Rede von Bundeskanzlerin Merkel bei der DIHK-Vollversammlung am 27. November 2019 in Berlin

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Sehr geehrter Herr Schweitzer,
meine Damen und Herren,
sehr geehrte Kammerpräsidenten,

Sie haben mich am Vorabend Ihrer Vollversammlung hierher an einen Ort entführt, der Oldtimer zeigt. Ihre Diskussionen aber weisen sicherlich mehr in die Zukunft. Trotzdem ist die Umgebung mit solchen Liebhaberfahrzeugen sicherlich etwas, das für die Zukunft inspiriert. Der Welthandel ist das, was ja auch unsere Automobilindustrie sehr interessiert, genauso wie alle anderen Wirtschaftsbereiche. Sie wissen: Die Bundesregierung und ich ganz persönlich treten für einen freien und fairen Handel ein. Wir glauben, dass Handel auf gemeinsamen Regeln basieren sollte und dass durch einen solchen Handel Win-win-Situationen entstehen.

Wenn wir uns an die große Finanzkrise 2007, 2008 und 2009 erinnern, dann wissen wir, dass es im Grunde nur gelungen ist, so schnell aus dieser Krise wieder herauszukommen, weil wir als G20-Staaten, als die führenden Wirtschaftsstaaten der Welt, es geschafft haben, gemeinsam zu agieren. Deshalb bedrückt es mich schon sehr, muss ich sagen – das Ganze liegt ja zehn Jahre zurück –, dass wir diese Lehre nicht weiter beherzigen und Protektionismus auf dem Vormarsch ist.

Ich darf Ihnen sagen, dass Deutschland glücklicherweise zusammen mit anderen gegen ein solches Vorgehen angehen und immer wieder dafür kämpfen wird, dass wir einen freien, regelbasierten Handel haben, dass wir auf die WTO setzen und diese WTO reformieren wollen. Auch wenn wir Rückschläge erleiden, sollten wir diese Prinzipien nicht aufgeben und nicht vergessen. Sie sind für uns gut gewesen; und sie werden helfen, Win-win-Situationen für die ganze Welt zu erreichen. Wir sehen ja – das als Randbemerkung –, dass multilaterales Vorgehen leider nicht nur im Bereich des Handels unter Druck geraten ist, sondern auch in vielen anderen Bereichen. Wir erleben das bei der Klimafrage; wir erleben das bei den Abstimmungen in den Vereinten Nationen. Trotzdem werden wir uns dem entgegenstellen.

Die Europäische Union ihrerseits wird weiter auf Handelsverträge, auf bilaterale und regionale Handelsabkommen setzen. Wir wissen, dass es, bevor diese Handelsabkommen abgeschlossen werden, manchmal Befürchtungen in unserer Wirtschaft gibt, ob unsere Interessen auch ausreichend vertreten sind. Die Handelsverhandlungen finden ja sozusagen mit dem Mandat der Europäischen Kommission statt, für die die europäischen Mitgliedstaaten immer auch zuliefern. Ich glaube, dass wir doch gesehen haben, dass die abgeschlossenen Abkommen – ob mit Südkorea, Japan, Singapur oder auch Mercosur, wobei sich dort die Dinge im Augenblick schlecht oder schwierig gestalten –, uns letztlich genutzt haben; und zwar jeweils beiden Seiten. Das ist selbst bei der Automobilindustrie, die ich gerade schon angesprochen habe, der Fall, deren Vertreter gerade in Bezug auf das Abkommen mit Südkorea sehr kritisch eingestellt waren, aber im Nachhinein gesehen haben, dass es uns letztlich beflügelt hat.

Ich möchte Ihnen an dieser Stelle ein ganz herzliches Dankeschön sagen, denn Ihre Auslandshandelskammern sind ja im Grunde Botschafter Deutschlands, was vor allem den Mittelstand anbelangt. Sie leisten eine unglaublich wertvolle Arbeit, um unsere Ideen und Vorgehensweisen zu vermitteln. Wir werden mit der neuen Europäischen Kommission, die heute glücklicherweise gewählt wurde und am 1. Dezember ihr Amt antreten kann, darüber sprechen, dass wir auch ein Handelsabkommen mit den Vereinigten Staaten von Amerika brauchen. Es gestaltet sich leider nicht ganz so einfach, wie wir uns das vorstellen. Das Mandat ist im Augenblick noch recht begrenzt. Aber wir haben es durchsetzen können. Ich glaube, wir tun gut daran, immer wieder dafür zu werben, dass wir diesen Weg gehen.

Meine Damen und Herren, wenn man sich anschaut, was für Marktoffenheit und wirtschaftliche Freiheit gut ist, dann weiß man, dass dies auch die politische Freiheit ist. Wenn wir uns den Index des Freedom House, einer Nichtregierungsorganisation, anschauen, die den Demokratiegrad der Länder misst, dann kann man sagen, dass in den letzten 30 Jahren der Anteil an frei eingestuften Ländern immerhin um neun Prozentpunkte gestiegen ist und auf der anderen Seite der Anteil der unfreien Länder um zwölf Prozentpunkte gefallen ist. Das ist die gute Nachricht. Die schlechte Nachricht ist, dass sich ein anderes Bild ergibt, wenn man nur die letzten zehn Jahre betrachtet, in denen der Anteil der freien Länder dann doch gesunken und der Anteil der nicht freien Länder gestiegen ist. Ein Blick auf Europa zeigt, dass rund 85 Prozent der Europäerinnen und Europäer in Ländern leben, die nach dieser Maßgabe vom Freedom House als frei eingestuft werden. Wir können sagen, dass wir insgesamt in einem großen Wettbewerb stehen, der auch etwas mit Freiheit oder gesellschaftlichen Systemen zu tun hat. Da gibt es einerseits die USA, auch ein Hort der wirtschaftlichen Freiheit, und auf der anderen Seite ein System in China – gesellschaftlich vollkommen anders organisiert, mit einem ausgeprägten staatlichen, zum Teil auch repressiven Charakter.

Wir müssen sagen, dass wir 30 Jahre nach dem Mauerfall, nach fast 30 Jahren der Deutschen Einheit und europäischen Einigung jetzt in einem Wettbewerb mit China stehen. Das ist nicht nur ein wirtschaftlicher Wettbewerb, sondern das ist auch ein Wettbewerb zwischen Systemen. Wenn wir uns den rasanten Aufstieg von China anschauen, dann wissen wir, dass zum Beispiel 2005, als ich Bundeskanzlerin wurde, das Bruttoinlandsprodukt von China geringer als das von Deutschland war. Heute ist es mehr als dreimal so hoch als das von Deutschland. Das heißt, wir haben ein wirtschaftliches Wachstum gehabt, aber längst nicht so stark, so dynamisch, wie das in China der Fall war. Natürlich ist es so, dass dort sehr viel mehr Menschen leben und noch immer ein großer Abstand beim Bruttoinlandsprodukt pro Kopf besteht. Aber trotzdem befinden wir uns in einem gewissen Wettbewerb. Wir sind jetzt gefragt, wie wir in diesem Wettbewerb bestehen. Auch Deutschland muss seine Hausaufgaben machen.

Herr Schweitzer, Sie weisen zum Beispiel auf den Punkt Unternehmensteuerreform hin. Wir haben es bei unserem Koalitionspartner bis jetzt noch nicht geschafft, hierfür die Türen wirklich sperrangelweit aufzumachen. Wir sehen eine Chance bei einer besseren Gleichbehandlung von Körperschaften und Personengesellschaften in Verbindung mit dem Außensteuerrecht. Aber für eine wirklich große Unternehmensteuerreform sehe ich im Augenblick noch keine Gelegenheit. Wir auf Unionsseite – auch der Fraktionsvorsitzende hat es heute in der Debatte klargemacht; ich habe es klargemacht – werden uns aber dafür einsetzen. Denn wir sehen, dass auch Frankreich seine Unternehmensteuern senkt, dass die Niederlande ihre Unternehmensteuern senken und dass wir jetzt, nachdem wir 2008 die letzte Unternehmensteuerreform hatten, die uns gut positioniert hat, doch zu denen gehören, die die weltweit höchsten Unternehmensteuern zahlen. Das ist in Kombination mit den Sozialversicherungsbeiträgen sicherlich etwas, das den Standort nicht stärkt, sondern das auf mittlere Frist ein Nachteil werden könnte. Also müssen wir darauf reagieren.

Wir wissen, dass wir hierzulande eine ganze Reihe von Hausaufgaben zu machen haben. Da ich hier beim DIHK bin – Herr Schweitzer war schon bei uns in Meseberg zu Gast, wo wir auch über Fragen der Digitalisierung gesprochen haben –, will ich Sie bitten, dass Sie gerade auch auf diesen Punkt achten. Ich glaube nicht, dass das eigentliche Problem bei der Industrie 4.0 liegt. Ich glaube, dass Sie in Ihren Fertigungsprozessen in den letzten Jahren die Digitalisierung schon sehr weit vorangebracht haben. Meine Sorgen gelten vielmehr der Frage: Was machen wir mit den vielen Daten, die im Internet der Dinge anfallen? Verwerten wir diese Daten in ausreichender Art und Weise? Wenn ich mir anschaue, wie zum Beispiel in China die Plattformen gerade auch im Konsumentenbereich prosperieren und wie die Menschen sehr viel offener für diese neue Art sind, ihr Leben zu organisieren, so sind wir in Deutschland doch sehr viel zurückhaltender. Das gilt auch für das Management der Industriedaten.

Deshalb unterstütze ich nicht nur das, was Peter Altmaier mit seiner Industrie- und Mittelstandsstrategie zu den Unternehmensteuern gesagt hat, sondern ich unterstütze auch sehr seinen Vorschlag, wie wir dazu kommen können, dass gerade auch mittelständische Unternehmen nach gemeinsamen Standards ihre Daten speichern – nicht alle in einer Cloud, aber in vernetzten Clouds; und das vielleicht europaweit. Denn wir brauchen Datensouveränität; und dafür müssen wir Maßstäbe setzen. Aber wir brauchen auch Ihre Bereitschaft, die Bereitschaft der Unternehmen in Deutschland, sich auf diesen Weg zu begeben und zu sagen: Ja, wir wollen unsere Daten nicht nur für unsere bekannten Prozesse nutzen, sondern wir wollen auch offen dafür sein, dass wir sie für neue Produkte verwerten. Viele von Ihnen geben die Daten an Amazon oder an andere Plattformen weiter, die Ihnen attraktive Angebote mit Algorithmen, der künstlichen Intelligenz oder Vorschläge für neue Produkte machen. Aber letztendlich liegt der interessante Teil der Wertschöpfung – oder zumindest ein interessanter Teil der Wertschöpfung der neuen Produkte – in anderen Händen. Wir sollten aber versuchen, daraus auch in Europa Produkte zu machen.

Es gibt gerade auch dank des Wirtschaftsministeriums eine ganze Reihe an Beratungsinstitutionen. Ich kann nur sagen: Nehmen Sie deren Angebote wahr; bringen Sie das sozusagen Ihren Mittelständlern nahe. Denn in der Zeit voller Auftragsbücher war das vielleicht noch kein Thema, das im Vordergrund stand, weil man erst einmal seine großen Aufträge abarbeiten musste. Aber wir wissen ja: Wir kommen jetzt durch protektionistische Stimmungen an das Ende eines Konjunkturzyklus und sind vielleicht auch durch hausgemachte Dinge in eine Flaute geraten. Gerade in dieser Zeit ist es wichtig, den technologischen Wandel hinzubekommen. Deshalb ist es mir ein sehr großes Anliegen, dass wir nicht eines Tages aufwachen und uns darüber ärgern, dass wir da etwas verschlafen haben.

Das gilt auch für uns in der staatlichen Verwaltung. Wir werden ein Onlinezugangsgesetz umsetzen und haben das Ziel, bis Ende 2022 sicherzustellen, dass die Bürgerinnen und Bürger alle ihre Vorgänge, die den Staat betreffen – Beantragung von Elterngeld, Kindergeld, Geburtsurkunden, Kfz-Zulassungen – digital vornehmen können; und zwar unabhängig davon, ob es um eine Leistung auf Bundesebene, Länderebene oder kommunaler Ebene geht. Das ist eine große Aufgabe. Diese Aufgabe wird von uns vor allen Dingen verlangen – darüber haben wir auch während unserer letzten Klausur gesprochen –, dass wir definieren, wie der einheitliche Zugang des Bürgers zu seinen Daten aussieht. Es gibt eine europäische Richtlinie, die uns Spielräume gibt. Wir können zum Beispiel – wir haben uns noch nicht festgelegt – den Personalausweis plus PIN heranziehen für die eindeutige Identifizierung jedes Bürgers. Dann kann der Bürger entscheiden, auf welche Daten er zugreifen will und welche Daten er freischaltet, und muss dann nicht mehr für jeden neuen Antrag permanent alle Daten neu eingeben. Das wäre natürlich eine Revolution. Aber für diese Revolution müssen wir werben.

Gerade in Deutschland ist das schwierig, weil wir ja im Grunde eine gut funktionierende Verwaltung haben, die dazu führt, dass man einigermaßen zufrieden ist. Es gibt also keinen ganz großen Druck. Man ist nicht richtig zufrieden, aber man ist einigermaßen zufrieden. Der Innovationsdruck, das alles ganz anders zu machen und sich umzustellen, ist also zum Teil viel geringer als in weniger entwickelten Ländern, in denen man zum ersten Mal einen Weg zu einer guten Verwaltung geht. Aber wir gehen das bei uns jetzt an. Wir beim Bund haben zum Beispiel die Justizbehörden unterstützt, um die Digitalisierung voranzutreiben. Wir müssen alle unsere Register, vom Ausländerzentralregister bis zum Melderegister und allen anderen Registern, digitalisieren, damit wir die Daten verfügbar haben.

Ich kann die Unternehmen, die zu Ihnen gehören, nur ermuntern, das auch voranzutreiben. Denn eines Tages werden Sie überhaupt nur noch dann kommunikationsfähig sein, wenn Sie die Digitalisierung vorangebracht haben.

Wir setzen auf sichere, souveräne europäische Dateninfrastrukturen und werden intensiv zusammenarbeiten. Die Sicherheitsstandards sind natürlich von entscheidender Bedeutung für die Glaubwürdigkeit. Deshalb ist das auch ein Thema zum Beispiel im Zusammenhang mit den 5G-Frequenzen. Wir haben im Augenblick eine sehr intensive Diskussion – Sie verfolgen das – über die Sicherheitsstandards, die wir beim Aufbau des 5G-Mobilfunknetzes anwenden müssen. Dabei stellt sich uns die Frage: Wollen wir bestimmte Anbieter von vornherein ausschließen oder trauen wir uns zu, allgemeine Sicherheitsstandards so zu definieren und deren Einhaltung zu überprüfen, dass wir im Falle eines nicht vorhandenen Vertrauens sagen können, dass wir den betreffenden Anbieter nicht haben wollen?

Meine Damen und Herren, ich neige dazu, uns zuzutrauen, dass wir hohe Sicherheitsstandards definieren – sie werden höher sein als bei 4G, 3G, 2G –, aber nicht von vornherein Anbieter ausschließen, weil es uns nicht gut bekommen würde, wenn wir uns als Antwort auf den Wettbewerb in ganzen Bereichen abschotten würden. Wir haben immer auf einen freien und offenen Wettbewerb und auf einen faktenbasierten Wettbewerb gesetzt und nicht auf einen Wettbewerb, der durch unterschiedliche politische Systeme qualifiziert ist. Das ist jedenfalls mein Angang. Und ich setze auf sehr hohe Sicherheitsstandards.

Herr Schweitzer hat auch eine andere Frage angesprochen. Sie hat etwas mit der Wirtschaft und der Frage des Klimaschutzes zu tun. Es geht um unsere Strompreise. Ich weiß, dass Sie gerade auch im Zusammenhang mit dem Kohleausstieg erwarten, dass die Strompreise in den nächsten Jahren sinken. Wir haben unser Klimaschutzpaket so angelegt, dass die Bepreisung des CO2, die ja sehr gering beginnt, aber dann langsam Fahrt aufnimmt, zu einem Teil auch dafür verwendet wird, die Energieumlage, also die Umlage für erneuerbare Energien, schrittweise zu senken.

Ihnen in der Wirtschaft ging es um die Netzentgelte. Das verstehe ich auch, weil die Netzentgelte von allen bezahlt werden, die EEG-Umlage von den energieintensiven Unternehmen nicht. Dennoch setzen auch wir auf ein Sinken des Strompreises, obwohl das eine ambitionierte Aufgabe ist, wie ich ganz offen sagen will. Unser Ziel ist es, die EEG-Umlage auf null zu bringen, natürlich über einen längeren Prozess hinweg, und damit die Lasten, die aus dem Umstieg auf erneuerbare Energien entstehen, den Menschen wieder abzunehmen.

Insgesamt ist, denke ich, die deutsche Wirtschaft offen gegenüber der Frage, wie wir mit dem Klimaschutz umgehen. Und dafür bin ich recht dankbar. Alle Daten, die wir erhalten, zeigen und deuten darauf hin, dass wir an dieser Stelle wirklich handeln müssen. Ich habe es heute im Deutschen Bundestag wieder gesagt: Deutschland hat ein Prozent der Einwohner der Welt und verursacht aber über zwei Prozent der CO2-Emissionen. Das ist für ein hochentwickeltes Industrieland nicht akzeptabel. Damit erreichen wir auch die Vorgaben des Pariser Abkommens nicht. Die Evidenzen dafür, dass der Klimawandel eine Tatsache ist, sind ja übergroß. Die Bundesumweltministerin hat dazu kürzlich einen Monitoringbericht vorgestellt.

Klimaschutz bedeutet natürlich auch eine Transformation unserer Energiewirtschaft. Mit diesem Thema müssen wir uns in den nächsten Jahren intensiv beschäftigen. Wir haben ein zunehmendes Auseinanderklaffen der Befindlichkeiten in Stadt und Land. Die einen müssen sozusagen die Windkraftanlagen und die Solarpanels bauen, die anderen wollen erneuerbare Energien haben und sagen: Es interessiert mich nicht, woher sie kommen. – Das geht so natürlich nicht. Denn wenn man eine 220 Meter hohe Windkraftanlage mit einer schönen Befeuerung für die Flugzeuge neben seinem Haus stehen hat und dafür noch nicht einmal irgendwelche Entgelte bekommt – wir haben wenigstens eine Grundsteuer für Windkraftanlagen eingeführt, von der die Kommunen profitieren können –, dann stellt sich die Frage der Windenergie noch ein kleines bisschen anders dar. Insofern trägt die Diskussion über Abstandsregelungen vielleicht dazu bei, dass die Akzeptanz von Windkraftanlagen steigt.

Wir müssen sehen, dass wir in diesem Jahr eigentlich über zwei Gigawatt dazubauen müssten, aber leider nur 0,2 Gigawatt schaffen werden, selbst wenn es gut kommt, weil Genehmigungsverfahren so lange dauern, weil die Proteste so lange dauern, weil immer wieder Einspruch erhoben wird. Das bringt uns natürlich nicht voran. Dafür müssen wir eine Lösung finden. Abstandsregelungen sind ein Beitrag dazu, ebenso auch schnellere Genehmigungsverfahren und schnellere juristische Verfahren.

Meine Damen und Herren, die Transformation in Richtung einer klimafreundlichen Wirtschaft und der Klimaneutralität im Jahr 2050 wird uns allen natürlich viel abverlangen. Wir dürfen uns dabei keinen Illusionen hingeben. Wir brauchen zum Beispiel eine wasserstoffbasierte Stahlherstellung, sehr viel mehr Wärmedämmung in Wohn- und Betriebsgebäuden und eine Transformation der Automobilindustrie. Es reicht nicht, wenn Tesla bei uns ein Werk baut. Das ist schön, aber ich gehe lieber – oder mindestens so gern; ich will keine Diskriminierung betreiben – zur Einweihung des ersten VW-Werks für Elektrofahrzeuge, als nur ausländische Produzenten hierfür zu haben. Wenn China bei uns Batteriezellen herstellt, dann deutet das nur darauf hin, dass wir das im Augenblick in Europa noch nicht können. Deshalb unterstütze ich wiederum Peter Altmaier, der sagt: Wir müssen dafür Konsortien finden. Wir müssen mit europäischem Geld unterstützen, die technologischen Fähigkeiten dort zu erlangen, wo wir sie heute noch nicht haben. Denn ansonsten geraten wir in eine langfristige Abhängigkeit, die ich ungern haben möchte, meine Damen und Herren.

So sind wir also in einer Phase – das ist uns sehr bewusst –, in der wir auf Forschung und Innovation setzen müssen, in der wir Unternehmen in eine Lage versetzen müssen, in der sie – das haben Sie ja gesagt – auch die Freiheit haben zu investieren. Deshalb müssen wir auch die Lohnnebenkosten bzw. Lohnzusatzkosten bei unter 40 Prozent halten. Ein Vorschlag, den wir noch nicht realisiert haben, den ich aber jedenfalls so gut finde, dass ich ihn in zukünftige Programme gern wiederaufnehmen würde, ist, dass man im Zusammenhang mit der Digitalisierung gerade auch für Ersatzinvestitionen besondere Abschreibungsregelungen hat – ich glaube, das haben auch Sie einmal vorgeschlagen –, damit man sozusagen die Umwälzung der Technologien im Unternehmen schneller bewältigen kann.

Als letzten Punkt will ich noch ein weiteres Thema ansprechen, nämlich das Thema Fachkräfte. Obwohl noch immer viele Menschen in Deutschland keine Arbeit haben, fehlen uns an vielen Ecken Fachkräfte – gerade auch für den digitalen Wandel. Deshalb haben wir das Fachkräfteeinwanderungsgesetz verabschiedet, das am 1. März des kommenden Jahres in Kraft treten wird. Ich möchte mich beim DIHK bedanken; und zwar dafür, dass Sie es mit Ihren Auslandshandelskammern übernommen haben, mit den diplomatischen Vertretungen der Bundesrepublik zusammenzuarbeiten und einen Teil der Visagenehmigung vorzunehmen. Den hoheitlichen Teil müssen natürlich wir machen. Aber es wird sehr darauf ankommen, dass wir hierbei Hand in Hand arbeiten. Denn wir müssen erreichen, dass wir wirklich die Fachkräfte bekommen, die wir in Deutschland brauchen, und nicht Fachkräfte, die gleich wieder ihre Arbeit verlieren oder nach Hause zurückgehen.

Ich denke, es ist in unser aller Interesse, dass wir bei den Deutschkursen, bei der Frage der Sprachfähigkeit, bei den Ausbildungsstandards und den Abschlussstandards, die wir brauchen, und eben auch bei der Visabeschaffung eng zusammenarbeiten. Ich werde dazu im Dezember noch eine Konferenz abhalten. Ich denke, wir alle sollten gemeinsam daran arbeiten, dass wir dieses Fachkräfteeinwanderungsgesetz, nachdem wir, glaube ich, 20 Jahre darüber diskutiert haben, nun auch wirklich zu einem Erfolg machen. Ich weiß, dass wir bereits die EU Blue Card nach europäischem Recht haben, mit der wir Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die ab einer bestimmten Gehaltshöhe beschäftigt sind, bei uns aufnehmen können. Aber oft geht es auch um einfachere Tätigkeiten. Und dafür ist das Fachkräfteeinwanderungsgesetz wirklich die richtige Antwort.

Meine Damen und Herren, ich danke Ihnen für Ihre Arbeit. Auch wenn Sie vielleicht manchmal zweifeln, weil wir so viel über Grundrente und andere Dinge sprechen, sind wir uns dessen bewusst, dass das, was wir verteilen können, immer davon kommt, was erst einmal erwirtschaftet wird. Wir sind uns auch dessen bewusst, dass gerade in unsicheren Zeiten, in denen sich die Konjunktur eintrübt, viele Unternehmerinnen und Unternehmer sich auch am Wochenende zu Hause fragen: Wie setze ich meine Planung auf? Worauf kann ich hoffen? Wie kann ich in Zeiten schnellen technologischen Wandels richtig entscheiden? Was tue ich mit meinen Beschäftigten? – Die allermeisten von Ihnen gehen mit den Beschäftigten nicht leichtfertig um, sondern überlegen sich sehr genau, wie sie gute Fachkräfte halten können. Sie müssen Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zum Teil sagen: Ihr müsst jetzt wieder lernen, ihr müsst euch umschulen und wieder neu anfangen. – Auch das ist keine einfache Arbeit.

Deshalb möchte ich Ihnen einfach danke sagen. Ohne Sie können wir keine Politik machen und nichts verteilen. Deshalb sind wir auf Sie angewiesen und wollen mit Ihnen gut zusammenarbeiten. Deshalb wünsche ich Ihnen auch einen wunderschönen Abend und morgen eine gute Vollversammlung. Wo immer möglich versuchen wir, Ihre Wünsche zu erfüllen. Das gelingt nicht immer. Es wäre auch langweilig. Aber ich glaube, gerade auch in diesen Zeiten, in denen es so viel internationalen Protektionismus gibt, Sie aber Ihre Außenkontakte pflegen wollen, sollten wir fest zusammenstehen – jeder in seinem Verantwortungsbereich. Deshalb: danke für die Einladung.