Regierungspressekonferenz vom 15. Januar 2021

Im Wortlaut Regierungspressekonferenz vom 15. Januar 2021

Themen: Termine der Bundeskanzlerin (Coronakabinett, Gespräch der Bundeskanzlerin und der Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder zu Maßnahmen zur Eindämmung der Coronapandemie, Kabinettssitzung, Entgegennahme des Abschlussberichts der Fachkommission Integrationsfähigkeit, Videokonferenz der EU-Staats- und Regierungschefs über die Entwicklungen in der Coronapandemie), Internationale Grüne Woche, COVID-19-Pandemie (Genomsequenzierung, Inzidenzgrenzwerte, EU-Zertifikat für geimpfte Personen, Homeoffice, Überprüfung der Einhaltung der Maßnahmen, Bundestagswahl, Initiative „Zero Covid“, Wirksamkeit von Lockdownmaßnahmen, Organisation der Impfungen, Einbeziehung von wissenschaftlichen Erkenntnissen), Bundeshaushalt, Regierungskrise in Italien, geplante Rückkehr von Alexej Nawalny nach Russland, Vorgehen der Polizei gegen Demonstranten wegen des Verdachts der Verwendung von Symbolen verfassungswidriger Organisationen in Berlin, Dialog zwischen Deutschland und Großbritannien über die künftige Zusammenarbeit nach dem Austritt Großbritanniens aus der EU, Jahrestag Berliner Libyen-Konferenz, Nord Stream 2, erneute Aufnahme Kubas auf die Liste der Terrorismus unterstützenden Staaten der USA

  • Mitschrift Pressekonferenz
  • Freitag, 15. Januar 2021

Sprecher: StS Seibert, Irion (BMEL), Kautz (BMG), Eichler (BMWi), Vick (BMI), Mühlhausen (BMAS), Wogatzki (BMF), Adebahr (AA)

Vorsitzender Feldhoff eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

StS Seibert: Einen schönen guten Tag, meine Damen und Herren!

Zu den Terminen der kommenden Woche:

Montag, der 18. Januar, bringt zunächst einmal eine weitere Sitzung des sogenannten Coronakabinetts. Die Bundeskanzlerin und die zuständigen Fachminister treffen sich dazu um 11 Uhr.

Am Dienstag um 14 Uhr - und das ist neu für Sie - gibt es dann eine weitere Beratung der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefs und -chefinnen zu Maßnahmen zur Eindämmung der Coronapandemie.

Am Mittwoch, dem 20. Januar, findet zum üblichen Zeitpunkt um 9.30 Uhr die Sitzung des Bundeskabinetts statt.

Im Anschluss an die Kabinettssitzung nimmt die Kanzlerin den Abschlussbericht der Fachkommission Integrationsfähigkeit entgegen. Dabei werden auch die Integrationsstaatsministerin Frau Widmann-Mauz, der Bundesminister für Arbeit und Soziales Herr Heil und der Staatssekretär aus dem BMI Herr Kerber anwesend sein. Die Berichtsübergabe kann ab 11.30 Uhr unter bundesregierung.de live verfolgt werden. Im Anschluss stellen sich die Staatsministerin, der Staatssekretär im BMI und der Bundesarbeitsminister sowie die beiden Vorsitzenden der Fachkommission Ihren Fragen. Dazu gibt es eine Pressemitteilung der Beauftragten.

Am Donnerstag wir die Bundeskanzlerin wieder einmal mit ihren europäischen Amtskollegen, also den EU-Staats- und Regierungschefs, in einer Videokonferenz über die Entwicklungen in der Coronapandemie beraten. Wie Sie wissen, steht dieser Austausch regelmäßig an. Die Kanzlerin hatte ihn beim Europäischen Rat Mitte Oktober angeregt. Das Ganze findet in Form einer Videokonferenz statt.

Damit sind wir am Ende der Termine der kommenden Woche.

Irion: Guten Tag! Ich möchte Sie auf den Auftritt unseres Ministeriums nächste Woche bei der digitalen Internationalen Grünen Woche in Berlin aufmerksam machen, der natürlich auch rein virtuell stattfindet. Er steht dieses Jahr unter dem Motto #UnsereErnteUnserEssen. Wir wollen in verschiedenen Formaten - Diskussionsrunden, Präsentationen - zeigen, wie moderne Landwirtschaft, die Produktion von Lebensmitteln und auch Nachhaltigkeit gut zusammengehen können, und so den Dialog zwischen Landwirtschaft und Gesellschaft weiter fördern.

Bundesministerin Klöckner wird sich beim Bürgertalk am kommenden Dienstag um 18 Uhr Fragen rund um Landwirtschaft, Ernährung und Gartenbau stellen. Das Ganze kann live im Internet verfolgt werden; man kann sich da auch beteiligen. Ein Höhepunkt wird das 14. Zukunftsforum ländliche Entwicklung sein, das Frau Klöckner am Mittwoch eröffnen wird. Bei diesem größten nationalen Forum für die ländlichen Räume werden rund 2000 Akteure über die Chancen sprechen, die sich vor allem durch die Digitalisierung für das Leben auf dem Land ergeben.

Wir freuen uns, dass dieses Jahr ein besonders großes Interesse für das Global Forum for Food and Agriculture, GFFA, besteht. Mehr als 70 Agrarministerinnen und Agrarminister aus aller Welt und hochrangige Vertreter von 14 internationalen Organisationen wie WHO, FAO und World Food Programme haben ihre virtuelle Teilnahme zugesagt. Es geht dabei um das Thema „Pandemien und Klimawandel: Wie ernähren wir die Welt?“. Das ist ein wichtiges Thema, denn der Hunger auf der Welt steigt leider (akustisch unverständlich) enorm.

Einladungen zur IGW und zum GFFA mit allen Terminen und Details werden wir Ihnen heute oder in den nächsten Tagen zusenden.

Frage: Herr Seibert, können Sie uns sagen, was genau das Thema im Coronakabinett sein wird?

Was genau ist das Ziel der neuen Beratungen von Bund und Ländern? Geht es da um eine weitere Verschärfung und eine Verlängerung des Lockdowns?

StS Seibert: Nachdem nun klar ist, dass es am Dienstag eine weitere Bund-Länder-Beratung geben wird, können Sie davon ausgehen, dass das Coronakabinett in gewisser Weise auch der Vorbereitung dieses Termins am Dienstag dient. Andere Themen außer dem immer anstehenden Lagebericht des Gesundheitsministers kann ich Ihnen hier im Moment nicht nennen.

Vielleicht noch einmal zu dem Dienstag: Es war ja in den vergangenen Monaten immer so, dass Bund und Länder die Entwicklung der Pandemie sehr genau beobachtet haben und von dieser Entwicklung abhängig gemacht haben, wann sie zusammenkommen, um Konsequenzen zu beraten und Beschlüsse zu fassen. Alle sind sich bewusst: Entscheidungen stehen dann an, wenn sie anstehen, und nicht unbedingt immer nur zum nächsten vorvereinbarten Termin. In diesem Sinne sind Kanzleramt und die Regierungschefs der Länder übereingekommen, sich eben schon am kommenden Dienstag um 14 Uhr wieder zu Beratungen zu treffen.

Warum? Weil uns die Zahlen täglich zeigen, dass wir es zwar mithilfe der einschneidenden Beschränkungen der letzten Wochen und Monate geschafft haben, die Infektionszahlen auf einem gewissen Plateau zu halten und ihren massiven Anstieg zu bremsen. Sie lägen sonst wohl erheblich höher, und auch die Belastung unseres Gesundheitswesens, unserer Krankenhäuser, läge erheblich höher. Aber die Zahl der Neuinfektionen - der RKI-Präsident hat das hier ja gestern sehr klar ausgeführt - ist weiterhin viel zu hoch, und wir nähern uns dem Zielwert einer Inzidenz von 50 und weniger nur sehr langsam. Hinzukommt das neue Risiko einer Virusmutation in Irland und Großbritannien. Mit dem extremen Anstieg der Infektionsfälle in diesen Ländern zeigt sich dieses Risiko wohl auch schon ganz praktisch. Das muss die Bundesregierung natürlich sehr aufmerksam beobachten und - das tun auch die Länder - sehr ernst nehmen.

Umso wichtiger ist es also, dass wir alle zusammen unsere Kraftanstrengung, die Infektionszahlen zu senken, fortsetzen und dass wir noch mehr tun, um die Kontakte zu reduzieren. Eine Virologin, Frau Protzer, hat es gestern im „heute-journal“, glaube ich, ganz klar gesagt - so klar, wie man es nur sagen kann -: Von allein ist dieses Virus weder mobil noch in der Lage, sich zu verbreiten. Es braucht uns Menschen, die das Virus vom einen zum anderen tragen, es braucht also die Kontakte. Deswegen ist unsere oberste Maxime: Kontaktreduzierung, wo es nur möglich ist, Homeoffice, Arbeit von zu Hause, wo immer es nur geht. Der Bundespräsident und die Vertreter der Sozialpartner machen dazu heute ja noch einmal einen gemeinsamen Aufruf, und das entspricht ganz und gar der Linie des Bundes und auch den letzten Beschlüssen von Bund und Ländern. Jeder Betrieb, jedes Unternehmen, jedes Amt sollte prüfen, ob nicht noch deutlich mehr auf Arbeit abseits der Büros umgestiegen werden kann. Das war im vergangenen Frühjahr möglich, das sollte auch jetzt möglich sein, und es ist angesichts der Lage dringend erforderlich.

Frage: Herr Seibert, welche weiteren Möglichkeiten zur Eindämmung dieser Pandemie liegen denn nach Ansicht des Kanzleramts auf dem Tisch?

StS Seibert: Ich habe hier ganz allgemein - aber das ist auch der essenzielle Punkt, der zentrale Punkt - über die Notwendigkeit gesprochen, Kontakt weiter zu reduzieren. Das lässt sich dann in vielerlei verschiedene Möglichkeiten, die man dazu noch hätte, aufbrechen. Ich will hier jetzt aber ganz bewusst nicht den Beratungen, die am Dienstag anstehen und die natürlich von Bund und Ländern gründlich vorbereitet werden, in Einzelpunkten vorgreifen; ich werde hier jetzt keine Detailmaßnahmen durchdiskutieren.

Frage: Genomsequenzierung ist ein essenzielles Instrument zur Nachverfolgung der Virusmutation, Deutschland gilt auf diesem Gebiet aber als extrem unterausgestattet. Hartmut Hengel, Leiter der Virologie an der Universität Freiburg, erklärte dazu: „Wir sequenzieren ohne repräsentative Probenerfassung auf dem Niveau eines Entwicklungslandes.“ Könnte das Gesundheitsministerium einmal darlegen, wie viele Labore in Deutschland in der Lage sind, diese Genomsequenzierung durchzuführen?

Kautz: Die genaue Zahl liegt mir jetzt leider nicht vor, aber Sie wissen, dass wir an einer Verordnung zur Genomsequenzierung arbeiten, die Anfang kommender Woche fertig sein soll. Es ist nicht so, dass momentan keine Virenproben sequenziert würden. Es gibt ein System mit einem Konsiliarlabor hier in Berlin an der Charité. Das wird anders als in anderen Ländern bislang eher nicht strukturiert gemacht. Wir werden es strukturiert machen, und zwar auf Grundlage des Bevölkerungsschutzgesetzes von vor sechs Wochen, das uns die Möglichkeit gibt, die Daten entsprechend zu sammeln und strukturiert auszuwerten.

Zusatzfrage: Können wir davon ausgehen, dass, wenn aufgrund dieser bisher nicht gegebenen Kapazitäten eine Nachverfolgung, ein Monitoring der Virusmutationen nicht mehr geleistet werden kann, die Bundesregierung zu noch härteren Lockdownmaßnahmen greift?

Kautz: Bei dieser Schlussfolgerung komme ich, ehrlich gesagt, nicht mit. Die Lockdownmaßnahmen begründen sich ja aus den hohen Infektionszahlen und aus den hohen Belegungszahlen auf den Intensivstationen. Außerdem sind entsprechende Mutationen in Deutschland nachgewiesen worden. Deutschland hat reagiert, hat versucht, die Ausbreitung von gefährlichen Virusmutationen auf Kontinentaleuropa zu verhindern. Das scheint bislang gelungen zu sein. Wie gesagt, in Einzelfällen sind solche Sequenzen nachgewiesen worden.

Frage: Virologen wie Herr Streeck und Herr Stöhr sagen, dass eine Inzidenz von 50 im Winter unrealistisch und für die Bevölkerung demotivierend sei. Es sei eine Zahl der Politik ohne wissenschaftliches Fundament. Gibt es Überlegungen in der Bundesregierung, diese Zielmarke von 50 anzupassen oder zu überdenken?

StS Seibert: Nein, diese Zielmarke bleibt weiterhin eine wichtige Zielmarke. Es stimmt, sie kommt nicht im engeren Sinne aus der Wissenschaft, sondern sie kommt aus der Betrachtung der Möglichkeiten, die unser Gesundheitssystem und die speziell die Gesundheitsämter haben, um die notwendige Nachverfolgung jedes einzelnen Infektionsfalls und die notwendige Nachverfolgung von Infektionsketten zu leisten. Ich denke, dass das nicht demotivierend ist, sondern dass es für die Bevölkerung sehr motivierend ist, wenn wir wieder in einen Zustand kommen, wie wir ihn im Sommer und im Frühherbst hatten, in dem unser Gesundheitssystem tatsächlich in der Lage war, das pandemische Geschehen so einigermaßen zu kontrollieren. Das hat ganz entschieden mit diesem Zielwert zu tun.

Wir sind im Moment nicht schnell genug auf dem Weg zu diesem Zielwert. Gleichzeitig gibt es dieses jetzt von außen kommende und bei uns möglicherweise schon existente Risiko der Mutation. Das sollte für uns Grund genug sein, unsere Anstrengungen noch einmal zu verstärken.

Frage: Welche Haltung hat die Bundesregierung in der Diskussion über eine mögliche Einführung eines EU-Zertifikats, das Geimpfte das Reisen im Schengen-Raum erleichtern könnte und über das bei der Videokonferenz am Donnerstag beraten werden könnte?

StS Seibert: Wenn das am Donnerstag zu beraten ist, werde ich jetzt hier nicht den Beratungen vorgreifen.

Frage: Herr Seibert, zwei Fragen zu der Ankündigung in Bezug auf Dienstag und dem, was Sie gerade ausgeführt haben.

Die Zahlen von heute sind im Vergleich zu den Zahlen am letzten Freitag deutlich niedriger. Das RKI sagt, dass man eigentlich erst am 17. Januar sagen könne, wie verlässlich die Zahlen sind. Ist es jetzt nicht verfrüht, schon vor dem 17. Januar zu einer Schlussfolgerung zu kommen, welchen Weg man gehen muss?

Zweitens. Wie sieht es eigentlich mit Ihrem Appell in Sachen Homeoffice in den Ministerien aus? Gibt es in der Bundesregierung einen Überblick, wie groß der Anteil des Homeoffice in den einzelnen Ministerien ist?

StS Seibert: Die Ministerpräsidentenkonferenz kommt, wie ich gerade gesagt habe, am Dienstag, dem 19. Januar, zusammen. Die Erwartung ist - so hat sich auch Herr Wieler hier gestern wieder geäußert -, dass wir in den nächsten Tagen sehr viel klarer sehen werden, wie die Zahlen zu interpretieren sind, dass sich bestimmte Verzerrungen auflösen, die sich über die Feiertage und den Jahreswechsel - das geringere Testen usw. - ergeben haben. Das heißt, am 19. Januar gehen Bund und Länder davon aus, schon beurteilen zu können, wo wir stehen.

Ich kann Ihnen jetzt keine Zahlen zur Homeofficenutzung in den Bundesministerien nennen. Wenn es dazu etwas nachzureichen gäbe, würden wir das tun. In meinem eigenen - zugegeben Kleinen - Haus wird ganz überwiegend Homeoffice genutzt, und zwar um die 80 Prozent.

Zusatzfrage: Könnte die Bundesregierung die Zahlen wirklich nachreichen? Das ist eine Sache, die, glaube ich, viele interessiert, weil wir eine breite Debatte haben. Deshalb fragt man sich, was die Bundesregierung intern macht.

StS Seibert: Sicher ist, dass sich die Bundesregierung von diesem Appell - das ist ganz klar - selber nicht ausnimmt. Das ist auch die Haltung in den Häusern. Ob es Zahlen dazu gibt, weiß ich nicht. Aber ich versuche, zu prüfen, ob wir das nachreichen können.

Frage: Herr Seibert, es gibt eine signifikante Zahl von Personen, die sich nicht an die Beschränkungen halten. Das zeigen auch Bewegungszahlen im Vergleich zum Frühjahr. Bringt es etwas, immer neue Beschränkungen einzuführen, wenn es an der Durchsetzung dieser Maßnahmen offensichtlich hapert?

StS Seibert: Man kann auch umgekehrt sagen: Der Eindruck ist immer noch - und nicht nur anekdotisch -, dass sich sehr, sehr viele Menschen - die überwiegende Mehrheit der Menschen - an die wesentlichen Einschränkungen halten, sie im Übrigen auch innerlich unterstützen und ihre Notwendigkeit einsehen. Für die Überprüfung der Einhaltung der Maßnahmen sind ja im Wesentlichen die Länder zuständig.

Wir denken, dass wir sehr klar argumentieren können, wo wir jetzt stehen und warum wir für diese nächsten Wochen, die noch sehr schwer sein werden, bevor uns erstens das Wetter und zweitens das Voranschreiten des Impfens hilft, noch Kontaktreduzierungen als oberste Maxime verfolgen müssen.

Frage: Herr Seibert, warum hält die Bundesregierung immer noch an Freiwilligkeit in Sachen Homeoffice fest? Warum bleibt es bei Appellen? Können Sie das einmal sehr klar argumentieren?

Appellieren Sie zum Beispiel auch in Ihrem eigenen Haus und machen das nicht verpflichtend? Können sich Ihre Mitarbeiter aussuchen, ob sie kommen oder nicht?

StS Seibert: Ich habe gesagt, dass sich in meinem eigenen - zugegeben Kleinen - Bundespresseamt der ganz überwiegende Anteil von Mitarbeitern im Homeoffice befindet. Dort sind die Räume und Korridore sehr leer. Das geschieht auf gemeinsamer Vereinbarungsbasis und großer Einsicht in die Notwendigkeit dieser Maßnahmen.

Zusatzfrage: Warum hält die Bundesregierung an sich an der Freiwilligkeit fest? Warum verpflichten Sie die Unternehmen nicht und führen keine Bußgelder ein?

StS Seibert: Vielleicht möchte sich auch das Wirtschaftsministerium dazu äußern.

Wie gesagt, der Bundespräsident hat heute gemeinsam mit den Spitzen der Sozialpartner auch noch einmal einen öffentlichen Aufruf gestartet. Klar ist: Homeoffice ist nicht für jeden Beruf und jede Tätigkeit geeignet. Produktion, Fertigung, Pflege, Versorgung - das sind Berufe und Funktionen mit wichtigen Gütern, die nicht im Homeoffice funktionieren.

Wir haben aber im vergangenen Frühjahr erlebt, dass der Anteil derjenigen, die von zu Hause gearbeitet haben, noch höher war als jetzt. Es ist also möglich. Wir denken, dass wir über Appelle und Einsicht in die Notwendigkeit - und auch über die Einsicht, dass uns das alles etwas bringt - auch vorankommen können. Denn je stärker wir jetzt in der Lage sind, die Kontakte und auch die Infektionszahlen herunterzufahren, desto kürzer müssen wir mit solchen - zugegeben sehr einschneidenden - Maßnahmen leben. Es gibt im Moment keine zwingende Regelung, die derzeit in der Bundesregierung auf der Tagesordnung stünde.

Eichler: Ich kann mich dem, was Herr Seibert gesagt hat, nur anschließen. Wir schließen uns dem Appell an und setzen uns dafür ein. Wir appellieren an alle Arbeitgeber, dass dort Homeoffice ermöglicht wird, wo es auch möglich ist. Das ist nicht überall der Fall. Dort, wo es möglich ist, soll es auch möglich sein.

Auch unsere Erfahrung ist, dass es schon weitgehend möglich gemacht wird. Ich kann für unser Haus sagen, dass der überwiegende Anteil der Mitarbeiter im Homeoffice arbeitet. Ich weiß nicht, ob eine Verpflichtung so viel zielführender wäre. Ich denke auch, dass dabei viele Faktoren eine Rolle spielen, und zwar nicht nur auf Arbeitgeberseite, sondern auch auf der Seite der Beschäftigten. Es sorgt für größere Akzeptanz, wenn in Absprache geschieht, wann Beschäftigte im Homeoffice arbeiten und wann nicht.

Wie gesagt, heute hat der Bundespräsident appelliert. Auch Herr Altmaier hat schon mehrfach appelliert und darauf hingewiesen, die Möglichkeit des Homeoffice zu nutzen. Ich denke, das ist der richtige Weg.

Frage: Thüringen hat die Landtagswahl mit Verweis auf die aktuelle Lage bezüglich der Coronainfektionen auf September verlegt, also zum gleichen Zeitpunkt der Bundestagswahlen. Gibt es in der Bundesregierung bereits Pläne, wenn sich auch im Frühherbst dieses Jahres die Inzidenzen nicht so entwickelt haben, wie die Bundesregierung sich das erhofft, die Bundestagswahl entweder in Form von verstärkter Briefwahl zu adaptieren oder sogar in Gänze zu verschieben?

StS Seibert: Ich sehe keinen Anlass, über so etwas jetzt zu spekulieren.

Zusatzfrage: 2021 ist ja ein Superwahljahr. Unter Umständen wird die Landtagswahl in Thüringen nicht die letzte Wahl sein, die verschoben wird. Haben Sie mit Ihrer jetzigen Aussage impliziert, dass es bisher keinerlei Pläne gibt - auch nicht in der Schublade der Bundesregierung -, die sozusagen präventiv anvisieren, was geschieht, wenn sich die Lage im Herbst - das ist ja nicht mehr so lange hin - nicht entsprechend verbessert hat?

StS Seibert: Ich sehe für die Bundesregierung keinen Grund, darüber jetzt zu spekulieren.

Vielleicht kann die Kollegin aus dem Innenministerium noch einmal darüber aufklären, wie Wahltermine in Deutschland zustande kommen.

Vick: Ich habe dem, was Herr Seibert gesagt hat, eigentlich nichts hinzuzufügen. Das Prozedere ist, dass dem Kabinett ein Wahltermin vorgeschlagen wird - das ist ja im November passiert -, und der Bundespräsident dann entscheidet beziehungsweise das absegnet.

Zusatzfrage: Auch das BMI verfügt noch nicht über Präventivpläne, was den Umgang mit der Bundestagswahl unter Pandemiebedingungen angeht?

Vick: Ich habe dem, was Herr Seibert gesagt hat, nichts hinzuzufügen.

Frage: Herr Seibert, Sie haben - sagen wir es so - freundlich-optimistisch festgestellt, nach wie vor würde sich die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung an Restriktionsmaßnahmen aus eigenem Antrieb beteiligen. Institute der Bundesregierung stellen dem gegenüber aber fest, dass in der zweiten Welle die Restriktionsmaßnahmen erheblich nachlässiger und großzügiger, wenn man so will, befolgt oder nicht befolgt werden.

Vor diesem Hintergrund: Welche Rolle spielte in den Beratungen der Bundesregierung die Initiative „Zero Covid“, die ja sagt, dass eigentlich nur ein kompletter, dann auch europäischer zeitweiliger harter Lockdown hilft, weil ansonsten immer wieder Jo-Jo-Effekte eintreten, weil man mit der „flatten-the-curve“-Strategie, zu der auch letztlich dann auch eine Inzidenz von 50 gehört, im Grunde gescheitert sei? Nehmen Sie diese Initiative ernst? Geht sie in Ihre Beratungen ein? Ist das eine Perspektive?

StS Seibert: Die Bundesregierung - und das gilt sicherlich auch für die Länder - nimmt grundsätzlich den gesamten Forschungsstand - alle Meinungen von Experten, die auf Studien und Forschungsarbeit basieren - zur Kenntnis. Das alles fließt in vielfältiger Weise in unsere Regierungsarbeit in dieser Pandemie ein und natürlich auch in Beschlüsse, die dann gefasst werden. Es wird alles zur Kenntnis genommen. Es gibt das Bundesgesundheitsministerium und das RKI, die ja einen sehr genauen Blick auf das haben, was sozusagen von Experten und Fachleuten geäußert wird.

Zusatzfrage: Sie sagten, Sie nähmen das zur Kenntnis. Daraus wird ja eine explizite Empfehlung oder Strategie abgeleitet. Diese Strategie als solche ist in der Beschlusslage der Bundesregierung nicht wahrzunehmen. Denn das würde tatsächlich bedeuten: Wir gehen auch noch unter die Inzidenz von 50, wir gehen auf die Inzidenz von null, wie es auch die Strategie in anderen Nationen gewesen ist. - Spielt diese Überlegung bei Ihnen derzeit keine Rolle?

StS Seibert: Zur Kenntnis zu nehmen, auszuwerten, zu analysieren, was an Forschungs- und Wissenschaftsmeinungen im Umlauf ist, heißt nicht, es eins zu eins in Beschlüsse umzusetzen. Die Beschlüsse sind immer Ergebnis politischer Bewertungen, aber auf der Basis einer wissenschaftlich fundierten Faktenlage und dessen, was Wissenschaftler uns mitteilen.

Hier gab es neulich - leider ist der Fragesteller heute nicht da - die grundsätzliche Frage nach der Haltung der Wissenschaft zu Lockdownmaßnahmen. Irgendwie stand, meine ich, die absurde Behauptung im Raum, es gebe keine wissenschaftliche Grundlage für politische Beschlüsse. Ich kann bei der Gelegenheit vielleicht noch einmal ein paar Worte sagen; dann müssen wir das nicht jedes Mal tun.

Die Regierungs-PK ist natürlich nicht der Ort, um wissenschaftliche Studien zu diskutieren. Das tun Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen täglich. Gott sei Dank, wenden Sie sich auch immer wieder mit ihren Erkenntnissen an die Öffentlichkeit. Da gibt es ganz klare Aussagen über die Notwendigkeit und den Nutzen von deutlichen Kontaktreduzierungen, Aussagen von führenden Virologen, von Epidemiologen, von Experten, die rechnergestützte Modelle zur Entwicklung von Pandemien erstellen. Ein guter Weg, um sich über den Studienstand - das sage ich auch für das Protokoll, weil das hier, wie gesagt, mehrfach hinterfragt wurde - auf dem Laufenden zu halten, ist die Webseite des Robert-Koch-Instituts. Dort kann man viel zum Stand der Forschung erfahren.

Frage: Ich habe eine Frage an das Gesundheitsministerium. Ich will auf die Frage von vorhin betreffs eines EU-Zertifikats für Geimpfte zurückkommen. Eigentlich hat das Kabinett erst an diesem Mittwoch eine neue Einreiseverordnung beschlossen. Darin ist keine Ausnahme für Geimpfte vorgesehen. Ist die deutsche Position also nicht die, dass solch ein EU-Zertifikat für Geimpfte bei der Einreise abgelehnt würde?

Kautz: Diese Einreiseverordnung müssen Sie auch so sehen, dass sie natürlich den wissenschaftlichen Grundlagen angepasst wird. Momentan sehen wir es noch nicht als ausreichend gesichert an, dass diejenigen, die geimpft sind, nicht selbst infektiös sein können. Deshalb ist die Einreiseverordnung so formuliert, wie sie formuliert ist.

Zusatzfrage: Heißt das, dass sich Deutschland nächsten Donnerstag, weil ja nicht zu erwarten ist, dass innerhalb weniger Tage neue wissenschaftliche Erkenntnisse kommen, gegen solch ein EU-Zertifikat aussprechen wird?

Kautz: Meine hellseherischen Fähigkeiten sind noch nicht besonders gut ausgeprägt.

Frage: Noch mal ein paar Lernfragen zu den Appellen, Herr Seibert, gegebenenfalls Frau Eichler und das Arbeitsministerium: Gibt es denn Kriterien für Ihre Appelle, also bis wann Sie die Appelle kommunizieren werden und wann Sie umsteigen werden, oder ist Eigenverantwortung das Maximum, was unumstößlich ist, und können Bundesländer eigentlich eigene Homeofficeregeln machen?

Vielleicht ans Arbeitsministerium direkt: Uns erreichen ja auch immer wieder - alle unsere Kollegen, wahrscheinlich - Mails und Nachrichten von Arbeitnehmern, die berichten, dass der Arbeitgeber Homeoffice verweigert. Herr Seibert, was sollen Arbeitnehmer machen, deren Arbeitgeber Homeoffice verweigern?

StS Seibert: Umso wichtiger ist es sicherlich, dass der Appell, den der Bundespräsident heute in Sachen „mehr Homeoffice“ ausgesprochen hat, von den Sozialpartnern flankiert wurde, also von Herrn Dulger für die BDA und von Herrn Hoffmann für die Gewerkschaften. Das ist eine gemeinsame Haltung, und das sollte auch entsprechend durchgeführt werden.

Mühlhausen: Vielleicht darf ich dazu noch etwas ergänzen. Natürlich hat auch der Bundesminister immer wieder deutlich gemacht, dass Homeoffice dort einzusetzen ist, wo es möglich ist. Er hat auch jüngst in einem großen deutschen Blatt ganz deutlich gesagt, dass dies nicht nur irgendein Appell ist, sondern jetzt eine ganz klare Ansage von Bund und Ländern an die Wirtschaft und darüber hinaus. Auch das ist bekannt. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales setzt sich für einen Ordnungsrahmen für mobile Arbeit ein, der sich derzeit noch in der regierungsinternen Abstimmung befindet.

Was die aktuelle Situation betrifft, so ist völlig klar, dass wir das im Blick behalten. Das ist immer wieder vor dem Hintergrund der aktuellen Pandemiesituation zu bewerten. Der betriebliche Arbeitsschutz ist Grundlage für Entscheidungen. Bis dahin gelten aktuell die Arbeitsschutzregeln, die auch auf der Seite des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales einzusehen sind.

Zusatzfrage: Ich hatte ja gefragt, ob die Bundesländer eigene Homeofficeregeln machen und zum Beispiel Bußgelder einführen können. Oder ist das absolute Bundessache?

Herr Seibert, ich habe Sie so verstanden: Die Arbeitnehmer, denen Homeoffice vom Arbeitgeber verweigert wird, haben dann Pech, wenn die Arbeitgeber nicht auf die Appelle jetzt vom Bundespräsidenten hören. Da gibt es keine Anreize oder so etwas.

Vorsitzender Feldhoff: Fangen wir mit der rechtlichen Frage an.

Eichler: Die kann ich, ehrlich gesagt, nicht beantworten. Vielleicht kann das BMAS mehr dazu sagen.

Mühlhausen: Ich kann dazu an dieser Stelle nur sagen, dass die Arbeitsschutzregeln, die in der Coronapandemie getroffen wurden, natürlich bundesweit gelten.

Zusatzfrage: Herr Seibert?

StS Seibert: Ich habe dem nichts hinzuzufügen.

Zusatz: Es ist doch ein reales Problem. Einem Arbeitnehmer wird verweigert, ins Homeoffice zu gehen, und Ihre Antwort war gerade: Darum ist der Appell wichtig. - Die Appelle haben doch bisher nicht gewirkt.

Eichler: Um das vielleicht abzuschließen: Wir hier und auch unsere jeweiligen Minister haben schon mehrfach darauf hingewiesen und darauf gedrungen, dass das Homeoffice da ausgeübt wird, wo es möglich ist. Sie sehen allein daran, dass dieser Appell heute ja jetzt ganz aktuell vom Bundespräsidenten und von den Sozialpartnern noch einmal vorgetragen worden ist, dass wir, dass die Politik als Ganzes dieses Thema offensichtlich weiter auf dem Schirm hat und weiter darauf dringt, dass es dort ermöglicht wird, wo es geht.

Frage: Ist es eigentlich rechtlich möglich, Homeoffice anzuordnen, wie es zum Beispiel die Grünen fordern?

Vorsitzender Feldhoff: Die Frage geht sicherlich an das BMAS beziehungsweise an das Wirtschaftsministerium.

Eichler: Dazu kann ich nichts sagen. Das Thema würde ich eher beim BMAS sehen.

Mühlhausen: Ich kann an der Stelle auch nur noch einmal die Position deutlich machen. Wir als Bundesministerium für Arbeit und Soziales haben die aktuelle Situation im Blick und bewerten sie immer wieder vor dem Hintergrund des aktuellen Pandemiegeschehens. Der betriebliche Arbeitsschutz ist dann auch Grundlage für Entscheidungen. Wir haben im Moment ja schon geltende Arbeitsschutzregeln für diese Pandemie aufgestellt, die fortan gelten. Der Minister hat ja auch immer wieder schon deutlich gemacht, dass er für ein Recht auf Homeoffice eintritt. Der Gesetzentwurf dafür liegt jetzt ja auch zur Abstimmung in der Bundesregierung vor.

Vorsitzender Feldhoff: Ich denke, die Frage war gar nicht, ob Sie das wollen oder nicht wollen, sondern ob es derzeit rechtlich möglich ist, per Verordnung Homeoffice anzuordnen, oder ob es zum Beispiel dieses Gesetzentwurfes bedarf, der sich ja noch in der Abstimmung befindet.

Mühlhausen: Die Antwort würde ich gegebenenfalls nachreichen.

Frage: Warum wurde nicht per Verordnung oder gegebenenfalls durch Gesetz geregelt, dass Daten der Meldeämter für Impfbenachrichtigungen genutzt werden können?

Frage: Es gibt einen parlamentarischen Vorstoß, die Priorität bei den Impfungen und andere Aspekte der Impfverordnung wie das Impfmonitoring gesetzlich zu regeln. Was hält der Minister davon?

Kautz: Das Erste ist im Bundesmeldegesetz verankert. Dazu müsste das BMI etwas sagen. Es ist möglich, diese Daten zu nutzen, um die Personen entsprechend anzuschreiben.

Zur zweiten Frage: Die Priorisierung für die Impfung ist gesetzlich grundgelegt. Auch die anfängliche Priorisierung ist gesetzlich grundgelegt. Das war Gegenstand einer Bundestagsdebatte. Auf dieser Grundlage ist die Verordnung nach Empfehlung der STIKO erfolgt.

Frage: Wie zufrieden sind Sie mittlerweile mit dem Tempo der Impfungen?

Wie beurteilen Sie das Zusammenspiel von Bund und Ländern zum jetzigen Zeitpunkt? Berlins Regierender Bürgermeister Müller behauptete neulich immer noch, die mangelnde Verlässlichkeit der Impfstofflieferungen sei das Problem.

Die Fragen gehen an Herrn Seibert und an Herrn Kautz.

Kautz: Ich kann zum Tempo der Impfungen sagen, dass wir die Marke von einer Million Impfungen fast überschritten haben. Ich kann noch einmal auf ein Dashboard verweisen, das wir angelegt haben. Darauf kann man tagesaktuell sehen, wie viele Personen geimpft wurden, wer geimpft wurde, natürlich nicht namentlich. Wir sind jetzt bei ungefähr einer Million Impfungen.

Die Länder wissen sehr genau, wie es mit Lieferterminen und Liefermengen aussieht. Insofern kann ich die Aussage von Herrn Müller nicht nachvollziehen.

Frage: Ich habe eine Nachfrage zu den Ausführungen von Herrn Seibert, was die Studienlage angeht. Ich hatte hier im November nach evidenzbasierten Daten gefragt, die der Bundesregierung über die Wirkung eines Lockdowns vorlägen. Darauf hat der Kollege vom Gesundheitsministerium eingeräumt, dass es solche Daten in der Form nicht gebe. Die Antwort von Frau Demmer auf die Frage des Kollegen am vergangenen Mittwoch war auch eher ausweichend.

Man muss ja nicht den Lockdown an sich hinterfragen, aber ich finde es schon eine legitime Frage, über welche konkreten Studien die Bundesregierung verfügt, die tatsächlich darauf hindeuten, dass ein Lockdown die Wirkung hat, die ihm zugeschrieben wird.

Damals im November haben Sie, Herr Seibert, eher mit Ihrem Bauchgefühl argumentiert. Aber das kann ja eigentlich nicht die Grundlage sein - - -

StS Seibert: Entschuldigung! Mit meinem Bauchgefühl habe ich hier in zehn Jahren nicht argumentiert, und damit werde ich auch nicht anfangen.

Zusatz: Den Clip gibt es ja noch. Das ist - - -

StS Seibert: Mein Bauchgefühl - - - Wenn Sie mir das nachweisen können, dann gibt es einen Kaffee.

Zusatzfrage: Schwarz, bitte. - Aber die Frage bleibt ja bestehen. Über welche konkreten empirischen Befunde und Studien verfügt die Bundesregierung, die besagen: „Jawohl, dieser Fokus auf den Lockdown ist die beste Option, über die wir derzeit verfügen“?

StS Seibert: Ich gehe gern noch einmal darauf ein.

Zusatzfrage: Aber die Frage bleibt ja: Über welche konkreten empirischen Befunde und Studien verfügt die Bundesregierung, die sagen: Jawohl, dieser Fokus auf den Lockdown ist die beste Option, die wir derzeit verfügbar haben?

StS Seibert: Ich gehe gern noch einmal darauf ein, weil ich jede Frage in dieser Richtung für legitim halte - ganz klar. Ich bin nur nicht mit allen Schlüssen, die dann aus den Antworten gezogen werden, einverstanden. Aber das ist ja in Ordnung.

Die Regierungspressekonferenz ist nicht der Ort, um virologische epidemiologische Studien miteinander zu diskutieren. Ich glaube, dafür fehlen mir, aber wahrscheinlich auch Ihnen - bei allem Respekt - die wissenschaftlichen Grundlagen. Das tut die Wissenschaft. Trotzdem gibt es ganz klare Aussagen in der Wissenschaft.

Das Gute, wenn es überhaupt etwas Gutes an dieser Pandemie gibt, ist ja, dass wir uns vielmehr mit Wissenschaft beschäftigen und dass Wissenschaftler auch den direkten Weg zu den Bürgern finden. Gestern konnten Sie zwei Wissenschaftler in Hauptnachrichtensendungen des deutschen Fernsehens mit aufschlussreichen Interviews sehen.

Ich habe auf die Seite des Robert-Koch-Instituts, die wirklich einen guten Einstieg in den Studienstand gibt und von der aus man sehr viel zum Stand der Forschung erfahren kann, hingewiesen. Viel wurde berichtet, zum Beispiel im Dezember über den Aufruf von mehr als 1000 internationalen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zu einem europaweiten Lockdown, um zu niedrigeren Fallzahlen und zu einer besseren Kontrollierbarkeit des Virus zu kommen. Er ist am 18.12. veröffentlicht worden.

Ihnen ist sicherlich auch bekannt, dass die Leopoldina, unsere nationale Akademie der Wissenschaften, Anfang Dezember eine Stellungnahme abgegeben hat. Die Überschrift damals hieß: Feiertage und Jahreswechsel für harten Lockdown nutzen.

Das sind Wortmeldungen aus der Wissenschaft - man könnte viele, viele mehr nennen -, hinter denen natürlich wissenschaftliche Arbeit, Forschung und Studien stehen und die eine klare Sprache sprechen. Tagtäglich gibt es weitere Beispiele. Die Wissenschaft trägt Enormes dazu bei, dass wir am Ende stärker als dieses Virus sein werden. Die Arbeit der Wissenschaftler ist fundamental wichtig, auch für die Entscheidungen, die dann am Ende doch wieder politisch verantwortet werden müssen, und zwar von Wissenschaftlern aus allen Fachrichtungen.

Zusatzfrage: Nur ganz kurz: Herr Seibert, Sie haben jetzt wieder auf Stellungnahmen und Aufrufe verwiesen, die alle um die zwei bis vier Seiten stark sind. Aber der Kollege am Mittwoch hat ja tatsächlich einen Punkt, dass wirklich „peer-reviewte“ wissenschaftliche Studien, die auch den entsprechenden Standards standhalten, bisher das Gegenteil implizieren. Da wäre es doch an der Bundesregierung, Studien in Auftrag zu geben - es ist ja mittlerweile seit Beginn dieser Pandemie schon fast ein Jahr vergangen -, die diese Lockdown-Maßnahmen belegen. Bisher gibt es, soweit ich das im Blick habe, tatsächlich weltweit keine Studien, die den Namen verdienen, die wirklich in der Lage sind, diese Wirkungen zu belegen. Um noch eine Frage daraus zu machen: Plant denn die Bundesregierung eine entsprechende Studie?

StS Seibert: Ich lasse Ihre Behauptungen jetzt einfach einmal im Raum stehen. Ich denke, ich habe auf einige Stellungnahmen von international anerkannten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern verwiesen, die für jedermann zugänglich sind. Wer noch sehr viel mehr wissen will, kann sich über die Webseite des Robert-Koch-Instituts informieren.

Ich wiederhole noch einmal: Dies ist nicht der Ort, um einander mit wissenschaftlichen Studien zu überzeugen. Denn ich glaube, wie gesagt, dafür fehlen uns Grundkenntnisse.

Die Politik muss aber die Grundlagenarbeit, die die Wissenschaft in all ihren Fachrichtungen macht, zur Kenntnis nehmen. Das ist für uns eine ganz wichtige Basis für Entscheidungen, die dann natürlich politisch zu verantwortende Entscheidungen sind.

Kautz: Darf ich vielleicht noch eine Sache ergänzen? Dass sich COVID-19 als Virus darstellt und sich Viren über Kontakte übertragen, das ist wissenschaftlich erwiesen. Dass ein Lockdown zu einer Kontaktbeschränkung führt, ist auch so.

Weiter würde ich jetzt gar nicht mit der wissenschaftlichen Auswertung gehen. Ich schließe mich da Herrn Seibert an. Insofern erübrigt sich auch irgendwie die Frage.

Vorsitzender Feldhoff: Ein Kollege, wies mich darauf hin, dass das BMG bei der Meldedatennutzung an das BMI verwiesen hatte. Vielleicht können Sie uns noch einmal Auskunft geben, wie es mit der Meldedatennutzung im Bereich des Impfens ist.

Vick: Genau. § 34 Bundesmeldegesetz eröffnet die Möglichkeit, die erforderlichen Daten zu übermitteln. Demnach gibt es keine Regelungslücke.

Frage: Herr Seibert, Sie haben jetzt mehrfach gesagt, dass die Bundesregierung die Ergebnisse der Wissenschaft bewertet. Sie haben auf die Studie der Leopoldina vom Dezember hingewiesen und auf die Aussagen der Wissenschaftler von gestern. Da würde mich jetzt schon interessieren, wie die Bundesregierung die Aussagen, sowohl der Leopoldina als auch der beiden Wissenschaftler, bewertet, die ja beide Lockdownmaßnahmen fordern, die weit über das hinausgehen, was wir hier im Moment in der Bundesrepublik erleben. Wie bewertet die Bundesregierung die Empfehlungen dieser Expertinnen und Experten?

StS Seibert: Ich bewerte jetzt hier nicht einzelne wissenschaftliche Aussagen oder Aussagen von Forschern und Forscherinnen. Ich habe gesagt, dass die Bundesregierung - und zwar die Ministerien genau wie das Kanzleramt - zur Kenntnis nimmt, welche grundlegenden Erkenntnisse - sie entwickeln sich ja ständig weiter - die Wissenschaft der Öffentlichkeit und auch uns präsentiert. Daraus sind politisch zu verantwortende Entscheidungen zu machen. Die nächste Runde der Kanzlerin mit den Ministerpräsidenten liegt am Dienstag an. Ich habe über die Notwendigkeit, dass wir noch stärker, noch schneller in der Lage sind, Kontakte zu reduzieren, um wirklich auch die Inzidenz herunterzutreiben, gesprochen und werde jetzt hier nicht in weitere Beurteilungen von wissenschaftlichen Aussagen einsteigen.

Zusatzfrage: Das heißt, die Ergebnisse dieser Studien, die Forderungen dieser Wissenschaften, werden auch in die Beratungen am Dienstag einfließen?

StS Seibert: Im weitesten Sinne. Ich kann Ihnen doch jetzt nicht sagen: Studie A, Studie B, Studie C spielt da eine Rolle. Es ist auch die Aufgabe der Ministerien, es ist die Aufgabe der Fachabteilungen im Kanzleramt, es ist vor allem die Aufgabe des RKI, uns immer über den sich Gott sei Dank ständig entwickelnden Stand der Wissenschaft auf dem Laufenden zu halten. Auf dieser Basis und mit gutem Fundament werden politische Entscheidungen getroffen.

Frage: Ich möchte noch einmal auf das Verhältnis zwischen Appell und Verpflichtung zu sprechen kommen. Die ersten Shutdownmaßnahmen im März erfolgten mit Hinweis darauf, dass zuvor gegebene Appelle nicht hinreichend befolgt worden waren. Das würde doch eigentlich auch jetzt gelten.

Zum Zweiten, zur Umsatzbarkeit der Verpflichtung von Homeoffice: Kann man da nicht mit § 18 des Arbeitsschutzgesetzes argumentieren, der eben genau solche Maßnahmen für epidemische Situationen vorsieht? Man kann ja auch Homeoffice als so etwas wie Maskenpflicht für juristische Personen ansehen. Ein Unternehmen ist eine juristische Person, und mit einer Verpflichtung zum Homeoffice würden andere Menschen wie durch eine Maske geschützt werden. Die Analogie liegt doch auf der Hand. Warum greifen Sie nicht offensiv zu diesen Instrumenten?

Mühlhausen: Ohne jetzt auf Ihren konkreten Vorschlag einzugehen, kann ich auch noch einmal bezüglich der vorangehenden Frage ergänzen: Das gerade in Kraft getretene Arbeitsschutzkontrollgesetz eröffnet die Möglichkeit, zusätzlich verbindliche Maßnahmen des betrieblichen Infektionsschutzes auf dem Wege einer Ministerverordnung nach dem Arbeitsschutzgesetz bundesweit einheitlich vorzugeben. So prüft das BMAS natürlich laufend, auch im Hinblick auf gegebenenfalls schärfere Maßnahmen zur Kontaktreduzierung in den Betrieben und mit Blick auf die aufgetretenen eventuell deutlich infektiöseren Virusmutationen. Die Bewertung der Lage ist dann aber immer im Lichte des aktuellen Pandemiegeschehens zu treffen. Es geht hier grundsätzlich um den betrieblichen Arbeitsschutz.

Zusatzfrage: Wenn wir aber nun die Steigerungszahlen bei den Infektionen erleben, wie wir sie gerade erleben, ist das nicht Anlass genug zu sagen: Wir haben eine Situation erreicht, wo genau dieses aus Zwecken des betrieblichen Arbeitsschutzes, der ja auch dadurch gegeben ist, wenn Mitarbeiter ins Homeoffice gehen, erforderlich ist? Sind nicht die Voraussetzungen für das gegeben, was Sie eben als Möglichkeit zitiert haben?

Mühlhausen: Sie haben ja den Satz schon mit „wenn“ angefangen. Es ist also eine Spekulation. Ich habe bereits betont - dabei bleibe ich auch; dem habe ich nichts hinzuzufügen -: Es wird vor dem Hintergrund des aktuellen Pandemiegeschehens natürlich immer wieder die Lage und Situation bewertet.

Frage: Sehen Sie auch Ansatzpunkte, im öffentlichen Nahverkehr durch Auflagen oder zusätzliche Kapazitäten mehr Kontakte zu vermeiden? Sind Betriebseinstellungen eine Option für die Bundeskanzlerin?

StS Seibert: Das, was ich vorhin über die Notwendigkeit gesagt habe, Kontakte weiter zu verringern und auszudünnen, das gilt nach Überzeugung der Bundesregierung auch für den öffentlichen Nahverkehr. Das heißt aus Sicht der Bundesregierung: Wir müssen zu weniger Kontakten der Menschen im öffentlichen Nahverkehr miteinander kommen, also Wege finden, wie die Kontakte unter den Fahrgästen ausgedünnt werden können. Das heißt nicht, was ich gestern zum Teil gelesen habe, den ÖPNV einzustellen.

Frage: Können Sie einen „Spiegel“-Bericht bestätigen, wonach sich die Haushaltslöcher in den Jahren 2022 bis 2025 auf rund 90 Milliarden Euro summieren werden? Es ist ja wahrscheinlich gerade alles coronabedingt. Dafür wollte Minister Scholz den Ressorts Einsparungen und Mehreinnahmen verordnen. Wenn ja, welche?

Wogatzki: Wie üblich nehmen wir hier zur aktuellen Berichterstattung keine Stellung. Ich kann aber sagen, dass der Bundestag den Haushalt für 2021 im Dezember verabschiedet hat. Er wurde hier breit vorgestellt. Dem kann ich jetzt nichts hinzufügen.

Frage: Herr Seibert, die Bundesregierung steht wegen der Entwicklung der Pandemie angesichts des Faktors der Mutation des Virus unter Druck. Genau in diesem Moment stürzt Italien in eine politische Krise. Ist die Kanzlerin um diese Situation besorgt? Gibt es vielleicht eine Botschaft an die europäischen Partner? Hat Frau Merkel irgendwelche Kontakte mit Herrn Conte gehabt?

StS Seibert: Ich werde mich für die Bundesregierung jetzt nicht zu innenpolitischen Vorgängen in Italien, unserem Partner- und Freundesland, äußern.

Frage : Wie bewertet die Bundesregierung die Rückkehr von Herrn Nawalny? Hat die Bundeskanzlerin ihm eventuell von einer Rückkehr nach Russland abgeraten?

StS Seibert: Wir sind froh, wie hier, glaube ich, auch am Mittwoch schon gesagt wurde, dass Herr Nawalny so weit von dem Mordanschlag gegen ihn und von seinen Folgen gesundet ist. Er ist natürlich in seinen Entscheidungen völlig frei. Aber wir freuen uns, dass er sich offensichtlich so weit erholt hat, dass er glaubt, diesen Schritt gehen zu können. Mehr habe ich dazu eigentlich nicht zu sagen.

Frage: Am 10. Januar ist die Berliner Polizei ziemlich massiv gegen Teilnehmer der Liebknecht-Luxemburg-Demonstration vorgegangen, und zwar unter Verweis auf einen Anfangsverdacht der Verwendung mutmaßlich verfassungswidriger beziehungsweise verfassungsfeindlicher Symbole. Dabei handelt es sich um Symbole der Freien Deutschen Jugend, der FDJ. Jetzt ist laut Vereinigungsvertrag die FDJ, also zumindest die in der DDR gegründete FDJ, nicht verfassungswidrig. Deswegen würde mich die Einschätzung das BMI interessieren, ob die Symbole der FDJ in der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 2021 als verfassungswidrig angesehen werden oder nicht.

Vick: Dazu kann ich Ihnen nichts sagen. Das muss ich Ihnen gegebenenfalls nachreichen.

Frage: Ich habe eine Frage an das Auswärtige Amt. Es gibt einen Pressebericht darüber, dass der Außenminister oder das Außenministerium, was den Brexit angeht, schon seit einem halben Jahr parallel zur EU Verhandlungen über das Thema geführt hätten, wie Deutschland und Großbritannien außenpolitisch eng zusammenarbeiten könnten. Können Sie das bestätigen? Wie beurteilen Sie das?

Adebahr: Ich kann Sie gerne auf eine Rede verweisen, die der Minister im Bundestag am 13. Februar 2020 gehalten hat; denn klar ist, dass Großbritannien auch nach dem Austritt aus der Europäischen Union ein ganz wichtiger außenpolitischer und sicherheitspolitischer Partner für Europa und auch für Deutschland bleibt. Natürlich ist es auch für die Europäische Union wichtig, in allen Bereichen möglichst enge Beziehungen zu Großbritannien zu haben. Natürlich ist es auch so, dass wir mit Großbritannien zum Beispiel im Format der E3, was den Iran oder andere Themen angeht, zusammenarbeiten, in dem wir ja auch Mitglied sind. Ein weiteres Gremium wären die G7 oder die Vereinten Nationen.

Außenminister Maas hat im Februar dazu auch schon Folgendes gesagt, um diese Notwendigkeit, die überhaupt nichts mit Brexit-Verhandlungen und mit diesem Thema des Brexits zu tun hat, zu unterstreichen:

„Auch bilateral, jenseits der Verhandlungen mit der Europäischen Union, werden wir weiter eng mit unseren britischen Freunden zusammenarbeiten. Mein Kollege Dominic Raab und ich wollen dazu schon in den kommenden Wochen eine gemeinsame Erklärung unterzeichnen, mit der zum Beispiel regelmäßige Treffen auf Ministerebene und Staatssekretärskonsultationen zwischen Deutschland und Großbritannien vereinbart werden.“

Solche regelmäßigen bilateralen Dialoge sind ja auch gar nicht ungewöhnlich. Deutschland unterhält auf Außenministerebene weltweit eine Reihe von Dialogen mit ganz verschiedenen Ländern. Auch andere Länder der Europäischen Union tun das natürlich und werden das auch in Bezug auf Großbritannien tun. Das hat, wie gesagt, nichts mit dem Brexit zu tun, sondern ist einfach eine Notwendigkeit, um unsere Beziehungen zu Großbritannien auch nach dem Austritt zu gestalten.

Zusatzfrage: Darf ich noch einmal nachfragen? – Es gibt ja möglicherweise doch eine Verbindung zum Brexit, weil das Thema der künftigen außen- und sicherheitspolitischen Zusammenarbeit mit Großbritannien ja eigentlich auch auf der Agenda der Brexit-Verhandlungen stand. Deswegen stelle ich die Frage: Hat die Bundesregierung im Rahmen dieser Gesprächen, die es da mit London gab, die EU konsultiert oder informiert?

Adebahr: Über unsere Gespräche mit Großbritannien waren andere Mitgliedstaaten im Bilde. Es besteht, wie gesagt, einfach eine grundsätzliche Notwendigkeit, mit Großbritannien Regelungen zu treffen.

Bezüglich des Brexits und des Abkommens hat das Team Barnier alles verhandelt und gesagt, was dazu notwendig ist.

Vick: Das Strafgesetz verbietet gemäß § 86 das Verbreiten von Propagandamittel verfassungswidriger Organisationen und gemäß § 86a das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Inwieweit die einzelnen Gegenstände beziehungsweise Symbole unter einen Straftatbestand fallen, hängt jedoch stets vom Einzelfall ab, und dessen rechtliche Würdigung obliegt den zuständigen Landesjustizbehörden.

Zusatzfrage: Meine Frage war ja - Sie haben das jetzt eher allgemein ausgeführt -, inwiefern Symbole des FDJ vom BMI als verfassungswidrig gewertet werden. Könnten Sie das noch nachliefern?

Vick: Ja.

Frage: Ich habe eine Frage an das AA. In vier Tagen wird sich die Berliner Libyen-Konferenz jähren. Können Sie mir einen Gefallen tun und aus Sicht des Ministeriums kurz schildern, wo der Berliner Prozess ein Jahr danach steht?

Adebahr: Wir glauben, wir haben mit der Konferenz vor einem Jahr einen ganz entscheidenden Anstoß gegeben, um den Prozess in Libyen in Richtung einer friedlichen Zukunft für alle Menschen in Libyen zu lenken. Klar ist, dass dafür noch eine Strecke zu gehen ist, aber es sind auch schon Erfolge zu verzeichnen, etwa in Bezug auf die Überwachung des Waffenembargos und auch auf den politischen Dialog in Libyen. Diesbezüglich hat das Libyan Political Dialogue Forum in den letzten Wochen getagt und tagt. Dort sitzt man zusammen und berät über die Zukunft Libyens. Insofern sind da Prozesse im Gange.

Wir unterstützen natürlich auch die Vereinten Nationen in ihren Bemühungen, den Friedensprozess dort voranzutreiben. Sie wissen vielleicht, dass es einen Wechsel und einen neuen UN-Sondergesandten für Libyen geben wird. Mit dem wollen wir natürlich auch sehr eng zusammenarbeiten.

Das Grundfazit - ich kann Ihnen das im Rahmen einer Nachreichung vielleicht auch noch genauer aufschlüsseln - ist: Es gibt da Fortschritte, aber es gibt auch noch Schatten. Wir arbeiten weiter als Bundesregierung an diesem Thema.

Zusatzfrage: Geben Sie mir recht, Frau Adebahr, wenn man sich die Vorgänge vor Ort ansieht, also in Libyen selbst, dass das nicht so richtig toll ist, wenn ich das einmal salopp formulieren darf?

Adebahr: Na ja, „nicht so richtig toll“ ist Ihre Formulierung. Ich habe Ihnen gesagt, dass es in Bezug auf militärische Gespräche, die Arbeitsgruppe Wirtschaft und das Libyan Political Dialogue Forum Fortschritte gibt, dass die alle tagen und dass alles auf einen Weg gebracht wurde. Das sind ja - vielleicht darf ich das noch anfügen - Formate, die erst mit der Berliner Konferenz im letzten Januar - ich glaube, dem 19. - aufgesetzt wurden. Das sind Formate und Strukturen, mit denen man versucht hat und derzeit versucht, die verschiedenen Aspekte dieses Prozesses der Zukunft dieses Landes zu ordnen und sie in verschiedene strukturierte Arbeitsgruppen zu lenken. Das ist, glaube ich, auch ein ganz wichtiges Ergebnis der Libyen-Konferenz.

Deshalb gilt: Die Arbeit dort geht weiter. Dass Diplomatie und Friedensverhandlungen ein stetes Bohren ganz dicker Bretter ist, kennen wir aus ganz vielen anderen Kontexten. Aber nein, ich würde schon sagen, da gibt es Fortschritte.

Frage: Das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie hat heute den Weiterbau von Nord Stream 2 mit sofortiger Wirkung genehmigt. Sieht die Bundesregierung die Gefahr, dass ein rascher Weiterbau dieser Pipeline mögliche Gespräche mit der künftigen US-Administration von Herrn Biden über den Abbau der Sanktionen gefährden könnte? Führt die Bundesregierung bereits derartige Gespräche?

StS Seibert: Über die Frage der extraterritorialen Sanktionen haben wir hier ja schon mehrfach berichtet. Das sind Sanktionen, die sich gegen deutsche und europäische Unternehmen richten und die wir grundsätzlich ablehnen. Solche unilateralen, gegen deutsche oder europäische Unternehmen gerichtete Sanktionen extraterritorialer Art lehnen wir ab, und darüber stehen wir bereits im Austausch mit der amerikanischen Regierung. Diese Gespräche werden dann natürlich auch mit der künftigen amerikanischen Regierung fortgeführt werden.

Frage: Meine Frage geht an das Auswärtige Amt. Die Vereinigten Staaten von Amerika haben Kuba diese Woche auf die Terrorliste gesetzt. Teilen die Bundesregierung beziehungsweise das Auswärtige Amt diesen Schritt des US-amerikanischen Partners?

Adebahr: Wir haben diese Maßnahme der USA zur Kenntnis genommen. Die deutsche Position, und die befindet sich ganz im Einklang mit derjenigen der Europäischen Union, ist, dass wir für unsere Politik stehen, die auf einer Förderung der Beziehungen auch zu Kuba - das schließt einen durchaus kritischen und ganz umfassenden Dialog mit Kuba ein - und eine grundsätzliche Dialogbereitschaft ausgerichtet ist.

Unsere Haltung zu extraterritorialen Sanktionen hat Herr Seibert gerade im Grundsatz und auch in anderem Zusammenhang noch einmal geäußert.

Zusatzfrage: Die USA argumentieren ja damit, dass sie Kuba auf die Terrorliste gesetzt haben, weil Kuba ein Terrorsponsor sei. Ein Großteil der Lateinamerika-Experten verneinen das und sagen, dafür gebe es keinerlei Belege. Liegen dem Auswärtigen Amt denn irgendwelche Informationen vor, die diese Listung Kubas rechtfertigen würden?

Adebahr: Mir persönlich nicht.