Pressekonferenz von Bundeskanzler Scholz zur Sondertagung des Europäischen Rates am 30. und 31. Mai 2022

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BK Scholz: Wir haben uns hier sehr lange miteinander unterhalten. Trotzdem kann man sagen oder vielleicht auch deswegen: Es war ein sehr erfolgreicher Rat, auf dem wir sehr viele Fragen miteinander besprochen, aber auch viele Sachen geregelt haben.

Das wichtigste Thema war hier natürlich erneut das, was uns alle umtreibt - als Bürgerinnen und Bürger, als diejenigen, die in der Politik in unseren Ländern Verantwortung haben -, der russische Tabubruch, Grenzen in Europa wieder mit Gewalt verschieben zu wollen, der Angriff auf die Ukraine, der mit größter Brutalität von der russischen Armee vorgetragen wird.

Deshalb ist es wichtig, dass auch dieser Gipfel erneut ein großes starkes Zeichen der Geschlossenheit gezeigt hat, dass wir gemeinsam unsere Schritte zur Unterstützung der Ukraine beschlossen haben und wir auch gemeinsam das tun, was notwendig ist, um dem russischen Agieren entgegenzutreten.

Wir hatten für unsere Beratungen erneut den ukrainischen Präsidenten eingeladen, der uns über die aktuelle Lage berichtet hat und mit dem wir darüber diskutieren konnten.

Der französische Präsident und ich haben über unsere Gespräche berichtet, die wir mit dem russischen Präsidenten geführt haben, in denen wir ganz eindeutig darauf bestanden haben, dass jetzt Russland diesen Krieg beendet und seine Truppen zurückzieht. Wir haben auch humanitäre Fragen erörtert, sodass wir mit unseren europäischen Kolleginnen und Kollegen einen gleichen Wissens- und Informationsstand über die Betrachtung der Lage haben.

Wichtig ist, dass wir die Sanktionen fortsetzen, die wir so früh und so rechtzeitig auf den Weg gebracht haben. Sie wissen, dass wir gleich nach Ausbruch des Krieges mit Sanktionen begonnen haben. Mittlerweile haben wir fünf Sanktionspakete beschlossen, und jetzt folgt das sechste, über das schon einige Zeit beraten worden ist. Dieses sechste Sanktionspaket ist einvernehmlich vereinbart worden. Wir haben darin auch ein Embargo auf russisches Öl festgelegt. Das wird jetzt einen weiteren Beitrag dazu leisten, dass Russland seine Aktivitäten mit Konsequenzen bezahlen wird, die für die wirtschaftliche Entwicklungsmöglichkeit und den Wohlstand Russlands erheblich sind.

Die Sanktionen haben ein klares Ziel, Russland dazu zu bewegen, diesen Krieg zu beenden und seine Truppen zurückzuziehen, sich mit der Ukraine über einen vernünftigen und fairen Frieden zu verständigen.

Mit den Entscheidungen, die wir getroffen haben, werden etwa 90 Prozent der Importe russischen Öls von dem Embargo erfasst. Eine Ausnahme ist für Pipelineöl gemacht worden, das aus der russischen Pipeline in einige Länder in Europa geliefert wird. Das war wichtig, weil die Übergangsmaßnahmen, die diese Länder zu treffen haben, nicht so schnell haben abgeschlossen werden können, und weil es auf diese Weise auch möglich war, eine gemeinsame Entscheidung zustande zu bringen.

Für uns - übrigens gilt das Gleiche für die polnische Regierung - ist es aber so, dass wir unabhängig von dieser Entscheidung allen anderen gesagt haben: Wir werden unsere Bemühungen unverändert fortsetzen, um zum Ende des Jahres auf die Einfuhr russischer Ölprodukte verzichten zu können. Das wird durch diese Entscheidung nicht tangiert, sondern wir setzen unsere entsprechenden Bemühungen fort - unser Nachbarland Polen im Übrigen auch, das eine gleichlautende Erklärung abgegeben hat.

Sie wissen, dass wir mit vielen anderen Maßnahmen aktiv gegen Russland vorgehen. Das betrifft auch das Ölembargo. Es gibt viele Finanzinstitutionen, die da eine Rolle zu spielen haben und die dann von dem SWIFT-Zahlungssystem ausgeschlossen sind. Auch das gehört ja zu dem, was wir auf den Weg gebracht haben, um möglichst effektiv handeln zu können.

Insgesamt hat der ganze Rat die große Einigkeit und Solidarität Europas mit der Ukraine unterstrichen.

Selbstverständlich haben wir uns auch noch einmal neu über die humanitäre Hilfe unterhalten. Sie wissen, dass in Deutschland mittlerweile fast 800 000 Ukrainerinnen und Ukrainer in unserem Ausländerzentralregister registriert sind. Das zeigt, in welchem Ausmaß Bürgerinnen und Bürger unseres Landes und viele in den Gemeinden in Deutschland mit dazu beitragen, dass wir denjenigen helfen, die im Ausland und in diesem Fall in Deutschland Schutz suchen und unsere Unterstützung brauchen.

Darüber hinaus unterstützen wir die Ukraine in ihrem Verteidigungskampf mit Waffen. Das haben wir getan und werden wir auch weiter tun. Dazu gehört natürlich auch, dass wir die Länder unterstützen, die noch über Panzer, zum Beispiel aus ehemaligen Beständen des Warschauer Vertrages, verfügen. Wir haben bereits einige solcher Vereinbarungen vorbereiten können. Sie wissen von den entsprechenden sehr konkreten Festlegungen, die wir mit Tschechien gefunden haben.

Ich habe jetzt mit dem griechischen Ministerpräsidenten festgelegt, dass wir das Gleiche im Hinblick auf Griechenland machen wollen, die über solches Gerät verfügen. Wir werden ihnen dafür deutsche Schützenpanzer zur Verfügung stellen. Das wird jetzt konkret mit dem Verteidigungsministerium zu Ende besprochen und dann schnell umgesetzt werden können.

Im Übrigen habe ich mit meinem polnischen Kollegen über die Frage geredet, wie wir es hinbekommen können, dass solche guten Vereinbarungen, wie sie jetzt mit Tschechien, demnächst mit Griechenland und auch mit anderen Ländern in Vorbereitung sind, auch mit Polen vorangebracht werden können. Wir wollen das beide in bester Kooperation auch erreichen.

Wie Sie wissen, unterstützen wir die Ukraine auch finanziell. Dass wir finanzielle Solidarität leisten, ist ein Thema gewesen, das auch hier eine große Rolle gespielt hat. Einen wichtigen Beitrag haben wir schon geleistet, der über das hinausgeht, was hier auf diesem Europäischen Rat diskutiert worden ist, nämlich dass wir eine Milliarde Euro als direkte Zuschüsse zur Verfügung stellen. Das haben wir im Rahmen der G7 erklärt. Hier wird jetzt darüber gesprochen, wie die gesamte Europäische Union - allerdings dann in der Regel mit Darlehen - auch noch einen Beitrag zur Stärkung der finanziellen Stabilität der Ukraine leisten kann.

Im Übrigen hat unsere Debatte bereits angefangen, wie wir den Wiederaufbau der Ukraine zustande bringen können. Das wird eine ganz, ganz große Aufgabe für die nächsten Jahre, für sehr lange Zeit werden. Die Aufgabe, die damit verbunden ist, kann aus meiner Sicht gar nicht überschätzt werden - das ist wirklich etwas sehr, sehr Großes, was wir dort zu leisten haben. Deshalb haben wir uns auch vorgenommen, dass wir zusammen mit vielen Institutionen und auch mit Experten jetzt sehr sorgfältig diskutieren, wie das am besten geschehen kann. Ich meine, wir brauchen hier eigentlich den Rat von Sachs/Keynes, die uns sagen, wie man das am besten machen muss, und auch vielen internationalen Institutionen, die mit größter Expertise einen konkreten Weg, auf den sich die internationale Gemeinschaft und ganz besonders natürlich die EU und ihre Mitgliedstaaten verständigen, entwickeln können, der es der Ukraine ermöglicht, mit einem großen Schuldenberg und nach einer großen Zerstörung wieder anzufangen und das eigene Land wieder aufzubauen. Das wollen wir aber ganz konkret machen, und deshalb haben wir uns das auch vorgenommen.

Wie Sie wissen, hat dieser Krieg Auswirkungen, die nicht nur die Ukraine dramatisch treffen; denn viele der Länder in der Nachbarschaft haben natürlich auch wegen der Sanktionen, die sie verhängt haben, selber ökonomische Konsequenzen zu verzeichnen. Das gilt natürlich noch viel mehr für viele Länder des globalen Südens. Ich war sehr froh, dass wir auch das Gespräch mit dem Präsidenten des Senegal, Macky Sall, gesucht haben - den ich erst vor wenigen Tagen selbst persönlich vor Ort besucht hatte -, der mit uns über die Frage von Hunger gesprochen hat, und darüber, wie wir es schaffen können, dass zum Beispiel das ukrainische Getreide exportiert werden kann und wie wir es den Ländern des globalen Südens ermöglichen, dass sie über ausreichend Düngemittel verfügen. Das ist ein Thema, das uns bewegt hat und mit dem wir uns auch weiter auseinandersetzen werden.

Dann haben wir uns mit den Fragen der Energiepolitik beschäftigt, und zwar aus mehreren Gründen: einmal, weil natürlich unmittelbare Konsequenz des russischen Angriffs ist, dass wir uns unabhängig machen wollen von Importen fossiler Energieträger aus Russland. Ich habe schon über das Ölembargo geredet, das wir jetzt festgelegt haben. Wie Sie wissen, haben wir uns schon längst darauf verständigt, bis zum Herbst aus dem Import von Kohle aus Russland auszusteigen. Alle arbeiten daran - so wie auch Deutschland -, sich mit größter Geschwindigkeit unabhängig zu machen, indem Infrastrukturen gebaut werden, die es möglich machen, Gas aus vielen Ländern der Welt über Häfen zu importieren und nicht allein auf das Pipelinegas - und dabei dann eben das aus Russland - angewiesen zu sein.

Trotzdem ist es eine große Herausforderung, wie wir das alles organisieren und es gleichzeitig schaffen, die Investitionen zu tätigen, die notwendig sind, damit wir den menschengemachten Klimawandel aufhalten können und damit wir in kurzer Zeit, nämlich bis 2045, in Deutschland CO2-neutral wirtschaften können. Eine große Rolle spielt dabei das Programm „REPowerEU“, über das wir uns auch unterhalten haben und das, wie ich finde, ein sehr, sehr starkes Signal setzt im Hinblick auf die Weiterentwicklung der Europäischen Union.

Wir werden dabei auch über Energiepreise diskutieren und darüber, was wir machen können, damit die nicht zu einer großen Belastung für die Bürgerinnen und Bürger werden. Deutschland selbst hat ja schon eine ganze Reihe von Maßnahmen ergriffen. Wir haben ab dem kommenden Monat die Energiesteuer auf Kraftstoffe auf drei Monate auf das europäische Mindestmaß abgesenkt, wir haben ein 9-Euro-Ticket für den öffentlichen Nahverkehr geschaffen, und ich bin nach all den Rückmeldungen sicher, dass das ein ganz, ganz großer Erfolg wird. Zum 1. Juli entfällt die EEG-Umlage, wodurch die Verbraucherinnen und Verbraucher bei den Stromkosten um insgesamt 6,6 Milliarden Euro entlastet werden. Deshalb ist es für uns so wichtig, dass wir im Einklang mit all den anderen in Europa versuchen, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, sodass wir in einer so turbulenten und schwierigen Situation Preisstabilität sichern können, soweit es geht, dass wir den Umbau unserer Energiemärkte zustande bringen und dass wir in kürzester Zeit CO2-neutral wirtschaften werden können.

Das letzte große Thema, das uns bewegt hat und mit dem wir uns hier intensiv beschäftigt haben, ist die Verteidigungspolitik. Hier geht es darum, dass wir unsere Arbeit als Mitgliedstaaten der Europäischen Union besser koordinieren und dass wir besser zusammenarbeiten. Das haben wir uns auch fest vorgenommen und werden deshalb darüber reden, wie wir unsere Beschaffungspolitiken und unsere industriellen Politiken im Hinblick auf Verteidigung besser abstimmen. Wir wissen, dass in Europa viel mehr Waffensysteme im Einsatz sind als etwa in den USA. Das hat Folgen für die Kosten der einzelnen Waffen, die hergestellt werden. Deshalb ist es sinnvoll, dass wir in der Weise zusammenarbeiten, wie wir es hier intensiv miteinander diskutiert haben.

Eine große Rolle hat natürlich gespielt, dass der Bundestag in dieser Woche nach den Verständigungen, die der Regierung mit der Opposition gelungen sind, die notwendige Grundgesetzänderung beschließen wird, damit wir ein 100-Milliarden-Sondervermögen für die Bundeswehr auf den Weg bringen. Das ist eine wichtige Grundgesetzänderung, und sie wird einen großen Unterschied zu den Lagen, die wir vorher hatten, verursachen. Die Bundeswehr wird erheblich besser ausgerüstet sein. Sie wird erheblich kampfkräftiger sein und damit nicht nur für Deutschland, sondern auch für Europa einen viel größeren Beitrag zur gemeinsamen Sicherheit leisten können. Das soll auch so sein. Insofern hat es natürlich für viele eine große Rolle gespielt, dass wir das jetzt machen. Wahrscheinlich wird die Bundeswehr danach die größte konventionelle Armee im Rahmen der Nato sein, jedenfalls hier in Europa. Das stellt schon eine große Veränderung dar, aber auch eine, die wir unbedingt wollen.

Schönen Dank.

Frage: Herr Bundeskanzler, ich möchte kurz zur Abhängigkeit von russischem Gas nachfragen. Können Sie uns mit Stand von heute sagen, ab wann, ab welchem Jahr aus Sicht der Bundesregierung ein Gasembargo gegen Russland vertretbar wäre? Reden wir immer noch von 2024?

Ganz kurz nachgefragt angesichts der Diskussion in Deutschland: Können Sie hier ganz kurz sagen, von welcher lang zurückliegenden Zeit Sie auf dem Katholikentag in Stuttgart geredet haben? - Danke schön.

BK Scholz: Schönen Dank für Ihre beiden Fragen. - Deutschland ist mit größter Geschwindigkeit dabei, sich von Gasimporten unabhängig zu machen, indem wir die Infrastrukturen aufbauen, die es uns ermöglichen, Gas aus anderen Ländern mit Schiffen zu importieren. Dazu haben wir gerade ein Gesetz auf den Weg gebracht, das den schnellstmöglichen Bau von Pipelines in Richtung der Nord- und Ostseeküste und gleichzeitig die Errichtung von Terminals dort ermöglicht. Wir haben außerdem, wie Sie wissen, eine ganze Reihe von Regasifizierungsschiffen bestellt, sodass sie vereinfacht und schneller angeschlossen werden können, sodass man nicht erst die ganzen Anlagen errichten muss, sondern die technisch auf diesen Schiffen installierten Anlagen nutzen kann. Mit einigen dieser Investitionen wird es sehr schnell gehen, sodass wir hoffen, dass das schon zum Jahreswechsel eine erhebliche Veränderung geben wird. Manches wird sich aber länger hinziehen.

Eines aber ist aus meiner Sicht ziemlich klar: Viele Länder werden viel länger brauchen als Deutschland. Denn das, was wir jetzt mit unseren Investitionen ermöglichen, ist ja doch eine mit großer Geschwindigkeit vorangetriebene Veränderung der Infrastruktur und damit auch eine Ausweitung unserer Belieferungsmöglichkeiten. Das wird nicht allen Ländern in gleicher Weise und gleicher Geschwindigkeit gelingen.

Allerdings gibt es Zusammenhänge. Viele unserer Nachbarländer, die über keine Anschlüsse an die Häfen verfügen, werden sicherlich davon profitieren, dass sie als Nachbarländer Deutschlands aber an unser Gasnetz angeschlossen sind und deshalb von diesen Importen ebenfalls profitieren können. Das ist auch gewollt.

Im Übrigen finde ich, dass, wer Veranstaltungen sprengen will, wer mit Gewalt die Bühne erobern will, sich nicht darüber beschweren soll, wenn er kritisiert wird.

Zuruf: (ohne Mikrofon, akustisch unverständlich)

BK Scholz: Ich finde, dass schwarz gekleidete Leute, die auf Veranstaltungen sind, sich in einer Weise, die für die Demokratie nicht in Ordnung ist, aufführen.

Frage: Ich habe eine Frage zum Thema der Diskussion mit Herrn Macky Sall, die Sie angesprochen haben, der anscheinend auch das Problem des „de-SWIFT-ing“ von russischen Banken erwähnte, das afrikanische Länder dann daran hindert, Nahrungsmittel aus Russland zu importieren. Haben Sie das danach besprochen? Wie stehen Sie zu dieser Folge des „de-SWIFT-ing“ von russischen Banken?

BK Scholz: Eines ist ganz klar: Dass wir uns große Sorgen darum machen müssen, dass es Schwierigkeiten für die Ernährung vieler Bürgerinnen und Bürger in der Welt gibt, hat eine Ursache. Das ist der russische Angriffskrieg auf die Ukraine. Darüber macht sich auch niemand etwas vor. Die Verantwortung für die Gefahren, die auf uns zukommen, liegt eindeutig bei Russland und seinem Präsidenten.

Deshalb ist es so wichtig, dass wir jetzt unsere Bemühungen verstärken, den Export von Getreide aus der Ukraine zu ermöglichen. Der Generalsekretär der Vereinten Nationen diskutiert jetzt mit allen Beteiligten und mit großer Unterstützung zum Beispiel auch von mir und dem französischen Präsidenten darüber, wie es möglich ist, dass man mit der Ukraine, mit Russland und auch anderen eine Verständigung darüber herbeiführt, wie sichere Korridore entwickelt werden können. Selbstverständlich gehört dazu auch die Frage, wie wir ermöglichen, dass Düngemittel exportiert werden und dass da, wo Getreide benötigt wird, es auch bezahlt werden kann. Es gibt aber, und darüber macht sich niemand etwas vor, jetzt viele Geschichten, die von der eigentlichen Ursache unseres jetzigen Problems ablenken sollen, nämlich dem Krieg, den Russland gegen die Ukraine mit größter Brutalität führt. Das sollte man nicht akzeptieren.

Frage: Herr Bundeskanzler, Sie haben gesagt, Sie setzen die Bemühungen fort, bis zum Jahresende aus russischen Erdölimporten auszusteigen. Zum einen habe ich die Frage: Wird Ihnen das gelingen? Werden Sie das Ziel erreichen?

Wie wollen Sie es zum anderen hinbekommen, dass die Raffinerie in Schwedt bis Jahresende ohne russisches Öl auskommt und auf anderes Öl umstellt? Erwägen Sie auch eine Verstaatlichung der Raffinerie?

BK Scholz: Zunächst einmal zeigt Ihre Frage ja, dass es hierbei um eine ganz praktische technische Frage geht, nämlich wie Öl zu den Raffinerien transportiert werden kann, die im Osten Deutschlands stehen und die bisher an die russische Pipeline angebunden sind. Mit dieser konkreten Frage setzen wir uns sehr sorgfältig auseinander. Es gibt zusammen mit dem Management der Raffinerie in Leuna eine Perspektive, wie ein anderer Importweg möglich sein kann. Für Schwedt gibt es auch Vorstellungen, die aber komplizierter sind. Da gibt es eine sehr konkrete Arbeitsgruppe des Bundeswirtschaftsministeriums unter Beteiligung vieler anderer Ministerien und auch der zuständigen Länder, die sich für diese Frage interessieren, in der die Fragen ganz präzise beredet werden. Wie das dann ganz genau gemacht werden wird, soll dann als Ergebnis dieser Arbeitsgruppe festgelegt werden, und deshalb will ich dem natürlich nicht vorgreifen. Aber Sie sehen an dem, was ich Ihnen berichten kann, dass das ein sehr wichtiges Thema ist, mit dem wir uns schon lange beschäftigen und bei dem wir jetzt in großer Geschwindigkeit versuchen, die Dinge voranzutreiben.

Zusatzfrage: Ist die Verstaatlichung eine Option?

BK Scholz: Wir werden am Ende festlegen, welchen Weg wir gehen und welchen wir für richtig halten. Jetzt ist es erst einmal so, dass wir eine Perspektive wählen wollen, die zum Beispiel die Arbeitsplätze in Leuna und Schwedt sichert.

Frage: Herr Bundeskanzler, können Sie noch erklären, mit welchen Instrumenten die EU verhindern will, dass die Ausnahmen von dem beschlossenen Ölembargo zu Wettbewerbsverzerrungen führen, also dazu, dass Ungarn billig in Russland eingekauftes Öl innerhalb der EU oder woandershin weiterverkauft?

Die zweite Frage betrifft noch einmal das Sondervermögen. Der SPD-Fraktionschef hat nach der Einigung mit der Opposition das Zwei-Prozent-Ziel der Nato als abstruse Kennziffer bezeichnet. Wie verhält sich das zu Ihrer Aussage, dass wir zwei Prozent und mehr für die Verteidigung ausgeben werden?

BK Scholz: Es hat eine Rolle gespielt und wird übrigens bei der Umsetzung der entsprechenden Rechtsakte dann noch mehr eine ganz konkrete Rolle spielen, wie man sicherstellen kann, dass es hier keine „windfall profits“ - oder wie man sie auch nennen will - gibt, die dann aus dieser Ausnahme herrühren. Da gibt es ganz konkrete Vorschriften, die den Weiterexport beschränken. Da wird aber dann jeweils auch wieder ganz konkret geschaut werden müssen, in welchen Ländern das zu neuen Schwierigkeiten führt, mehr auf der Importseite als auf der Exportseite. In vielen Fällen ist es auch technisch gar nicht möglich, raffiniertes Öl einfach überall zu vertreiben, weil das ja auch konkrete Vertriebsstrukturen voraussetzt, die das wirtschaftlich überhaupt darstellbar machen. Außerdem sind auch konkrete Regelungen dafür besprochen worden, was passiert, wenn gewissermaßen Pipelines in Anspruch genommen werden müssen, falls große Schwierigkeiten auftreten, sodass dort eben auch nicht Extragewinne gemacht werden können. Das war also ein Thema und wird bei der konkreten Umsetzung berücksichtigt.

Ansonsten freuen sich alle, insbesondere die SPD, darüber, dass es gelungen ist, dass der Aufschlag, den ich unmittelbar nach dem Beginn des Auslandskriegs gegen die Ukraine gemacht habe - also zu sagen, dass wir mehr für die Bundeswehr ausgeben werden, dass wir jetzt zwei Prozent ausgeben werden und dass wir ein Sondervermögen in Höhe von 100 Milliarden Euro auf den Weg bringen werden -, nun auch umgesetzt werden kann, weil die notwendige Voraussetzung geschaffen ist, nämlich das Sondervermögen.

Wir werden jetzt unsere ganze Arbeit darauf konzentrieren, eine möglichst schnelle und effiziente Ausstattung der Bundeswehr zu ermöglichen; denn dieses viele Geld soll ja ein Ansporn sein, es besonders effizient einzusetzen, zielgerichtet dafür, dass wir schnell auch tatsächlich eine Steigerung der Leistungsfähigkeit der Bundeswehr und eine Erhöhung unserer Verteidigungsfähigkeit zustande bekommen. Deshalb sind wir uns in der Frage alle einig, und alle freuen sich über diesen Erfolg, an dem im Übrigen der Fraktionsvorsitzende der SPD einen ganz großen Anteil hat; denn er hat im parlamentarischen Raum sehr viel dafür unternommen, dass es diese Zweidrittelmehrheit jetzt geben wird.