Rede von Kulturstaatsminister Bernd Neumann zur Auftaktveranstaltung des "Denkortes Bunker Valentin"

Rede von Kulturstaatsminister Bernd Neumann zur Auftaktveranstaltung des "Denkortes Bunker Valentin"

In seiner Rede zur Eröffnung der Gedenkstätte im Bremer Norden betonte Kulturstaatsminister Bernd Neumann, daß zur  Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Vergangenheit auch der Bereich Zwangsarbeit gehöre. Es sei deshalb eine positive Entwicklung, dass durch neue Gedenkstättenprojekte wie den Gedenkort Bunker Valentin diese lange nur am Rande wahrgenommenen Bereiche nun stärker ins Bewusstsein der Öffentlichkeit rücken.   

Sonntag, 8. Mai 2011

- Es gilt das gesprochene Wort. -

Anrede,

der gigantische Rüstungswahn des Nationalsozialismus und der gnadenlose Einsatz von Menschenleben zu seiner Realisierung sind die Themen, denen der „Denkort Bunker Valentin“ gerecht werden muss. Der Bunker ist ein wirkungsmächtiges Exponat für die Verbrechen des NS-Regimes. Diesen Koloss zum Sprechen zu bringen, ist die wichtigste Aufgabe des Projekts „Denkort Bunker Valentin“, dessen offiziellen Beginn wir heute einläuten.

Es ist eine nicht zu unterschätzende pädagogische Herausforderung, die bedrückende Aura dieses monumentalen Bunkers und die technologischen Aspekte der U-Boot-Produktion in einen größeren Zusammenhang einzuordnen. Denn die schreckensvolle Faszination, die die meisten Menschen beim Anblick des Bunkers Valentin schon aufgrund seiner schieren Größe empfinden, zeigt, was viele Zeitgenossen am Nationalsozialismus auf so verhängnisvolle Weise bewunderten: Die gigantischen und scheinbar zukunftsweisenden Werke und Visionen, hervorgebracht von der technologiezentrierten Modernität und dem kompromisslosen Größenwahn des Regimes.

Auch für uns als nordbremische Schüler in den 1950er Jahren war es spannend zwischen den Mauern des Bunkers herumzuspazieren, ohne die Vergangenheit dieses Baus wirklich zu kennen. Natürlich wusste ich auch damals, dass es sich um ein Relikt des Krieges handelt. Das mit dem Bau verbundene, tausendfache Leid war mir aber nicht bewusst. Der monumentale Bau selbst war es, der mich als Kind anzog.

Der Denkort Bunker Valentin kann und muss verdeutlichen, dass die technischen Leistungen der NS-Diktatur weder von den verbrecherischen Zielen, für die sie in Auftrag gegeben wurden, und noch weniger von den mörderischen Umständen, unter denen man sie realisierte, zu trennen sind.

Der U-Boot-Bunker Valentin war das monumentale Zentrum eines menschenverachtenden Geflechts zur Ausbeutung menschlicher Arbeitskraft für die Ziele nationalsozialistischer Eroberungspolitik. Im Dienste der Rüstung wurde ein Lagersystem für tausende Zwangsarbeiter aufgebaut, die den Bunker unter mörderischen Bedingungen errichten mussten. Auch das reichsweit zweite Arbeitserziehungslager der Gestapo und ein Kriegsgefangenenlager der Wehrmacht sowie ein der SS unterstehendes KZ-Außenlager dienten als Arbeiterreservoir.

Hier zeigte sich also das gesamte Spektrum der Zwangsarbeit im Nationalsozialismus, was den Bunker Valentin zu einem außergewöhnlichen und lehrreichen Gedenkort macht.

Es waren die Überlebenden, die in den Jahrzehnten nach dem Krieg die Erinnerung wach hielten. Seit den frühen achtziger Jahren unterstützen engagierte Bürger und Initiativen das Bemühen, die Geschichte der Bunkers und des Lagersystems zu erforschen und der Öffentlichkeit zu vermitteln. Damit spiegelt die Genese des Denkortes Bunker Valentins auch die Entwicklung der bürgerschaftlich geprägten Erinnerungskultur in unserem Land wider.

Auch heute sind Überlebende hier anwesend und ich bin von Herzen dankbar dafür, dass Sie eine zum Teil weite Anreise auf sich genommen haben, um der heutigen Veranstaltung beizuwohnen.

Dem Engagement der Überlebenden und den bürgerschaftlichen Initiativen ist es auch zu verdanken, dass im Mai 2007 die erste Ausstellung quasi als Nukleus des „Denkortes Bunker Valentin“ eröffnet wurde. Auch damals kamen das Land Bremen und der Bund gemeinsam ihrer Verantwortung nach und übernahmen je hälftig die Kosten. An der jetzt anstehenden Weiterentwicklung des „Denkortes Bunker Valentin“ beteiligt sich der Bund erneut mit 1,9 Mio. Euro – dem gleichen Anteil, den das Land Bremen aufbringt. Auch für den Bund ist das eine erhebliche Summe!

Meine Damen und Herren,

dem Gedenken an die Opfer der nationalsozialistischen Verbrechen kommt in der deutschen Erinnerungskultur eine unvergleichlich hohe Bedeutung zu – jetzt und für alle Zeiten. Dazu hat sich die Bundesregierung mit der unter meiner Verantwortung fortgeschriebenen Gedenkstättenkonzeption von 2008 klar bekannt. Die besondere Aussagekraft der authentischen Orte ist für die Aufarbeitung der NS-Diktatur unverzichtbar. Aus diesem Grund hat mein Haus im Jahr 2009 die westdeutschen KZ-Gedenkstätten Bergen-Belsen, Neuengamme, Dachau und Flossenbürg in die institutionelle, also in die dauerhafte Förderung aufgenommen. Die vier großen KZ-Gedenkstätten in Thüringen und Brandenburg sind bereits seit der Wiedervereinigung in der institutionellen Förderung.

Es ist eine positive Entwicklung, dass auch der Bereich Zwangsarbeit, der lange Zeit nur am Rande wahrgenommen wurde, durch neue Gedenkstättenprojekte wie den Gedenkort Bunker Valentin nun stärker ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt ist. Neben der Thüringischen KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora trägt dazu besonders die KZ-Gedenkstätte Flossenbürg in Bayern mit ihrer vom Bund geförderten, 2007 eröffneten Dauerausstellung bei. Der Leiter der Einrichtung, Dr. Jörg Skriebeleit, wird nachher ja ausführlicher zum Thema Erinnerungsarbeit sprechen.

Es ist unübersehbar, dass sich die Gedenkstättenlandschaft in Deutschland im letzten Jahrzehnt zunehmend ausdifferenziert hat. Dies ist ein zentrales Anliegen der Gedenkstättenkonzeption des Bundes. Die vielseitigen Projektförderungen meines Hauses sollen eine Erinnerungslandschaft befördern, die die nationalsozialistischen Verbrechen und ihre Folgen gezielter ausleuchtet und dadurch ein facettenreiches Bild der komplexen Wirkungszusammenhänge vermittelt.

Beispielsweise werden nun stärker einzelne Tätergruppen dargestellt, wie bei der im April 2010 eröffneten Erinnerungs- und Gedenkstätte Wewelsburg, die Ideologie und Terror der SS dokumentiert. Neue Erkenntnisse zu Mitwisser- und Mittäterschaften im Alltag des Nationalsozialismus bietet der kürzlich eröffnete Erinnerungsort „Topf & Söhne. Die Ofenbauer von Auschwitz“, dessen Errichtung das Land Thüringen und mein Haus gemeinsam unterstützt haben.

Der rege Zuspruch, den diese Gedenk- und Erinnerungsprojekte zu Recht erfahren, belegt, dass die Menschen auch 66 Jahre nach Kriegende ein großes Interesse an der Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Vergangenheit haben.

Ich bin sicher, dass auch der „Denkort Bunker Valentin“ einen weiteren wichtigen Beitrag zu dieser Auseinandersetzung leisten wird. Ab morgen, am Anfang des fünfjährigen Projektes, wird nun bereits der provisorische Führungsbetrieb aufgenommen. Ich hoffe, dass viele Menschen dieses Angebot annehmen werden. Herrn Wulfekuhl und den anderen Verantwortlichen wünsche ich für die nun anstehende Umsetzung ihrer Pläne viel Erfolg.