Regierungspressekonferenz vom 14. September 2022

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im Wortlaut Regierungspressekonferenz vom 14. September 2022

Themen: Kabinettssitzung (Jahressteuergesetz 2022, Entwurf eines Inflationsausgleichsgesetz, Entwurf eines Gesetzes zur Einführung eines Bürgergeldes, Änderung des Energiesicherungsgesetzes und anderer energiewirtschaftlicher Vorschriften, Entwurf eines Gesetzes zur temporären Senkung des Umsatzsteuersatzes auf Gaslieferungen über das Erdgasnetz, Änderung des Stabilisierungsfondsgesetz, Verordnung zur Änderung der Kurzarbeitergeldzugangs-verordnung, Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung der Verordnungsermächtigungen beim Kurzarbeitergeld und anderer Regelungen, Entwurf eines Krankenhauspflegeentlastungsgesetz), Reise des Bundeskanzlers zur 77. Generalversammlung der Vereinten Nationen in New York, Energieversorgungssicherheit, Urteil des Bundesarbeitsgerichtes zur Arbeitszeiterfassung, Verbot der Gruppierung „United Tribuns“, Berichte über Kampfhandlungen entlang der armenisch-aserbaidschanischen Grenze, Schusswechsel entlang der tadschikisch-kirgisischen Grenze, Bemühungen der Vereinten Nationen um Frieden in Libyen, Beteiligung der chinesischen Reederei COSCO am Hamburger Hafen, Rede zur Lage der Union der EU-Kommissionspräsidentin

39 Min. Lesedauer

  • Mitschrift Pressekonferenz
  • Mittwoch, 14. September 2022

Sprecher: StS Hebestreit, Göpner-Reinecke (BMAS), Ungrad (BMWK), Kalwey (BMF), Kall (BMI), Wagner (AA), Helmbold (BMVg)

Vorsitzende Buschow eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Hebestreit sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

StS Hebestreit: Die heutige Kabinettssitzung war eine recht umfangreiche Kabinettssitzung, da es in der vergangenen Woche bekanntlich wegen der Haushaltswoche keine Kabinettssitzung gegeben hat. Deswegen folgt jetzt ein etwas längerer Vortrag.

Die Bundesregierung hat heute das Jahressteuergesetz 2022 auf den Weg gebracht, ein Artikelgesetz mit mehr als 100 Einzelregelungen quer durch das Steuerrecht. Aber keine Sorge, ich werde hier nicht alle 100 Einzelregelungen aufzählen. Neben einer Vielzahl fachlich erforderlicher Änderungen, Anpassungen an EU-Recht und an die aktuelle Rechtsprechung werden auch Vorhaben des Koalitionsvertrags aufgegriffen. Ich möchte hervorheben das Implementieren einer Rechtsgrundlage für direkte Zahlungen öffentlicher Leistungen wie beispielsweise das Klimageld. Das Design dieses Klimagelds ist nicht Gegenstand des Gesetzentwurfs. Es geht um die Rechtsgrundlage.

Außerdem: Die volle steuerliche Berücksichtigung von Rentenbeiträgen ab dem kommenden Jahr 2023, also anders als zunächst geplant nicht erst ab 2025. Dies ist der erste Schritt, um sogenannte Doppelbesteuerungen von Renten zu vermeiden. Der zweite Schritt, die zeitliche Streckung bei der Besteuerung der Renten ist in Arbeit. Diese Regelung wird etwas später kommen, aber auf jeden Fall rückwirkend zum 1. Januar 2023 in Kraft treten.

Eine weitere Regelung ist die Anhebung des Sparerpauschbetrages auf 1000 Euro pro Jahr und des Ausbildungsfreibetrages auf 1200 Euro. Verbesserte Abschreibungsmöglichkeiten im Wohnungsbau kommen noch hinzu. Aus der jüngsten Einigung des Koalitionsausschusses wird zudem die dauerhafte Fortführung der Homeofficepauschale in dem Gesetz abgebildet. Vom kommenden Jahr an wird auch mehr abziehbar sein. Zwar bleibt es bei einem Pauschalbetrag von 5 Euro pro Tag. Dennoch steigt das maximale Jahresvolumen von 600 Euro auf 1000 Euro, sodass dann 200 statt 120 Homeofficetage steuerlich begünstigt sind. Verbessert wird außerdem der steuerliche Rahmen bei Anschaffung privater Photovoltaikkleinanlagen.

Außerdem hat das Bundeskabinett heute den Entwurf eines Gesetzes zum Ausgleich der Inflation durch einen fairen Einkommensteuertarif sowie zur Anpassung weiterer steuerlicher Regelungen beschlossen. Das geht zurück auf die Koalitionsbeschlüsse vom 3. September dieses Jahres zur kalten Progression und zum Kindergeld. Das Gesetz sieht zwei Entlastungsschritte vor ab kommendem Jahr und ab 2024. Ziel ist, inflationsbedingte Mehrbelastungen auszugleichen und Familien gezielt zu unterstützen. Das Entlastungsvolumen beläuft sich 2023 auf mehr als 12 Milliarden Euro und steigt im Jahr 2024 auf etwa 18 Milliarden Euro. Mit dem Gesetz werden erstens die Existenzminima von Kindern und Erwachsenen im Steuerrecht abgebildet. Dies wird durch entsprechende Anhebungen des Grundfreibetrages und des Kinderfreibetrages sichergestellt. Zweitens wird die sogenannte kalte Progression im Einkommensteuertarif ausgeglichen. Dabei handelt es sich um die geschätzte Inflation für die Jahre 2022 und 2023, die im Tarif 2023 beziehungsweise im Tarif 2024 ausgeglichen wird. Im Bereich der sogenannten Reichensteuer - der Steuersatz beträgt dort 45 Prozent - wird es keine Änderungen geben. Drittens. Das Kindergeld für das erste, zweite und dritte Kind wird zum 1. Januar 2023 auf einheitlich 237 Euro pro Monat angehoben. Die Berichte zu Existenzminimum und Steuerprogression werden erst im Oktober vorliegen. Daraus resultierende Anpassungen erfolgen laut Beschluss des Koalitionsausschusses erst im parlamentarischen Verfahren.

Dann hat das Bundeskabinett heute den Entwurf eines Gesetzes zur Einführung eines Bürgergeldes beschlossen. Es ist eine der größten sozialpolitischen Reformen dieser Legislaturperiode und ein wichtiges Projekt im Koalitionsvertrag. Die Bundesregierung will die Grundsicherung für Arbeitssuchende, das sogenannte SGB II weiterentwickeln. In den Jobcentern soll ein vertrauensvolles Miteinander in den Mittelpunkt der Zusammenarbeit rücken. Wer zum ersten Mal Bürgergeld bezieht, soll sich in den ersten beiden Jahren keine Sorgen um sein Erspartes oder die Wohnung machen müssen. Die Menschen sollen sich vielmehr auf Weiterbildung und Arbeitssuche fokussieren. Die Jobcenter sollen sich verstärkt auf Angebote zur Aus- und Weiterbildung konzentrieren. Neue Leistungen wie Coaching und Weiterbildungsgeld sollen die Menschen dabei unterstützen, besser auf dem Ersten Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Bei der Anpassung der Regelbedarfe sollen Preisentwicklungen früher berücksichtigt werden. Die Bedarfe sollen zukünftig nicht mehr rückwirkend, sondern vorausschauend an die Teuerungsraten angepasst werden. Das hilft besonders in Zeiten steigender Preise. Die Regelbedarfe für das kommende Jahr wurden bereits entsprechend berechnet: Ab 1. Januar 2023 erhält etwa ein alleinstehender Erwachsener 502 Euro pro Monat. Das sind 53 Euro mehr als bisher.

Dann hat das Bundeskabinett heute eine Formulierungshilfe für die Koalitionsfraktionen im Deutschen Bundestag beschlossen. Es geht um die Änderung des Energiesicherungsgesetzes und anderer energiewirtschaftlicher Vorschriften. Die Lage auf den Energiemärkten ist nach wie vor angespannt. Die Bundesregierung will deshalb dafür sorgen, dass sich das Stromangebot erweitert, dass wir weniger Gas verbrauchen und zudem zügig die erforderliche LNG-Struktur aufbauen. Um diese Ziele zu erreichen, hat die Bundesregierung ein Bündel an verschiedenen Gesetzesänderungen auf den Weg gebracht. Dazu gehören insbesondere: Änderungen im Energiesicherungsgesetz sollen den Brennstoffwechsel weiter vereinfachen, um so Gas durch andere Energieträger zu ersetzen. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz passen wir an, damit kurzfristig mehr Strom auf Basis von Photovoltaik und Biogas zur Verfügung steht. Anpassungen im Bundesimmissionsschutzgesetz dienen dazu, dass mehr Windstrom an Land produziert werden kann. Wir brauchen außerdem einen schnelleren Ausbau und eine Optimierung der Infrastruktur. Dazu gehören das Stromnetz und die bessere Anbindung von Offshore- und LNG-Anlagen. Änderungen im Energiewirtschaftsgesetz und weitere ergänzende Maßnahmen sollen dazu beitragen. Auch das LNG-Beschleunigungsgesetz soll angepasst werden. Im Vordergrund steht hier, Verfahren zu erleichtern, sodass möglichst große Gasmengen an den Standorten Brunsbüttel, Wilhelmshaven und Lubmin eingespeichert werden können.

Des Weiteren hat das Bundeskabinett heute die Formulierungshilfe für die Koalitionsfraktionen für einen aus der Mitte des Deutschen Bundestages einzubringenden Entwurf eines Gesetzes zur temporären Senkung des Umsatzsteuersatzes auf Gaslieferungen über das Erdgasnetz beschlossen. Dieser Gesetzentwurf ist Teil des dritten Entlastungspaketes. Er soll die Belastungen durch die gestiegenen Gaspreise für die Bürgerinnen und Bürger abfedern. Dazu wird der Umsatzsteuersatz auf die Lieferung von Gas über das Erdgasnetz vorübergehend vom 1. Oktober 2022 bis zum 31. März 2024 von 19 Prozent auf 7 Prozent verringert. Die Umsatzsteuer ist als indirekte Steuer darauf angelegt, dass sie von den Unternehmen grundsätzlich an die Verbraucherinnen und Verbraucher weitergegeben wird. Dies muss auch für den umgekehrten Fall gelten: Die Bundesregierung erwartet von den Unternehmen, dass sie die Steuersenkung eins zu eins an die Verbraucherinnen und Verbraucher weitergeben. Die Steuersenkung entlastet die Bürgerinnen und Bürger von der EU-rechtlich zwingend zu erhebenden Umsatzsteuer auf die neue Gasbeschaffungsumlage. Das Gesetz bedarf der Zustimmung des Bundesrates.

Dann sind wir beim nächsten Punkt. Zur Sicherung der Energieversorgung hat die Bundesregierung mehrere Unterstützungsmaßnahmen ergriffen, mit deren Ausführung sie die Kreditanstalt für Wiederaufbau, die KfW, betraut hat. Ziel ist es, die Liquidität von Unternehmen der Energiebranche und damit die Energieversorgung der Bevölkerung zu sichern. Um der KfW die Erfüllung dieser Aufgabe zu erleichtern, hat das Kabinett heute eine Formulierungshilfe für die Koalitionsfraktionen beschlossen. Sie sieht eine Änderung des Stabilisierungsfondsgesetzes vor. Mit dieser Änderung wird die Mitbenutzung einer bereits bestehenden 100-Milliarden-Euro-Kreditermächtigung, die bisher nicht vollständig genutzt wurde, zur Refinanzierung der KfW-Programme für Energieunternehmen ermöglicht.

Das Kabinett hat heute ebenfalls beschlossen, den erleichterten Zugang zum Kurzarbeitergeld um weitere drei Monate zu verlängern. Damit gilt bis 31. Dezember dieses Jahres: Anspruch auf Kurzarbeitergeld besteht bereits, wenn mindestens 10 Prozent statt regulär ein Drittel der Beschäftigten von Arbeitsausfall betroffen sind. Außerdem müssen Beschäftigte vor der Gewährung des Kurzarbeitergeldes keine Minusstunden aufbauen. Ursprünglich sollte die Regelung am 30. September auslaufen. Doch durch die Auswirkungen des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine drohen eine weitere Verschärfung der Störungen in den Lieferketten und Versorgungsengpässe beim Gas. Mit der nun beschlossenen Verlängerung schafft die Bundesregierung Planungssicherheit für die Unternehmen und trägt zur Stabilisierung des Arbeitsmarktes bei.

Wir bleiben beim Thema Kurzarbeit: Das Bundeskabinett hat heute eine Formulierungshilfe für einen vom Deutschen Bundestag einzubringenden Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung der Verordnungen beim Kurzarbeitergeld beschlossen. Das Gesetz soll die Bundesregierung in die Lage versetzen, auch nach dem 30. September 2022 Sonderregelungen für Kurzarbeitergeld im Wege der Verordnung umfassend und kurzfristig erlassen zu können. Die Verordnungsermächtigung soll bis 30. Juni 2023 gelten.

Dann hat das Bundeskabinett den Entwurf eines Gesetzes zur Pflegepersonalbemessung im Krankenhaus sowie zur Anpassung weiterer Regelungen im Krankenhauswesen und in der Digitalisierung beschlossen. Im Koalitionsvertrag ist die kurzfristige Einführung der „Pflegepersonalregelung 2.0“ als Übergangsinstrument zur verbindlichen Pflegepersonalbemessung zur Umsetzung im Krankenhaus vereinbart. Zur Umsetzung dieser Vereinbarung soll das Bundesgesundheitsministerium mit dem Entwurf ermächtigt werden, im Einvernehmen mit dem Finanzministerium per Rechtsverordnungen Vorgaben zur Ermittlung des Pflegepersonalbedarfes und zur Festlegung dieses Bedarfes zu erlassen. Ziel ist ein stufenweiser Personalaufbau auf Grundlage der ermittelten Daten. Hiermit sollen die Rahmenbedingungen für die Pflege im Krankenhaus verbessert werden und eine hochwertige pflegerische Versorgung gewährleistet sein. Tarifvertragliche Vereinbarungen mit verbindlichen Vorgaben zum Personaleinsatz in der unmittelbaren Patientenversorgung sollen gegenüber den per Rechtsverordnung festzulegenden Regelungen zur Personalbesetzung Vorrang genießen, wenn dies dem übereinstimmenden Willen der Tarifvertragsparteien entspricht. Daneben soll der Gesetzentwurf weiteren, zum Teil kurzfristigen Regelungsbedarfen insbesondere im Krankenhaus- und im Digitalisierungsbereich begegnen: Die Budgetverhandlungen sollen durch Fristen und ein automatisches Tätigwerden der Schiedsstellen beschleunigt werden. Es werden Verwaltungsvereinfachungen und Klarstellungen bei der Krankenhausabrechnungsprüfung vorgenommen und die Strukturprüfung durch die Medizinischen Dienste weiterentwickelt. Das Verfahren zur Übermittlung von Daten der Kalkulationskrankenhäuser wird angepasst. Es werden Klarstellungen und Konkretisierungen zum Krankenhauszukunftsfonds getroffen und dessen Evaluierung weiterentwickelt, der gesetzliche Auftrag des Sachverständigenrates Gesundheit wird ausdrücklich um den Bereich Pflege erweitert. Mit verschiedenen Regelungen zum Digitalbereich soll die Nutzerfreundlichkeit von digitalen Anwendungen gestärkt und zentrale Anwendungen der Telematikinfrastruktur weiter verbreitet werden.

Das waren die Ausführungen zum Kabinett.

Ich möchte noch - dann bin ich auch fertig - eine Reise des Bundeskanzlers ankündigen: Der Bundeskanzler wird am kommenden Montag, den 19. September anlässlich der 77. Generalversammlung der Vereinten Nationen nach New York reisen und dort auch vor der Generalversammlung eine Rede halten. Im Rahmen der Generalversammlung wird der Bundeskanzler vorrangig Termine mit hochrangigen Vertretern anderer Staaten wahrnehmen und über die aktuellen Herausforderungen wie auch Ernährungssicherheit und Klimawandel sprechen. Am Dienstag, den 20. September wird der Kanzler zunächst an der Eröffnung der Generalversammlung teilnehmen. Am Mittwoch, den 21. September ist auch ein Treffen mit UN-Generalsekretär Antonio Guterres geplant. Auf Einladung des UN-Generalsekretärs wird ein Treffen der sogenannten Global Crisis Response Group auf Ebene der Staats- und Regierungschefs stattfinden, in der sich Deutschland besonders zur Frage der globalen Ernährungssicherheit engagiert. Der Bundeskanzler nimmt die Reise auch zum Anlass, um in New York mit Vertretern jüdischer Organisationen zusammenzutreffen. Am Mittwochabend tritt er die Heimreise nach Berlin an, wo er am Donnerstag, den 22. September am Morgen erwartet wird. Ein Briefing für diese Reise bieten wir am Freitag, den 16. September, um 12.30 Uhr in der üblichen Weise hier in der Bundespressekonferenz an.

Frage: An Herrn Hebestreit: Sie haben gesagt, in den ersten zwei Jahren braucht sich ein Erstbezieher keine Sorgen um das Ersparte und die Wohnung machen. Können Sie mir kurz erläutern, wer sich bei einem Bürgergeld künftig trotzdem noch Sorgen um das Ersparte und die Wohnung machen muss? Das Bundesverfassungsgericht hat ja eine wissenschaftliche Grundlage für Sanktionen bei Hartz IV gefordert. Die Sanktionen bleiben jetzt aber beim Bürgergeld, auch wenn sie abgeschwächt sind. Hat die Bundesregierung denn eine wissenschaftliche Grundlage für die Sanktionen?

Göpner-Reinecke: Bei den Sanktionen hat nicht zuletzt das IAB die Wirkung der Sanktionen untersucht und kommt dabei zu dem Schluss, dass es für die Integration in den Arbeitsmarkt zwar einen sehr kurzfristigen positiven Effekt gibt, aber vor allem im Niedriglohnsektor, und dass Sanktionen nicht dazu führen, dass Menschen dauerhaft aus dem Leistungsbezug herauskommen. Genau das ist der Geist, der bei der Bürgergeldreform mitschwingt. Es geht hier nicht mehr um Misstrauen, sondern vor allem um Ermutigung, Befähigung und darum, Menschen vor allem auch langfristig in den Arbeitsmarkt zu bringen. Der Minister hat es heute in mehreren Interviews auf den Satz heruntergebrochen, dass es nicht darum geht, Menschen in der Bedürftigkeit zu verwalten, sondern darum, Brücken in den Arbeitsmarkt zu bauen. - Wiederholen Sie die erste Frage?

Zusatzfrage: Herr Hebestreit hat eingeführt, dass, wer zum ersten Mal Bürgergeld bezieht, sich in den ersten zwei Jahren keine Sorgen um das Ersparte und die Wohnung machen muss. Können Sie mir erläutern, wer sich beim Bürgergeld trotzdem weiterhin Sorgen um das Ersparte und die eigene Wohnung machen muss?

Göpner-Reinecke: Bei der Bürgergeldreform geht es genau darum, dass Grenzzeiten eingeführt werden, damit Menschen sich, wenn sie arbeitslos werden, nicht auch noch Sorgen um die Wohnung machen müssen und ihre Bemühungen darauf konzentrieren können, wieder in einen Job zu kommen. Aber diese Karenzzeit ist befristet.

Frage: Ich habe zwei Fragen. Erstens. Der neue Satz von 502 Euro wird von Sozialverbänden als zu niedrig angesehen und gleiche bestenfalls die Inflation aus. Wie reagieren Sie auf die Kritik?

Zweitens. In diesem Raum wurde am Montag eine Studie, eine wissenschaftliche Langzeitbeobachtung - „Hartz plus“ - vorgestellt. Daraus geht hervor, dass Sanktionen jedenfalls in der bisherigen Form überhaupt nicht vertrauensbildend wirken würden, sondern ein Klima von Angst und Einschüchterung zur Folge hätten und sogar krankheitserregend seien. - Das ist auch eine wissenschaftliche Grundlage. Wie beziehen Sie diese in Ihre Entscheidung ein?

Göpner-Reinecke: Zum ersten Punkt. Mit der Bürgergeldreform wird die Berechnungsgrundlage für die Regelsätze dauerhaft geändert, sodass die Inflationsentwicklung sich jetzt schneller in den Regelbedarfen bemerkbar macht. Damit hinkt der Regelbedarf der Inflation nicht mehr so stark hinterher. Die Erhöhung um etwa 50 Euro, die zum 1. Januar 2023 ansteht, ist der größte Anstieg bei den Regelbedarfen überhaupt, seit es die Grundsicherung gibt. Das ist sowohl durch die Erhöhung an sich als auch in der methodischen Veränderung ein deutlicher Schritt nach vorne, der den Menschen in der Grundsicherung sehr konkret helfen wird, weil das ein Existenzminimum ist und bleibt. Zur Abfederung der Belastungen, die wir zurzeit alle erleben, gibt es nicht nur die Bürgergeldreform, sondern auch die Entlastungsmaßnahmen aus den drei Paketen, nicht zuletzt die Einmalzahlungen, die jetzt im Sommer geflossen sind.

Zu der Frage der Sanktionen hatte ich gerade schon ausgeführt, dass es verschiedene Studien gibt, die wir auch am Montag wahrgenommen haben. Auf die Aussagen des IAB habe ich schon hingewiesen. Ich betone: Dem Minister ist es sehr wichtig, dass es in der Bürgergeldreform um genau diesen Punkt geht. Wir wollen mit dem Bürgergeld eine andere Vertrauensbasis schaffen.

Zusatzfrage: Sie haben der Berechnung, dass die vorgesehene Erhöhung lediglich Inflationsausgleich sei, nicht widersprochen. Wenn dem so ist: Warum wird die Erhöhung nicht jetzt sofort oder zeitnah vorgenommen, sondern erst zum 1. Januar 2023?

Göpner-Reinecke: Wir kommentieren generell keine einzelnen Studien und deren Grundlagen oder die Forderungen, die sich daraus ergeben. Grundsätzlich habe ich etwas gesagt zu den Sanktionen, aber auch zur Regelsatzhöhe. Das ist ein ganz großer Schritt nach vorn, was die Berechnungsgrundlage der Regelsätze anbelangt.

Frage: Zum Thema Kurzarbeitergeld würde mich interessieren, warum nicht gleich eine Verlängerung bis zum Frühjahr erfolgt, weil absehbar ist, dass wir wahrscheinlich noch den gesamten Winter mit Problemen zu kämpfen haben werden.


Göpner-Reinecke: Das BMAS hat gezeigt, dass wir immer wieder auf die aktuellen Entwicklungen, auch mit der Anpassung des Kurzarbeitergeldes, reagiert haben. So auch jetzt: Wir haben erstmal den vereinfachten Zugang bis Ende des Jahres verlängert. Zugleich gibt es eine Formulierungshilfe, die demnächst zwar ins parlamentarische Verfahren muss, die aber Ermächtigungsgrundlage dafür ist, dass wir Verordnungen auch im ersten Halbjahr 2023 immer wieder treffen können, je nachdem, wie sich die Lage bis dahin entwickelt.

Frage: Bleibt die Dividendenausschüttung von Konzernen, die auf Kurzarbeit zurückgreifen, bestehen? Das ist seit zwei Jahren die große Kritik.

Göpner-Reinecke: Das ist die Kritik, und die Antwort ist seit zwei Jahren die gleiche. Das Kurzarbeitergeld ist eine Leistung aus der Arbeitslosenversicherung und soll sehr unbürokratisch ausbezahlt werden. An der grundlegenden Auszahlungsweise sind keine Änderungen geplant. Jetzt wurde ein vereinfachter Zugang geschaffen, sodass mehr Menschen davon profitieren können und Kurzarbeitergeld bekommen.

Zusatzfrage: Sie könnten da ja etwas gesetzlich ändern. Das wollen Sie aber nicht.

Göpner-Reinecke: Wir könnten sehr vieles. Was wir tun, habe ich gerade dargelegt.

Frage: Zum Themenfeld Energie eine Frage an das Wirtschaftsministerium zur veränderten Gasumlage. Können Sie uns sagen, warum das nicht im Kabinett war und wann es ins Kabinett kommen wird?

Ungrad: Heute war im Kabinett das EnSiG 3.0. Ziel des Pakets waren Veränderungen im Strombereich zugunsten einer Reduzierung des Gasverbrauchs. Dazu zählten Photovoltaik und Windanlagen, Photovoltaik zum Beispiel bei Balkon-PV oder 70 Prozent. Nicht im Kabinett waren die geplanten Regelungen zur Fernwärme und zur Einschränkung des Anwendungsbereichs. Hier sind wir noch in der Abstimmung mit den Ressorts. Gleichzeitig läuft auch die notwendige beihilferechtliche Regelung. Wir arbeiten mit Hochdruck daran. Aber ich kann keine Aussage über künftige Kabinette treffen.

Frage: Eine ganz konkrete Frage zu diesen Formulierungshilfen. Was bringt dieses gesamte Paket, das Sie jetzt auf den Weg bringen, nach Schätzung des Ministeriums, um den Gasverbrauch zu senken?

Ungrad: Das kann ich nicht sagen. Da gibt es keine Schätzungen. Das sind Dinge, die jetzt erst anlaufen müssen. Wir wissen noch nicht genau, wie das ausgenutzt werden kann. Das sind Angebote, die wir machen. Zum Beispiel für Balkon-PV gibt es sehr große Nachfrage. Wenn das so genutzt wird, könnte das eine relevante Größenordnung sein. Aber da gibt es keine Schätzungen, weil wir nicht wissen, wie das angenommen wird.

Zusatzfrage: Kann man gerade in Bezug auf erneuerbare Energien etwas abschätzen? Wird das ein eher kleiner Teil des Pakets sein? Sind andere Maßnahmen wichtiger? Wie ist da die Einordnung bei EnSiG 3.0?

Ungrad: Die erneuerbaren Energien sind dabei mit der größte Punkt.

Frage: Bei Uniper läuft es offenbar auf eine Mehrheitsbeteiligung des Staates hinaus. Ist dann die Gasumlage zur Finanzierung oder in dieser Höhe noch nötig?

Ungrad: Ich kann diese Meldung nicht bestätigen und nicht kommentieren und die Spekulationen im Raum nicht bestätigen. Sie wissen, dass die Gespräche dazu laufen. Dazu kann ich Ihnen nichts Näheres sagen. Insofern kann ich Ihre zweite Frage nicht beantworten, weil noch gar nicht klar ist, was da kommt.

Zusatzfrage: Dann hatte ich vorhin andere Aussagen missverstanden, dass es auf eine staatliche Beteiligung bei Uniper hinausläuft.

Ungrad: Das steht in der Presse. Unser Standpunkt ist: Wir sind in Gesprächen dazu und versuchen, eine Lösung zu finden. Das haben wir bestätigt, und das bestätige auch ich hier gern, aber dass es dazu konkret etwas gibt, kann ich Ihnen hier noch nicht sagen.

Zusatzfrage: Meine zweite Frage. Die kommunalen Versorgungsunternehmen und Stadtwerke fordern ebenfalls einen Rettungsschirm, weil absehbar ist, dass ihre Kunden, also vor allem normale Haushaltsverbraucher, in naher Zukunft teilweise zahlungsunfähig sein werden. Zahlungsausfälle von fünf, zehn oder fünfzehn Prozent werden erwartet. Arbeitet die Bundesregierung an einem Rettungsschirm oder einem Modell, das die Insolvenz von kommunalen Versorgungsunternehmen verhindert?

Ungrad: Das bezieht sich auf den Punkt von vorhin, wo ich gesagt habe, dass wir noch in Gesprächen sind, was unter anderem die Gesamtauslegung der Gasumlage angeht. Aber die Stadtwerke haben jetzt schon die Möglichkeit, sich über Kredite und ähnliches helfen zu lassen. Darunter fallen auch die Stadtwerke. Auch dazu sind wir noch in Gesprächen, um das umfassend mit abzudecken.

Frage: Der Kollege Hebestreit hat schon gesagt, dass die Lage auf dem Energiemarkt angespannt ist. Es gibt nun dieses große Gasfeld in Groningen in den Niederlanden. Das soll eigentlich abgeschaltet werden. Aber es gibt die Möglichkeit, eine sogenannte Solidaritätsanfrage zu stellen. Unter welchen Bedingungen und in welcher Lage wären Sie bereit, das zu tun?

Ungrad: Ich hatte auch Ihnen schon mehrfach gesagt, dass das Sache der niederländischen Regierung ist. Wir sind mit der niederländischen Regierung prinzipiell in Gesprächen. Sie haben schon vor längerer Zeit gesagt, dass sie ihre Lieferungen gegenüber Deutschland um zehn Prozent erhöhen können. Inwieweit das Groningen betrifft, kann ich jetzt nicht sagen. Das kann auch LNG-Kapazität sein. Aber wir würden uns nicht dahingehend einmischen und nichts dazu äußern, ob Groningen weitergeführt werden muss. Das ist Sache der niederländischen Regierung.

Zusatzfrage: Die niederländische Regierung sagt, sie macht das erst, wenn aus Berlin eine konkrete Frage kommt. Meine Frage ist: Unter welchen Bedingungen würden Sie eine konkrete Anfrage stellen.

Ungrad: Zu diesen konkreten Anfragen kann ich Ihnen jetzt nichts berichten. Ich werde das gerne bei uns im Haus recherchieren und gegebenenfalls die Antwort nachreichen. Ich weiß von dieser Anfrage nichts. Nochmals: Wir würden uns in die Politik der niederländischen Regierung, was Groningen betrifft, prinzipiell nicht einmischen, weil das Dinge betrifft, die niederländische Bürger angehen.

Frage: Ich habe eine Frage zum Zeitrahmen der Überarbeitung bei der Gasumlage. Gibt es da einen realistischen Zeitrahmen, sodass die kommunalen Unternehmen, die Stadtwerke, die Möglichkeit haben, ihre Kunden vertragsgemäß über die Neuerung zu informieren? Da besteht ja ein gewisser Zeitdruck.

Ungrad: Wir arbeiten mit Hochdruck daran. Wir sind in den Ressortgesprächen, auch was den zeitlichen Umfang angeht.

Frage: Nochmal zur Gasumlage: Können Sie bestätigen, dass geplant ist, die Regelung auf Fernwärmekunden und Bestandskunden auszuweiten? Das scheint die Problematik aufzuwerfen, dass es auch noch durch den Bundesrat muss, wenn ich es richtig verstehe. Wie geht der Minister mit der Problematik um, dass sein eigener Parteifreund Winfried Kretschmann schon angekündigt hat, das im Bundesrat zu blockieren? Das würde den ganzen Prozess noch weiter verzögern.

Ungrad: Diese Aussagen kann ich nicht kommentieren. - Zum Thema Fernwärme: Wir hatten immer kommuniziert, dass Fernwärmekunden von dieser Gasumlage mit betroffen sind. Wie das - auch im zeitlichen Ablauf - umgesetzt wird, müssen wir noch in Ressortgesprächen klären.

Zusatzfrage: Aber Sie bestätigen, dass es durch den Bundesrat muss?

Ungrad: Nach meiner Auffassung nach dem jetzigen Stand ja.

Frage: Ich habe auch eine Frage zu Uniper. Sie hatten gerade bestätigt, dass die Gespräche stattfinden. Das sagen auch Fortum und Uniper per Mitteilung. Uniper geht darüber hinaus und sagt, dass sehr wohl eine Mehrheitsbeteiligung des Bundes im Raum steht. Warum zu diesem Zeitpunkt? Sind die Kreditlinien in Höhe von 7 Milliarden Euro aufgebraucht und es geht anders nicht weiter?

Ungrad: Das hatten Ihre Kollegen schon gefragt. Das kann ich nicht bestätigen. Wir spekulieren nicht darüber, wie die Gespräche ausgehen werden. Ich kann Ihnen bestätigen, dass sie laufen. Aber wenn wir Zwischenmeldungen herausgeben, nützt das niemandem etwas. Deswegen werden wir das Endergebnis abwarten und es dann kommunizieren. - Es tut mir leid, ich verstehe Ihr Interesse. Aber ich kann Ihnen jetzt erstmal nichts weiter dazu sagen.

Frage: Ich hätte gerne an die Frage von dem Kollegen angeschlossen. Eine reine Fachfrage: Wenn es hypothetisch den Einstieg in irgendein Unternehmen gäbe, dann wäre doch die nötige Rettung über die Gasumlage nicht mehr nötig. Ist das richtig?

Ungrad: Da sind wir wieder im Bereich der Spekulation. Das kann ich nicht bestätigen. Wir wissen noch gar nicht, was in diesen Gesprächen rauskommt. Wir wissen nicht, wie eine eventuelle Rettung von Uniper aussehen könnte. Dementsprechend wissen wir nicht, was die nächsten Schritte sein würden. Das ist zu viel Spekulation. Das kann ich nicht machen, weil ich wirklich nicht weiß, was diese Gespräche beinhalten und wie sie ausgehen werden.

Zusatzfrage: Aber wenn Sie mal von Uniper weggehen: Wenn ein Unternehmen - es gibt noch andere - vom Staat übernommen würde, dann müsste der Weg über die Gasumlage eigentlich gar nicht mehr erfolgen.

Ungrad: Das wäre Spekulation. Daran beteilige ich mich nicht.

Frage: Ich hätte gerne noch das Finanzministerium dazu. - Die erste Frage an Frau Ungrad: Wenn das Unternehmen selber bestätigt, dass Inhalt der Gespräche eine Mehrheitsbeteiligung des Staates sei - das ist Aussage des Unternehmens -, dann möchte ich von Ihnen jetzt wissen: Trifft es zu, dass eine mögliche Mehrheitsbeteiligung des Staates Inhalt der Gespräche ist? Oder sagen Sie: Auch wenn der Gesprächspartner dies bestätigt, halten wir das für Spekulation?

Ungrad: Nein, das sage ich nicht. Ich sage, dass wir diese Meldungen nicht kommentieren und auch nicht spekulieren, wie es ausgehen könnte. Da müssen Sie das Unternehmen fragen. Ich kann ja nur für das BMWK sprechen und wie es da aussehen könnte, und da muss ich sagen, dass wir in Gesprächen sind und dass diese Gespräche weiter laufen. Es ist eben so, dass wir laufende Gespräche nicht kommentieren können; das bringt eben auch nicht viel weiter.

Zusatzfrage: Ich habe auch nur gefragt, ob Sie den vom Gesprächspartner definierten Inhalt der Gespräche bestätigen oder nicht. Die Antwort geben Sie nicht, das nehme ich zur Kenntnis.

Meine Frage an das Finanzministerium ist: Wie ist die Haltung des Finanzministeriums gegenüber einer möglichen Mehrheitsbeteiligung des Staates an diesem und möglicherweise auch anderen größeren Energieversorgern?

Kalwey: Ich kann dazu auch nur das unterstreichen, was die Kollegin gesagt hat. Ich werde mich an dieser Stelle auch nicht weiter zu diesem Thema äußern.

Ungrad: Ich möchte noch einen Satz hinzufügen: wenn Gespräche laufen und ein Unternehmen aus Gründen, die dieses Unternehmen hat - da müsste man das Unternehmen fragen -, eine Aussage trifft, dann ist doch klar: Wir möchten nur, dass die Gespräche erfolgreich verlaufen. Ich weiß nicht, ob die Gespräche erfolgreich verlaufen, wenn wir jeden Zwischenschritt kommentieren. Das ist aber unser Ziel, und deswegen kommentieren wir das nicht - und nicht, weil wir hier einfach nichts sagen wollten.

Frage: Ich habe noch eine Verständnisfrage an das Finanzministerium zu dem Rettungsschirm für Stadtwerke im Zusammenhang mit der Bereitstellung der nicht angesprochenen Kreditlinien für die KfW. Herr Lindner hat das ja gestern kommentiert - so habe ich das verstanden -, dass das auch Hilfe für Energieversorger sein könnte. Sehe ich es richtig, dass auch Stadtwerke, die nicht mehr liquide sind, gegebenenfalls Mittel aus diesem Kreditrahmen für die KfW in Anspruch nehmen können?

Kalwey: Vielleicht noch einmal zur Klarstellung: Ich nehme an, Sie gehen ein auf die auch heute vom Kabinett beschlossene Formulierungshilfe zum Thema KfW und der zusätzlichen oder ausgebauten Möglichkeit für das Sondervermögen WSF, nun Unterstützungsmaßnahmen zu nutzen. Die KfW macht ja eine Art von Zuweisungsgeschäft und erhält dafür Kreditermächtigungen des Bundes. Das ist ein Standardprozedere. Es geht jetzt einfach darum, dass diese Kreditermächtigungen ausgeweitet werden. Das ist eine präventive Maßnahme, die der Bund hier vornimmt. Es handelt sich nicht um einen Rettungsschirm, es handelt sich auch nicht um ein neues Hilfsprogramm, sondern es geht einfach darum, dass die KfW diese Programme, die sie die ganze Zeit schon fördert und für die sie Mittel ausgibt, ganz normal weiterführt, und dass sie dafür nun diese zusätzlichen Kreditermächtigungen benutzt, die bislang für den WSF vorgesehen waren. Diese werden nun durch diese Formulierungshilfe umgewidmet, sodass sie der KfW zur Verfügung gestellt werden können. Es geht einfach darum, dass die KfW sich weiter refinanzieren kann; es handelt sich nicht um ein neues Programm, das hier aufgelegt wird.

Nutznießer dieses Programms sind ja unterschiedliche Unternehmen: Es sind Energieunternehmen, es sind Energiehandelsunternehmen. Ich kann Ihnen jetzt aber nicht sagen, welche einzelnen Unternehmen diese Produkte nachfragen können. Da würde ich Sie einfach bitten, sich an die KfW zu wenden; die kann Ihnen zu der Ausgestaltung der Programme besser etwas sagen.

Frage: Zwei Lernfragen an Frau Ungrad: Wer führt denn vonseiten der Regierung gerade konkret die Gespräche mit Uniper?

Ungrad: Das sind wir, und ich nehme an, das ist das BMF. Ich weiß das jetzt aber nicht genau, deshalb reiche ich das lieber nach.

Zusatzfrage: Die Grundlage der Gasumlage war ja das neue Energiesicherungsgesetz aus dem Frühjahr. Da war ja als Alternative zur Umlage die Verstaatlichung von Unternehmen genannt. Wenn Uniper jetzt verstaatlicht werden würde, dann würde doch rein logisch die Gasumlage fallen, oder nicht? Oder würde jetzt beides kommen?

Ungrad: Ich kann Ihre Frage verstehen – Der Kollege hat ja schon die gleiche Frage gestellt -; deshalb noch einmal meine Antwort: Wir müssen erst einmal abwarten, wie dieser eine Punkt ausgeht. Ob es wirklich dazu kommen wird, ist ja etwas, was wir hier noch nicht bestätigen. Dann gehen wir die nächsten Schritte, dann wird es weitergehen.

Frage: Allerletzte Frage: Ihren allerletzten Satz - dass Sie nicht wissen, ob es zu diesem einen Punkt kommen wird - sehe ich dann doch als Bestätigung an, dass dieser eine Punkt, nämlich staatliche Mehrheitsbeteiligung, Gesprächsinhalt ist?

Ungrad: Nein, das stimmt nicht. Das bezog sich darauf, ob es zu einem Abschluss der Gespräche mit Uniper kommt - das ist mit „Punkt“ gemeint.

Zusatzfrage: Aha. – da Sie ja gesagt haben - der Kollege hat es eben zitiert -, Ziel der Gasumlage sei die Rettung von Uniper. Ich nehme an, Ziel der Gespräche ist ebenfalls eine Rettung von Uniper - das wäre ein guter Abschluss. Im logischen Dreisatz: Würden Sie mir widersprechen, dass dann, wenn dieses Ziel am besten mit einer staatlichen Mehrheitsbeteiligung erreicht wird, dies ein guter Abschluss, ein gutes Ergebnis der Gespräche wäre?

Ungrad: Wenn ich jetzt Ja sage, dann wäre das genau die Bestätigung, die ich nicht geben kann. Dementsprechend sage ich nicht Ja, sondern sage, dass die Gespräche weiter laufen - obwohl der Satz, den Sie gesagt haben, sehr schön war.

Frage: Herr Hebestreit, können Sie bestätigen, dass es in Berlin demnächst Klimakonsultationen mit dem Königreich der Niederlande geben wird? Ich glaube, die sollen am 4. Oktober stattfinden.

StS Hebestreit: Ich muss mich da herauswinden; in meiner Vorbereitung heute habe ich das nicht so klar drin. Wie Sie ja wissen, werden die Termine des Bundeskanzlers für die kommende Woche immer am Freitag der Vorwoche bekanntgegeben. Wenn ich den Kalender richtig im Kopf habe, wäre das in etwa übermorgen in zwei Wochen. Insofern muss ich Sie bis dahin vertrösten.

Frage: Unter anderem Bayerns Wirtschafts- und Energieminister Aiwanger hat auch Forderungen in der Energiepolitik gestellt. Er sagt, das, was heute beschlossen worden ist, sei schon ein Anfang, aber gerade bei Biogas müsste noch mehr Bürokratie abgebaut werden, damit die Potenziale wirklich ausgeschöpft werden können. Er sagt auch, man müsse den Strompreis senken, zum Beispiel indem man die Mehrwertsteuer senke. Was sagen Sie zu diesen Forderungen? Muss da mehr passieren, ist da mehr geplant - gerade, was den Bürokratieabbau beim Biogas und den erneuerbaren Energien betrifft?

Ungrad: Zur Mehrwertsteuer kann ich nichts sagen. Zum Biogas: Das machen wir ja gerade. Für 2022 und 2023 wird eine Sonderregelung für die EEG-Förderung für Biogasanlagen geschaffen, wodurch Restriktionen aufgehoben werden, die die Erzeugung von Biogas begrenzen können. Das schafft also einen Anreiz, damit die Stromerzeugung durch Biogas erhöht wird.

Frage: Frau Kalwey, könnte mit den KfW-Mitteln, nach denen der Kollege eben schon gefragt hatte, die - möglicherweise für die Stadtwerke - umgewidmet werden, auch Uniper gerettet werden?

Kalwey: Wie gesagt, es geht hier um bestehende Kreditprogramme der KfW, für die jetzt einfach präventiv weitere Kreditermächtigungen bereitgestellt werden. Das heißt, es geht hier um laufende Sofortprogramme der KfW für bestimmte Unternehmen. Das ist der Zweck dieser Mittel.

Frage: Ich habe eine Nachfrage an Frau Ungrad zu der Strompreisgrenze, die Herr Habeck gestern angekündigt hat. Da würde mich interessieren: Ist auch vorstellbar, dass die Strompreisgrenze rückwirkend für 2022 gültig ist?

Ungrad: Wir beraten ja innerhalb der EU über die Strompreisbremse. Die Vorschläge, die der Minister gemacht hat, kennen Sie offensichtlich. Wir wollen hier eine baldige Umsetzung und haben in der EU auch auf Tempo gedrängt. Wir werden jetzt erst einmal auswerten, was die Kommission heute vorgeschlagen hat - das ist ja heute erst verkündet worden -, und können dann bestimmt nachliefern, was unsere Reaktion darauf ist - vielleicht auch zu diesem Punkt. Ich habe mir das notiert und werde Sie dann unterrichten.

Vorsitzende Buschow: Dann nehme ich zum Schluss des Komplexes noch eine Frage von dem Kollegen dazu, der hier im Raum ist, aber schwach bei Stimme ist und mich deswegen gebeten hat, seine Frage an das Wirtschaftsministerium zu stellen. Er verweist auf Gespräche, die es mit Algerien, Marokko, Tunesien und Libyen zu einem Projekt zur Stromerzeugung aus Sonnenergie gegeben habe, und fragt, ob dieses Projekt zwischenzeitlich gestorben ist oder es Pläne gibt, es wiederaufleben zu lassen. Können Sie das beantworten, Frau Ungrad?

Ungrad: Nein, da habe ich jetzt keine Kenntnis, das müsste ich nachreichen. Das Projekt an sich ist mir bekannt, aber nicht der derzeitige Stand.

Vorsitzende Buschow: Dann gibt es da gegebenenfalls eine Nachlieferung.

Frage: Zum Urteil des Bundesarbeitsgerichtes zur Arbeitszeiterfassung: Wie bewerten Sie das Urteil? Welche politischen Maßnahmen folgen daraus jetzt gegebenenfalls, gerade im Hinblick auf die sogenannte Vertrauensarbeitszeit?

Göpner-Reinecke: Es ist erst einmal völlig richtig: Das Bundesarbeitsgericht hat gestern geurteilt, dass auch in Deutschland die Arbeitszeit der Beschäftigten aufzuzeichnen ist. Jetzt muss ich Sie ein bisschen enttäuschen: Ich kann Ihre Fragen sehr gut verstehen, kann Ihnen jetzt, knapp 24 Stunden nach dem Urteil, aber nur sagen, dass wir die Urteilsbegründung abwarten, weil sich daraus dann auch der Handlungsbedarf deutlicher ergibt. Wir werden die Urteilsbegründung also prüfen und können dann erst sagen, welche gesetzgeberischen Konsequenzen sich daraus ergeben.

Zusatzfrage: Es sind ja tatsächlich Reformen auf dem Weg, was die Arbeitszeiten angeht. Wird nach diesem Urteil jetzt noch einmal geguckt, ob da noch etwas geändert oder nachgeschärft werden muss?

Göpner-Reinecke: Ich kann nur noch einmal sagen: Ich verstehe Ihre Fragen sehr gut, aber wir müssen jetzt wirklich erst einmal die Urteilsbegründung prüfen, weil dann auch klarer wird, welcher Handlungsbedarf und welche Konsequenzen sich daraus ergeben.

Frage: Frau Göpner, weil Sie gerade vom Handlungsbedarf sprechen: Es gibt ja ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs von 2019, das die systematische Arbeitszeiterfassung vorsieht, und die Mitgliedstaaten sind ja verpflichtet, das in nationales Recht umzusetzen. Da wäre meine Frage an Sie beziehungsweise an Herrn Hebestreit: Weshalb hat die Bundesregierung das bislang noch nicht gemacht, beziehungsweise ist das in Arbeit? Es ist ja schon so, dass das umgesetzt werden muss, oder?

StS Hebestreit: Ich bin da ehrlich gesagt nicht im Bilde. - Können Sie dazu etwas sagen?

Göpner-Reinecke: Ja.

Zusatz: Das steht ja sogar im Koalitionsvertrag.

Göpner-Reinecke: Genau, auf den hätte ich jetzt auch kurz verwiesen. Es gibt dieses Urteil vom Europäischen Gerichtshof aus dem Mai 2019, und der Koalitionsvertrag sieht sozusagen auch entsprechend vor, dass es zu Umsetzungen dieses Urteils Gespräche oder einen Dialog mit den Sozialpartnern geben wird. Wie gesagt, wie sich das beides miteinander verhält, kann ich jetzt, 24 Stunden nach diesem Urteil, noch nicht sagen. Da bitte ich noch um Geduld.

Zusatzfrage: Laufen diese Gespräche mit den Sozialpartnern zur Arbeitszeiterfassung denn schon?

Göpner-Reinecke: Falls die Frage darauf abzielt: Ich kann hier auf keinen Arbeitszeitgipfel oder Ähnliches verweisen.

Zusatzfrage: Aber Sie bestätigen schon, dass das Urteil des Europäischen Gerichtshofs keine Kann-Regelung ist, sondern dass Deutschland das tatsächlich umsetzen muss?

Göpner-Reinecke: Es ist sozusagen der Auftrag, dass die Mitgliedstaaten das umsetzen müssen. Das Urteil setzt aber keinen zeitlichen Rahmen.

Frage: An das BMI: Es gab heute Morgen Razzien im sogenannten Rockermilieu. Können Sie uns dazu einige Einzelheiten nennen? Die Innenministerin hat wohl eine Gruppierung verbieten lassen. Was ist der Grund dafür, was wird dieser Gruppierung vorgeworfen? Können Sie vielleicht auch schon Stichworte nennen, was bei der Razzia herauskam? Das ist natürlich Ländersache, aber vielleicht können Sie schon etwas zum Ergebnis sagen.

Kall: Sehr gerne. - Das Verbot ist erst einmal Bundessache: Die Bundesinnenministerin hat heute Morgen um 6 Uhr die rockerähnliche Gruppierung „United Tribuns“ verboten. Damit werden diese Organisation und ihre 13 sogenannten Chapter mit sofortiger Wirkung ab heute Morgen aufgrund dieses von der Bundesinnenministerin verhängten Vereinsverbots aufgelöst. Das Vereinsvermögen wird beschlagnahmt und eingezogen. Die Innenministerin hat sich dazu selber so geäußert, dass Rockerkriminalität von großer Brutalität geprägt ist und dass Auseinandersetzungen im Rockermilieu immer wieder völlig unbeteiligte Menschen gefährden - allein durch das, was da an Waffen eingesetzt wird. Mitglieder der Gruppierung „United Tribuns“ haben schwerste Straftaten begangen, darunter Sexualstraftaten, Menschenhandelsdelikte, bis hin zu versuchten Tötungsdelikten.

Seit heute Morgen um 6 Uhr laufen in neun Bundesländern polizeiliche Maßnahmen. Dabei sind bisher 108 Objekte, also Clubhäuser und Wohnungen, durchsucht worden. 1450 Polizeibeamtinnen und -beamte aus den neun Bundesländern sind im Einsatz, sowie auch Kräfte des Bundeskriminalamts und der Bundespolizei, darunter auch Spezialeinheiten. Gefunden wurden in einer hohen Anzahl Waffen und gefährliche Gegenstände verschiedenster Art - Schusswaffen, Macheten, Baseballschläger, Schlagringe. Es sind auch größere Mengen an Bargeld gefunden worden. Insofern haben die Polizistinnen und Polizisten, die da eingesetzt sind, einiges sicherstellen können. Zu den Ergebnissen der Maßnahmen insgesamt werden wir uns und wird sich die Bundesinnenministerin heute natürlich auch noch äußern.

Zusatzfrage: Sie sagten, Vereinsvermögen wurde beschlagnahmt. Gibt es da irgendwelche Größenordnungen? Wie groß ist dieser Verein oder diese Gruppierung?

Kall: Da die Maßnahmen noch laufen, kann ich Ihnen das noch nicht abschließend nennen. Ich kann aber schon so viel sagen, dass eine große Zahl an Waffen und eben auch Bargeld bei den heutigen Maßnahmen sichergestellt worden sind.

Frage: Herr Kall, um wie viele Menschen, die bei den „United Tribuns“ organisiert sind, handelt es sich? Ist die Größenordnung 100 richtig?

Zum Zweiten: Wie kann verhindert werden, dass sich Nachfolgeorganisationen bilden oder es einfach nur eine Verlagerung gibt? Die Menschen bleiben ja sozusagen die gleichen, möglicherweise auch mit ihren Interessen und Zielen. Wie können Sie da eine Umorganisation verhindern?

Kall: Das Bundeskriminalamt geht von etwa 100 Mitgliedern in Deutschland aus, die jetzt unmittelbar von diesem Verbot und den heutigen Maßnahmen betroffen sind.

Das Bilden jeglicher Art von Nachfolgeorganisation ist eine eigenständige Straftat, die auch verfolgt wird. In anderen Bereichen - beispielsweise im Bereich Rechtsextremismus und beim Verbot von „Combat 18“ - haben die Sicherheitsbehörden auch danach bei Versuchen, Nachfolgeorganisationen zu bilden, das immer wieder sehr konsequent beobachtet und dann auch zugeschlagen und Maßnahmen ergriffen. Insofern sollte das keiner versuchen.

Zusatzfrage: Sind die „United Tribuns“ die Spitze eines Eisbergs, ein besonderer Fall, oder gibt es eine Reihe von ähnlich gelagerten Organisationen und Handlungsweisen, die Sie ebenfalls auf dem Schirm haben?

Kall: Ja, wir haben den Bereich Rockerkriminalität und insgesamt natürlich jegliche Form von organisierter Kriminalität genau im Blick. Deswegen werden ja auch genau diese Maßnahmen getroffen. Ein Vereinsverbot ist nun eine spezielle Maßnahme, die nicht nur die Strafverfolgung gegen einzelne Mitglieder wegen der Delikte, die sie begangen haben, betrifft, sondern die eine Organisation betrifft. Es ist in diesem Rechtsstaat ein scharfes Schwert, eine Organisation aufzulösen. Gerade in diesem Bereich kommt das aber auch - wie eben hier - zur Anwendung.

Frage: Herr Wagner, Herr Hebestreit, hat die Bundesregierung irgendeine Stellungnahme zu dem Angriff Aserbaidschans auf Armenien?

Wagner: Vielen Dank für die Frage. - Die Bundesregierung ist zutiefst besorgt über die Berichte über Kampfhandlungen entlang der armenisch-aserbaidschanischen Grenze, darunter auch Angriffe auf zivile Infrastruktur und Wohnorte. Wir fordern Aserbaidschan und Armenien auf, umgehend jegliche Handlungen einzustellen, die die Sicherheit zwischen beiden Ländern wie auch der Region gefährden könnten, und wir fordern beide Länder vor allen Dingen auch auf, den Dialog unbedingt fortzusetzen. Deshalb unterstützen wir auch das Vermittlungsangebot der Europäischen Union, das der Präsident des Europäischen Rates und der Hohe Vertreter Josep Borrell gestern noch einmal sehr deutlich kommuniziert haben.

Zusatzfrage: Nun versucht die EU ja, mit Hilfe Aserbaidschans einiges an ausgefallenem russischen Gas zu ersetzen. Sehen Sie diese Bemühungen angesichts des Angriffs jetzt als problematisch oder als nicht mehr möglich an?

Wagner: Ich glaube, hier geht es jetzt erst einmal darum, auf die Berichte und Meldungen zu Kampfhandlungen zu reagieren. Sie wissen ja, dass sich EU-Ratspräsident Michel seit Monaten sehr intensiv um eine diplomatische Annäherung zwischen Armenien und Aserbaidschan bemüht. In diesem Kontext müssen seine gestrigen Äußerungen und auch das Vermittlungsangebot, das er formuliert hat, gesehen werden. Das unterstützen wir sehr nachdrücklich.

Frage: Ich knüpfe direkt daran an. Es gibt ja auch noch weitere Länder, die Vermittlungsangebote gemacht haben, unter anderem Russland. Halten Sie Russland im Moment noch für in der Lage, in diesem Konflikt zu vermitteln?

Wagner: Wir haben natürlich auch die Berichte darüber gesehen, dass sozusagen Treffen von Vertretern dieser Staaten und Präsident Putin, der auch auf dem Weg zu einem Gipfel der Shanghai Cooperation Organisation ist, anstehen. Aber ich kann die Bemühungen von dieser Stelle aus nicht kommentieren. Was ich kommentieren kann, ist, dass wir die Bemühungen der Europäischen Union, wie ich ja eben auch vorgetragen habe, nachdrücklich unterstützen.

Zusatzfrage: Ich hätte ganz gerne gewusst, Herr Wagner, ob Sie einen Zusammenhang zwischen diesen Kriegshandlungen zwischen Aserbaidschan und Armenien und den Schießereien sehen, die es in Kirgistan und Tadschikistan gibt.

Wagner: Vielleicht einmal grundsätzlich zu diesen Berichten: Wir haben natürlich diese offiziellen Mitteilungen des Grenzdienstes in Kirgisistan zur Kenntnis genommen. Demnach gab es in der Nacht zum 14. September einen Schusswechsel entlang der tadschikisch-kirgisischen Grenze. Die Meldungen über Todesopfer auf tadschikischer Seite konnten bislang nicht bestätigt werden. Die kirgisische Regierung, wie Sie wissen, berichtet ja von zwei Verletzten auf kirgisischer Seite. Beide Seiten beschuldigen sich gegenseitig, die Auseinandersetzung ausgelöst zu haben.

Wir können leider zu diesem Konflikt immer nur sagen, dass die internationalen Vermittlungsangebote zur Beilegung dieser Grenzstreitigkeiten, die es ja auch schon gab, in der Vergangenheit bei beiden Seiten bedauerlicherweise sozusagen immer auf reservierte Reaktionen trafen.

Frage: Ich komme noch einmal zurück zu Armenien, Herr Wagner, weil ich Sie nicht ganz verstanden habe. Kann die Bundesregierung im Konflikt zwischen Aserbaidschan und Armenien einen Aggressor erkennen?

Wagner: Die Angaben von beiden Seiten lassen sich halt mangels unabhängiger Beobachter vor Ort nicht unabhängig bestätigen und überprüfen. Insofern kann ich dazu hier auch nicht weiter Stellung nehmen.

Zusatzfrage: Die unabhängige Berichterstattung besagt ja, dass die aserbaidschanische Seite am Dienstag angegriffen hat. Als die Russen die Ukraine angegriffen haben, haben Sie nicht beide Seiten aufgefordert, die Waffen ruhen zu lassen. Warum tun Sie das jetzt hier?

Wagner: Ich kann nur noch einmal auf das verweisen, was ich eben gesagt habe: Mangels fehlender unabhängiger internationaler Beobachter vor Ort kann man das sozusagen nicht unabhängig überprüfen. Ich glaube, es steht uns auch nicht gut zu Gesicht, diesen Konflikt sozusagen mit dem zu vergleichen, was in der Ukraine passiert ist. Russland hat die Ukraine völkerrechtswidrig überfallen, und dazu jetzt sozusagen Parallelen zu ziehen, würde ich mir zumindest nicht zu eigen machen.

Zusatz: Sie wünschen sich also unabhängige Beobachter. Die unabhängigen Berichterstatter, die es ja gibt, reichen Ihnen nicht?

Wagner: Nein, Sie haben mich ja sozusagen danach gefragt, wie wir diese Kampfhandlungen einordnen, und ich habe Ihnen dargelegt, dass wir in der Frage, wer da jetzt angefangen hat oder wer schuld ist, zumindest im Moment wegen der Unabhängigkeit unabhängiger Beobachter nicht bestätigen oder darlegen können, wie die Lage vor Ort genau ist.

Frage: Für den Fall, dass sich bestätigt, dass Aserbaidschan Armenien angegriffen hat, erwägt die Bundesregierung dann Konsequenzen gegen Aserbaidschan, Sanktionen oder Ähnliches?

Wagner: Vielen Dank. Ich sehe, ich habe Ihnen einen Steilpass geliefert. Aber Sie wissen auch, dass es hier gute Tradition ist, dass wir darüber natürlich nicht spekulieren können. Ich kann ja dem nicht vorweggreifen und jetzt sozusagen spekulativ und in die Zukunft gerichtet ein Verhalten darlegen; sehen Sie es mir nach.

Zusatzfrage: Das aserbaidschanische Verteidigungsministerium hatte letzte Woche öffentlich über Gespräche mit dem BMVg über eine bilaterale Militärkooperation berichtet. Können Sie sagen, auf welcher Ebene dieses Gespräch stattgefunden hat, worin die Kooperation besteht und ob die Kooperation jetzt auch fortgesetzt wird?

Helmbold: Das liegt mir im Moment nicht vor. Das müsste ich gegebenenfalls nachreichen.

Frage: Herr Hebestreit, ist Aserbaidschan denn immer noch ein vertrauenswürdiger Energielieferant und Partner der EU und der Bundesregierung, gerade auch angesichts der jetzigen Aggression?

StS Hebestreit: Ich kann den Worten, die Herr Wagner hier geäußert hat, nichts hinzufügen. Ich mache mir auch ausdrücklich nicht Ihre Einschätzung zu eigen, wer hier jetzt der Aggressor ist oder nicht. Wir haben ja gerade klar gesagt, dass wir das erst überprüfen müssen. Dann werden wir zu einer Einschätzung kommen, die wir hier auch kundtun werden, aber nicht einfach so aus der Lamäng.

Zusatzfrage: Wie lange wird das mit der Einschätzung dauern?

StS Hebestreit: Das werden Sie merken. Sobald wir sie haben, werden wir sie hier mitteilen.

Frage: Auf die Gefahr hin, dass Sie mir vorwerfen, jetzt den ganz großen Bogen zu spannen: Sehen Sie, Herr Wagner oder Herr Hebestreit, irgendeinen Zusammenhang zwischen den jetzt genannten Krisen und der Situation des russischen Militärs in der Ukraine, das sich ja dort im Rückzug befindet und offensichtlich den Eindruck hinterlässt, dass die russische Militärmacht vielleicht doch nicht so stark ist, wie viele geglaubt haben?

StS Hebestreit: Das halte ich für wahnsinnig spekulativ. An diesen Spekulationen würde ich mich nicht beteiligen. Insoweit wäre das auch meine Antwort auf die Frage nach dem großen Bogen.

Zusatzfrage: Aber sehen Ihre Kollegen in der Region eine generelle Destabilisierung der Region durch das, was in den letzten Tagen in der Ukraine passiert ist, Herr Wagner?

Wagner: Ich kann nur noch einmal darauf eingehen, dass es jetzt konkret um diese Kampfhandlungen an der armenisch-aserbaidschanischen Grenze geht, und dabei steht jetzt im Vordergrund, wie man sozusagen zu einem Ende dieser Kampfhandlungen und einem Einstieg in einen Dialog kommen kann. In dieser Hinsicht kann ich genau wie Herr Hebestreit auch nicht weiter groß spekulieren.

Vorsitzende Buschow: Dann habe ich eine zweite Frage von einem Kollegen, die ich hier für ihn Stelle, da er schwach bei Stimme ist. Sie geht auch an das Auswärtige Amt. Er fragt, ob es inzwischen Pläne für eine dritte Libyen-Konferenz in Berlin gibt, und verweist auf die Gespräche, die bislang immer in Berlin stattgefunden haben.

Wagner: Sie wissen ja, dass der Berlin-Prozess weiterläuft und Deutschland sozusagen weiterhin vollständig in diesem Prozess aktiv ist. Ich kann bestätigen, und das haben wir ja auch kommuniziert, dass es letzte Woche ein Treffen im Auswärtigen Amt gab, um sozusagen die Bemühungen der Vereinten Nationen um eine nachhaltige Friedenslösung in Libyen weiter zu unterstützen. Dabei ging es auch darum, wie wir den politischen Prozess und einen Prozess hin zu Wahlen in Libyen unterstützen können. Insofern geht das weiter.

Frage: Es geht um China. Herr Hebestreit, letzte Woche war hier schon einmal Thema, dass die Bundesregierung den Einstieg der chinesischen Reederei COSCO in ein Containerterminal im Hamburger Hafen prüft. Jetzt hat Herr Habeck gestern im Reuters-Interview gesagt, dass er dazu tendiere, diese Anfrage mit Nein zu bescheiden. Ich hätte ganz gerne gewusst, wie die Meinung des Bundeskanzlers zu dem Thema ist.

StS Hebestreit: Dazu kann ich Ihnen keine Meinung des Bundeskanzlers nennen. Da müsste ich mich schlaumachen. Im Zweifel ist, wenn der Wirtschaftsminister da eine Tendenz zeigt, das erst einmal eine Tendenz, aber das gilt es abzuwarten.

Zusatzfrage: Das würden Sie nachliefern?

StS Hebestreit: Wenn ich da etwas herausbekomme, sehr gerne.

Frage: Herr Hebestreit, es gab ja heute die State-of-the-Union-Speech von Kommissionspräsidentin von der Leyen. Darin hat sie unter anderem auch ein Mea culpa angesprochen und gesagt: Wir hätten mehr auf Stimmen in der Union hören müssen, was die Bedrohung durch Russland angeht, insbesondere auch in Polen, im Baltikum und im zentralen Osteuropa im Allgemeinen. – Ist es auch die Ansicht der Bundesregierung und des Bundeskanzlers, dass man mehr auf diese Länder hätte hören müssen?

StS Hebestreit: Sie werden es nicht erleben, dass ich die Worte der EU-Kommissionspräsidentin hier in irgendeiner Weise kommentieren würde, auch wenn Sie das sehr sympathisch versucht haben.

Zusatzfrage: Na gut, aber das ist ja eine allgemeine Frage, und darauf kann man sich ja auch beziehen. Sieht er das also auch so, dass man diesen warnenden Stimmen aus Osteuropa besser hätte zuhören müssen?

StS Hebestreit: Ich glaube, der Bundeskanzler hat dazu bei verschiedenen Gelegenheiten seine Einschätzung kundgetan. Die möchte ich nicht irgendwie in diesem Zusammenhang, in den Sie sie gerade mit Frau von der Leyen gestellt haben, wiederholen. Deswegen bleibe ich dabei, dass ich die Äußerungen der EU-Kommissionspräsidentin, die sie heute in einer Rede breit dargelegt hat, von dieser Stelle nicht kommentieren möchte.

Zusatzfrage: Es wurde ja auch ein europäischer Verfassungskonvent gefordert. Das steht, glaube ich, auch so im Koalitionsvertrag. Ist das auch nach wie vor die Vorstellung des Bundeskanzlers, auch im Zusammenhang mit den Reformvorschlägen, die er in seiner Prager Rede gemacht hat, dass sich die Bundesregierung für so einen Verfassungskonvent einsetzt, oder wollen Sie das eher etwas kleiner aufziehen?

StS Hebestreit: Sehen Sie es mir nach: Diese Rede lief parallel zu einer sehr länglichen und ja auch von vielen Entscheidungen begleiteten Kabinettssitzung, sodass ich jetzt nicht von dieser Stelle aus auf die dezidierten Inhalte der Rede eingehen möchte. Wir schauen uns das an. Ich schaue mir das auch gerne an und liefere dann zu gegebener Gelegenheit eine Einschätzung.