Im Wortlaut
Themen
- Kabinettssitzung
- Entwurf eines Bürokratieentlastungsgesetzes
- Entwurf eines Gesetzes zur Regelung des Einsatzes von verdeckten Ermittlern und Vertrauenspersonen sowie zur Tatprovokation
- Termine des Bundeskanzlers
- Treffen mit dem französischen Staatspräsidenten und dem polnischen Ministerpräsidenten im Format des Weimarer Dreiecks
- Teilnahme des Bundeswirtschaftsministers und des Digitalministers am G7-Treffen in Verona
- russischer Angriffskrieg gegen die Ukraine
- Treffen des Bundeskanzlers mit dem Präsidenten des Europäischen Parlaments
- Nahostkonflikt
- Cannabisgesetz
- Berichterstattung über rechtsextreme Mitarbeiter der AfD-Bundestagsfraktion
- russischer Angriffskrieg gegen die Ukraine
- Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit
- Nachfolge von NATO-Generalsekretär Stoltenberg
- Vorschläge der Bundesländer zum Abbau von Bürokratie in der Landwirtschaft
38 Min. Lesedauer
- Mitschrift Pressekonferenz
- Mittwoch, 13. März 2024
Sprecherinnen und Sprecher
- Staatssekretär Hebestreit
- Greve (BMWK)
- Alexandrin (BMDV)
- Dr. Zimmermann (BMJ)
- Kall (BMI)
- Prühl (BMAS)
- Fischer (AA)
- Collatz (BMVg)
- Haberlandt (BMG)
- Poetschke (BMEL)
Stenografisches Protokoll
(Vorsitzende Wolf eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt
StS Hebestreit sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.)
StS Hebestreit
Ich beginne mit dem Vortrag aus der heutigen Kabinettssitzung. Da gibt es zwei zentrale Punkte. Die Bundesregierung will die Bürgerinnen und Bürger, die Wirtschaft und die Verwaltung von überflüssiger Bürokratie entlasten. Dafür hat sie heute mit dem Entwurf für ein Bürokratieentlastungsgesetz ein ressortübergreifendes Paket auf den Weg gebracht. Mit den einzelnen Maßnahmen wollen wir das Leben der Bürgerinnen und Bürger einfacher machen. Darüber hinaus erwarten wir eine Entlastung für die Wirtschaft in Höhe von knapp einer Milliarde Euro pro Jahr. Wichtig ist: Die Bundesregierung begreift den Bürokratieabbau als Dauer- und als Querschnittsaufgabe. Ziel ist es, bürokratische Lasten für die Bürgerinnen und Bürger, die Verwaltung und unsere Unternehmen dauerhaft zu verringern. Damit setzen wir zugleich Impulse für das Wirtschaftswachstum.
Die vier wesentlichen Elemente des Paketes sind: Zum einen sollen die handels- und steuerrechtlichen Aufbewahrungsfristen für Buchungsbelege von zehn auf künftig acht Jahre verkürzt werden.
Zweitens: Eine zentrale Vollmachtsdatenbank der Steuerberaterinnen und Steuerberater soll es ermöglichen, dass Arbeitgeber ihren jeweiligen Steuerberatern eine Generalvollmacht ausstellen können. Sie soll in der Vollmachtsdatenbank elektronisch eingetragen werden und kann dann von allen Trägern der sozialen Sicherung abgerufen werden.
Drittens: Für deutsche Staatsangehörige soll es künftig keine Hotelmeldepflicht mehr geben.
Als viertes sollen Formerfordernisse abgesenkt werden. Dies ermöglicht es, viele Rechtsgeschäfte künftig digital abzuwickeln. Im Alltag der Bürgerinnen und Bürger wird dies für spürbare Erleichterungen sorgen. Zu weiteren Maßnahmen gehören die Digitalisierung der Betriebskostenabrechnung und die Möglichkeit, künftig bei der Flugabfertigung Reisepässe digital auszulesen.
Dann habe ich einen zweiten Punkt. Die Bundesregierung will die rechtsstaatlichen Rahmenbedingungen für den Einsatz sogenannter Vertrauenspersonen durch die Strafverfolgungsbehörden gesetzlich konkretisieren. Gerade im Bereich der Organisierten Kriminalität ist deren Einsatz oft unverzichtbar, um Straftaten aufzuklären. Der Einsatz von Vertrauenspersonen bewegt sich in einem Spannungsverhältnis. Auf der einen Seite steht der Wunsch nach einer effektiven Strafverfolgung und auf der anderen ein Interesse an der rechtsstaatlich gebotenen Transparenz und Kontrolle. Die Neuregelung sieht nun vor, den Einsatz von Vertrauenspersonen durch ein Gericht anordnen und fortlaufend überprüfen zu lassen. Außerdem dürfen Vertrauenspersonen nur zur Ermittlung eines festgelegten Katalogs von Straftaten von erheblicher Bedeutung eingesetzt werden. Geregelt werden außerdem die Voraussetzungen eines zulässigen Verleitens zu einer Straftat und die strafprozessualen Folgen einer rechtsstaatswidrigen Tatprovokation. - So weit der Bericht aus dem Kabinett.
Der Bundeskanzler wird übermorgen, am Freitag, 15. März, am Nachmittag mit dem französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron und Polens Ministerpräsident Donald Tusk zu einem Gespräch im Format des Weimarer Dreiecks im Bundeskanzleramt zusammenkommen. Zentrales Thema des Treffens wird die weitere Unterstützung der Ukraine in ihrer Selbstverteidigung gegen den russischen Angriffskrieg sein. Zu Beginn des Treffens wird es eine Pressebegegnung aller dreien geben. Vor dieser Zusammenkunft wird der Bundeskanzler den französischen Staatspräsidenten zu einem bilateralen Gespräch empfangen. - So weit von mir dazu.
Greve (BMWK)
Bundesminister Robert Habeck wird morgen, am 14. März, am Treffen der G7-Industrieminister in Verona teilnehmen. Gesprächsthemen sind dort künstliche Intelligenz, die Resilienz von Halbleiterlieferketten, die Sicherung von Unterseekabeln und die Unterstützung der Ukraine. Am Rande des Treffens wird er auch zwei bilaterale Termine wahrnehmen, zum einen mit der Vizepremierministerin und Ministerin für Wirtschaft, Julia Sviridenko. Sie nimmt als Gast an dem Industrieministertreffen teil. Darüber hinaus wird der Bundesminister außerdem François-Philippe Champagne, den kanadischen Minister für Innovation, Wissenschaft und Industrie, zum Gespräch treffen. Dabei wird es um bilaterale wirtschaftliche Fragen gehen.
Alexandrin (BMDV)
Digitalminister Dr. Volker Wissing wird dann am Freitag in Verona beim G7-Treffen übernehmen. Wie der Kollege schon sagte, steht das Treffen im Zeichen künstlicher Intelligenz und der Sicherheit digitaler Infrastrukturen. Der Minister wird sich dabei insbesondere für die internationale Anschlussfähigkeit der europäischen KI-Regeln einsetzen und dazu unter anderem bilaterale Gespräche mit den USA, den Italienern, der Kommission und auch Großbritannien führen. Wie Sie wissen, wird es dann am Freitag gegen 14.55 Uhr eine Pressekonferenz der G7-Präsidentschaft geben.
Frage
Können Sie uns sagen, Herr Hebestreit oder das Finanzministerium oder wer auch immer, wie diese Schätzung von 625 Millionen Euro Entlastung pro Jahr (in Bezug auf das Bürokratieentlastungsgesetz) zustande kommt? Das klingt ja nach einer relativ präzisen Summe. Ein Verwaltungswissenschaftler, der das insgesamt lobt, sagt aber, das sei doch eher Pi mal Daumen hochgerechnet. Wie kommt solch eine Summe zustande?
StS Hebestreit
Die Zahl, die ich genannt habe, war, glaube ich, 944 Millionen Euro. Aber dann würde ich das zuständige Justizministerium bitten, das zu beantworten.
Dr. Zimmermann (BMJ)
Genau. Der Minister hat sich heute in seinem Statement auch genau zu dieser Frage geäußert. Es gibt ein vorgegebenes Schema, das Fachleute in diesem Bereich entworfen haben und an dem sich die Berechnung orientiert. Die haben wir uns also nicht selbst ausgedacht, sondern an der haben wir uns orientiert. Daraus ergeben sich die Zahlen, wenn man diese Berechnung zugrunde legt.
Zusatzfrage
Inwiefern werden Bürger als normale Bürger entlastet? Wenn ich das richtig sehe, dann ist das eine wesentliche Entlastung für Bürger, die zum Beispiel Unternehmer oder Steuerberater sind. Aber wo wird der normale Bürger, der dies nicht ist, entlastet?
Dr. Zimmermann (BMJ)
Richtig ist, dass von dem Gesetz insbesondere auch wirtschaftliche Impulse ausgehen sollen. Gerade die Wirtschaft soll entlastet werden. Aber auch „normale Bürger“ können dadurch profitieren, indem die bürokratischen Hürden bei Hotelübernachtungen gesenkt werden. Da gibt es also auch spürbare Erleichterungen für Bürgerinnen und Bürger.
Man muss aber gleichzeitig sehen, dass dieses Bürokratieentlastungsgesetz IV ja nur ein Baustein von einem Gesamtansatz ist, von bürokratischen Pflichten zu entlasten, der auf vielen Ebenen stattfinden muss - nicht nur auf Ebene des Bundes, sondern natürlich auch in Kommunen und auf Ebene der Europäischen Union.
Kall (BMI)
Zur Hotelmeldepflicht kann ich ergänzen, weil das BMI diese Entbürokratisierung an der Stelle beigesteuert hat. Das kann man nicht nur in Geld bemessen, sondern auch in Stunden, um die das Bürgerinnen und Bürger jährlich erleichtert, wenn sie an der Hotelrezeption nicht mehr den Meldeschein ausfüllen müssen. Alle deutschen Staatsangehörigen werden nämlich davon befreit. Das erspart den Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes drei Millionen Stunden im Jahr ‑ so hat es das Statistische Bundesamt ausgerechnet ‑, weil es um 88,6 Millionen Fälle geht. So viele Meldezettel wurden bisher ausgefüllt. Das fällt weg. Da haben Sie ein paar konkrete Zahlen.
Frage
Herr Hebestreit, eine kurze Lernfrage für mich: Warum kann ich denn auch nach dem Gesetz meinen Arbeitsvertrag nicht digital unterschreiben? Das war ja eine Forderung der Wirtschaft. Damit ich etwas lerne: Was spricht aus Sicht der Bundesregierung dagegen?
StS Hebestreit
Der Regierungssprecher ist ja immer für alles allumfänglich auskunftsfähig und zuständig. In diesem Fall würde ich aber an das zuständige Bundesministerium für Arbeit und Soziales verweisen. Vielleicht kann man da helfen.
Prühl (BMAS)
Es ist, glaube ich, gar nicht richtig, dass Sie das nicht können, sondern Sie können das mit der sogenannten qualifizierten elektronischen Signatur durchaus digital unterschreiben. Es gibt im Arbeitsrecht wie auch in anderen Rechtsgebieten des Zivilrechts ‑ bei Bürgschaften, bei Testamenten etc. ‑ die Notwendigkeit der Schriftform oder alternativ die der qualifizierten elektronischen Signatur, damit man einfach eine gerichtsfeste Urkunde hat und damit im Streitfall zum Beispiel vor einem Arbeitsgericht nachgewiesen werden kann, wie die Arbeitsbedingungen geregelt waren.
StS Hebestreit
Ich habe das ja in meinem kurzen Vortrag zu dem Thema auch noch einmal deutlich gemacht. Wir befinden uns in einer Daueraufgabe. Auch so etwas wird immer wieder auf die Notwendigkeit überprüft. Gerade im Zuge der Digitalisierung merkt man ja auch, dass es bei der rechtssicheren Identifizierung eines einzelnen Nutzers bzw. einer einzelnen Nutzerin Fortschritte und massive Erleichterungen gibt. Auch das gehört zu den Themen, bei denen wir einerseits die Erfordernisse der Schriftform und auch der Gerichtsfestigkeit und andererseits natürlich der Nutzerfreundlichkeit immer wieder überprüfen müssen. Ich glaube, in dem Zuge wird sich dann Ihre Frage auch noch einmal stellen.
Frage
Herr Hebestreit, ich wüsste gerne, mit welcher Haltung und mit welchem Ziel der Bundeskanzler in das bilaterale Treffen mit Emmanuel Macron geht.
StS Hebestreit
Ich könnte jetzt den Kalauer machen, dass sie meistens, was die Haltung angeht, beieinander sitzen und anfangs stehen werden. Grundsätzlich ist es so, dass er eng und vertrauensvoll gerade auch mit dem französischen Staatspräsidenten zusammenarbeitet. Es gibt, glaube ich, wenn ich das richtig überblicke, keinen anderen Staats- und Regierungschef, den er so regelmäßig und so häufig und so ausführlich trifft wie Emmanuel Macron. Sie haben eine ganze Reihe von bilateralen Themen miteinander zu besprechen, auch mit Blick auf nächste Woche und den Europäischen Rat.
Dann gibt es ja auch noch das Thema der Unterstützung der Ukraine, bei dem es unterschiedliche Nuancen in einer Fachfrage gegeben hat. Ich vermute einmal, dass das dort auch kurz zur Sprache kommen wird. Ansonsten mangelt es den beiden eigentlich selten an Themen. Im Nachgang werden wir Sie auch sicherlich davon unterrichten, was besprochen worden ist.
Frage
Herr Hebestreit, können wir denn mit einer Pressekonferenz mit Herrn Macron und Herrn Tusk rechnen?
StS Hebestreit
Ich sprach von einer Pressebegegnung, und zwar vor Beginn des Weimarer Dreiecks, was ein bisschen den Zeitabläufen geschuldet ist. Zunächst wird Emmanuel Macron im Kanzleramt erwartet, dann wird Herr Tusk dazustoßen, dann wird es die Pressebegegnung geben, und dann wird es das eigentliche Gespräch im Format des Weimarer Dreiecks geben.
Zusatz
Es wäre schön, wenn man nach dem Gespräch, wenn es da vielleicht Ergebnisse gibt, die Herren noch einmal befragen könnte.
StS Hebestreit
Das nehme ich als Hinweis gerne mit. Sollte es ein Ergebnis geben, gibt es das manchmal sogar in schriftlicher Form, die man Ihnen dann auch noch mitteilen kann. Aber ich tue mein Möglichstes.
Zusatzfrage
Sie meinten, Ukraine wird thematisiert. Gaza nicht?
StS Hebestreit
Ich habe nicht gesagt, dass Ukraine nicht thematisiert wird.
Zusatzfrage
Nein, Ukraine wird thematisiert, aber der Krieg in Gaza nicht. Korrekt?
StS Hebestreit
Den Gesprächen kann ich jetzt im Moment nicht vorgreifen. Ich habe gesagt, was im Zentrum steht. Zum Thema Gaza: Da haben wir ja auch heute gerade vom Verteidigungsministerium ‑ dazu kommen wir bestimmt gleich noch ‑ und im Auswärtigen Amt die Unterstützung ‑ ‑ ‑ Das ist ja auch ein deutsch-französisches Projekt, insofern kann das sicherlich zumindest beim bilateralen Teil eine Rolle spielen. Ob das dann auch in dem Weimarer Format angesprochen wird, vermag ich heute noch nicht vorauszusehen.
Frage
Herr Hebestreit, der russische Präsident hat gestern seine Verhandlungsbereitschaft zum Thema Ukraine geäußert. Wird das auch ein Thema sein, und wie steht die Bundesregierung grundsätzlich zu dieser Verhandlungsbereitschaft?
StS Hebestreit
Ich tue mich schwer, die Worte des russischen Präsidenten an der Stelle ernst zu nehmen, wenn er weiterhin erbarmungslos einen Angriffskrieg auf die Ukraine mit massivem Raketenbeschuss und Ähnlichem fortsetzt. Wir haben immer gesagt, dass es Sache der Ukraine ist, sich an dieser Stelle zu verhalten, wie sie es für richtig und verantwortbar hält. Der russische Präsident kann diesen Krieg jederzeit sofort beenden, indem er seinen Feldzug abbricht, seine Truppen zurückzieht und an den Verhandlungstisch bittet. Aber das muss dann auch geschehen.
Zusatzfrage
Was sollte Russland konkret tun, damit solche Äußerungen ernst genommen werden können? So, wie Sie das sagen, also dass Russland sich einfach zurückziehen sollte und das war's, ist das Kapitulation, oder nicht?
StS Hebestreit
Kapitulation, finde ich ‑ ‑ Die Forderung an die Ukraine, zu kapitulieren, gibt es. Nur um das klarzurücken: Im Augenblick ist es so, dass russische Truppen sich auf ukrainischem Gebiet befinden und dort seit mehr als zwei Jahren ‑ oder je nachdem, wie Sie das sehen wollen, seit mehr als zehn Jahren ‑ einen erbarmungslosen Feldzug führen, der tagtäglich hohe Opferzahlen hervorruft. Insofern würde ich sagen: In dem Moment, in dem man zu einer friedlicheren Konfliktbeilegung kommen möchte, wäre es sehr gut und angetan, dass man den Beschuss von Zivilisten und ziviler Infrastruktur aufgibt, nicht weiter auf Territorium, das der Ukraine gehört, vorstößt und ähnliche Dinge unterlässt, um diesen Worten ‑ Sie haben mich ja gefragt, wann ich das glaubwürdig finde ‑ eine gewisse Glaubwürdigkeit zu verleihen.
Frage
Herr Hebestreit, ich habe nur eine technische Frage zu dem Treffen im Format des Weimarer Dreiecks. Sie sprachen von einer Pressebegegnung. Bedeutet das, dass Fragen zugelassen sind, oder gibt es nur ein Statement?
StS Hebestreit
Ich gehe davon aus, dass es auch Fragen geben wird.
Frage
Herr Hebestreit, können Sie noch etwas zur Genese des Treffens sagen? Auf wessen Initiative wurde das vereinbart?
StS Hebestreit?
Das ist eine gemeinsame Initiative des französischen Staatspräsidenten, des deutschen Bundeskanzlers und des polnischen Ministerpräsidenten. Ich kann insoweit sagen, dass Emmanuel Macron und Olaf Scholz in den vergangenen Tagen ausführlich miteinander telefoniert haben und dann dieses Gespräch bzw. dieses Treffen miteinander vereinbart haben.
Zusatzfrage
Können Sie sagen, wann das genau war?
StS Hebestreit
Ich glaube, am Sonntag.
Zusatzfrage
Am Sonntag wurde also das Treffen im Format des Weimarer Dreiecks für Freitag vereinbart?
StS Hebestreit
Ja. ‑ Ich muss das ergänzen: Ob schon der Freitag als konkreter Termin vereinbart wurde oder ob man gesagt hat „in den nächsten Tagen“ bzw. „sobald wir das hinkriegen“, weiß ich gerade nicht. Aber am Sonntag gab es das Telefonat mit dem französischen Staatspräsidenten und dem deutschen Bundeskanzler.
Frage
Noch eine kurze Frage dazu: Eigentlich sollte am Freitag auch Charles Michel kommen. Kommt er immer noch? Kommt er dazu? Kommt er später?
StS Hebestreit
Charles Michel kommt auch. Meines Wissens kommt er jetzt etwas früher, weil es nachmittags andere Termine gibt.
Frage
(zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine) Vor dem Hintergrund, dass in Litauen der Nawalny-Vertraute Wolkow angegriffen wurde und der litauische Präsident Nausėda wörtlich in Richtung Putin gesagt hat: „No one is afraid of you here“, also: „Niemand hat Angst vor Ihnen“, möchte ich fragen: Wie viel Angst hat die Bundesregierung vor Putin?
StS Hebestreit
Das ist jetzt eine sehr psychologisierende Frage. Die möchte ich so beantworten: Auch hier hat niemand Angst vor dem russischen Präsidenten.
Frage
Indirekt zu Russland/Ukraine: Herr Hebestreit, der Papst hat den Kanzler vor elf Tagen empfangen. Sind die Aussagen des Papstes zu den Friedensbemühungen ‑ Sie haben diese Aussagen ja kritisiert ‑ bei diesem Treffen thematisiert worden? Das Interview, das jetzt kritisiert wird, hat der Papst ja schon im Februar gegeben. Das heißt, ich kann mir vorstellen, dass der Papst das Herrn Scholz auch mit auf den Weg gegeben hat. Hat Herr Scholz den Papst dafür dann kritisiert?
StS Hebestreit
Ich wurde dazu schon am Montag befragt, und ich glaube, zu dem Teil, den Sie in Ihrer Frage jetzt aufgreifen, habe ich geantwortet, dass es ein Vieraugengespräch war. Bei diesem Vieraugengespräch war ich auch nicht präsent; insofern könnte ich das weder bestätigen noch dementieren. Aus solchen vertraulichen Gesprächen berichten wir ohnehin nicht. Die Haltung des Bundeskanzlers an dieser Stelle ist klar, und in den Teilen, in denen ich dabei war, hat das keine Rolle gespielt.
Frage
Herr Hebestreit, neben den USA ist jetzt auch Deutschland gezwungen, als mutmaßlich enger Partner Israels den Palästinensern humanitäre Hilfe via Luftabwurf zukommen zu lassen. Da würde mich generell interessieren ‑ es wäre nett, wenn Sie mich auch ansehen ‑: Steht Kanzler Scholz immer noch zu seiner Aussage von Ende Oktober 2023, er hege keinerlei Zweifel daran, dass Israel sich bei seinem militärischen Vorgehen im Gazastreifen vollumfänglich an das Völkerrecht hält?
StS Hebestreit
Ich habe Sie nicht angesehen, weil ich sehr genau zugehört habe, damit mir keine von all den Unterstellungen, die Sie in Ihre Fragen zu packen versuchen, entgeht.
Die Bundesrepublik Deutschland steht eng an der Seite Israels. Die Sicherheit Israels ist deutsche Staatsräson, und da gibt es auch keine Veränderung der Haltung. Sie haben auch mitbekommen, dass wir von dieser Stelle und verschiedentlich auch von anderen Stellen aus ‑ auch der Bundeskanzler ‑ an die israelische Regierung appelliert haben, die humanitäre Situation in Gaza deutlich zu verbessern. Er hat auch dazu aufgerufen, dass es keine Bodenoffensive auf Rafah geben soll. Er hat auch den Zugang humanitärer Hilfe über verschiedene Grenzübergänge angemahnt und das nicht nur öffentlich, sondern auch in den Gesprächen mit unseren israelischen Gesprächspartnern immer wieder deutlich gemacht. Wir sehen, dass die Situation in Gaza immer schlimmer wird, und haben uns jetzt entschieden, mit unseren Freundinnen und Freunden, auch mit der jordanischen Regierung zusammen zu diesem bestenfalls zweitbesten Mittel zu greifen, weil solche Hilfslieferungen, ob sie nun über den Seeweg oder über die Luft erfolgen, weder zielgerichtet sind, noch die Betroffenen in dem Maße erreichen können. Deswegen bleibt es bei unserem Plädoyer und unserer Aufforderung, dass Israel es ermöglicht, dass mehr substanzielle humanitäre Hilfe nach Gaza kommt. Gleichzeitig bleibt unser Aufruf an die Hamas, die noch mehr als 100 verbliebenen Geiseln, die dort seit über fünf Monaten in Geiselhaft genommen sind, endlich freizugeben, um damit auch den Weg für eine Waffenpause freizumachen, die dringend benötigt wird.
Zusatzfrage
Meine Frage war allerdings, ob angesichts der Ereignisse der letzten Wochen und Monate ‑ wir sind mittlerweile bei 13 000 getöteten Kindern, 9 000 getöteten Frauen, 125 getöteten Journalisten, die eigentlich auch einem besonderen völkerrechtlichen Schutz unterliegen, und zwei Dutzend Kindern, die ebenfalls laut UN-Angaben mittlerweile einen Hungertod gestorben sind ‑ der Kanzler weiterhin bei seiner Einschätzung bleibt, dass sich Israel bei seinem Vorgehen im Gazastreifen vollumfänglich an das Völkerrecht hält. Ihre Antwort diesbezüglich hat sich mir noch nicht vollumfänglich erschlossen.
StS Hebestreit
Der Kanzler hat gesagt, er sei überzeugt, dass sich Israel an das Völkerrecht hält, und daraus gibt es keine veränderte Position.
Frage
Herr Fischer, können Sie etwas zu den deutschen Geiseln der Hamas in Gaza sagen? Wie viele sind es? Nach meinem Stand sind es 16. Können Sie das bestätigen?
Fischer (AA)
Bei den von der Hamas nach Gaza verschleppten Deutschen gehen wir von einer in der Tat niedrigen zweistelligen Zahl von deutschen Staatsangehörigen aus, die immer noch in den Händen der Hamas sind. Deshalb unterstützen wir auch die Gespräche über eine Waffenpause, darüber, dass mehr humanitäre Hilfe nach Gaza kommt und dass vor allen Dingen die Geiseln endlich freikommen, die in den letzten Monaten auch in den Kellern der Hamas Unerträgliches durchgemacht haben.
Zusatzfrage
Können Sie die Zahl 16, die ich genannt habe, bestätigen oder dementieren? Wie viele von den deutschen Geiseln sind seit dem 7. Oktober eingebürgert worden?
Fischer (AA)
Das eine ist: Ich bleibe bei dem, was ich gesagt habe: eine niedrige zweistellige Zahl.
Was die Fragen von Einbürgerungen und anderen Dingen angeht, würde ich darauf verweisen, dass das Dinge sind, die die Personen selbst betreffen und über die diese, wenn sie es denn können, bzw. ihre Familien selbst Auskunft geben müssten.
Frage
Wir wollten fragen, ob Sie es so sehen, dass es für den Einsatz, für den Boris Pistorius jetzt anscheinend grünes Licht gegeben hat, einen Parlamentsvorbehalt gibt, dass er also einer Mandatierung durch den Bundestag bedarf.
Noch einmal die völkerrechtliche Frage ‑ es ging schon ein bisschen in die Richtung ‑: Wird durch die Bundesregierung die völkerrechtliche Verpflichtung anerkannt, dass Israel eigentlich die Zivilisten, die Menschen im Gazastreifen versorgen müsste? Gibt es andere Möglichkeiten, um auf die Regierung einzuwirken, sich dieser Verpflichtung auch anzunehmen?
Collatz (BMVg)
Dann fange ich einmal mit der Mandatierung an. Gern nehme ich die Frage auf und weise noch einmal auf die eindeutigen Bestimmungen dazu hin. Das Parlament ist dann gefragt, wenn die Bundeswehr einen Auftrag erhält, der im Eventualfall nur mit Waffengewalt durchzusetzen ist. Dafür ist dann auf jeden Fall ein Mandat des Bundestages erforderlich. Das ist hier nicht der Fall. Es handelt sich um einen humanitären Hilfsfall, sozusagen in Amtshilfe auch auf Anfrage des Auswärtigen Amtes in Absprache mit unseren Partnern. Wir informieren dann natürlich das Parlament, aber eine Zustimmung ist dafür nicht erforderlich.
Es gibt noch einen Sonderfall. Dazu habe ich mich auch erkundigt. Auch dann, wenn man bestimmte Mindestflughöhen über einem fremden Staatsgebiet unterschreitet, ist eine Zustimmung des Bundestags erforderlich. Aber das ist in diesem Fall nicht so. Wir halten alle Bestimmungen ein. Deswegen ist das nicht mitbestimmungspflichtig für das Parlament.
StS Hebestreit
Ich habe an dieser Stelle auch schon mehrfach auf unsere Mahnung an Israel verwiesen, sich an das humanitäre Völkerrecht zu halten. Darin sind alle Aspekte eingeschlossen, die es dazu zu beachten gilt.
Zusatzfrage
Heißt das, dass nicht mit anderen Mitteln eingewirkt wird, sondern es bei dieser verbalen Ermahnung bleibt?
StS Hebestreit
Nicht nur von dieser Stelle, wir sprechen auch direkt mit unseren israelischen Freundinnen und Freunden. Die Außenministerin war mindestens viermal, vielleicht auch schon häufiger in der Region und hat dort vor Ort gesprochen. Der Bundeskanzler steht im regelmäßigen Kontakt mit dem israelischen Ministerpräsidenten, mit anderen Teilen des Kriegskabinetts und auch mit dem israelischen Präsidenten. Das sind alle unsere Gesprächspartner, mit denen wir das auch bereden.
Fischer (AA)
Wenn ich ergänzen darf: Die Außenministerin war, glaube ich, seit dem 7. Oktober mittlerweile fünf Mal in Israel.
Zu Ihrer Frage: Israel darf die Lieferung von humanitärer Hilfe in Gaza nicht willkürlich behindern, sondern ist im Rahmen des Völkerrechts tatsächlich dazu verpflichtet, die Versorgung der Zivilbevölkerung zu ermöglichen. Das ist das, was wir hier von dieser Stelle aus auch schon häufig gesagt haben, was die Außenministerin eingefordert und auch sehr klargemacht hat, dass die israelische Armee nach dem Zusammenbruch der öffentlichen Ordnung in weiten Teilen des Gazastreifens sicherstellen muss, dass die Verteilung von humanitärer Hilfe gelingen kann. Wir haben Israel mehrfach von dieser Stelle aus, aber auch die Außenministerin in ihrer Pressekonferenz, aber natürlich auch in ihren Gesprächen ‑ ‑ Sie war ja zuletzt vor etwas über zwei Wochen in Israel und hat dort unter anderem mit dem israelischen Ministerpräsidenten und dem Außenminister gesprochen und noch einmal deutlich gemacht, wie wichtig es ist, dass Israel mehr humanitäre Hilfe zulässt und es ein funktionierendes System zur Koordinierung der humanitären Hilfe und auch der Sicherheit der humanitären Helfer vor Ort gibt. Daran arbeiten wir weiter.
Frage
Meine Frage geht an Herrn Collatz. Trifft es zu, dass für Lastenabwürfe mit der C-130 eine spezielle Zertifizierung nötig ist, über die die Bundeswehrsoldaten aber noch gar nicht verfügen, und sie deswegen, wenn man es bürokratisch sieht, gar nicht an der Mission teilnehmen dürften?
Collatz (BMVg)
Ich sehe, Sie sind schon gut vorinformiert. Ich möchte Ihre Recherche dahin gehend anreichern, dass ich zum einen bestätige, dass für das Lastenabsetzsystem noch keine deutsche Zertifizierung vorliegt. Aber das möchte ich um den Faktor ergänzen, dass es sich um Flugzeuge aus einer deutsch-französischen Einheit, einer Staffel in Évreux handelt. Die Franzosen haben sehr wohl schon Erfahrungen sowohl mit der Technik als auch mit dem Verfahren an sich. Wir freuen uns, dass wir davon profitieren können. Zum anderen kann der Inspekteur der Luftwaffe auf Basis der vorliegenden Fakten und Kenntnisse, auch ohne, dass ein formelles Prüfverfahren bereits abgeschlossen ist, die Erkenntnisse zusammenfügen und eine Ausnahmegenehmigung erteilen. Das ist der Fall, und es kann sein, dass das auch so gezogen wird.
Zusatzfrage
Dann würde ich eine Vorinformation gerne auch an Herrn Fischer weitergeben. Schweden hat ja vor einigen Tagen Zahlungen an UNRWA wegen der katastrophalen humanitären Situation wieder aufgenommen. Erwägt die Bundesregierung, dies ebenfalls wieder zu tun?
Fischer (AA)
Wir haben unsere Unterstützung für UNRWA aufgrund der wirklich schwerwiegenden Vorwürfe gegen einzelne Mitarbeiter der Organisation, dass sie sich an den Terroranschlägen der Hamas am 7. Oktober gegen Israel beteiligt hätten, temporär ausgesetzt. Unsere Forderung ist, dass diese Vorwürfe gegen UNRWA schnell und umfassend aufgeklärt werden. Unserer weitere Unterstützung für UNRWA in Gaza werden wir vom Fortgang dieser Prüf- und Untersuchungsprozesse sowie den konkreten und sichtbaren Schritten abhängig machen, die die UNRWA unternimmt, um die Prüfergebnisse umzusetzen.
Aber wir setzen natürlich unsere humanitäre Hilfe für die Menschen im Gazastreifen fort. Wir haben Sie vor Kurzem noch einmal um 20 Millionen Euro erhöht. Diese Mittel kommen anderen Organisationen wie dem World Food Programme oder dem Norwegian Refugee Council zugute.
Frage
Ich habe zwei Fragen zu Gaza. Herr Fischer, der EU-Außenbeauftragte hat Israel beschuldigt, den Hunger als eine Waffe gegen die palästinensische Zivilbevölkerung einzusetzen.
Die zweite Frage: Sie haben die Hilfsleistungen angesprochen. Wird es auch weiterhin Waffenlieferungen an Israel geben? Auf der einen Seite versucht Deutschland, das Leben der Palästinenser zu retten, aber auf der anderen Seite werden deutsche Waffen eingesetzt, um Palästinenser zu töten. Wie erklären Sie diesen zynischen Widerspruch?
Fischer (AA)
Wir nehmen die Äußerungen des Hohen Vertreters zur Kenntnis. Klar ist: Hunger darf niemals als Waffe eingesetzt werden. Sie kennen unsere Forderungen, die wir immer wieder erheben, dass mehr humanitäre Hilfe nach Gaza hineinkommen muss. Dabei bleiben wir, und das sehen wir so. Wir haben ‑ das habe ich vorhin schon erwähnt ‑ Israel aufgefordert, mehr zu tun, um eine sichere Versorgung der Zivilbevölkerung in Gaza zu ermöglichen, insbesondere mehr Grenzübergänge zu öffnen und die strikten Kontrollen und Vorgänge auf das Nötigste zu beschränken.
Wir sind ja mit einer Situation konfrontiert, in der immer noch zu wenige Hilfsgüter nach Gaza hineinkommen. Wir als internationale Gemeinschaft gehen davon aus, dass ungefähr 500 Lastwagenladungen pro Tag notwendig sind. Diese Menge erreichen wir derzeit bei Weitem nicht. Auch Israel hat es in der Hand, durch die Öffnung neuer Grenzübergänge und durch schnellere Kontrollen der Güter, die hineinkommen, mehr humanitäre Hilfe hineinzulassen. In der Tat hat es jetzt erstmals ein Pilotprojekt, wie Israel es nennt, gegeben, um gestern Hilfe nach Nordgaza zu bringen. Das war sicherlich ein wichtiger Schritt. Wir hoffen sehr, dass auch diese neue Route jetzt intensiver und häufiger genutzt wird. Denn es ist so, wie Steffen Hebestreit es gerade ausgeführt hat, dass das, was wir über den Seekorridor oder über den Abwurf von Hilfsgütern, woran wir uns schon länger beteiligen ‑ das Auswärtige Amt hat zum Beispiel Abwürfe des World Food Programme finanziert und unterstützt die jordanische Luftwaffe bei ihren Abwürfen ‑, aufzubauen versuchen, am Ende nur die zweitbeste Lösung ist oder, wie ich in der vorigen Regierungspressekonferenz gesagt habe, letztlich nur ein Tropfen auf den heißen Stein.
Zusatzfrage
Herr Fischer, der Vorwurf ist sehr erheblich. Das wäre ein Kriegsverbrechen. Noch einmal meine Frage: Stimmen Sie Herrn Borrells Äußerungen zu?
Fischer (AA)
Ich habe mich dazu gerade schon geäußert.
Frage
Herr Collatz, Minister Pistorius hat heute Morgen erklärt, der Einsatz sei nicht ungefährlich. Können Sie beschreiben, worin die Gefahren liegen, und sagen, wie sicher der Luftraum dort ist? Vielleicht kann auch Herr Fischer etwas dazu sagen.
Collatz (BMVg)
Ich denke, dass sich der Minister im Wesentlichen auf die technischen Gefahren des Einsatzes bezog. Dabei wird im Flug der Flugzeugrumpf geöffnet, und dann bewegen sich schwere Lasten hinaus. Wir haben am Wochenende ja verfolgt, dass es unten zu schweren Schäden führen kann, wenn das am falschen Ort einschlägt. Auf diese Gefahren will er hinweisen.
Mir liegen derzeit keine Anzeichen oder Lagebewertungen vor, die besagen würden, dass sich die Flugzeugbesatzung selbst einer militärischen Gefahr ausgesetzt sähe.
Zusatzfrage
Wo sind die Abwürfe geplant, an der Küste oder über Land?
Collatz (BMVg)
Über einem möglichst sicheren Gebiet.
Frage
Herr Fischer, immer mehr Palästinenser in Gaza versuchen, auf illegalem Weg, zum Beispiel über Schleuser, auszureisen. Ist Ihnen diese Problem bekannt?
Plant das Auswärtige Amt auf nationaler Ebene oder vielleicht auch als Teil einer europäischen Initiative angesichts der Notlage der Palästinenser in Gaza, Flüchtlinge von dort aufzunehmen?
Fischer (AA)
Ob es Schleusungsaktivitäten gibt, kann ich Ihnen nicht bestätigen. Das ist möglicherweise nicht völlig von der Hand zu weisen, aber mir liegen dazu keine konkreten Informationen vor. Was wir getan haben, ist, unsere Ortskräfte und deutsche Staatsangehörige, soweit es möglich war, aus dem Gazastreifen herauszuholen. Daran beteiligen wir uns. Gleichzeitig gibt es aber auf palästinensischer Seite nicht den Wunsch, dass es zu großen Flüchtlingsströmen aus Gaza heraus kommt, weil dort das Trauma der Nakba, der Vertreibung, mitschwingt. Von daher ist das, denke ich, eine wichtige Antwort auf Ihre Frage.
Zusatzfrage
Heißt das, dass es im Moment keinerlei Überlegungen oder Bemühungen des Auswärtigen Amtes gibt, solchen Flüchtlingen bei der Ausreise in irgendeiner Form behilflich zu sein?
Fischer (AA)
Wir unterstützen diejenigen bei der Ausreise, bei denen es einen Bezug zu Deutschland gibt, also zum Beispiel diejenigen, die einen Aufenthaltstitel für Deutschland haben oder die für deutsche Organisationen, die deutsche Botschaft gearbeitet haben.
Frage
Herr Fischer, ich will auf die Frage des Kollegen zurückkommen. Sie hatten sie nicht beantwortet. Gab es das in der außenpolitischen Geschichte Deutschland schon einmal, dass man die eine Seite mit Waffen beliefert, aber die andere Seite mit Essen? Ist das ein Novum?
Fischer (AA)
Ich würde die Unterstellung in Ihrer Frage zurückweisen. Israel ist Opfer eines brutalen Terroranschlags am 7. Oktober geworden, gegen den Israel das völkerrechtlich verbriefte Recht auf Selbstverteidigung zur Verfügung steht. Israel wird weiterhin aus dem Gazastreifen auch mit Raketen der Hamas angegriffen. Es ist die Hamas, die dieses Leid mit ihren Angriffen auf Israel über die palästinensische Bevölkerung gebracht hat. Ich denke, es ist auch an der Hamas, zu überlegen, ob jetzt nicht der richtige Zeitpunkt gekommen ist, um die Geiseln freizulassen und die Waffen niederzulegen. Denn dann wäre das Leiden der palästinensischen Bevölkerung sofort beendet.
Zusatzfrage
Das war nicht die Frage nach der Ursache. Ihre Sicht darauf kennen wir ja. Die Frage war ‑ ‑ ‑
Fischer (AA)
Das ist nicht nur unsere Sicht. Ich denke, das ist die Ursache.
Zusatzfrage
Ich kenne Ihre Sicht. Die Frage war, ob es das schon einmal gab, dass Deutschland die eine Seite mit Waffen und die andere Seite mit Essen beliefert hat.
Ist das aus Ihrer Sicht tatsächlich noch Selbstverteidigung Israels, jetzt, nach fünf Monaten, fünf Monate später? In Gaza werden gerade Fakten geschaffen. Das ist für jeden offensichtlich. Dort werden von Israel Straßen gebaut. Gaza soll militärisch wiederbesetzt werden. Es gibt mittlerweile tatsächliche Pläne für die Besiedlung des Nordens Gazas. Ist das noch Selbstverteidigung?
Fischer (AA)
Wie ich vorhin schon gesagt habe, setzt die Hamas ihre Raketenangriffe auf Israel fort. Insofern gibt es allein schon aus diesem Grund weiterhin ein Recht auf Selbstverteidigung, solange diese Angriffe fortgesetzt werden.
Gleichzeitig haben wir uns gegen jegliche Wiederbesetzung des Gazastreifens ausgesprochen. Das haben nicht nur wir getan; das haben wir im G7-Rahmen getan. Wir haben dort fünf Punkte definiert, zu denen unter anderem gehört, dass wir eine Besatzung, eine Wiederbesiedelung nicht akzeptieren, dass die Zukunft der palästinensischen Gebiete von den Palästinensern bestimmt werden muss und dass es auch keine territoriale Verkleinerung des Gazastreifens geben darf.
Frage
Herr Fischer, ich hatte Anfang Februar ‑ ich meine, es sei am 7. Februar gewesen ‑ ihre Kollegin gefragt, ob die entsprechende Verbalnote aus Nicaragua schon ihren Weg ins Auswärtige Amt gefunden habe. Mittlerweile hat Nicaragua auch offizielle Schritte gegenüber dem IGH eingeleitet und wirft Deutschland unter anderem einen Bruch der Genozidkonvention vor.
Ist diese Verbalnote mit der entsprechenden Aufforderung an Deutschland, die Waffenlieferungen an Israel zu unterlassen, mittlerweile angekommen?
Fischer (AA)
Wie Sie wissen, hat Nicaragua vor dem Internationalen Gerichtshof ein Verfahren angestrengt, das wir für haltlos halten. Wir werden unsere Argumente darlegen und sind davon überzeugt, dass sie Widerhall finden werden.
In diesem Zusammenhang hat uns Nicaragua in der Tat einige Zeit nach der Bundespressekonferenz, auf der Sie die Kollegin gefragt haben, auch eine Verbalnote übermittelt. Warum das auf nicaraguanischer Seite so lange gedauert hat, hat sich uns nicht recht erschlossen. Nicaragua hatte ja bereits per Pressemitteilung angekündigt, uns die Verbalnote zu übermitteln. Dann passierte tage- und wochenlang nichts. Aber zu guter Letzt ist diese Verbalnote doch eingetroffen.
Zusatzfrage
Noch eine Verständnisfrage; ich denke, sie geht auch an das AA und unter Umständen an das BMJ: Der Axel-Springer-Konzern unterhält in Israel das größte kommerzielle Kleinanzeigenportal yad2. Darauf werden zu Tausenden Wohnungen und Häuser auf der völkerrechtswidrig besetzten Westbank angeboten.
Wie ist die rechtliche Handhabung in Deutschland, wenn ein deutsches Unternehmen Geld mit der Vermarktung von Häusern und Wohnungen macht, die zumindest völkerrechtlich als illegal gelten?
Fischer (AA)
Ich denke, dass Sie zu Rechtsfragen und Fragen des Unternehmensrechts in der Tat die Kollegen aus den anderen Ressorts fragen müssten.
Folgt:
Dr. Zimmermann (BMJ)
Habe ich Sie richtig verstanden, dass Sie eine Auskunft zur Rechtslage erbitten?
Zusatz
Ich wollte fragen, wie es sein kann, dass ein deutsches Unternehmen, nämlich die Axel Springer SE, sozusagen mit der Vermarktung von als völkerrechtlich illegal geltenden Wohnungen Geld macht.
Dr. Zimmermann (BMJ)
Ich glaube, wir können das abkürzen: Wenn Sie eine Auskunft zur Rechtslage erbitten, dann können Sie einen Anwalt beauftragen; der kann ihnen diese Auskunft geben.
Frage
Herr Haberlandt, das Cannabisgesetz könnte ja jetzt womöglich in den Vermittlungsausschuss geschickt werden. Was passiert denn dann? Ist es dann nicht eigentlich tot? Wie wahrscheinlich ist es, dass es überhaupt noch kommt?
Haberlandt (BMG)
Wir setzen uns weiter dafür ein, dass das Cannabisgesetz am 22. März den Bundesrat passiert. Die Haltung des Ministers hat sich da jetzt auch nicht geändert. Er ist weiterhin zuversichtlich, dass das passieren wird. Von daher sprechen wir hier nicht über hypothetische Fragen.
Zusatzfrage
Das Gesetz würde in seiner jetzigen Form zu einem erheblichen Zusatzaufwand bei den Staatsanwaltschaften führen, weil quasi händisch jedes einzelne Verfahren geprüft werden müsste. Wie wollen Sie diesen Mehraufwand verhindern?
Haberlandt (BMG)
Zunächst einmal: Wir nehmen die Einwände der Länder ernst und versuchen diese erst einmal im Gespräch zu entkräften. Das passiert derzeit auch.
Die Zahl der komplexen Verfahren, die kurzfristig gesichtet werden müssten, ist aus unserer Sicht deutlich geringer als von den Ländern angegeben. Nach unseren Schätzungen sind es maximal 7500 bundesweit. Da geht es um komplexe Fälle, in denen Straffällige wegen mehrerer Delikte inhaftiert wurden. Jetzt muss geklärt werden, wie sich eine Amnestie in einem Bereich dann auf das Gesamturteil auswirkt. Über diesen Fall sprechen wir aus unserer Sicht.
Frage
Herr Hebestreit, Sie haben wahrscheinlich die BR-Recherchen gesehen, laut denen über 100 Mitarbeiter der AfD-Bundestagsfraktion in Organisationen Mitglied sind, die vom Verfassungsschutz beobachtet werden. Aus dem Bundestagspräsidium kommen schon Stimmen, dass man bei dem Gesetz nachschärfen müsse. Mir ist klar, dass das Parlament ist und nicht Bundesregierung, aber der Kanzler ist ja auch Bundestagsabgeordneter. Hält auch er es für richtig, dass man da die Regeln für Abgeordnete verschärfen sollte?
StS Hebestreit
Das ist jetzt ein bisschen heikel, weil er zwar ein Bundestagsabgeordneter ist, aber dann auch immer vom Kanzler gesprochen wird; denn Sie würden dann ja nicht schreiben „der Bundestagsabgeordnete Olaf Scholz“.
Grundsätzlich ist es so, dass der Kampf gegen Rechtsextremismus etwas ist, was die gesamte Bundesregierung und, ich hoffe, auch weite Teile des deutschen Parlaments umtreibt. Insoweit sind die getroffenen Maßnahmen nach den Recherchen, die der Bayerische Rundfunk jetzt publik gemacht hat, nachvollziehbar. Der Bundeskanzler wird sich an der Stelle aber vornehm zurückhalten, das zu bewerten.
Vorsitzende Wolff
Herr Kall, möchten Sie das ergänzen?
Kall (BMI)
Sie haben ja wahrscheinlich gesehen, wie sich die Innenministerin gestern geäußert hat und dass sie auch auf die Gewaltenteilung hingewiesen hat. Sie hat gesagt: Der Bundestag kann seine eigenen Regeln überprüfen und Verschärfungen diskutieren. Genau diese Diskussionen finden ja auch statt. Da hält sich die Regierung wegen der Gewaltenteilung heraus. Aber natürlich muss eine wehrhafte Demokratie alle Instrumente nutzen, um sich vor ihren Feinden zu schützen, und müssen die Arme dieser rechtsextremistischen Netzwerke bis in den Bundestag hinein weiterhin genauestens geprüft und beobachtet werden.
Frage
(zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine) Taurus wird offenbar einsatzbereit gemacht. Wird das damit verknüpft, dass es dann für den Eurofighter tragfähig wird?
Collatz (BMVg)
Dass Taurus für den Eurofighter bereit gemacht werden muss, ist nicht der Gegenstand der Berichterstattung, die ich gelesen habe. Da geht es darum, dass diese Munitionssorte ‑ Taurus ist nun einmal eine Munitionssorte ‑ gelagert wird und dass in regelmäßigen Abständen jede Munition, die gelagert wird, auf technische Einsetzbarkeit überprüft wird. Je nach Lagerungszustand befindet die sich auch in unterschiedlichen Einsatzbereitschaftslagen. Wir wissen auch, dass der Taurus in einer gewissen Anzahl einsatzbereit ist und in einer anderen Anzahl bereitgehalten wird für den Einsatz, aber noch vorbereitet werden müsste. Diese regulären, regelmäßig stattfindenden Überprüfungen und Upgrades, die dann natürlich auch erforderlich sind, gelten für jedes System. Nun ist das ja ein Flugkörper, der Drucksysteme, Antriebssysteme, Steuerungssysteme, Software enthält, und all dies bedarf der ständigen Wartung, Pflege und eben auch Upgrades, und das geschieht auch im Moment mit Taurus.
Zusatzfrage
Das heißt, es ist eher ein regulärer Prozess, der jetzt nicht auf irgendwelche Ringtausche und sonstigen Verfügbarmachungen hinauslaufen würde?
Collatz (BMVg)
Genau, das ist etwas, was mit jeder Munitionssorte und mit jedem eingelagerten Gegenstand bei der Bundeswehr geschieht.
Frage
Herr Hebestreit, ich war geradezu geschockt, als ich im Protokoll vom Montag nachlesen musste, wie Sie mit dem armen russischen Kollegen von der Deutschen Welle umgegangen sind. Den haben Sie ja behandelt, als würde er für die NachDenkSeiten fragen. In diesem Kontext hätte ich noch eine Verständnisfrage. Sie sagten: „Wir sind in diesem Raum heute ja unter uns, aber ab und an sind auch noch andere hier im Raum.“ Anschließend rieten Sie den Journalisten noch, entsprechend vorsichtiger zu formulieren. Da würde mich interessieren: Auf wen bezogen Sie sich konkret mit „Wir sind … unter uns“, und wer sind Ihrem Verständnis nach diejenigen, die an diesem Tag nicht in der BPK waren?
StS Hebestreit
Ach - ich glaube, alle, die im Raum waren, haben das genau verstanden. Wenn russische Narrative in diesem Raum unterbreitet werden und in dieser Phase dann über das Internet weiter verbreitet werden, dann ist das eine Phase, die man in einer freiheitlichen Demokratie aushalten muss, die man aber nicht befördern muss. Das sehen Sie sicherlich ganz genauso wie wir alle auch.
Zusatzfrage
Dann möchte ich doch noch die Frage des Kollegen von der Deutschen Welle aufgreifen. Die entsprechende ukrainische bzw. internationale Legion bzw. die ukrainische Fremdlegion untersteht zu einem Teil dem militärischen Oberkommando und zum anderen dem Kommando des ukrainischen Geheimdienstes. Da würde mich interessieren: Können Sie vollumfänglich ausschließen, dass tatsächlich keine deutschen Steuergelder in die Finanzierung ausländischer Söldner in der Ukraine geflossen sind?
StS Hebestreit
Es werden keine deutschen Steuergelder in die Finanzierung ausländischer Söldner gelenkt.
Frage
An das Innenressort: Das Innenministerium hat den Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit in der Weise zurückgezogen, dass sie ihn nicht weiter verbreitet. Das folgt einem Gerichtsurteil. Letztlich geht es wesentlich darum, dass sich ein oder zwei Personen mit ein oder zwei Sätzen in diesem Bericht diskriminiert fühlen oder fühlten. Ist ein Zurückziehen dieses Berichts wirklich die einzige mögliche Form, darauf zu reagieren?
Kall (BMI)
Dazu kann ich gerne etwas sagen. Erst einmal: Der Abschlussbericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit ist sozusagen in vollständiger Wissenschaftsfreiheit entstanden. Wie der Name schon sagt, kommt der Bericht von einem unabhängigen Expertenkreis und ist von diesem insofern auch inhaltlich vollkommen unabhängig erstellt worden. Nichtsdestotrotz hat das BMI diesen Bericht veröffentlicht und trägt insofern auch eine Verantwortung für diese Veröffentlichung. In einem Rechtsstreit vor dem OVG Berlin-Brandenburg ist eine bestimmte Passage in diesem Bericht untersagt worden, der von den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern dort aufgeschrieben wurde. Daraufhin haben wir diesen Bericht von der Webseite genommen. Jetzt ist es so, dass der Bericht den Vorgaben des Oberverwaltungsgerichts entsprechend in Kürze erneut veröffentlicht werden soll.
Zusatzfrage
Das heißt, Sie werden ihn wieder veröffentlichen, vermutlich dann um die inkriminierte Passage gekürzt, verstehe ich das richtig?
Kall (BMI)
In einer Form, die dem Beschluss des Gerichts entspricht.
Frage
Dieser Bericht enthielt ja auch Handlungsaufforderungen und Vorschläge an das BMI und die Bundesregierung. Hat das BMI bisher irgendetwas davon umgesetzt, um der grassierenden Muslimfeindlichkeit im Land entgegenzutreten?
Kall (BMI)
Selbstverständlich treten wir und die Sicherheitsbehörden jeden Tag Muslimfeindlichkeit entgegen. Das betrifft Angriffe auf Moscheen, das betrifft Angriffe auf Musliminnen und Muslime in unserem Land. Dafür gibt es eine Vielzahl an Maßnahmen, und zwar sowohl repressive Maßnahmen, was Strafverfolgung angeht, was Einsatz gegen antimuslimische Hasskriminalität angeht, aber auch viele präventive Maßnahmen. Sehr viele davon setzen wir im Rahmen der Deutschen Islamkonferenz um. Da finden Sie auch die entsprechenden Veröffentlichungen von uns, die es auch begleitend zu diesem Abschlussbericht des unabhängigen Expertenkreises gab, wo wir genau gesagt haben: Das und das und das machen wir gegen Muslimfeindlichkeit. Denn Sie haben völlig recht, dass das ein Problem ist, dem wir auch als Rechtsstaat jeden Tag begegnen müssen.
Zusatzfrage
Das war jetzt aber nicht meine Frage. Ich hatte gefragt, ob die Vorschläge der Kommission ‑ ‑ ‑
Kall (BMI)
Wie gesagt, wir haben diesen Bericht veröffentlicht und dazu auch gesagt ‑ ‑ ‑
Zusatzfrage
Darf ich kurz ausreden? ‑ Sie haben meines Wissens bisher keinen der Vorschläge umgesetzt. Ein prominenter Vorschlag war ja, dass es einen Bundesbeauftragten geben soll.
Kall (BMI)
Meines Wissens begegnen wir dem Problem nicht durch immer neue Beauftragte, von denen es ja auch eine ganze Reihe gibt, sondern dadurch, dass vor allen Dingen die Sicherheitsbehörden sensibel sind und antimuslimische Straftaten sehr intensiv verfolgen, Betroffene schützen, wir gegen antimuslimische Hasskriminalität vorgehen. Das tun wir, wie gesagt, jeden Tag, und begleitend zu dem Bericht finden Sie auch die entsprechenden Maßnahmen. Was wir dazu gesagt haben, gilt auch nach wie vor.
Frage
Ich habe noch eine Frage zu Gaza. Herr Fischer, Sie bezeichnen das jetzt ja immer als Tropfen auf den heißen Stein. Wenn ich es richtig verstanden habe, geschieht diese ganze Aktion mit dem Absetzen letztendlich auch mit auf Ihren Wunsch hin. Ich wüsste gerne noch besser, wie groß oder klein dieser Stein ist. Wir lesen, dass es 18 Tonnen oder so sein können. Was kommt den Menschen in Gaza denn im besten Fall zugute?
Fischer (AA)
Um einmal so anzufangen: Jedes Hilfspaket hilft, und jedes Hilfspaket trägt dazu bei, die Lage in Gaza ein ganz klein wenig weniger katastrophal zu gestalten.
Wenn es um die Mengen geht, was die Flugzeuge angeht, kann Kollege Collatz wahrscheinlich besser Auskunft geben als ich. Aber was zum Beispiel das Hilfsschiff angeht, das jetzt auf dem Weg nach Gaza ist: Das hat ungefähr 200 Tonnen Hilfsgüter geladen. Das sind sozusagen nur wenige Lkws. Wenn man sich vorstellt, was man mit LKWs einbringen kann, dann ist das halt deutlich, deutlich mehr. Ähnlich gilt das letztlich auch für Flugzeuge.
Ich würde gerne, wenn ich darf, ganz kurz noch einmal auf die Frage der ZDF-Kollegin reagieren, wie wir Menschen dabei unterstützen, aus dem Gazastreifen zu kommen. Neben den Deutschen ‑ ich weiß nicht, ob Sie das verfolgt haben ‑ haben wir ja dazu beigetragen und es unterstützt, auch Kinder aus dem SOS-Kinderdorf zu evakuieren, was Sie ja möglicherweise gestern haben verfolgen können. Das war eine Bitte der Organisation „SOS-Kinderdörfer weltweit“, die sich mit dieser Bitte Mitte November an die Außenministerin gewandt hat. Seitdem haben wir daran mit den palästinensischen Behörden, den israelischen und den ägyptischen Behörden gearbeitet, um zu gewährleisten, dass die Kinder und ihre Betreuer und Betreuerinnen vom Gazastreifen ins Westjordanland reisen können, nach Bethlehem, wo sie gestern angekommen sind, was uns sehr froh gemacht und erleichtert hat. Rechtzeitig ist es aber so, dass Sie möglicherweise die Debatte in Israel verfolgt haben, die es darüber gab, auch unter der palästinensischen Bevölkerung. Da gibt es dann halt tatsächlich immer die Sorge, dass es zu einer Vertreibung von Palästinenserinnen und Palästinensern aus Gaza kommen kann. Deshalb haben wir auch immer sehr deutlich gemacht, dass es sich hierbei nur um eine temporäre Evakuierung handelt, dass die Kinder und auch das SOS-Kinderdorf nach Gaza zurückkehren werden, wenn sich die Lage in ihrer Heimat verbessert hat. Dies also einfach noch einmal zur Einordnung der Diskussion um Evakuierungen und Ausreisen aus dem Gazastreifen.
Collatz (BMVg)
Sie haben es ja schon richtig erwähnt: 18 Tonnen pro Flugzeug ist das Maximalmaß. Daran sehen Sie schon, dass so ein Luftabsetzverfahren nur eine Notmaßnahme sein kann, nämlich dann, wenn andere Wege nicht zur Verfügung stehen. Aber es ist so, dass es um maximal 18 Tonnen pro Flugzeug geht. Zwei Flugzeuge stellen wir zur Verfügung. Dieses Maß gilt auch nur, wenn alle anderen Faktoren eben auch zutreffen. Das muss die richtige Größe haben, damit es hinten aus der Laderampe abgesetzt werden kann. Die Laderampe hat auch ein begrenztes Maß und kann eben auch nur halb geöffnet werden. Dabei spielen viele technische Faktoren eine Rolle. Das muss absatzgeeignet sein. Insofern können Sie sich auch vorstellen, dass, wenn das Flugzeug mit Windeln vollgemacht wird, die 18 Tonnen nicht zustande kommen werden. Es gibt also viele Faktoren, die dabei eine Rolle spielen. Aber grundsätzlich ist es so: 18 Tonnen pro Anflug können abgesetzt werden. Das kann auch pro Anflug komplett abgesetzt werden. Dann muss aber eben zurückgeflogen werden, wieder neu geladen werden, die Crew muss sich an ihre Flugzeiten und an alles Weitere halten. Deswegen sind die Umlaufzeiten begrenzt und können nicht mit anderen Transportmitteln konkurrieren.
Frage
Herr Hebestreit, ich habe eine Frage zur Nachfolge von NATO-Generalsekretär Stoltenberg. Die Bundesregierung hat ja bislang Herrn Rutte aus den Niederlanden unterstützt. Jetzt hat Ungarn angekündigt, dies nicht tun zu wollen. Gestern hat der rumänische Präsident Johannis seine Kandidatur angekündigt. Wie positioniert sich die Bundesregierung denn jetzt?
StS Hebestreit
Die Bundesregierung hat sich genau wie die Regierungen Großbritanniens, Frankreichs und auch der USA so erklärt, dass sie Mark Rutte unterstützt. Das ist die Position, die wir in dieser Frage einnehmen.
Frage
Meine Frage geht an das BMEL. Die Bundesländer haben gestern, wenn ich richtig informiert, 200 Maßnahmen zum Bürokratieabbau in der Landwirtschaft vorgelegt, vor der Agrarministerkonferenz in dieser Woche. Wie viele davon sind denn strittig, oder darf man davon ausgehen, dass der Bund bei allen mitmachen wird?
Poetschke (BMEL)
Ja, die Bundesländer haben ‑ auch auf Initiative des BMEL hin ‑ Vorschläge dazu vorgelegt, wo es möglich ist, Bürokratie in der Landwirtschaft abzubauen. Das war aber nicht gestern, sondern ist schon ein bisschen länger her. Die haben wir jetzt geprüft, haben sie uns angeschaut, insbesondere auf die Möglichkeit hin, ob das sozusagen überhaupt in der Jurisdiktion von Bund und Ländern liegt. Ganz viele Dinge liegen ja auch auf der EU-Ebene. Die ganzen Vorschläge werden ja jetzt auch auf der Agrarministerkonferenz ab Donnerstag beraten werden.
Frage
Herr Collatz, vielleicht können Sie noch einmal konkret sagen, wie viele Bundeswehrsoldaten oder -soldatinnen denn an diesem Lufteinsatz in Gaza beteiligt sein werden.
Collatz (BMVg)
Da kann ich Ihnen noch keine aktuellen Zahlen nennen. Ich müsste mir das von der Luftwaffe zuliefern lassen, oder Sie fragen dort am besten selbst nach.
Zusatzfrage
Aber zwei Crews?
Collatz (BMVg)
Zwei Flugzeuge, ja.