen, durch ein neues Gesetz, durch eine Verlängerung, durch einen Zusatz?

Deffner: Die Diskussionen darüber, in welcher Art und Weise man das Infektionsschutzgesetz anpassen möchte oder muss, laufen und sind auch Bestandteil der Sitzung der Ministerpräsidentenkonferenz. Das möchte ich also gar nicht vorwegnehmen.

Zusatzfrage: Sie müssen jetzt nicht vorwegnehmen, was herauskommen wird, sondern die Frage war eher, um das zu verstehen, was es eigentlich für rechtliche Möglichkeiten gibt. Muss beziehungsweise müsste das Infektionsschutzgesetz angefasst werden oder nicht?

Deffner: Vom Grundprinzip her ist es ja so, dass das Infektionsschutzgesetz den Bundesländern weitgehende Zuständigkeiten im Infektionsschutz einräumt. Ob man jetzt, am Übergang der Pandemie zu einer Endemie, für bestimmte weitere Maßnahmen noch eine Anpassung braucht, müssen sich dann die Juristen im Detail anschauen.

Frage: Herr Deffner, ich habe auch eine Verfahrensfrage. Es wurde ja jetzt umfangreich berichtet, dass Herr Lauterbach plane, Beschlüsse über die Dauer des Genesenenstatus wieder vom RKI und vom Paul-Ehrlich-Institut zu entfernen und an sich zu ziehen. Mir geht es jetzt gar nicht darum, ob das heute so beschlossen werden wird, sondern nur darum, ob das bedeutet, dass das Verfahren erneut auch in den Bundesrat und den Bundestag müsste. Das kann ja wahrscheinlich nicht durch einen Bund-Länder-Beschluss geregelt werden.

Deffner: Auch da gibt es unterschiedliche Vorgehensweisen. Aber darüber wird eben heute Nachmittag gesprochen werden, und daraus ergibt sich dann eben der Verfahrensweg. Insofern kann ich Ihnen das jetzt noch nicht beantworten.

Zusatzfrage: Dann habe ich noch eine interpretative Nachfrage zu der Planung, die sich ja jetzt offenbar abzeichnet, dass Herr Lauterbach das wieder an sich zieht. Vielleicht ist es ein purer Zufall, dass am Freitag in der Pressekonferenz Herr Wieler nicht dabei sein wird. Dennoch stelle ich die Nachfrage: Genießt Herr Wieler nach wie vor das volle Vertrauen des Gesundheitsministers und, Herr Hebestreit, des Bundeskanzlers?

Deffner: Das ist in der Tat Zufall. Herr Prof. Wieler ist am Freitag verhindert und wird, wie es auch schon in der Vergangenheit öfter der Fall war, von seinem Vizepräsidenten, Herrn Schaade, vertreten. Er wird bei den künftigen Pressekonferenzen auch wieder neben Herrn Lauterbach sitzen.

Zusatzfrage: Was ist mit der Schlüsselfrage, ob er noch das volle Vertrauen genießt?

Deffner: Dazu hatte sich Herr Lauterbach zuletzt geäußert, und darauf verweise ich schlicht.

StS Hebestreit: Ich habe ja in anderer Position einmal auf Ihrer Seite gesessen, und ich weiß, wie diese Fragen nach dem Vertrauen auch immer gestellt und interpretiert worden sind. Ich hatte mir eigentlich vorgenommen, dass ich das nie würde machen müssen, um eben nicht in dieses Fahrwasser zu kommen. Aber es nicht zu tun, hat ja auch wieder gewisse Kautelen. Insofern bin ich da in einem „Catch 22“. Dann würde ich sagen: Der Bundeskanzler schätzt Herrn Wieler sehr und findet, er macht eine ordentliche Arbeit.

Vorsitzender Detjen: Dann haben wir von einem Kollegen die Frage an Herrn Hebestreit, die ich gleich an das Gesundheitsministerium stelle: Minister Lauterbach sieht ein Ende der Pandemie erst in 30 oder 40 Jahren. Ist das auch die Position des Bundeskanzlers, oder ist das die Privatmeinung des Ministers? – Wer will zuerst etwas dazu sagen?

Deffner: Vielleicht lese ich einmal ein Zitat von Herrn Lauterbach von heute vor: Wir haben den Höhepunkt der Omikronwelle erreicht. Mit ihren Nachwirkungen müssen wir allerdings noch eine Weile leben. Es stecken sich inzwischen weniger Menschen mit dem Coronavirus an, aber die Zahl der Klinikeinweisungen wird noch mehrere Tage in die Höhe gehen. Darüber hinaus ist der Anteil der älteren Infizierten gestiegen. Ihr Schutz ist aber besonders wichtig.

Vorsitzender Detjen: Herr Hebestreit?

StS Hebestreit: Ich habe die Äußerung, auf die sich der Kollege bezieht, jetzt nicht gehört oder gesehen. Das mag aber an meiner Reisetätigkeit gelegen haben. Heute Nachmittag oder heute Abend, je nachdem, wie lange das dauern wird, wird es auch noch einmal eine Pressekonferenz mit dem Bundeskanzler zur aktuellen Zusammenkunft der Regierungschefs und der Regierungschefinnen der Länder mit ihm zum Thema Corona geben. Ich glaube, was man schon jetzt sagen kann, ist, dass die Maßnahmen, die Ende November beziehungsweise Anfang Dezember mit und von dieser Bundesregierung getroffen worden sind, sich insoweit ganz gut ausgewirkt haben, als die Infektionszahlen zwar gestiegen sind und immer noch hoch sind, aber längst nicht die Dimension wie in befreundeten und benachbarten Ländern erreicht haben, dass wir keinen Lockdown erlassen mussten, sondern zwar sehr harte Beschränkungen, aber dennoch das öffentliche Leben und auch die kritische Infrastruktur aufrechterhalten konnten und dass wir jetzt, im Augenblick, dabei sind, das zu ernten, sage ich einmal, was wir uns alle gemeinsam erarbeitet haben, nämlich dass es jetzt schrittweise zu Lockerungen kommen kann und dass man dann mit Blick auf den Frühling hoffnungsfroh in die Zukunft blicken kann. Wie sich das jetzt genau vollziehen wird, wird Gegenstand der Zusammenkunft sein, die zumindest planmäßig in 20 Minuten beginnen soll. Ich lade alle ein, der Pressekonferenz im Anschluss zu folgen, und dann wird man vielleicht auch noch einmal ein Stück klüger sein.

Frage: Herr Hebestreit, ist Corona für den Bundeskanzler eigentlich Chefsache? Ich frage deswegen, weil in einem der Entwürfe für das heutige Treffen steht, dass es kein weiteres Treffen des Bundeskanzlers mit den Ministerpräsidenten zu diesem Thema geben soll.

StS Hebestreit: Ich weiß nicht, wie man auf die absurde Idee kommen könnte, zu glauben, dass der Bundeskanzler in der Bekämpfung der Coronapandemie nicht an vorderster Stelle engagiert ist. Ich glaube, in dem Teil aus einem Beschlussentwurf, auf den Sie sich beziehen, geht es vor allem um die Frage, wann man sich das nächste Mal trifft. Man hat in verschiedenen Beschlüssen entweder ein konkretes Datum genannt, oder man hat gesagt, man wartet die weitere Entwicklung ab. Davon abzuleiten, er würde sich darum nicht mehr kümmern, halte ich, wie gesagt, für absurd.

Ich weiß, dass eine reguläre Sitzung der Ministerpräsidentenkonferenz, und zwar ohne den Bundeskanzler, für Mitte März geplant ist. Die Frage, ob das dann der Termin sein soll, an dem auch der Bundeskanzler dazustößt, mag womöglich Teil der Diskussionen werden. Aber alles, was darin so mitschwingt - - - Ach nein, ich soll mich ja nicht zu parteipolitischen Äußerungen verhalten. Insofern tue ich das auch nicht.

Frage: Herr Hebestreit, auch noch einmal zur Bewertung des Verfahrens, das wir im Moment erleben: Wir haben hier ja oft darüber diskutiert, dass die Länder nach den Bund-Länder-Beschlüssen ausscheren, dass sie eigene Wege gehen und wie problematisch das sein kann. Auch der Expertenrat hat jetzt noch einmal dazu aufgerufen, einheitlich vorzugehen und verständlich und klar zu kommunizieren. Jetzt erleben wir im Grunde, dass vor der Bund-Länder-Runde beispielsweise bei 2G im Einzelhandel Fakten geschaffen werden. Es gibt diese Regel schon kaum noch, außer in, glaube ich, Berlin, Sachsen-Anhalt und NRW. Jetzt fassen auch Berlin, Hamburg und Bayern noch eilig Beschlüsse. Man hat fast den Eindruck, jetzt entsteht das Durcheinander schon vor der Bund-Länder-Runde. Deswegen stelle ich die Frage: Wie bewertet der Bundeskanzler denn den Status dieser Runde? Hat die noch diese Bedeutung?

StS Hebestreit: Ich glaube, was zum Beispiel 2G betrifft, vollziehen viele Länder Rechtsentscheidungen nach. Ich glaube, Oberlandesgerichte haben da geurteilt. Aufgrund fehlender landesrechtlicher Verankerungen wurde Kritik geübt. Das andere ist das, was wir ja auch erleben, nämlich dass dieser Pandemie regional sehr unterschiedlich ist. Diesmal kam die Omikronwelle eher aus dem Norden, und der Süden war lange weniger repräsentiert. Jetzt ist der Norden, wie es scheint, insoweit über den Berg, und im Süden gibt es noch einen Zuwachs. Das liegt auch im Belangbereich der Länder, wenn die da so vorgehen wollen.

Ich kann auch Ihre Beobachtung nicht ganz teilen, dass das jetzt alles durcheinander gerät. Wir haben jetzt Mittwochmittag. Wir hatten uns auf den 16. Februar verständigt. Ich sehe immer noch ein großes einheitliches Vorgehen. Jetzt muss man sehen, wie man die nächsten Schritte miteinander geht und wie man sie miteinander bespricht. Ich bin sehr zuversichtlich, dass man in wenigen Stunden - ich maße mir jetzt keine genaue Schätzung an, wir lange es dauern wird - am Ende einen guten Beschlussentwurf hat, der auch wieder die nächsten Schritte gemeinsam bezeichnet.

Dann ist es aber immer so: Es ist regional unterschiedlich. Zwischen Schleswig-Holstein und dem Saarland oder Baden-Württemberg gibt es ein unterschiedliches Pandemiegeschehen und daraufhin unterschiedliche Maßnahmen.

Zusatz: Ich würde gern noch ein beliebiges anderes Beispiel greifen, zum Beispiel Sportgroßveranstaltungen. Auch dafür haben wir von West nach Ost, von Nord nach Süd sehr unterschiedliche Vorgehensweisen. Auch das ist heute wieder Thema. Auch da hat man den Eindruck, dass entschieden wird, bevor man sich verständigt hat.

StS Hebestreit: Ich denke, man hat sich auf Grenzwerte verständigt. Innerhalb dieser Grenzwerte kann es landesspezifisch unterschiedliche Handhabungen geben. Dafür ist der Föderalismus ja da.

Vorsitzender Detjen: Von außen fragt die Kollegin das Ministerium für Wirtschaft und Klima: Etliche Ökonomen fordern, mit dem Wegfall der meisten Coronabeschränkungen Ende März auch die Hilfen für die Wirtschaft einzustellen. Wie sieht Herr Habeck das?

Ungrad: Herr Habeck unterstützt schrittweise Öffnungsschritte auf der nächsten Präsidentenkonferenz und hat sich am Wochenende für eine stufenweise Öffnung ausgesprochen.

Konkret zu Ihrer Frage: In der Systematik der Überbrückungshilfen ist angelegt, dass sie dann helfen und greifen, wenn es nötig ist. Wenn die Konjunktur anzieht, dann ist über das Kriterium des dreißigprozentigen Umsatzrückgangs sichergestellt, dass nur die Unternehmen, die noch unter Einschränkungen leiden, diese Hilfe erhalten. Es ist also nicht so, dass wir mit dem Füllhorn herumgehen, sondern es gibt klare Kriterien, nach denen nur die von Corona betroffenen Unternehmungen Hilfe bekommen, wenn die Kriterien erfüllt werden. Über das Kriterium des dreißigprozentigen Umsatzrückgangs ist, wie ich es gesagt habe, sichergestellt, dass nur die Unternehmen die Hilfen erhalten, die noch unter Einschränkungen leiden.

Beim Handel geht es zum Beispiel relativ schnell, dass er wieder hochfahren kann. Aber es gibt sicherlich auch Unternehmen und Branchen, in denen das etwas länger dauert. Da ist dann noch Hilfe notwendig, und dafür hat sich der Minister ausgesprochen.

Vorsitzender Detjen: Dann haben wir als letzte Frage zum Coronathema eine Frage von dem Kollegen: Die EU empfiehlt, Kinder unter zwölf Jahren durch Ausnahmeregeln zu bevorzugen, was Quarantäne nach dem Urlaub betrifft. Der Bundesgesundheitsminister ignoriert diese Empfehlung. Warum?

Deffner: Ich persönlich kenne diese Empfehlung an der Stelle nicht, muss ich gestehen. Ich kann gern versuchen, den genauen Sachzusammenhang zu erörtern. Hintergrund ist, dass wir unterschiedliche Regelungen in den einzelnen Mitgliedsstaaten, auch in Deutschland, und durch EU-Vorgaben sozusagen im Reiserecht haben. Darauf spielt der Kollege vermutlich an. Die Regelungen, die wir EU-weit haben, sind aus meiner Sicht gut und hilfreich, um einen guten, aber auch sicheren grenzüberschreitenden Reiseverkehr im Rahmen der Coronapandemie zu gewährleisten.

Vorsitzender Detjen: Dann wechseln wir das Thema. Ich habe an Herrn Hebestreit die Frage von einem Kollegen zum Thema der Rechtsstaatlichkeit, des Europäischen Gerichtshofes und von Polen und Ungarn: Welche Schlüsse ziehen Bundeskanzler Scholz - - - Er stellt die Frage auch an das Bundesaußenministerium und das Bundesjustizministerium. Also: Welche Schlüsse ziehen sie aus dem EuGH-Urteil? Erwartet die Bundesregierung nun eine schärfere Durchsetzung seitens der Kommission?

StS Hebestreit: Die Bundesregierung hat die Entscheidung des EuGH von heute Vormittag zur Kenntnis genommen. Sie begrüßt diese Entscheidung, weil sie grundsätzlich deutlich macht, welches unsere Haltung generell ist, dass Europa nämlich eine Wertegemeinschaft und eine Rechtsstaatsgemeinschaft ist, und dass das, was unter deutscher Ratspräsidentschaft entschieden worden ist, gilt, dass, wenn es da Verletzungen gibt, darauf auch Sanktionen folgen können.

Der Europäische Gerichtshof hat in seinem Urteil festgestellt, dass der Konditionalitätsmechanismus auf einer geeigneten Rechtsgrundlage erlassen wurde und mit dem Verfahren nach Artikel 7 vereinbar ist. Er stehe zudem im Einklang mit den Grenzen der Zuständigkeiten der Union sowie mit dem Grundsatz der Rechtssicherheit. Damit hat der Europäische Gerichtshof die Nichtigkeitsklage von Polen und Ungarn in allen Punkten zurückgewiesen.

Es ist nun Aufgabe der EU-Kommission als Hüterin der Verträge über weitere Schritte zu befinden. Das kommentieren wir von dieser Stelle aus sonst nicht weiter.

Burger: Ich kann nur ergänzen, dass sich die Außenministerin in genau diesem Sinne heute schon auf Twitter geäußert hat. Ansonsten habe ich den Ausführungen von Herrn Hebestreit an dieser Stelle nichts hinzuzufügen.

Vorsitzender Detjen: Gibt es dazu Ergänzungen? - Der Sprecher des Bundesjustizministeriums schüttelt den Kopf. Keine Ergänzungen an der Stelle.

Dann nehme ich noch eine Frage von außen, von der Kollegin an das Wirtschafts- und das Verkehrsministerium, je nachdem. Es geht um die Förderung von Elektroautos: Die „WirtschaftsWoche“ berichtet, dass das Ministerium für Wirtschaft und Klima die Förderung von E-Autos im Sinne einer Mindesthaltedauer verändern will. Können Sie das bestätigen? Wie lange soll diese Mindesthaltedauer gelten?

Ungrad: Wir wollen den Umstieg auf saubere Mobilität vorantreiben. Dazu haben wir die aktuelle Innovationsprämie für Elektrofahrzeuge zunächst um ein Jahr verlängert. Parallel arbeiten wir an einer Neukonzeption der Förderung für 2023.

Ich kann Ihnen sagen, dass im Zuge der aktuellen Anpassung der Förderrichtlinie das Bundeswirtschafts- und -klimaschutzministerium plant, die Mindesthaltedauer von aktuell sechs auf dann zwölf Monate zu verdoppeln. Wer sein gefördertes E-Auto bereits nach weniger als einem Jahr verkaufen wollte, müsste dann die Förderung zurückzahlen. Das wäre neu. Die neuen Regeln sollen ab 2023 gelten. Der Wertverlust eines Gebrauchtwagens ist nach zwölf Monaten deutlich höher, sodass das Geschäftsmodell des Weiterverkaufs ins europäische Ausland damit deutlich unattraktiver werden würde.

Über weitere Punkte der neuen Förderrichtlinie für 2023 laufen die Gespräche noch. Ich bitte um Verständnis dafür, dass wir dazu jetzt noch nichts weiter sagen können.

Vorsitzender Detjen: Gibt es dazu Ergänzungen oder Widerspruch vom Verkehrsministerium? - Nein, Kopfschütteln.

Das Familienministerium ist heute nicht vertreten. Ich lese die Frage vor. Wenn jemand zuhört, dann könnte man das schriftlich beantworten. Eine Kollegin fragt: In einem Positionspapier drängt der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung Rörig darauf, dass der Staat eine aktivere Rolle bei der Aufarbeitung von Missbrauch einnehme. Er fordert schnelle entsprechende Gesetzentwürfe dazu. Federführend dürfte das Familienministerium sein; vielleicht ist es auch ein anderes. Was sagt die Ministerin dazu, und wann wird es eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger für Herrn Rörig geben, der sein Amt ja abgeben will?

Ist das ans Familienministerium richtig adressiert? Wahrscheinlich ja, oder kann jemand anderes etwas dazu sagen? - Dann ist die Frage verlesen. Wenn sie im Familienministerium gehört wurde, freuen wir uns über eine schriftliche Rückmeldung.

Frage: Herr Hebestreit, ich habe Fragen zu Afghanistan. Die Bundeswehr hat in ihren Standorten wie Masar „shopkeeper“, Ladenbesitzer, gehabt, die dort tätig gewesen sind und Waren angeboten haben. Diese Leute berichten uns nun, dass sie bedroht würden, dass Folterungen vorlägen und dass sie von den Taliban als Kollaborateure der Deutschen angesehen würden. Hat die Bundesregierung vor, diese Leute in Afghanistan zurückzulassen oder auch zu holen?

StS Hebestreit: Dafür muss ich an das Auswärtige Amt abgeben. Dazu bin ich nicht sprechfähig.

Burger: Wir haben hier in der Vergangenheit auch zu den Bedingungen und Voraussetzungen des sogenannten Ortskräfteverfahrens immer wieder Auskunft gegeben. Das funktioniert so, dass jedes Ressort für diejenigen, die in Afghanistan für dieses Ressort gearbeitet haben, überprüft, ob sie die Voraussetzungen für dieses Ortskräfteverfahren erfüllen, und dass nach dieser Prüfung entsprechende Aufnahmezusagen vom Innenministerium ausgesprochen werden. Wir als Auswärtiges Amt bemühen uns gemeinsam mit den anderen Ressorts dann darum, dass die Menschen mit einer Aufnahmezusage Afghanistan tatsächlich verlassen können und insbesondere die nötigen Dokumente zur Einreise nach Deutschland bekommen.

Für den von Ihnen genannten Personenkreis kann ich das nicht sagen, weil ich nicht weiß, in welchem Verhältnis sie zu welchen der verschiedenen beteiligten Ressorts gestanden haben.

Ich kann zum aktuellen Stand noch ergänzen: Wir haben seit der Machtübernahme der Taliban etwa 11 700 Visa für afghanische Ortskräfte und andere besonders gefährdete Menschen, für die wir Verantwortung übernommen haben, und deren Familienangehörige erteilt, davon allein 1600 in den vergangenen zwei Wochen.

Zusatzfrage: Ortskräfte, zum Beispiel die GIZ-Kräfte, die nicht verheiratet sind, werden bislang als familienlos gewertet. Erweitern Sie den Familienbegriff? Vater, Mutter, Kinder unter 18? Können Menschen nach Deutschland kommen, die nicht den bisherigen Kernfamilienkriterien entsprechen?

Burger: Ich weiß nicht, ob das BMI nähere Informationen dazu hat. Grundsätzlich gelten natürlich die gesetzlichen Regelungen auch für das Verständnis dafür, wer zum Kreis der Kernfamilie zu zählen ist. Dafür wäre im Zweifelsfall in der Tat, weil es sozusagen Fragen des Aufenthaltsrechts betrifft, das BMI die Stelle, die dazu Auskunft geben könnte.

Die Außenministerin hatte sich vor Weihnachten in einer Pressekonferenz zu unseren Bemühungen, Menschen aus Afghanistan in Sicherheit zu bringen, geäußert. Sie hat auch darauf hingewiesen, dass im Koalitionsvertrag ein neues humanitäres Aufnahmeprogramm vorgesehen ist. Wir befinden wir uns derzeit sowohl innerhalb der Bundesregierung als auch perspektivisch unter Einbeziehung der Zivilgesellschaft in intensiven Gesprächen über die Frage, wie ein solches Aufnahmeprogramm auszugestalten ist.

Frage: Herr Burger, eine Verständnisfrage: Heißt 11 700 Visa 11 700 eingereiste Menschen in Deutschland?

Burger: Nein. Rein logistisch, chronologisch kann man sich das so vorstellen: Ein Mensch muss zunächst einmal aus Afghanistan ausreisen und bekommt dann von einer deutschen Auslandsvertretung in einem der Nachbarstaaten oder in einem Land, in das er vielleicht von Afghanistan aus auf dem Luftweg gekommen ist - wir hatten ja zwischenzeitlich auch einmal die Möglichkeit, Charterflüge über Katar zur organisieren - ein Visum ausgestellt. Die Zahl, die ich jetzt genannt habe, ist die Zahl, die wir sozusagen statistisch am leichtesten erfassen können. Wenn der Mensch dann das Visum in der Hand hat, kann er sich damit auf einen meistens von uns organisierten Flug nach Deutschland setzen. Das heißt, da gibt es einen gewissen Zeitverzug.

Ich würde einmal von Folgendem ausgehen: Die Menschen, die in dieser Woche ihr Visum bekommen haben, werden spätestens in ein oder zwei Wochen nach Deutschland eingereist sein, wenn dafür die entsprechende Logistik organisiert ist. Wir kümmern uns ja vor Ort in den Nachbarstaaten, insbesondere in Pakistan, nicht nur sehr intensiv darum, den Menschen Visa zu erteilen, sondern haben dort auch eine ganz erhebliche Infrastruktur aufgebaut, um die Logistik für diese Menschen zu erleichtern, damit sie schnell und sicher nach Deutschland kommen und in der Wartezeit, die sie vor Ort haben, dort versorgt werden.

Frage: Haben Sie denn schon Menschen, die nicht zur Kernfamilie von Gefährdeten oder Ortskräften gehören, Einreisen nach Deutschland genehmigt, zum Beispiel Geschwistern von Menschen, die mit ihnen zusammenleben, oder Eltern von betroffenen Ortskräften?

Dr. Wendt: Es gibt eine klare Definition des Begriffs „Kernfamilie“. Dem haben wir im Moment nichts hinzuzufügen.

Es gab in Einzelfällen sozusagen Härtefallausnahmeregelungen, die ich jetzt aber hier im Einzelnen nicht darstellen kann. Ansonsten sehen wir derzeit nicht vor, an dem Begriff „Kernfamilie“ irgendetwas zu ändern.

Nichtsdestotrotz möchte ich darauf hinweisen - Herr Burger hat es auch schon gesagt -, dass wir in intensivem Austausch unter anderem mit dem Auswärtigen Amt zu dem im Koalitionsvertrag beschriebenen Bundesaufnahmeprogramm sind, um zu schauen, was man noch erweiternd tun kann, um die Personen in Afghanistan im Blick zu haben und weitere Aufnahme zu ermöglichen. Es finden gerade Gespräche zwischen den Ressorts statt. Im Moment kann ich nichts weiter dazu sagen.

Zusatzfrage: Frau Baerbock hatte im letzten Sommer von 50 000 berechtigten Ortskräften und Familien gesprochen. Sie sagen, Sie wollen den Familienbegriff nicht erweitern und man wolle darüber nachdenken. Es sind nur 11 000 Personen, die Zusagen bekommen haben. Das klafft doch ganz schön auseinander. Sind Sie genauso restriktiv wie die Vorgängerregierung?

Burger: Entschuldigung, aber da muss ich einmal unterbrechen, weil Sie die Zahl, die ich gerade dargestellt habe, falsch interpretiert haben oder vielleicht auch falsch verstanden haben, was ich gesagt habe.

Ich habe gesagt: Es sind 11 700 Visa erteilt worden. Das ist nicht die Zahl der Zusagen, die erteilt wurden. Die liegt weitaus höher.

Zusatzfrage: Ja, das weiß ich. Das sind 28 000. Aber die Visa sind die, die einreisen können?

Burger: Das sind die Menschen, die im Moment im Verfahren schon an dem Punkt angekommen sind, wo sie es geschafft haben, Afghanistan zu verlassen und an einer Auslandsvertretung in einem der Nachbarländer das Visum ausgestellt bekommen. Wie gesagt: seit der Machtübernahme der Taliban.

Das zählt auch noch nicht die Menschen, die wir im Zuge der militärischen Evakuierung nach dem Fall Kabuls nach Deutschland gebracht haben, denn die brauchten ja gar kein Visum. Die haben ihre Einreisedokumente nach Ankunft in Deutschland bekommen. Das zählt auch nicht die beinahe 2500 Menschen, die schon vor dem Fall Kabuls Visa ausgestellt bekommen hatten und von denen es ungefähr 1900 auch schon vor dem Fall Kabuls gelungen war, nach Deutschland einzureisen. Ich möchte nur, dass wir nicht von falschen Größenordnungen sprechen, wenn wir die Zahlen nebeneinanderstellen.

Zusatz: Die Frage ist nicht beantwortet. Frau Baerbock sprach letztlich von 50 000 Schutzbedürftigen. Sie haben jetzt die Zahl von 11 700 Visazusagen erwähnt.

Burger: Nein! Erteilte Visa, nicht Visazusagen.

Zusatz: Erteilte Visa und 28 400 Zusagen.

Burger: Entschuldigung! Es ist falsch, die erteilten Visa gegen die 50 000 aufzurechnen. Das ist die falsche Kategorie.

Zusatzfrage: Ich möchte ganz allgemein fragen: Wenn Frau Baerbock im letzten Jahr von 50 000 sprach, ist das dann nicht sehr weit hinter dem, was die neue Bundesregierung an Zusagen an Visaerteilungen erreicht hat?

Burger: Sind wir zufrieden, mit dem Tempo, mit dem Menschen aus Afghanistan in Sicherheit gebracht werden können? Nein, natürlich nicht. Uns wäre es natürlich am liebsten, wenn die Menschen alle schon in Sicherheit wären.

Natürlich ist es wahnsinnig schwierig, die genaue Zahl derjenigen zu schätzen, die infrage kommen. Natürlich haben wir im letzten Jahr, als wir angefangen haben, uns mit der Problematik im Detail zu beschäftigen und insbesondere den Personenkreis, um den es geht, genauer zu definieren, dazugelernt. Wahrscheinlich kann das BMI die Zahl derjenigen nennen, die tatsächlich Aufnahmezusagen erhalten haben. Ich weiß nicht genau, wie viele es sind.

Wir bemühen uns seither, diese Menschen aus Afghanistan in Sicherheit zu bringen. Aber die Situation ist ja - das wissen Sie -: In Afghanistan sind im Moment die Taliban an der Macht. Wir haben dort keine Vertretung. Es gibt keine regulären Linienflüge, sodass man einfach sagen kann „Setzt euch auf einen Flieger, und im Nachbarland Pakistan kümmern wir uns um euch“, sondern all das muss jetzt mühselig, mit einer eigens dafür geschaffenen Infrastruktur ermöglicht werden. Wir haben dafür mit ziemlich hohem Aufwand eine Infrastruktur geschaffen, die das ermöglicht. Wir haben dazu an einigen Auslandsvertretungen, wo uns das gelingt, massiv Personal verstärkt. Aber natürlich findet das alles unter extrem schwierigen Bedingungen statt.

Wir haben schon den Eindruck, dass es uns gelungen ist, das Tempo dieser Ausreise in den letzten Monaten sehr, sehr deutlich zu steigern. Ich habe gerade die Zahl genannt. In den letzten Wochen waren es 1600 erteilte Visa. Das ist ungefähr eine Verdoppelung der Geschwindigkeit gegenüber dem Zeitraum davor. Natürlich wäre es uns lieber, wenn es uns gelingen würde, das noch schneller zu machen. Natürlich wäre es uns lieber, wenn es uns morgen wieder gelänge, Charterflüge beispielsweise über Doha zu ermöglichen, um die Menschen mit noch geringerem Aufwand schnell nach Deutschland zu holen. Das sind alles Optionen, an denen wir parallel arbeiten, um das weiter zu beschleunigen. Aber das ist das, was wir bisher eben erreicht haben.

Frage: Eine Frage zu Mali, sich an Herrn Hebestreit oder an Herrn Burger richtet. Heute Abend findet bei Macron ein Treffen statt, wo man sich im Kreis von Verbündeten über die Zukunft des europäischen Einsatzes in Mali unterhalten will. Ich hätte ganz gerne gewusst, mit welchen Zielsetzungen und Plänen die Bundesregierung in diese Gespräche geht.

StS Hebestreit: Vielleicht so viel: Ich glaube, dass wir klar sagen können, dass die jüngsten politischen Entwicklungen in Mali aus unserer Sicht besorgniserregend sind und sich natürlich auch auf das deutsche und internationale Engagement in Mali auswirken können. Hierzu haben sich sowohl die Außenministerin als auch die Verteidigungsministerin in den vergangenen Tagen mehrfach geäußert.

Die Bundesregierung ist jetzt im Austausch mit der Übergangsregierung in Mali und auch unseren internationalen Partnern, allen voran der Europäischen Union. Sie haben das Treffen heute Abend in Paris angesprochen. Auf Grundlage dieser Gespräche werden wir über das weitere Engagement entscheiden. Ich bitte um Verständnis, dass wir diesen Gesprächen jetzt hier nicht vorgreifen werden. Im Anschluss an die Gespräche beziehungsweise in den nächsten Tagen wird dann ausreichend Gelegenheit sein, sich darüber zu unterhalten.

Frage: Meine Frage richtet sich an das BMAS. Es gab den offenen Brief der Sozialverbände an die Bundesregierung mit ziemlich konkreten Forderungen, was die substanzielle Anhebung der Grundsicherung angeht, noch weit bevor es überhaupt ein Bürgergeld geben könnte. Es wurde auch ein Sofortzuschlag für Kinder gefordert. Das geht ja weit über das hinaus, was bisher angesichts der Preisentwicklung geplant ist, wie zum Beispiel ein einmaliger Heizkostenzuschuss. Sind das Vorschläge, die das Ministerium aufgreifen wird? Wenn ja, in welcher Form?

Können die Verbände mit einer Antwort rechnen?

Mühlhausen: Herzlichen Dank für Ihre Frage. Das gibt mir an dieser Stelle die Gelegenheit, zu betonen, dass das Bundesministerium für Arbeit und Soziales natürlich die Belastungen für ökonomisch schwache Haushalte in der Pandemie im Blick hat. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, aber auch die Bundesregierung insgesamt versucht dort, wo möglich, die sozialen Härten abzufedern. Aus diesem Grund gab es in der Pandemie schon eine Reihe von konkreten Hilfen, beispielsweise in den Sozialschutz-Paketen I, II und III. Dazu zählen die anrechnungsfreie Einmalzahlung in Höhe von 150 Euro, aber auch der Kinderbonus in Höhe von 150 Euro. Es ist vollkommen klar für uns, dass wir die aktuelle Situation auch im Blick haben.

Sie haben es schon erwähnt: In die Reihe der konkreten Hilfen hat sich jüngst auch der sogenannte Heizkostenzuschlag eingereiht. Hier haben wir bestimmte Gruppen zielgenau unterstützt.

Es ist richtig, dass im Koalitionsvertrag zum einen vereinbart ist, dass das Bürgergeld kommt, aber dass der Koalitionsvertrag auch vorsieht, dass wir einen Kindersofortzuschlag auf den Weg bringen. An diesem arbeiten wir im Moment gemeinsam mit dem BMF und dem Familienministerium unter Hochdruck. Ich bitte aber um Verständnis, dass ich Ihnen heute dazu noch keine genauen Angaben machen kann, sondern die konkrete Ausgestaltung noch abzuwarten bleibt.

Zusatzfrage: Können Sie denn etwas zum Zeithorizont sagen? Das Schreiben der Sozialverbände ist ja sehr drängend. Die Preisexplosion ist jetzt da. Wie lange kann und wird dieses Verfahren nach einer ersten Abschätzung dauern?

Mühlhausen: Wir wissen um den Preisdruck. Wir wissen um die Dringlichkeit. Wir setzen alles daran, dass wir dort zeitnah zu einer Lösung kommen. Wir arbeiten unter Hochdruck daran. Ich kann Ihnen aber heute hier noch keinen genauen Zeitplan nennen.

Burger: Ich möchte einen kurzen Nachtrag zum Thema Belarus machen. Ich war gefragt worden, ob eine Einladung an den Militärattaché an der deutschen Botschaft in Minsk zur Beobachtung der dortigen Militärmanöver vorliegt. Ja, eine solche Einladung ist eingegangen. Wir planen, sobald es logistisch möglich ist, diese Einladung wahrzunehmen.