Im Wortlaut
Themen
• Kabinettssitzung
• Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Regelungen über die zulässige Miethöhe bei Mietbeginn
• Formulierungshilfe zur Änderung des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes
• Strategie der Bundesregierung zur Prävention und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt nach der Istanbul-Konvention 2025–2030
• Deutsche Anpassungsstrategie an den Klimawandel 2024
• 17. Entwicklungspolitischer Bericht der Bundesregierung
• 14. Integrationsbericht der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration
• Umlaufbeschluss des Bundeskanzlers und der Regierungschefs der Länder vom 6. Dezember 2024 zur Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse
• Empfang der Außenminister Polens, Frankreichs, Italiens, Spaniens und der Ukraine sowie des stellvertretenden Außenministers Großbritanniens und der Hohen Vertreterin der Europäischen Union für Außen- und Sicherheitspolitik durch die Bundesaußenministerin in Berlin
• Lage in Syrien
• Debatte um eine Absenkung der Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel
• mutmaßliche Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit der THG-Quote
• Vertrauensfrage
• zwischen dem Iran und den Vereinigten Arabischen Emiraten umstritte Inseln im östlichen Persischen Golf
• Kirchenasyl
• Annullierung der Präsidentschaftswahl in Rumänien
• Verlauf der Staatsgrenze zwischen Deutschland und Tschechien
• Gespräche zwischen Polen, Frankreich und Deutschland im Rahmen des Weimarer Dreiecks
• Militärübungen Chinas vor der Küste Taiwans
• proeuropäische Proteste in Georgien
• Inhaftierung eines deutschen Staatsbürgers in Russland
• Reisewarnung für Russland
• FIFA-Fußballweltmeisterschaft 2034
• Ernennung von Staatsminister Lindner zum Sonderkoordinator für Syrien
41 Min. Lesedauer
- Mitschrift Pressekonferenz
- Mittwoch, 11. Dezember 2024
Sprecherinnen und Sprecher
• Staatssekretär Hebestreit
• Fischer (AA)
• Dr. Hosemann (BMJ)
• Kall (BMI)
• Stempfle (BMVg)
• Keller (BMF)
• Stolzenberg (BMUV)
(Vorsitzende Wefers eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt
StS Hebestreit sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.)
StS Hebestreit
(zur Kabinettssitzung) Die Bundesregierung hat heute einen Gesetzentwurf beschlossen, mit dem die sogenannte Mietpreisbremse zur Verlangsamung des Mietanstieges bis zum 31. Dezember 2029, also um weitere vier Jahre, verlängert werden soll. Den Landesregierungen wird so ermöglicht, Gebiete mit einem angespannten Wohnungsmarkt auch über den 31. Dezember kommenden Jahres hinaus durch Rechtsverordnung zu bestimmen. Das bedeutet, dass in diesen bestimmten Gebieten mit einem angespannten Wohnungsmarkt die Miete zu Beginn des Mietverhältnisses die ortsübliche Vergleichsmiete regelmäßig höchstens um zehn Prozent übersteigen darf.
Zudem wird der Anwendungsbereich der Mietpreisbremse nun auch auf Wohnungen angepasst, die nach dem 1. Oktober 2014 und bis zum 1. Oktober 2019 erstmals genutzt und vermietet worden sind.
Außerdem hat das Kabinett heute eine Formulierungshilfe für eine Änderung des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes beschlossen. Dadurch können neue oder modernisierte Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen, Wärmenetze und Wärmespeicher auch noch deutlich später als bis zum 31. Dezember 2026 in Betrieb genommen und nach dem KWKG gefördert werden. Dies gibt Investoren die nötige Planungssicherheit. Gleichzeitig werden damit aber keine Vorfestlegung für den Kapazitätsmechanismus getroffen, der von 2028 an operativ sein soll.
Moderne, flexible und steuerbare KWK-Anlagen leisten einen wichtigen Beitrag zur Stromversorgung bei Windstille und an trüben Tagen wie heute. Sie sind ebenso wichtig für die öffentliche Wärmeversorgung. Auch künftig wird die Kraft-Wärme-Kopplung eine wichtige und hocheffiziente Säule bei der Umstellung auf eine klimaneutrale Strom- und Wärmeversorgung sein.
Das Kabinett hat heute auch die Strategie der Bundesregierung zur Prävention und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt nach der Istanbul-Konvention 2025–2030 beschlossen. Die Strategie formuliert klare Ziele mit konkreten Maßnahmen, Zeitplänen und Verantwortlichkeiten zur Bekämpfung jeglicher Gewalt gegen Frauen. Der Inhalt der Strategie ist eng an der Istanbul-Konvention ausgerichtet. Es geht um Gewaltprävention, Gewaltschutz, effektive Strafverfolgung und einen umfassenden, koordinierten Ansatz bei der Umsetzung aller Maßnahmen. Gleichzeitig wird eine nationale Koordinierungsstelle gemäß Artikel 10 der Istanbul-Konvention eingerichtet. Sie soll die Maßnahmen der Bundesregierung zur Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt künftig koordinieren.
Dann wurde die Deutsche Anpassungsstrategie an den Klimawandel 2024 beschlossen. Bundesministerin Lemke hat hierzu im Anschluss an die Kabinettssitzung bereits ein Pressestatement abgegeben. Daher von mir nur hier in aller Kürze: Mit dieser Strategie werden Vorkehrungen für die immer wichtiger werdende Anpassung an die Folgen des Klimawandels getroffen. Für die verschiedenen Aktionsfelder zur Anpassung werden erstmals messbare Ziele und Indikatoren definiert, die ein zielgerechtes Umsetzen und Nachhalten fördern. Die Ziele konzentrieren sich auf die Klimawirkungen mit besonders dringenden Handlungserfordernissen. Dabei adressieren sie die Bereiche, zu denen der Bund innerhalb seiner föderalen Zuständigkeit beitragen kann. Neben anderen wichtigen Maßnahmen beabsichtigt die Regierung etwa, die Warn-App NINA weiter zu verbessern und die Nutzerzahlen deutlich zu erhöhen.
Die Bundesregierung hat heute auch den 17. Entwicklungspolitischen Bericht beschlossen. Die zuständige Bundesministerin Schulze hat ihn unmittelbar vor dieser Pressekonferenz hier in der BPK vorgestellt. Insofern liefere ich nur ein bisschen Kontext.
In einer sich wandelnden, zunehmend multipolaren Welt beleuchtet der Bericht die Rolle der deutschen Entwicklungspolitik bei der Bewältigung globaler Herausforderungen in der 20. Legislaturperiode. Die deutsche Entwicklungspolitik und dementsprechend auch der Bericht setzen dabei folgende thematische Schwerpunkte: erstens Armut, Hunger und Ungleichheit, zweitens globale Gesundheit und körperliche Selbstbestimmung, drittens sozial-ökologische Transformation, viertens feministische Entwicklungspolitik und fünftens neue Ansätze in der Flucht- und Migrationspolitik.
Der Bericht wirft außerdem einen Blick auf alle Partnerregionen der deutschen Entwicklungszusammenarbeit. Er geht auch auf die umfangreiche zivile Unterstützung der Bundesregierung für die Ukraine seit Beginn des russischen Angriffskrieges ein und zeigt auf, wie die Entwicklungspolitik zur integrierten Sicherheitspolitik der Regierung beiträgt.
Der Bericht zeigt: Die Regierung trägt zu einer global gerechten und nachhaltigen Entwicklung bei. Die deutsche Entwicklungspolitik kann im Katastrophen- und Konfliktfall schnell und flexibel reagieren, wirkt aber auch und vor allem vorbeugend und strukturell.
Ein weiterer Bericht, und zwar der 14. Integrationsbericht, wurde heute im Kabinett vorgestellt. Der Bericht wird dem Deutschen Bundestag alle zwei Jahre vorgelegt. Er gibt einen umfassenden Überblick über das Integrationsgeschehen in Deutschland, in diesem Fall im Zeitraum von 2005 bis 2023. Im Anschluss an die Regierungspressekonferenz wird er hier von Staatsministerin Alabali-Radovan vorgestellt werden.
Deshalb auch hier von mir nur ganz knapp: Der Bericht deckt in 14 Themenfeldern die Bereiche von Demografie, Rechtsstatus, Bildung, Arbeit, soziale und politische Teilhabe sowie sicherheitsbezogene Aspekte ab. Die Daten im zeitlichen Verlauf zeigen, dass Integration in Deutschland insgesamt gelingt. Besonders für die Nachkommen von Eingewanderten sind Erfolge auf dem Arbeitsmarkt und in der schulischen Bildung zu verzeichnen. Für Eingewanderte selbst, vor allem für Frauen mit betreuungsbedürftigen Kindern, bestehen jedoch in mehrfacher Hinsicht weiterhin Hürden, insbesondere auf dem Arbeitsmarkt.
Menschen mit Einwanderungsgeschichte haben für unseren Arbeitsmarkt und unsere Fachkräftesituation und damit für Deutschlands Wohlstand eine enorme Bedeutung. Dementsprechend gibt es im Integrationsbericht einen zusätzlichen Schwerpunkt zum Thema des Fachkräftebedarfs.
Die Daten des Berichtes sind ab heute im neuen, interaktiven „Dashboard Integration“ des Statistischen Bundesamtes für alle öffentlich zugänglich.
Dann habe ich noch einen weiteren Punkt, der im engeren Sinne nicht zum Kabinettsbeschluss gehört, aber im weiteren schon. Wir haben es eben schon gehört, der Fachkräftemangel ist in vielen Branchen und Unternehmen deutlich bemerkbar. Deshalb ist Deutschland auch auf Fachkräfte aus dem Ausland angewiesen. Ausländische Fachkräfte leisten etwa im Gesundheitswesen einen wichtigen Beitrag zur Fachkräftesicherung und sind mittlerweile auch in anderen Bereichen unverzichtbar. Um die Verfahren zur Anerkennung ausländischer Berufsqualifikation weiter zu vereinfachen und zu beschleunigen, haben der Bundeskanzler und die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder in der vergangenen Woche in einem Umlaufverfahren eine ganze Reihe von sehr konkreten Maßnahmen beschlossen. Bund und Länder werden Regelungen schaffen, die dafür sorgen, dass künftig beispielsweise erforderliche Unterlagen auch elektronisch eingereicht und bearbeitet werden können, auch englischsprachige Unterlagen akzeptiert werden ‑ sie müssen also nicht noch einmal übersetzt werden ‑, ein weitgehender Verzicht auf Beglaubigungen eingeführt wird, eine Onlinebeantragung von Visa grundsätzlich möglich wird und die Möglichkeit für berufsbegleitende Anerkennungsprozesse verbessert und ausgeweitet wird. Der Bund wird in Abstimmung mit den Ländern auch einen Vorschlag vorlegen, wie die Anerkennung von Ärztinnen und Ärzten aus Drittstaaten schneller und einfacher möglich ist. Zudem soll die Zahl der Anerkennungsstellen weiter verringert werden, um Kompetenzen und Erfahrungen zu bündeln. Dadurch können die Anerkennungsverfahren schneller und günstiger ablaufen. Über die erreichten Fortschritte soll bis Ende September des kommenden Jahres berichtet werden.
All das wurde jetzt so entschieden, weil es in diesem Dezember nicht zur Zusammenkunft des Bundeskanzlers mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder, der sogenannten MPK, kommt.
Fischer (AA)
Guten Tag. Die Außenministerin empfängt morgen in der Villa Borsig die Außenminister des Weimarer Dreiecks, also aus Polen und Frankreich, sowie die Außenminister Italiens, Spaniens, den stellvertretenden Außenminister Großbritanniens, den Außenminister der Ukraine, sowie die neue Hohe Vertreterin der Europäischen Union für Außen- und Sicherheitspolitik, Kaja Kallas. Das Treffen folgt auf den Austausch in Warschau am 19. November im selben Format, der dort auf Initiative des Weimarer Dreiecks zustande gekommen ist. In den Gesprächen wird es darum gehen, ein klares Zeichen der fortwährenden Unterstützung der Ukraine zu setzen, auch mit Blick auf den Amtsantritt der zukünftigen US-Regierung.
Allen Teilnehmenden ist klar: Europa muss jetzt noch mehr für die eigene Sicherheit tun. ‑ Deshalb werden die Außenminister ganz konkret besprechen, wie weitere substanzielle militärische, finanzielle und humanitäre Hilfe für die Ukraine mobilisiert werden kann. Die Außenministerinnen und Außenminister werden auch darüber beraten, wie Elemente möglicher Verhandlungen über die Zukunft der Ukraine aussehen können. Dabei ist uns wichtig: An unseren Grundprinzipien, das heißt, keine Verhandlungen über Frieden in der Ukraine ohne die Ukraine und keine Verhandlungen über europäische Sicherheit ohne die Europäer, darf nicht gerüttelt werden. ‑ Der Außenminister der Ukraine, Andrij Sybiha, wird ebenfalls an dem Treffen teilnehmen und die ukrainische Sicht auf notwendige Elemente einer Verhandlungslösung darlegen.
Angesichts der dramatischen Ereignisse der letzten Tage in Syrien wird es Sie nicht überraschen, dass es auch ein zweites wichtiges Thema gibt, nämlich die aktuellen Entwicklungen in Syrien und deren Auswirkungen auf die Region und Europa.
Frage
Meine Frage richtet sich an Herrn Hebestreit und an das Justizministerium. Im Oktober gab es innerhalb der Regierung schon einmal einen Entwurf zur Mietpreisbremse. Warum ist er jetzt erweitert worden? Erschwert das aus Ihrer Sicht nicht die Mehrheitsfindung noch vor der Neuwahl?
StS Hebestreit
Dazu kann ich wenig sagen, weil ich nur den fertigen Entwurf kenne.
Dr. Hosemann (BMJ)
Es trifft zu, dass der Entwurf angepasst wurde. Das im Entwurf vom Oktober ursprünglich vorgesehene verstärkte Begründungserfordernis wurde gestrichen. Das maßgebliche Datum der Verordnungsermächtigung wurde um ein Jahr nach hinten verschoben. Auch der Stichtag für die Neubauregelung wurde verschoben.
Dass ein Entwurf innerhalb einer Ressortabstimmung angepasst wird, ist ein ganz normaler Vorgang. Dazu sind Ressortabstimmungen da. Es ist auch bekannt, dass sich zwischen Ende Oktober und dem heutigen Datum gewisse Veränderungen in der politischen Gesamtzusammensetzung der Bundesregierung ergeben haben. Diese mögen auch einen Einfluss auf den Ablauf der ressortinternen Beratung gehabt haben.
Frage
Meine Frage geht an Herrn Hebestreit, vielleicht auch an das BMJ. Der Berliner Mieterverein hat eine Untersuchung vorgelegt, in der er knapp 1000 Fälle von Mieterhöhungen untersucht hat. Darin wurde festgestellt, dass bei mehr als der Hälfte dieser Fälle, also bei mehr als 500 Fällen, bei Angebotsmieten der verlangte Mietzins über 50 Prozent über der nach der Mietpreisbremse zulässigen Miethöhe lag.
Wie soll man damit umgehen, wenn ein politisch-juristisches Instrument schlicht und einfach nicht eingehalten wird? Hat das bei der Diskussion um die Verlängerung eine Rolle gespielt? Wie macht man aus einer stumpfen Waffe ein scharfes Schwert?
StS Hebestreit
Ich weiß nicht, ob das eine stumpfe Waffe ist, sondern es gibt den Rechtsweg, auf den man sich als Mieterin und Mieter in einem solchen Fall berufen kann, wenn es zu Verstößen gegen geltendes Recht kommt.
Zusatzfrage
Es geht hier um die Frage von Angebotsmieten. Das heißt, es besteht noch kein rechtlicher Anspruch, sondern von Vermietern wird einfach ein derartiges Level gesetzt, das dann den Mietspiegel, der dann wieder Referenzmaßstab ist, insgesamt nach oben drückt. Das heißt, der Mechanismus wirkt an der Stelle einfach nicht so, wie er soll.
Dr. Hosemann (BMJ)
Die rechtliche Ausführung stimmt nicht. Der Mietspiegel wird nicht danach bemessen, was im Angebotsportal irgendwie als Miete ausgewiesen wird, sondern nach der tatsächlich vereinbarten Miete. Da können sich Mieterinnen und Mieter auf die Mietpreisbremse berufen. Drastisch überhöhte Mieten in diesem Sinne fließen da nicht ein.
Frage
Herr Hosemann, die andere Seite der Mietpreismedaille ist die notwendige Eindämmung der Spekulation von Immobilieninvestoren. Was tut die Bundesregierung da? Ist da was im Gesetz mit bei?
Dr. Hosemann (BMJ)
Das Bundesministerium der Justiz ist für das bürgerlich-rechtliche Mietrecht zuständig. Ich bin mir nicht ganz sicher, auf welche Maßnahmen Sie abzielen und was sie unter Immobilienspekulationen im Unterschied zu normalen Investitionen in den Wohnungsmarkt verstehen. Jedenfalls ist das BMJ für diese Teilbereiche der Politik nicht zuständig.
Zusatz
Das fängt damit an, dass Vermieter oder Immobilienunternehmen eher Luxuswohnungen bauen als Sozialwohnungen, dass Leerstand zum Zwecke der Spekulation erlaubt ist, sodass sich das dann später lohnt.
Dr. Hosemann (BMJ)
Wie gesagt, will ich mich jetzt nicht zu Ihren politischen Vorstellungen, wie man den Wohnungsmarkt regeln sollte, verhalten. Ich kann für das BMJ nur sagen, dass wir für das Mietrecht zuständig sind und in dem Gesetzentwurf das adressieren, was in unserem Zuständigkeitsbereich liegt. Die Frage, wie was gebaut wird, wäre, denke ich, richtigerweise an das Ministerium für Stadtentwicklung, Wohnen und Bauwesen adressiert.
Zusatz
Sie sind also nicht für die Spekulationen mit Wohneigentum und Immobilien zuständig.
Dr. Hosemann (BMJ)
Ich mache mir Ihre politischen Begriffe gar nicht zu eigen. Wir sind zuständig für die Regelung des Vertragsrechts. Ich habe den Zusammenhang zwischen dem Problem, das Sie skizzieren, und dem bürgerlich-rechtlichen Mietrecht immer noch nicht ganz verstanden. Aber ich fürchte, dass wir das in solch einem Frage-Antwort-Spiel jetzt auch nicht auflösen können. Darüber müssten wir uns vielleicht einmal separat unterhalten.
Frage
Ich habe eine Frage zur Lage in Syrien. Die Union, Herr Hebestreit, sagt, man müsse jetzt zügig an einem Rückkehrplan arbeiten. Arbeitet die Regierung an einem solchen Plan?
Herr Fischer, welche Kriterien müssen erfüllt sein, damit man zu der Einschätzung kommt, dass die Lage in Syrien stabil ist, um eine Rückkehr zu ermöglichen?
StS Hebestreit
Vielleicht hilft es, trotz aller nachvollziehbaren Aufregung in Zeiten, in denen der Wahlkampf immer näher rückt, einen halben Schritt zurückzugehen. Wir haben es mit einer sehr dynamischen Lage in Syrien zu tun. Der Diktator Assad ist nicht mehr im Lande. Das hat der Bundeskanzler, das haben viele andere Politikerinnen und Politiker, europäische Staatschefs erst einmal umfangreich begrüßt. Das ist eine gute Nachricht.
Trotzdem ist die Lage im Land natürlich alles andere als stabil. Viele Beteiligte sind gerade dabei, ihre Hilfe anzubieten, um die Situation, die jetzt in Syrien besteht, zu stabilisieren. Die Bundesministerin des Äußeren hat sich dazu kurz vor dieser Veranstaltung ausführlich geäußert. Der Bundeskanzler hat gestern in einem Fernsehinterview deutlich gemacht, dass wir diese Situation jetzt erst einmal bewerten müssen. Wir müssen erst einmal abwarten, wie sich die Situation in Syrien entwickelt. Wir haben Hoffnungen. Aber ob die Hoffnungen am Ende eintreten werden, das wird sich zeigen müssen, bevor man jetzt den fünften Schritt vor dem zweiten macht und die Frage stellt, wie sich das mit diejenigen, die in Deutschland sind, einen subsidiären Schutz genießen und auch wieder in ihre Heimat gehen wollen oder, wenn der Schutz ablaufen würde, dann auch gehen müssten, vollzieht. Das steht zum jetzigen Zeitpunkt überhaupt nicht an, und deswegen sorgen solche Diskussionen eher für Verunsicherung bei den Flüchtlingen in Deutschland, die sich zum Teil seit sehr vielen Jahren hier aufhalten, sich integriert haben und vielfach Arbeit aufgenommen haben. Unter denjenigen, die seit 2014, 2015 nach Deutschland gekommen sind, gibt es ein hohes Maß an Beschäftigten.
Deswegen ist der Aufruf der Regierung: Wir beobachten die Situation jetzt erst einmal sehr genau. Wir bringen uns nach Kräften ein, außenpolitisch, sicherheitspolitisch, wo es geht. Alle weiteren Fragen, die sich daran anschließen, klären wir, wenn sie sich stellen, aber nicht am dritten Tag nach einem solchen Ereignis, das die wenigsten außenpolitischen Experten überhaupt haben kommen sehen.
Zusatzfrage
Ich habe eine konkrete Frage. Es gibt Aufrufe aus Syrien, zurückzukehren. Kann man als syrischer Flüchtling, oder welchen Status man auch immer haben mag, nach Syrien fliegen oder sich dahin bewegen und wieder nach Deutschland zurückkehren? Geht das?
Kall (BMI)
Ja, selbstverständlich kann man das selbst entscheiden und freiwillig zurückkehren. Übrigens fördert die Bundesregierung über das BAMF auch Programme zur freiwilligen Rückkehr, also das, was nun teilweise gefordert wird, sozusagen Starthilfen zu leisten, Menschen dabei zu helfen, zurückzukehren. Solche Programme gibt es; das wird gefördert. Ich weiß nicht, ob es direkte Flüge gibt, wahrscheinlich aber nicht, sondern dann erfolgen Rückreisen über andere Staaten in der Region.
Ich möchte aber auch noch einmal sagen, was die Bundesinnenministerin die letzten beiden Tage gesagt hat, nämlich dass bei vielen syrischen Flüchtlingen endlich wieder Hoffnung auf eine Rückkehr in ihre Heimat und auch auf den Wiederaufbau ihres Landes besteht, dass es aber schlicht unseriös ist, in einer so unklaren und instabilen Lage schon über konkrete Rückkehrmöglichkeiten zu sprechen. Die gibt es aktuell noch nicht.
Wie gesagt, individuelle Reisen können Menschen machen, aber die Lage ist einfach zu instabil, um Rückkehrmöglichkeiten im größeren Stil zu prüfen. Deswegen beobachten wir die Lage so genau und deswegen tauscht sich die Bundesinnenministerin darüber natürlich auch eng mit ihren europäischen Amtskolleginnen und -kollegen aus. Das hat sie gestern in London am Rande ihrer Gespräche getan, und das wird sie morgen auch am Rande des Innenrats in Brüssel tun.
Insofern kommt es für uns auf eine klarere Lage an. Wie Sie wissen, hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge am Montag auch einen Entscheidungsstopp für aktuelle Asylverfahren verhängt. Das heißt, Asylverfahren werden natürlich weiter geprüft, aber es wird nicht entschieden, solange die Lage in Syrien so unklar ist. Das ist ein bewährtes Vorgehen, und das ist beispielsweise auch mit Blick auf Gaza so gemacht worden, damit man eben in einer so unklaren Lage keine Entscheidungen trifft, sondern erst dann, wenn sich die Lage geklärt hat.
Frage
Herr Fischer, Israel hat in den letzten Tagen über 300 Ziele in Syrien bombardiert, hat die völkerrechtlich zu Syrien gehörenden Golanhöhen vollumfänglich besetzt und steht jetzt in Qatana, 20 Kilometer vor der Hauptstadt Damaskus. Wie bewertet die Bundesregierung aus völkerrechtlicher Perspektive sowohl die Besetzung der Golanhöhen als auch das Vorrücken bis kurz vor Damaskus sowie die massenhaften Bombardierungen in den letzten Tagen?
Fischer (AA)
Herr Kollege, es tut mir leid, dass Sie immer nur einmal in der Woche kommen, aber über die Golanhöhen haben wir vor zwei Tagen schon gesprochen.
Zusatz
Das Protokoll habe ich brav gelesen.
Fischer (AA)
Dann ist es ja gut, dann kennen Sie ja unsere Haltung. ‑ Was den Rest angeht, hat sich die Außenministerin gerade vor der Presse geäußert und einen Acht-Punkte-Plan für ein freies, demokratisches Syrien vorgestellt. Dabei ist sie auch auf Ihre Frage eingegangen und hat beispielsweise ‑ ich paraphrasiere ‑ gesagt, dass Nachbarn wie die türkische und israelische Regierung, die Sicherheitsinteressen geltend machen, mit ihrem Vorgehen nicht den Prozess stören dürfen, der in Richtung einer Bildung einer Übergangsregierung und einer besseren Zukunft für die Syrerinnen und Syrer führt.
Zusatzfrage
Das wäre jetzt aber mitnichten eine Antwort auf meine Frage. Ich wollte wissen, ob das Auswärtige Amt die massenhafte Bombardierung Israels von Zielen in Syrien als vom Völkerrecht gedeckt sieht oder nicht. Die Außenministerin hat die Angriffe jetzt ja weder explizit verurteilt noch unterstützt. Können Sie mir sagen „ja, vom Völkerrecht gedeckt“ oder „nein, nicht vom Völkerrecht gedeckt“?
Fischer (AA)
Herr Kollege, wir rufen alle Akteure zur Zurückhaltung auf. Klar ist auch, dass für uns die Sicherheit und Stabilität in der Region von zentralem Interesse sind. Das Vorgehen, das wir beobachtet haben, wirft natürlich eine Reihe von Fragen auch völkerrechtlicher Natur auf. Mir sind die genauen Umstände vor Ort aber nicht bekannt, und mir ist zum Beispiel auch nicht bekannt, ob es möglicherweise Kontakte zwischen der israelischen Regierung und den neuen syrischen Akteuren gegeben hat. Von dort hören wir nichts, und solange mir die Umstände nicht vollständig bekannt sind, kann ich auch keine völkerrechtliche Einordnung vornehmen.
Frage
Herr Fischer, Sie betonen ja immer wieder Israels Recht auf Selbstverteidigung. Gestehen Sie dieses Recht auch Syrien zu? Hat Syrien also das Recht, sich gegen diese Angriffe zu wehren, oder sagen Sie einfach: Nein, die sollen das einfach so über sich gehen lassen?
Fischer (AA)
Ich habe gerade ja gesagt, dass mir noch nicht einmal bekannt ist, ob es in dieser Frage nicht möglicherweise sogar einen Austausch zwischen Israel und den syrischen Akteuren gibt. Denn am Ende muss man ja sehen, dass sowohl Israel als auch die HTS beispielsweise gegen die Hisbollah gekämpft haben und dass beide gegen die syrische Armee vorgegangen sind. Insofern sind das Fragen, die ich hier nicht beantworten kann. Was zum Beispiel die Zerstörung der Chemiewaffen angeht, waren ja diejenigen, die jetzt die Macht in Damaskus übernommen haben, auch diejenigen, die besonders unter ihrem Einsatz gelitten haben. Von daher müssten Sie zunächst einmal die neuen syrischen Vertreter fragen, wie sie die Entwicklung selber einschätzen.
Zusatzfrage
Das heißt, aus Ihrer Sicht hat Israel keinen Völkerrechtsbruch begangen?
Fischer (AA)
Ich habe ja vorhin gesagt, dass dieses Vorgehen sicherlich völkerrechtliche Fragen aufwirft. Ich bin aber nicht in der Lage, das vollständig für Sie einzuordnen, weil mir die Umstände des Vorgehens nicht bekannt sind.
Frage
Herr Fischer, wie beurteilen Sie die neue Lage in der syrischen Provinz Deir ez-Zor, wo es ja noch Kämpfe gegeben hatte?
Warum ist der Bundesregierung hier erneut das passiert, was im Untersuchungsausschuss Afghanistan schon kritisiert worden war, nämlich dass BND und Auswärtiges Amt im Fall einer neuen Entwicklung sehr langsam reagiert haben? Ich habe am Samstag um 18 Uhr noch nachgefragt, da wurde ich auf das Sprecherzitat vom Freitag zurückverwiesen. Das entbehrt nicht einer gewissen Absurdität.
Wann will die Bundesaußenministerin nach Syrien reisen? Was wäre eine Voraussetzung für einen solchen Besuch?
Fischer (AA)
Frau Kollegin, ich glaube, wir gehören in der Tat zu denjenigen, die besser als andere vorausgesehen haben, dass die Dinge in Syrien in Bewegung sind. Das war auch einer der Gründe dafür, dass wir uns den Versuchen widersetzt haben, das Assad-Regime anzuerkennen und die Beziehungen zu normalisieren; denn wir wussten, dass dieses Regime hohl ist und in großen Schwierigkeiten ist. Wir haben alle beobachtet ‑ Sie haben das auch gesehen ‑, dass die Hisbollah ihre Kämpfer abgezogen hatte, und wir haben gesehen, dass Russland auf seinen völkerrechtswidrigen Krieg gegen die Ukraine fixiert ist.
Insofern hat uns das nicht vollständig überrascht. Es war nur so, dass Sie den jeweiligen akuten Zeitpunkt nicht voraussehen können. Wenn ich ein Bild benutzen soll: Die syrische Suppe hat gekocht, es war aber unklar, wann sie überkocht. Ich glaube, dass sie gekocht hat, das haben wir sehr gut gesehen. Insofern haben wir uns auch vorbereitet, was Sie auch daran sehen, dass wir heute mit einem Acht-Punkte-Plan, der ja auch nicht aus dem Nichts kommt, an die Öffentlichkeit gegangen sind und den mit unseren Partnern teilen und abstimmen. Insofern würde ich diesen Vorwurf in dieser Weise zurückweisen.
Dass wir uns am Samstag um 18 Uhr nicht zu einer dynamischen Entwicklung äußern, von der wir wissen, dass sie am nächsten Morgen schon überholt ist, liegt, glaube ich, auf der Hand, zumal wir am Samstagabend davon ausgehen konnten, dass Herr Assad am Sonntagmorgen nicht mehr in der Stadt sein wird. Ich glaube, wir hätten uns und letztlich auch Ihnen keinen Gefallen getan, wenn wir in diesen paar Stunden mit einem neuen Statement auf den Markt gegangen wären. Auch das will ich noch einmal klarstellen.
Zu Ihrer Frage, was wir zur Türkei sagen: Auch dazu hat sich die Ministerin geäußert. Zum einen ist sie auf die Zehntausenden Kurdinnen und Kurden eingegangen, die auf der Flucht sind und auch Angst vor einem Sturm auf Kobanê haben. Sie hat begrüßt, dass es nun anscheinend zu einem Waffenstillstand zwischen den türkisch unterstützten Milizen und der kurdischen SDF gekommen ist, und hat erklärt, dass es bei aller Vorsicht und ohne zu wissen, ob das abschließend belastbar ist, doch erst einmal eine gute Nachricht ist.
Vorsitzende Wefers
Es gab noch die Frage, ob die Ministerin Reisepläne hat.
Fischer (AA)
Sie wissen ja, dass wir Reisen erst ankündigen, wenn sie tatsächlich vor der Tür stehen. In dem Acht-Punkte-Plan gibt es aber tatsächlich auch einen Punkt zu unserer Präsenz. Wir haben zwei Dinge gemacht: Zum einen ist Staatsminister Lindner zum Syrien-Koordinator im Auswärtigen Amt benannt worden. Er wird sich jetzt auf den Weg in die Region machen und war am Wochenende auch schon in der Region bei der Manama-Konferenz ‑ wie Sie wissen, waren dort alle relevanten Spieler vor Ort ‑ und hat dort auch Gespräche geführt. Gleichzeitig bereiten wir eine erste Reise auf Ebene der Kolleginnen und Kollegen in Richtung Damaskus vor.
Zusatzfrage
Erst einmal möchte ich klarstellen: Ich hatte um eine Antwort bis Sonntag 11 Uhr gebeten, weil ich ahnte ‑
Fischer (AA)
Die haben Sie ja auch bekommen, um 11.15 Uhr oder so.
Zusatzfrage
‑ dass das eine dynamische Lage sein würde. Aber es gab ja auch vom BND einen Vortrag, und im Afghanistan-Untersuchungsausschuss war eben auch herausgekommen, dass der BND eine mögliche Machtübernahme durch die Taliban in Afghanistan vorhergesehen hat, aber eben den Zeitrahmen falsch eingeschätzt hatte. Daher würde ich sagen, dass ich hier durchaus eine Parallele sehe. ‑ Dient diese Erkundungsmission einer möglichen Wiedereröffnung der Botschaft?
Fischer (AA)
Ich glaube, es ist jetzt erst einmal wichtig, dort Kontakte auf persönlicher Ebene aufzunehmen, die Lage zu sondieren und vielleicht auch einmal nach unseren Liegenschaften zu schauen und zu schauen, in welchem Zustand die sind. Ich glaube, wenn wir die erste Reise abgeschlossen haben und sich die Lage weiter stabilisieren sollte, dann werden sich auch weitere Fragen stellen. Ich würde aber davon ausgehen, dass das zunächst einmal eher im Rahmen der Pendeldiplomatie möglicherweise von Beirut aus bedient wird, bevor man wieder zu einer permanenten Präsenz in einem Land, das immer noch von großer Unsicherheit geprägt ist, kommen kann.
Frage
An Herrn Hebestreit: Die Innenministerin hat sich vorhin zu einem Thema geäußert, das ihr Sprecher auch schon erwähnt hatte, und hat der Sorge Ausdruck verliehen, dass auch viele syrische Arbeitskräfte zurückgehen könnten und hier dann ein neuer Fachkräftemangel gerade im medizinischen Bereich entstehen könnte, weil hier viele syrische Ärzte arbeiten. Meine Frage wäre: Welche Sorge überwiegt eigentlich bei dem Bundeskanzler bzw. welche ist größer: dass man jetzt syrische Arbeitskräfte verliert, weil die möglicherweise zurückgehen, oder wie viele Flüchtlinge, illegale Flüchtlinge man jetzt nach Syrien abschieben kann? Denn es ist in den vergangenen Wochen ja auch ein Thema für ihn gewesen, wie man Flüchtlinge wieder in ihre Heimatländer zurückschickt. Was hat für ihn da Priorität?
StS Hebestreit
Zunächst einmal ging es dem Bundeskanzler um Straftäter, die in ihre Heimatländer zurückgeführt werden müssten. Ich glaube, den Begriff „illegale Flüchtlinge“ kennt das deutsche Recht nicht, aber wenn wir von irregulärer Migration sprechen, also von Menschen, die hier kein Aufenthaltsrecht haben und die aufgrund der verwaltungsrechtlichen Verfahren auch als solche anerkannt sind, dann sind das keine Fachkräfte, die hier arbeiten könnten oder dürften ‑ das ist so ‑, und insofern würden sie auch nicht unter diesen Punkt fallen.
Ich habe am Anfang ja versucht, sehr deutlich zu machen, dass wir jetzt nicht sofort über den fünften Schritt reden sollten, weil wir überhaupt nicht wissen, ob wir den zweiten und dritten Schritt in Syrien gehen können. Wie die Entwicklung dort ist, werden wir jetzt sehen, und wir versuchen, uns da nach Kräften einzubringen. Der Bundeskanzler hat gestern ausführlich mit dem türkischen Staatspräsidenten telefoniert, und einen Tag vorher hat er dazu mit dem französischen Staatspräsidenten telefoniert. Das ist eine hochvolatile Situation. Wenn ich das Frau Kollegin noch sagen darf: Nicht nur der Bundesnachrichtendienst, sondern alle internationalen Dienste waren überrascht über die Schnelligkeit und auch darüber, wie schnell die Truppen in Syrien aufgehört haben zu kämpfen. Man kann das immer durch die nationale Brille sehen und sagen „Das ist aber besonders schlecht“, aber dort ist eine Dynamik entstanden, die die wenigsten so vorausgesehen haben.
Zurückkommend darauf, dass man den fünften Schritt nicht vor dem zweiten gehen sollte: Das müssen wir jetzt sehen, und insofern sind das Fragen, die dann zu einem späteren Zeitpunkt gegebenenfalls miteinander diskutiert werden könnten, die uns aber zum jetzigen Zeitpunkt eigentlich nicht weiterführen. Deswegen würde ich mich daran auch nicht ausführlicher beteiligen wollen.
Kall (BMI)
Herr Kollege, vielleicht noch ganz kurz von mir dazu, weil sie sich zu Anfang ihrer Frage auf die Bundesinnenministerin bezogen haben: Die Bundesinnenministerin nimmt natürlich genau die gleiche Differenzierung vor, die Herr Hebestreit gerade vorgenommen hat. Auf der einen Seite gibt es also Arbeitskräfte und Fachkräfte, die längst hier sind und die gut integriert sind, und von denen inzwischen übrigens viele auch eingebürgert worden sind ‑ die Einbürgerungszahlen bei Menschen, die jetzt ungefähr neun, zehn Jahre hier sind und gut integriert sind, sind deutlich gestiegen. Über die sprechen wir ja gar nicht. Aber auch in dieser Community sollten wir keine große Verunsicherung verursachen; auch das hat Herr Hebestreit gesagt.
Dieser Bereich der Arbeitskräfte, also der Menschen, die legal hier sind, ist absolut zu trennen von der Frage der irregulären Migration, also derjenigen, die hier kein Aufenthaltsrecht haben bzw. ihr Aufenthaltsrecht vielleicht sogar aufgrund von Straftaten verloren haben. Wir beobachten die Lage in Syrien natürlich auch dahingehend, ob Abschiebungen wieder möglich werden; das prüfen wir ja seit geraumer Zeit. In Richtung Afghanistan ist es uns gelungen, in Richtung Syrien prüfen wir noch, was mögliche Wege sein können, Straftäter und Gefährder wieder abzuschieben.
Das heißt, es geht um all diese verschiedenen Bereiche, und deshalb gibt es auch einen differenzierten Blick darauf. Insofern kann man die große Gruppe der Syrer, die in den letzten zehn Jahren nach Deutschland gekommen sind, überhaupt nicht über einen Kamm scheren, sondern muss sich sehr differenziert anschauen, wie gut diese Menschen integriert sind, wie die Verhältnisse sind, wer Rückkehrperspektiven hat und wer sehr gute Bleibeperspektiven in Deutschland hat. Da ist also wirklich ein differenzierter Blick nötig.
Zusatzfrage
Vielleicht wurde das auch schon gesagt, aber ich frage trotzdem einmal: Gab es eigentlich schon Versuche seitens der Bundesregierung ‑ zum Beispiel seitens des Auswärtigen Amts oder des Kanzleramts ‑, Kontakt mit den neuen syrischen Machthabern aufzunehmen?
Fischer (AA)
Ich habe schon in der letzten Bundespressekonferenz gesagt, dass wir alle unsere Kontakte in Richtung Syrien aktiviert haben. Wie Sie wissen, ist der Umgang mit der HTS nicht ganz einfach, aber es gibt zumindest Mittel und Wege, auch mit dieser Gruppierung zu kommunizieren. Sie können davon ausgehen, dass die Kolleginnen und Kollegen bei uns im Syrienteam auf allen Ebenen aktiv sind, um sich zum einen ein Lagebild zu verschaffen und zum anderen die Entwicklung in Syrien in eine positive Richtung zu befördern.
Frage
Herr Kall, Sie hatten vorhin gesagt, dass Geflüchtete selbstverständlich jederzeit die Möglichkeit hätten zurückzukehren. Die Frage war aber, ob durch eine solche Rückkehr dann automatisch der Schutzstatus bzw. der Status als Geflüchtete in Deutschland verschwunden ist. Im Fall Afghanistans ‑ Stichwort Urlaub in Afghanistan ‑ war das ja eine Debatte. Haben wir es jetzt in Syrien nicht mit einer Situation zu tun, in der es sehr vernünftig sein könnte, dass Menschen, die sich hier als Geflüchtete aufhalten, sagen: Ich würde gerne einmal gucken, wie die Verhältnisse vor Ort sind und ob ich dann dauerhaft zurückgehen kann?
Kall (BMI)
Erst einmal habe ich hoffentlich nicht vergessen, die faktischen Schwierigkeiten zu betonen. Es geht ja erst einmal darum, dass Menschen das individuelle Recht haben, sich frei zu bewegen, also sich auch in Richtung ihrer alten Heimat frei zu bewegen. Das kann sich auf den Schutzstatus auswirken, wenn es eine längerfristige Rückkehr ist. Was sich in der Regel nicht auswirkt, ist zum Beispiel, wenn jemand in seine Heimat zurückkehrt, um an einer Hochzeit, einer Beerdigung, wichtigen Familienfeiern oder Ähnlichem teilzunehmen; dann ist das vielmehr ein kurzfristiger Besuch. Ich denke auch, dass es auf den Schutzstatus und die Festigkeit des Schutzstatus ankommt, wenn es um die Frage geht, wie lange jemand in sein Land zurückkehren kann, ohne den Schutzstatus zu verlieren. Insofern muss man auch das differenziert betrachten.
Zusatzfrage
Ich verstehe Sie so, dass es kein automatisches Streichen des Schutzstatus durch das BAMF gibt, wenn jemand sagt: Ich gehe jetzt einmal zurück nach Syrien. Es gibt kein automatisches Streichen, verstehe ich das richtig?
Kall (BMI)
Automatisch sowieso nicht. Wenn, dann kommen Widerrufsverfahren in Betracht, die sehr aufwendig sind. In der Regel setzen diese Verfahren vor allem voraus, dass es eine dauerhaft sichere Lage in dem Staat, in den Menschen zurückkehren, gibt ‑ also nicht nur eine Stabilisierung über wenige Tage, sondern auch eine längerfristige Stabilisierung, sodass man sagen kann: Diesen Menschen droht keine Gefahr für Leib und Leben. Das ist der Maßstab für etwaige Widerrufsverfahren.
Frage
In der Türkei ist es offenbar so, dass, wenn ein syrischer Flüchtling das Land in Richtung Syrien verlässt, die betreffende Person ihre Papiere abgeben muss und damit keine Möglichkeit mehr hat, auf Grundlage dieser Papiere zurückzukehren. Das ist in Deutschland also nicht der Fall?
Kall (BMI)
Zur türkischen Rechtslage kann ich nichts sagen, Herr Kollege. In Deutschland ist es so, dass man bei einer längeren Rückkehr in die Heimat den Schutzstatus verlieren kann, aber dass es gängige Ausnahmen gibt. Diese Ausnahmen habe ich ja genannt. Wenn man beispielsweise an einer Beerdigung im Familienkreis oder Ähnlichem teilnimmt, dann verliert man darüber nicht den Schutzstatus.
Zusatzfrage
Das ist dann aber zeitlich nicht befristet?
Kall (BMI)
Ich kann gerne noch einmal nachfragen, ob es dazu noch genauere Regeln gibt. Ich kenne das mit diesen sogenannten sozial adäquaten Gründen für eine vorübergehende Rückkehr in die Heimat; das habe ich ja gerade beschrieben. Ich glaube nicht, dass es da feste Fristen gibt, aber letztlich muss man natürlich sehen, dass jemand, der längerfristig in die Heimat zurückkehrt, damit natürlich auch zeigt, dass er seinen Lebensmittelpunkt wieder dahin verlegen kann und möchte.
Frage
Ich hätte eine Frage zu den militärischen Aktivitäten in Syrien: Herr Fischer und ebenfalls Herr Stempfle, die Amerikaner bombardieren angeblich ISIS-Stellungen, wie sie sagen. Das passiert im Rahmen der Operation Inherent Resolve. Die Bundeswehr ist ja Teil dieser Operation bzw. das ist Teil des Bundestagsmandats zum Einsatz COUNTER DAESH. Heißt das, dass die deutsche Luftwaffe gerade bei den Angriffen der Amerikaner in Syrien hilft? Können Sie das einmal erklären?
Stempfle (BMVg)
In der Tat haben wir Soldaten im Irak und in Jordanien stationiert. Dort sind insgesamt rund 300 Soldaten, die zwei wesentliche Aufgaben haben, nämlich das Wiederstarken des IS zu verhindern und den Irak zu stabilisieren; das sind die beiden Hauptaufgaben. Dazu zählt zum Beispiel, dass es zum Fähigkeitsaufbau der irakischen Streitkräfte kommt ‑ all solche Dinge. Dafür ist unser Kontingent dort vor Ort.
Zusatzfrage
Das heißt, die Luftwaffe oder die Bundeswehr hilft jetzt nicht bei den Bombardierungen der Anti-ISIS-Koalition, der sie ja angehört, in Syrien, das können Sie ausschließen? Das hat die Bundeswehr ja in der Vergangenheit getan.
Stempfle (BMVg)
Ich kann nicht beurteilen, ob es Bombardierungen durch die USA in Syrien gibt.
Zusatzfrage
Das haben die Amerikaner ja selbst gesagt. 75 Bombardierungen in den letzten Tagen.
Stempfle (BMVg)
Ich habe deutlich gemacht, dass wir an den beiden Einsätzen, also der Operation Inherent Resolve, die Sie angesprochen haben, und der NATO-Mission im Irak, beteiligt sind; da sind unsere Soldaten dabei. Ich betone noch einmal, worum es geht: Es geht darum, den Irak in einer schwierigen Situation, in der es um den Irak herum gerade viele Herausforderungen gibt, zu stabilisieren. Das ist die Aufgabe der Soldatinnen und Soldaten.
Zusatzfrage
Können Sie das vielleicht einmal prüfen? ‑ Herr Fischer, vielleicht können Sie uns da helfen? Die Bundesregierung hat ja selber geschrieben, dass die Bundeswehr durch Beiträge zur Operation Inherent Resolve, der internationalen Anti-ISIS-Koalition, unterstützt. Jetzt bombardieren die Amerikaner offiziell in Syrien ISIS-Stellungen. Können Sie sagen, ob die Bundeswehr dort in irgendeiner Weise beteiligt ist, oder können Sie das nachreichen?
Fischer (AA)
Die Amerikaner haben in der Tat bekanntgegeben, dass sie gegen ISIS vorgehen. In welchem rechtlichen Rahmen die Amerikaner das unternehmen, das weiß ich nicht. Sie können sich aber sicher sein, dass die Bundeswehr immer im Rahmen ihres vom Bundestag vorgegebenen Mandats handelt.
Frage
Ich möchte noch einmal auf die Angriffe Israels in Syrien eingehen: Es gibt mittlerweile Berichte, dass israelische Panzer vor den Toren von Damaskus stehen. Betrachtet die Bundesregierung diese Angriffe auf Syrien als einen Angriff auf die territoriale Integrität und Souveränität Syriens, und fordern Sie, dass Israel seine Panzer und Truppen aus Syrien zurückzieht?
Fischer (AA)
Zu diesen Fragen habe ich mich vorhin schon geäußert.
Frage
Herr Kall, was Straftäter betrifft: Ist es bei verurteilten Straftätern nicht sowieso so, dass verurteilte Straftäter ohnehin zwei Drittel der Strafe, zu der sie verurteilt wurden, hier in Deutschland verbüßen müssen?
Kall (BMI)
Bei Haftstrafen ist es so, dass in der Regel die Hälfte bis zwei Drittel in Deutschland zu verbüßen sind und danach eine Abschiebung aus der Haft heraus in Betracht kommt. Dem muss dann die jeweilige Staatsanwaltschaft zustimmen. Wenn ich das richtig weiß, ist genau das bei den Abschiebungen nach Afghanistan im August geschehen. Dabei sind mehrere der schweren Straftäter, die da nach Afghanistan abgeschoben worden sind, direkt aus der Haft abgeholt worden und abgeschoben worden. Dem hat die Justiz in diesen Fällen zugestimmt. In Haftfällen ist das so. Ansonsten kommt es auf die Schwere der Straftat an, ob man damit dann auch sein Aufenthaltsrecht verliert. Das ist aber von der Bundesregierung in verschiedenen Gesetzen erheblich verschärft worden, sodass inzwischen in viel mehr Fällen die Ausweisung und damit auch die Abschiebung droht.
Frage
Zur Absenkung der Mehrwertsteuer: Ich wüsste gerne, ob der Kanzler beabsichtigt, das noch in dieser Legislaturperiode einzubringen, oder ob das eher eine Wahlkampfansage ist.
StS Hebestreit
Nein. Der Bundeskanzler hat das gestern im Rahmen eines Interviews geäußert. Er kennt auch die parlamentarischen Rahmenbedingungen der aktuellen Regierung, und deswegen ist das etwas, über das dann in den kommenden Wochen, wenn der Wahlkampf anfängt, diskutiert wird, nicht mehr aktuell.
Frage
Meine Frage würde sich in der Sache an das Finanzministerium richten und wäre, ob Sie schon einmal durchgerechnet haben, wie groß die Einnahmeverluste des Bundes wären, wenn es denn zu dieser Absenkung der Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel käme, und wie hoch die Einnahmeverluste dann wären.
Keller (BMF)
Da kann ich Ihnen keine pauschale Summe nennen. Das ist ja von verschiedenen Faktoren abhängig: Wie wird das weitergegeben? Wie würde sich der Konsum entwickeln? - Deswegen kann ich Ihnen da keine konkrete Zahl nennen.
Frage
Dies ist eine Frage an das Bundesumweltministerium. Herr Stolzenberg, Sie kennen die aktuellen Berichte der Deutschen Welle und des ZDF zum Thema „Milliardenbetrug im Kontext des CO2-Emissionshandels im Rahmen von Klimaprojekten in China“. Meine Frage dazu wäre: Welche Konsequenzen zieht das Umweltministerium aus diesem Milliardenbetrug?
Stolzenberg (BMUV)
Sie sprechen die Betrugsverdachte an. In Bezug auf die Anrechnung auf die THG-Quote gab es die Erfüllungsoption, sogenannte UER-Projekte. Das Umweltbundesamt und auch die Berliner Staatsanwaltschaft gehen dem Ganzen nach. Deshalb spreche ich bewusst immer noch von mutmaßlichen Unregelmäßigkeiten. Wir müssen diese Ermittlungen abwarten. Es ist jetzt an dieser Stelle nicht richtig, den Ermittlungen irgendwie vorzugreifen. Deshalb kann ich das an dieser Stelle nicht kommentieren, was sozusagen diese konkreten Ermittlungen angeht.
Das Wichtigste ist: Dieses betrugsanfällige System der UER-Anrechnung ist längst beendet worden. Im Januar dieses Jahres hat das Bundesumweltministerium einen entsprechenden Entwurf vorgelegt. Seit dem 1. Juli ist es nicht mehr möglich, diese Erfüllungsoptionen anzurechnen. Das ist die wichtigste Option.
Nun gilt es noch weiterhin, Betrugsprävention zu betreiben, das zu verbessern. Das wäre im Rahmen der RED-III-Novelle möglich gewesen. Aber wie Sie ja wissen, werden wir angesichts der vorzeitigen Neuwahlen dafür keine Zeit mehr haben. Das Wichtigste ist, dass wir uns darum bemühen, im Bundestag quasi eine Änderung auf den Weg zu bringen, die es ermöglicht, dass staatliche Kontrolleure oder Akteure vor Ort Anlagen überprüfen können. Das war ja ein wichtiger Punkt in diesem Kontext, den Sie ansprechen. Wir möchten jetzt eben tatsächlich etwas auf den Weg bringen, das sofort dabei hilft, dass sichergestellt ist, dass künftig bei all jenen, die weiterhin erneuerbare Kraftstoffe und Erfüllungsoptionen auf die THG-Quote anrechnen lassen wollen, staatliche Akteure die Anlagen vorher in Augenschein nehmen konnten.
Frage
Noch einmal zur Vertrauensfrage an Herrn Hebestreit: Ist Ihnen bekannt, ob der Kanzler den Antrag schon eingereicht hat? Geht er in jedem Fall davon aus, dass er die verliert, oder bereitet er sich auch auf das Szenario vor, dass er die möglicherweise mithilfe von AfD-Abgeordneten gewinnen könnte?
StS Hebestreit
Frau Kollegin, das ist ja eine sehr gewichtige Frage. Gehen Sie davon aus, dass es Ihnen nicht verborgen bleiben wird, wenn er es getan haben wird. Ich habe es jetzt 14.06 Uhr auf meiner Uhr, und ich weiß, dass es eine Einladung zu einem Statement im Bundeskanzleramt für 14.45 Uhr gibt. Ich glaube, bis dahin wird dann auch eingereicht worden sein, wonach Sie gefragt haben.
Zusatzfrage
Der zweite Teil?
StS Hebestreit
Der Bundeskanzler ist grundsätzlich, wie Sie ja auch in den letzten Wochen gemerkt haben, auf alle Szenarien vorbereitet. Aber das Szenario ‑ das hatten wir hier schon vor einigen Wochen in der Bundespressekonferenz ‑, dass aus Reihen der Opposition große Mengen an Stimmen für den Kanzler abgegeben würden, um ihm dann die nötige Kanzlermehrheit zu bescheren, halte ich für sehr unwahrscheinlich.
Frage
Es geht um den Iran und die Vereinigten Arabischen Emirate. Da gibt es drei kleinere Inseln im Persischen Golf, die zwar klein, aber wichtig für den Ölhandel sind und die schon jahrzehntelang, glaube ich, zwischen Iran und den Vereinigten Arabischen Emiraten umstritten sind. Können Sie, nachdem jetzt der Streit noch einmal wieder neu angefacht worden ist, einmal ganz kurz erläutern, wie eigentlich die Position der Bundesregierung zu dem Thema ist?
StS Hebestreit
Die Position der Bundesregierung zu diesen drei tatsächlich sehr kleinen Inseln im östlichen Persischen Golf möchte ich gern erneut bekräftigen: Die Bundesregierung unterstützt eine einvernehmliche und friedliche Lösung von Differenzen um die drei Inseln im Persischen Golf zwischen Iran und den Vereinigten Arabischen Emiraten durch bilaterales Engagement auf Grundlage des Völkerrechts.
Frage
Meine Frage würde sich in das BMI richten. Herr Kall, es geht um das Kirchenasyl. In Bremen gibt es vermehrt Fälle von Kirchenasyl. Pro Kopf sind es offenbar so viele wie nirgends sonst in Deutschland. Das führt dazu, dass geplante Abschiebungen zum Beispiel nach Finnland oder Spanien nicht stattfinden. Wie blickt das BMI auf diese Praxis des Kirchenasyls?
Kall (BMI)
Erst einmal ist das eine Sache der Länder, die ja für den Vollzug des Aufenthaltsrechts, also aufenthaltsrechtliche Maßnahmen, zuständig sind. Insofern müssen wir da an die Bremer Behörden verweisen.
Das war Thema bei der Sitzung der Innenministerkonferenz Ende vergangener Woche und ist auch in der Abschlusspressekonferenz am Freitag besprochen worden. Dabei hat die Bundesinnenministerin auch gesagt, dass sie natürlich großen Respekt vor der humanitären Aufgabe der Kirchen und den humanitären Aufgaben hat, die Kirchen auch im Rahmen des Kirchenasyls wahrnehmen, und dass in solchen Situationen sozusagen miteinander gute Wege im Dialog zwischen den Kirchen und den Ländern, die eben solche aufenthaltsrechtlichen Maßnahmen zu treffen haben, gefunden werden müssen. Sie hat sich darüber hinaus nicht dazu positioniert, weil das eben auch eine Aufgabe der Länder ist und, wie gesagt, auch im Respekt vor den Kirchen.
Frage
In Rumänien hat das Verfassungsgericht ja nach Klagen auf Grundlage von bisher kaum zu verifizierenden Geheimdienstinformationen über angeblich russische Einflussnahme via TikTok-Videos den ersten Wahlgang der Präsidentschaft annulliert. Die als proeuropäisch geltende liberale Stichwahlkandidatin Lasconi nannte die Entscheidung illegal. Der Gewinner des ersten Wahlgangs, Georgescu, sprach von einem Staatsstreich. In den bisher veröffentlichten Geheimdienstinformationen ist von Russland als Akteur auch gar nicht die Rede. Vor diesem Hintergrund würde mich interessieren, wie die Bundesregierung denn auch eingedenk der anstehenden Bundestagswahlen die Annullierung einer Wahl mit Verweis auf eine TikTok-Kampagne politisch bewertet.
Fischer (AA)
Ich glaube, ich würde mich jetzt von hier aus damit schwertun, mich zur verfassungsmäßigen Ordnung Rumäniens zu äußern. Es hat eine Entscheidung des Verfassungsgerichts gegeben, die wie alle Entscheidungen von Verfassungsgerichten auch zu befolgen ist. Ich diesem Sinne ist die rumänische Justiz zu dem Schluss gekommen, dass es zu einer Wahlbeeinflussung im ersten Wahlgang gekommen ist und hat die entsprechend aus ihrer Sicht notwendigen Entscheidungen getroffen.
Zusatzfrage
Bei den Kollegen der Deutschen Welle wird das rumänische Verfassungsgericht als verlängerter Arm des politischen Establishments bezeichnet, beim Deutschlandfunk als Handlanger der Sozialdemokratischen Partei, und es wird schon sichtbar, dass es da einiges an Problemen und politischer Einflussnahme gab.
Jetzt bin ich lang genug in der BPK, um mich zu erinnern, dass Sie sich beim Machtstreit zwischen Maduro und Guaidó sehr wohl sehr deutlich positioniert haben, auch bei Entscheidungen des Verfassungsgerichts in Caracas. Deswegen erkenne ich nicht ganz, wieso das jetzt im Falle von Bukarest so viel anders sein soll. Die Bundesregierung wird sich doch ‑ das wird ja von vielen als ein historischer Akt bezeichnet ‑ eine Meinung gebildet haben zu diesem wirklich einmaligen Vorgang einer Komplettannullierung einer Wahl mit Verweis auf ein paar Tausend TikTok-Konten.
Fischer (AA)
Herr Kollege, Rumänien ist ein Rechtsstaat und eine Demokratie. Das steht im Gegensatz zu der Ordnung, die wir in Venezuela sehen.
Frage
Ich habe noch ein Kabinettsthema. Herr Kall, in der Top-1-Liste steht „Zustimmung zur Unterzeichnung des Vertrages zwischen der BRD und der Tschechischen Republik über die gemeinsame Staatsgrenze“. Können Sie uns sagen: Gibt es da einen neuen Grenzverlauf?
Kall (BMI)
Darüber musste ich mich auch erst informieren; das ist eine berechtigte Frage.
Es gibt keinen neuen Grenzverlauf, aber es gibt aktuelle Geodaten und eine Digitalisierung von Geodaten, sodass man den bestehenden Grenzverlauf, der sich zwischen Deutschland und Tschechien um keinen Millimeter verändert hat, im aktuellen Kartenmaterial digital erfassen kann. Insofern gibt es keine Änderung der Landgrenzen.
Frage
Zum Weimarer Dreieck habe ich eine Frage, Herr Hebestreit. Der französische Präsident ist morgen in Warschau. Wieso hat man nicht die Gelegenheit ergriffen, um ein Weimarer Dreieck auf Chefebene zu organisieren?
StS Hebestreit
Ich kann mich hier immer nur zu Terminen äußern, die der Bundeskanzler hat, und nicht zu Terminen, die der Bundeskanzler nicht hat. Sie können aber versichert sein, dass der Bundeskanzler sowohl mit dem Ministerpräsidenten Polens als auch mit dem französischen Präsidenten im engen Austausch ist. Im Fall Polen müssen wir berücksichtigen, dass es auch noch den Staatspräsidenten Duda gibt. Ich weiß nicht, in welchem Format das Weimarer Dreieck in der Regel tagt. Das ist immer einmal wieder umstritten. Vielleicht ist das auch Teil Ihrer Antwort.
Frage
Eine Frage an das Auswärtige Amt: Herr Fischer, China betreibt schon seit einigen Tagen Militärübungen vor der Küste Taiwans und heute wohl sehr massiv. Wie besorgt sind Sie, dass das aus dem Ruder laufen könnte? Was halten Sie von dieser Provokation?
Fischer (AA)
Herr Kollege, wir haben genau wie Sie die Berichte über das massive Aufkommen militärischer Kräfte Chinas rund um Taiwan mit Sorge zur Kenntnis genommen und verfolgen die Lage genau. Stabilität und Frieden in der Straße von Taiwan und im südchinesischen Meer sind von strategischer Bedeutung für die regionale und globale Sicherheit und den Wohlstand, auch in Europa. Außenministerin Baerbock hat diesen Punkt bei ihrem jüngsten Besuch in Peking auch noch einmal klar unterstrichen.
Um es klar zu sagen: Die derzeitigen militärischen Maßnahmen Chinas sind gefährlich, erhöhen die Spannung und das Risiko unbeabsichtigter militärischer Zusammenstöße. Wir erwarten von der Volksrepublik China als verantwortungsvollen internationalen Akteur, dass sie mit ihrem Verhalten zu Frieden und Stabilität in der Region beiträgt und die völkerrechtlich verbürgte Freiheit der Schifffahrt und der Luftfahrt unbedingt respektiert.
Zusatzfrage
Die Chinesen machen das ja immer wieder. Ist das von der Größe des Manövers oder der Militärpräsenz außergewöhnlich, oder ist das für Sie noch im normalen Bereich?
Fischer (AA)
Ich habe ja von einem massiven Aufkommen militärischer Kräfte Chinas rund um Taiwan gesprochen. Ich glaube, das beantwortet Ihre Frage.
Frage
Ich habe eine Frage zu Georgien an das Auswärtige Amt oder an Herrn Hebestreit, vielleicht auch an beide. In Georgien gab es fast zwei Wochen lang sehr intensive proeuropäische Proteste. Von den westlichen Politikern haben sich dort nicht viele blicken lassen ‑ bis auf Herrn Orbán. War es für Regierungspolitiker eine Überlegung, in dieser Zeit Georgien zu besuchen?
Auch in Anbetracht dessen, dass die Europäische Union die Folterungen von Demonstranten für glaubhaft hält: Was können eigentlich die Menschen in Georgien heute von Deutschland erwarten? Auf welche Hilfe können sie hoffen?
Fischer (AA)
Ich glaube, wir haben uns sehr klar zu den Ereignissen in Georgien geäußert. Vor wenigen Tagen gab es noch eine Erklärung der Außenministerinnen und Außenminister des Weimarer Dreiecks. Es wird Ihnen auch nicht entgangen sein, dass die Frage zum Umgang mit Georgien auf der Tagesordnung des Außenministerrats der Europäischen Union am nächsten Montag steht, wo wir uns über gemeinsame europäische Reaktionen Gedanken machen und überlegen, ob es jetzt angebracht ist, Maßnahmen zu ergreifen ‑ die werden dort jedenfalls diskutiert werden.
Zusatzfrage
Aber war es eine Überlegung, den Menschen vor Ort Solidarität zu zeigen und dahin zu reisen? Das ist ja in solchen Situationen öfter der Fall, dass man das tut.
Fischer (AA)
Wir überlegen immer, wo wir hinreisen und wie wir reisen. Die Frage ist halt, welches Signal davon ausgeht und ob es in der Situation hilfreich ist oder nicht.
Zusatzfrage
Dann wollte ich noch wissen, ob es aktuelle Entwicklungen zu dem verhafteten deutschen Staatsbürger in Russland gibt.
Fischer (AA)
Ich habe Ihnen da nichts Neues zu berichten. Wir bemühen uns weiterhin um konsularischen Zugang. Sie wissen ja, dass es sich bei dem Festgenommenen nach Angaben der russischen Seite um einen Doppelstaater handelt. Es ist so, dass Doppelstaater letztlich von Russland nur als russische Staatsangehörige betrachtet werden und uns vor diesem Hintergrund im Regelfall der Zugang verwehrt wird.
Nichtsdestotrotz ist es für uns ein deutscher Staatsbürger, der inhaftiert wird. Wir wollen ihm unsere konsularische Unterstützung zukommen lassen und arbeiten daran. Aber, wie gesagt, bin ich nicht sehr hoffnungsfroh.
Aber das gibt mir jetzt die Gelegenheit, noch einmal darauf hinzuweisen, dass wir eine Reisewarnung für Russland ausgesprochen haben, weil es dort immer wieder zu willkürlichen Festnahmen kommt. Vor diesem Hintergrund sollte jede Person, die sich mit dem Gedanken trägt, nach Russland zu reisen, vorher noch einmal in die Reise- und Sicherheitswarnungen des Auswärtigen Amts schauen und möglicherweise von einer Reise absehen.
Stempfle (BMVg)
(zur Lage in Syrien) Ich habe eine Rückmeldung auf die Frage von Herrn Kollegen: Es gibt keine Beteiligung der Luftwaffe an dem von Ihnen genannten US-Einsatz.
Frage
An Herrn Hebestreit und gegebenenfalls an das Sportministerium: Wie bewerten der Bundeskanzler und die Sportministerin, dass der DFB bei der Abstimmung zur FIFA-WM in Saudi-Arabien für Ja stimmt?
StS Hebestreit
Ich glaube, unlängst hatten wir eine Fußballweltmeisterschaft in Katar; insofern ist das kein komplettes Novum. Ich habe mich mit dem Bundeskanzler dazu nicht weiter ausgetauscht. Grundsätzlich ist es so, dass wir solche sportpolitischen Entscheidungen den dafür zuständigen Sportverbänden überlassen.
Kall (BMI)
Auch das Sportministerium achtet die Autonomie des Sports. Insofern kommentieren wir die Entscheidung des DFB nicht. Die Entscheidung des DFB hat nichts mit der Haltung der Bundesregierung zu tun, die wir insbesondere bei der Fußballeuropameisterschaft hier in Deutschland sehr deutlich gemacht haben ‑ mit einer Menschenrechtserklärung und einer Nachhaltigkeitsstrategie zu den Ergebnissen. Das ist alles auch wissenschaftlich untersucht worden; dazu haben wir uns in der letzten Woche geäußert. Da können Sie sehen, dass das auch eine Wirkung hatte. Insofern sind für uns die Maßstäbe klar, an denen wir uns orientieren.
Frage
Herr Fischer, Tobias Lindner ist jetzt Sonderkoordinator für Syrien. Ist das ein politisches Amt? Er hatte ja angekündigt, dass er nicht mehr für den Bundestag kandidieren will.
Fischer (AA)
Es ist zunächst einmal eine Aufgabe, in der es darum geht, in der jetzigen Situation die Anstrengungen der Bundesregierung, des Auswärtigen Amts, zu bündeln und vor allen Dingen in Richtung Region zu wirken.
StS Hebestreit
Das ist keine Beförderung.