(Die Protokollierung des fremdsprachlichen Teils erfolgte anhand der Simultandolmetschung.)
22 Min. Lesedauer
- Mitschrift Pressekonferenz
- Donnerstag, 27. Oktober 2022
MP Mitsotakis: Lieber Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland, mein Freund Olaf, Athen begrüßt Sie heute in einem Klima, das sehr weit von dem bedrückenden Hellas des Memorandums entfernt ist. Ich würde sogar sagen, es ist eine Atmosphäre, die noch viel besser und viel positiver ist als diejenige, die vorherrschte, als Bundeskanzlerin Merkel uns vergangenes Jahr besuchte. Es war mehr oder weniger einer ihrer letzten Besuche in diesen Tagen.
Mit der Unterstützung der Bürger und der Regierung ist nun alles oder fast alles ganz anders. Die Wirtschaft, die Gesellschaft, aber vor allem, was den internationalen Status des Landes betrifft. Griechenland steht nicht mehr unter der europäischen Kontrolle. Wir haben elf positive Gutachten in den letzten drei Jahren hinter uns. Wir haben einen sehr dynamischen Wachstumsrhythmus. Wir begrenzen die Arbeitslosigkeit und hoffen, dass der Überschuss für das Jahr 2023 nicht geringer sein wird. Investitionen und Exporte erleben ein Hoch. Gleichzeitig versuchen wir, die öffentliche Verschuldung zurückzufahren. 170 Prozent des BIP sind es heute. Ich denke, dass das zeigt, dass wirtschaftliche Entwicklung und Handel mit einem fiskalischen Gleichgewicht einhergehen können.
Ich will sagen, dass das alles stattfindet, während wir uns ständig verteidigen. Wir verteidigen uns nicht nur gegen die Energiekrise, sondern vor allem, was unsere nationalen Herausforderungen betrifft, basierend auf dem aggressiven Verhalten der Nachbarn. Was das Erste betrifft, haben wir ein breit gefächertes Programm und unterstützen die Haushalte. Was das Zweite betrifft, verteidigen wir uns nicht nur, sondern erweitern auch unsere Allianzen.
Über die Glaubwürdigkeit, die wir errungen haben, sind wir alle sehr glücklich und sehr zufrieden, und wir sind stolz darauf. Ich denke, dass das zeigt, dass Griechenland jetzt nicht nur all das, was wir von Europa bekommen, respektieren kann, zum Beispiel das Programm ARF. Je glaubwürdiger wir das umsetzen können, desto leichter können wir uns in der Zukunft auch um weitere Quellen bemühen.
Es ist mir eine große Freude, Herr Bundeskanzler, dass wir für neue Positionen und neue Ziele für Europa zusammenarbeiten. Es ist nicht mehr ein Verhalten von schwach und stark, von Gläubiger oder was auch immer. Das alles gehört der Vergangenheit an. Wir sind nicht mehr nur ein passiver Bittsteller, wie es in der Vergangenheit stattfand, sondern wir intervenieren gleichberechtigt und haben konstruktiv zusammengearbeitet, zum Beispiel was den digitalen europäischen Pass oder den europäischen Wirtschaftsfonds betrifft. Wir versuchen jetzt, eine Vorreiterrolle zu spielen, was die europäische Autonomiestrategie betrifft. Aber wir wollen auch hoffen, dass wir bei Demokratie und der weiteren Demokratisierung mitarbeiten werden.
Wir leben in einer neuen Epoche. Wir haben neue Herausforderungen. Aber wir sind auch mit entscheidenden Erfahrungen ausgestattet. Europa - Deutschland spielt hier eine entscheidende Rolle - koordiniert seine Reaktion, um eine Antwort auf die negativen Folgen, was die russische Invasion betrifft, zu finden. Ich denke, dass es keine bessere Antwort geben wird als die, die Willy Brandt gab, als er 1975 hier an der Universität zum Ehrendoktor ausgerufen wurde. Seine Worte sind so aktuell wie eh und je. Er hat damals gesagt - das war nach der Ölkrise von 1973 -: Einige haben gedacht, dass wir die Probleme allein lösen könnten. Aber es hat sich gezeigt, dass die europäische Solidarität, die ganze Vereinigung in Europa in der Lage ist und in der Lage sein wird, immer zu überleben, auch inmitten von Sturm und Unwetter. - Er kam zu dem Ergebnis: Darum hat die Entwicklung einer gemeinsamen Energiepolitik vorrangige Bedeutung. - Ich unterstreiche jedes Wort der Aussage dieses großen deutschen und europäischen Politikers. Ich denke, dass heutzutage niemand sagen kann, das sei nicht so aktuell wie eh und je.
Was unsere bilateralen Beziehungen betrifft, lieber Olaf, denke ich, dass die Handelsbeziehungen auf einem Hoch sind. Deutschland ist einer der wichtigsten Investoren hier bei uns. Es ist ein entscheidender und sehr großer Markt für griechische Produkte, aber auch, was den Tourismus betrifft. Aber auch im Bereich der Verteidigung haben wir neulich einen neuen zyklischen Austausch beschlossen. Er sichert unsere Streitkräfte mit modernem Material. Gleichzeitig hilft er auch der Ukraine. Aber ich muss sagen, dass es auch eine große Partizipation deutscher Unternehmen an sehr großen Projekten gibt. Griechenland und Deutschland spielen eine Vorreiterrolle, was den grünen Übergang betrifft. Astypalea ist jetzt als Insel ein Prototyp und arbeitet gemeinsam für die neue Zeit. Das ist nur ein Beispiel für all das, was wir mit Blick auf erneuerbare Energiequellen hier zusammen umsetzen können.
Zwischen uns gibt es auch Unstimmigkeiten. Aber sie sind da, um überbrückt zu werden. Deshalb ist für Athen die Frage der Reparationen und des Zwangslohns immer noch eine offene Frage. Wir müssen eine Lösung finden, die für uns beide positiv ausfällt, und zwar in einem Moment, in dem die deutsch-griechische Zusammenarbeit gegenüber den Herausforderungen unserer Zeit gleichzeitig am selben Strang zieht. Das haben wir gesehen, was die russische Invasion in der Ukraine betrifft. Wir haben dieselben Meinungen, dieselben Positionen. Das war auch in Europa oder im Europarat klar. Europa kann nicht nach 80 Jahren erlauben, dass mitten in seinem Herzen wieder so ein Krieg entsteht. Solch eine Invasion kann nicht stattfinden, wie wir es aus Zypern wissen. Das internationale Recht, aber auch die Sicherheit der Grenzen müssen das letzte Wort haben. Der Fall der Ukraine ist ein nationales Problem für alle Länder dieser Welt. Er ist aber, denke ich, auch eine Verpflichtung gegenüber unseren gemeinsamen Werten.
Damit das alles stattfindet, muss die europäische Reaktion eine doppelte sein. Einerseits müssen wir dem ukrainischen Volk helfen und es unterstützen. Gleichzeitig - das haben wir jetzt mit dem Bundeskanzler diskutiert - müssen wir aber auch etwas gegen die Pläne Moskaus tun, das eine Destabilisierung der westlichen Gesellschaft will, basierend auf den Energiepreisen. Wir müssen den Märkten eine Grenze setzen, wenn sie zur Autonomie tendieren, und den Bürgern helfen, wenn sie ungerechterweise sehr vieles auf sich nehmen müssen. Das ist eine gemeinsame europäische Position und Herausforderung.
Wir diskutieren aber auch die Themen, die uns betreffen. Ich spreche jetzt über das östliche Mittelmeer. Ich habe noch einmal gesagt und wiederhole, was ich so oft gesagt habe, dass es schade ist, dass Erdoğan nicht sieht und versteht, dass er einen ausweglosen Weg verfolgt, wenn er ständig Lügen über Griechenland verbreitet. Denn unsere Nachbarn wissen ganz genau - jeder weiß es ganz genau -, dass die griechischen Inseln alles andere als eine Gefahr sind. Wir sind keine Gefahr. Alle wissen, dass die internationalen Abkommen nicht mit Ad-hoc-Interpretationen geändert werden können. Die Geschichte kann nicht mit imperialen Illusionen geändert werden, ebenso wenig die Geografie mit verfälschten Karten. Unsere Position ist klar und deutlich, was das Migrationsproblem betrifft. Griechenland bewahrt die nationalen, aber auch die internationalen Grenzen. Wir wollen den Menschenhandel unterbinden. Wir retten jeden Tag Leben auf der Ägäis und helfen den Bedürftigen. Unsere Position ist klar und deutlich. Was die Drohungen betrifft, was die Aggressivität betrifft, zeigen wir unsere Bereitschaft, das internationale Recht und das Recht der Meere. Wir sind immer alert, was unsere Verteidigung betrifft. Diese Themen haben wir diskutiert, und wir haben erklärt, was unsere Position ist, auch was das illegale Dokument betrifft, die Abmachung zwischen der Türkei und Libyen. Ich habe dem Bundeskanzler gegenüber gesagt, dass wir, was den Berliner Prozess und Libyen betrifft, zusammenarbeiten und präsent sein wollen.
Abschließend will ich den Wunsch äußern, dass unsere Nachbarn noch mit Verspätung den Weg der Deeskalation einführen werden, des Rechtes, der gemeinsamen und friedlichen Zusammenarbeit, ohne rhetorische Auswüchse, aber mit konstruktivem Handeln. Von meiner Seite werde ich immer die Hand der Freundschaft ausstrecken.
Wir haben international gesehen keine weiteren Spannungsfelder. Sie sind wirklich alles andere als notwendig. Wir müssen unsere Probleme lösen. Das wollen unsere Länder; das müssen unsere Völker. Das will Europa; das will Athen. Das haben wir immer unterstrichen.
Sehr geehrter Herr Bundeskanzler, ich muss abschließen und sagen, dass ich hoffnungsvoll und sehr positiv gestimmt bin. Das dürfen alle Griechen und auch Deutsche fühlen. Wir haben vieles getan und können mit Verständnis, mit Respekt und mit Solidarität noch viel mehr tun. Vor allem aber gilt, wie ein deutsches Sprichwort sagt: Geteiltes Leid ist halbes Leid; geteilte Freude ist doppelte Freude.
Ich heiße Sie, Herr Bundeskanzler, und Sie alle noch einmal herzlich willkommen in Athen.
BK Scholz: Lieber Kyriakos, sehr geehrte Damen und Herren! Es ist mir eine große Freude, heute hier in Athen zu sein. Ich danke sehr herzlich für die Gastfreundschaft. Griechenland und Deutschland sind durch eine lange und wechselvolle Geschichte miteinander verbunden, woran wir ja auch am morgigen Ochi-Tag erinnern. Heute sind wir enge Partner in der EU und verbündet in der Nato. Die Bürgerinnen und Bürger unserer beiden Länder stehen in einem guten und freundschaftlichen Kontakt, wie sich nach jeder Urlaubssaison immer wieder eindrucksvoll zeigt.
Den Tag haben wir beide mit der Besichtigung der Akropolis begonnen. Das hat mich sehr beeindruckt und war für mich ein ganz wichtiger Moment. Denn es gehört zu unserer gemeinsamen europäischen Geschichte dazu, dass die Demokratie hier ihre große erste Praxis gefunden und auch unsere Sprache und unser Weltbild geprägt hat. Deshalb ist das eines der wichtigsten Bauwerke Europas. Ich bin sehr froh, dass wir in unserer gemeinsamen Union zusammen sind. Das ist richtig.
Meine Delegation und ich, wir kommen in ein neues Griechenland. Auch wenn wir alle in Europa unter den gegenwärtigen Krisen leiden, so ist doch klar: Die wirtschaftlichen Reformen hier in Griechenland haben sich ausgezahlt. Die wirtschaftliche Dynamik ist klar spürbar.
Im Mittelpunkt unserer heutigen Beratung standen deshalb auch die großen Herausforderungen, denen wir uns in Europa gegenübersehen. Gerade auch angesichts dieser Herausforderungen bin ich froh, dass die Zusammenarbeit unserer Regierungen so eng und vertrauensvoll ist.
Von den Themen, die wir heute besprochen haben, möchte ich drei besonders hervorheben, zunächst natürlich den russischen Überfall auf die Ukraine. Denn er ist die Ursache für viele Schwierigkeiten, mit denen wir gegenwärtig zu kämpfen haben. Deutschland und Griechenland sind sich völlig einig, dass es an Russland ist, seinen ungerechtfertigten Angriffskrieg gegen die Ukraine sofort einzustellen und seine Truppen zurückzuziehen. Ich bin sehr dankbar dafür, dass wir gemeinsam die ukrainischen Streitkräfte mit dringend benötigtem Militärmaterial ausstatten können, auch mit Panzern, und zwar so, dass dieses Material vor Ort sofort und ohne weitere Verzögerungen eingesetzt werden kann.
Die Energiekrise in Europa war das zweite große Thema, über das wir gesprochen haben. Auch sie ist natürlich eine unmittelbare Folge des russischen Überfalls auf die Ukraine. Das dürfen wir nicht vergessen, wenn wir uns jetzt über hohe Gas- und Strompreise beklagen. Unser Ziel muss sehr klar sein. Die Preise müssen runter. Wir sind uns darin einig, dass sich diese Krise nur solidarisch bewältigen lässt. Wir haben die Fragen vergangene Woche beim Europäischen Rat eingehend besprochen und, wie ich finde, auch sehr kluge, gute Beschlüsse gefasst. Wir wollen unsere gemeinsame Kraft nutzen, um Konsortien zu bilden, die gemeinsam Gas einkaufen können. Das führt dazu, dass die Preise sinken. Wir wollen die Möglichkeiten schaffen, wenn es zum Beispiel um Speicherkapazitäten geht, einen Teil gemeinsam zu erwerben. Wir wollen insgesamt dazu beitragen, dass wir es mit den Entscheidungen, die im Hinblick auf den Umgang mit Preisspitzen getroffen worden sind, schaffen, Spekulationen aus dem Markt hinauszutreiben. Das ist ganz, ganz wichtig.
Wichtig ist aber auch, dass wir, während wir das tun und unsere Bürgerinnen und Bürger unterstützen, nicht vergessen, gleichzeitig die erneuerbaren Energien auszubauen und deren Ausbau zu beschleunigen. Denn das ist die Grundlage für eine sichere Energiezukunft Europas. Wir bilden die Infrastrukturen - Griechenland ist dabei hervorragend unterwegs - für das, was wir heute brauchen, zum Beispiel für Gasimporte. Aber wir bauen auch die erneuerbaren Energien aus.
Wir haben beim Europäischen Rat miteinander auch noch einmal die erheblichen Finanzmittel betrachtet, die mit dem Wiederaufbaufonds, aber auch mit dem Programm REPowerEU zur Verfügung stehen. Das sind sehr hilfreiche Programme, die gerade jetzt in dieser Zeit nützlich sind und große Mittel für Investitionen in die Zukunft zur Verfügung stellen. Das Ziel muss es eben sein, dass wir unabhängig von russischen Energieimporten werden, damit das Ziel der sinkenden Energiepreise langfristig gewährleistet werden kann.
Natürlich haben wir auch über die Lage im östlichen Mittelmeer gesprochen. Ich habe mich dazu heute bereits in einem Interview geäußert und das Notwendige gesagt. Das Mittelmeer ist ein Raum voller Potenzial, gerade auch wirtschaftlich. Es sollte im Interesse aller Nachbarn sein, diese Chancen zum Wohle ihrer jeweiligen Bevölkerungen voll auszuschöpfen. Ich habe in meinem Gespräch den Eindruck gewonnen, dass Griechenland dazu sehr bereit ist. Darauf kann und sollte man vertrauen. Gute nachbarschaftliche Beziehungen zwischen Griechenland und der Türkei zum Beispiel sind nicht nur für beide Länder, sondern für ganz Europa und das transatlantische Bündnis von Bedeutung. Deshalb bin ich auch sicher, dass alle Fragen, die dort existieren, immer im Dialog und auf der Grundlage des Völkerrechts gelöst werden können und müssen.
Schließlich - auch darüber haben wir gesprochen, und auch das ist mir wichtig - haben wir im Zusammenhang der letzten Wochen und Monate auch viel über die Weiterentwicklung der Europäischen Union gesprochen. Dabei geht es um die Ukraine und die Perspektive, die wir ihr, Moldau und langfristig auch Georgien eröffnet haben. Aber zu allererst geht es auch um die Perspektive der sechs Balkanstaaten, die vor fast 20 Jahren auf einer Tagung in Thessaloniki die Zusage bekommen haben, dass sie Mitglied der Europäischen Union werden können. Das muss jetzt mal was werden. Wir beide fühlen uns sehr dazu verpflichtet, diesen Prozess voranzubringen. Das ist aus meiner Sicht ein guter Weg.
Es sind gute Beratungen, die wir bisher hatten. Es sind gute Beziehungen, auf denen wir aufbauen können und die wir weiterentwickeln wollen. Ich freue mich über die gute Entwicklung dieses Landes. Wir werden die Herausforderungen für unsere Bürgerinnen und Bürger, für unsere Wirtschaft, die mit dem russischen Angriffskrieg verbunden sind, gemeinsam bewältigen.
Frage: (zum Streit Griechenlands mit der Türkei über Inseln im Mittelmeer; ohne Dolmetschung)
BK Scholz: Ich habe das, was zu sagen ist, hier gesagt. Das will ich gerne wiederholen und auch auf mein Interview, das ich heute gegeben habe, verweisen.
Ich glaube, alle haben ein Interesse an guten nachbarschaftlichen Beziehungen, und der Ministerpräsident hat ja eben seine Haltung zu diesem Thema bekundet.
Frage: Herr Bundeskanzler, ich würde auch gerne zum Thema Türkei nachfragen: Als die Außenministerin Baerbock im Juli hier war, hat sie sich in dem Inselstreit sehr klar an der Seite Griechenlands positioniert. Sehen Sie die Rolle Deutschlands in diesem Streit zwischen zwei Nato-Partnern auch so klar an der Seite Griechenlands, oder sehen Sie eher eine neutrale deutsche Rolle, vielleicht sogar eine Vermittlerrolle?
In diesem Zusammenhang: Hätten Sie ein Problem damit, wenn Griechenland die gerade erst im Zuge des Ringtausches gelieferten Marder-Panzer an der Grenze zur Türkei stationiert?
Herr Ministerpräsident, an Sie eine Frage zum Thema Reparationen: Sie haben gerade gesagt, das sei weiterhin eine offene Frage und man müsse eine Lösung finden, die für beide Seiten positiv ausfällt. Verstehe ich Sie richtig, dass Sie, so wie Polen auch, von Deutschland Verhandlungen mit Griechenland über Reparationen erwarten?
BK Scholz: Wir haben, wenn ich das zunächst sagen darf, die Marder an Griechenland geliefert. Da gibt es keine tägliche Meldung, wo die gerade stehen, und wir fragen auch nicht nach. Das haben wir mit all den Waffen, die wir in den letzten Jahren geliefert haben, auch nicht gemacht, und das werden wir auch in Zukunft nicht tun. Griechenland ist ein sehr respektvoller Nato-Partner, mit dem wir in vielen Feldern zusammenarbeiten, und das wäre eine merkwürdige Vorgehensweise. Das kann ich also nicht beantworten und will ich auch gar nicht beantworten müssen.
Was die Frage der Zusammenarbeit betrifft, so will ich gern wiederholen, was ich heute auch in Zeitungen gesagt habe: Es soll nicht sein, dass Nato-Partner einander die Souveränität infrage stellen, und alle Fragen müssen im Dialog und auf Grundlage des Völkerrechts gelöst werden. Darin sind wir uns sehr einig.
War da noch eine dritte Frage?
Zusatzfrage: Nimmt Deutschland eine Vermittlerrolle ein?
BK Scholz: Ich glaube, das ist das, worum es geht: Dass wir uns hier so verhalten, wie wir das machen. Dazu gehört, dass wir hilfreich sind bei den Aufgaben, die hier anstehen.
MP Mitsotakis: Als Allererstes möchte ich sagen, dass die Position des Bundeskanzlers eine sehr klare und deutliche ist. Es geht nicht, dass Grenzen infrage gestellt werden - vor allem nicht, wenn der andere ein Nato-Partner ist. Deutschland hat sich diesbezüglich sehr klar und sehr deutlich geäußert. Ich hatte sehr oft die Chance oder die Möglichkeit, auf dem Europäischen Rat zu erklären, was im östlichen Mittelmeer stattfindet und passiert, wie wir das verstehen und wie wir die türkische Aggression verstehen, aber vor allem auch, was zu einer Deeskalation und zu einem verbesserten Klima führen kann, was uns betrifft. Ich glaube, dass das etwas ist, was uns bilateral zugutekommt, aber auch im Rahmen der ganzen Europäischen Union.
Was die Marder betrifft, so hat der Bundeskanzler schon gesagt, dass es unser Problem ist, wo wir die Panzer aufstellen. Ich kann Ihnen dennoch eine Antwort geben: Sie werden tatsächlich nach Evros geschickt werden, denn die Armee glaubt, dass sie dort am allernützlichsten sind und sein werden.
Was die Reparationen betrifft, so ist das eine offene Frage, besonders was (akustisch unverständlich) betrifft. Es gibt hier Eigenarten, und wir hoffen, dass es eine Diskussion gibt und dass wir in der Lage sein werden, eine Lösung zu finden. Wir wissen natürlich, wie das sein kann, was aus der Vergangenheit kommt und was das alles bedeutet. Es ist eine Diskussion, die für uns aktuell offen ist und bleibt, aber die Tatsache, dass wir bis jetzt keine Lösung finden konnten, bedeutet nicht, dass unser ganzes Verhalten in irgendeiner Form das deutsch-griechische Verhältnis trübt. Wir können weiterarbeiten, und das sind Bereiche, die wir alle schon erwähnt haben.
Frage: Herr Bundeskanzler, Ihr Besuch in Griechenland kommt zu einem Zeitpunkt, zu dem der Kurs der Konsolidierungsprogramme vorbei ist. Nun sind wir alle in Europa aber von derselben Energiekrise betroffen. Herr Mitsotakis hat seit Monaten konkrete Vorschläge zu diesem Thema vorgelegt, darunter eine Obergrenze für den Gaspreis. Sie machen sich andererseits Sorgen um die Versorgungssicherheit. Ist es jetzt nicht Zeit, eine europäische Lösung für die Begrenzung der Gaspreise zu finden, um die hohe Volatilität der Energiemärkte zu bewältigen?
Herr Ministerpräsident, weil in Europa der Teufel sehr oft in den Details steckt: Glauben Sie, dass die Minister tatsächlich zu einem Beschluss kommen können, was die Energie betrifft, oder werden die den Ball sozusagen zurückspielen?
MP Mitsotakis: Was Ihre Frage an mich betrifft: Wir haben, wie der Bundeskanzler gesagt hat, schon entscheidende Schritte vorwärts gemacht, und ich glaube, wir haben unseren Ministern genau und deutlich erklärt, was wir erwarten. Wenn wir eine europäische Lösung wollen, dann müssen alle Länder am selben Strang ziehen. Natürlich sprechen wir über den Preis, aber wir sprechen auch über die Versorgungssicherheit - nicht nur wir als Griechenland oder Deutschland, sondern alle. Wir haben, glaube ich, einen Rahmen, innerhalb dessen wir etwas tun können. Diesen entsetzlichen Ups und Downs müssen wir einen Einhalt gebieten. Ich glaube, dass das etwas ist, was von Bedeutung ist. Es ist klar, dass im letzten Monat die Preise gefallen sind. Ich kann nicht sagen, dass ich mir hundertprozentig sicher bin, aber es wäre entsetzlich, wenn dieses Thema noch einmal zu uns zurückkommt. Das wollen wir nicht; wir wollen nicht, dass das im Rat entschieden wird. Das muss auf der Ebene der Minister entschieden werden, und es gibt auch die Möglichkeit, das zu tun.
BK Scholz: Ich könnte mich darauf beschränken zu sagen „Ich stimme vollständig zu“, ich will aber ein paar ergänzende Bemerkungen machen. Ich glaube, dass wir in der Tat noch viel Arbeit bei den Energieministern sehen, die sie jetzt zu leisten haben, insbesondere wenn es darum geht, spekulative Preisspitzen zu vermeiden. Das ist ja auch technisch nicht einfach. Wir alle beklagen, dass es manchmal für drei oder vier Stunden unglaublich hoch gestiegene Preise gibt, und wissen, dass einige Händler Gas zum Beispiel zurückhalten, um es in so einen kurzen Drei-Stunden-Anstieg hineinzuwerfen. Wenn man das vermeiden kann, dann würde das zu einer unglaublichen Beruhigung der Märkte und auch zu einem weiteren Sinken der Preise führen.
Insofern ist das jetzt weg von der Frage „Was will man eigentlich erreichen?“. Weil wir sinkende Gaspreise gemeinsam wollen, ist auch unsere gemeinsame Sicht, dass es nicht um irgendetwas sehr Abstraktes, sondern ganz konkret um diese Spekulationsfragestellung geht. Ich glaube, da wird etwas gefunden werden; bloß lässt sich das nicht aus der Hand schütteln, sondern da müssen sich viele Experten damit beschäftigen, wie man so etwas konkret macht.
Zweitens. Wir müssen in der Tat die Sicherheit unserer Energieversorgung gewährleisten; darauf habe ich ja in meinen Eingangsbemerkungen schon hingewiesen. Ich finde sehr vorbildlich, was Griechenland mit dem Schaffen neuer LNG-Importmöglichkeiten macht, und finde auch das Bemühen sehr vorbildlich, das an Pipelines anzubinden, die viele Länder Europas versorgen können. Das müssen wir überall in Europa machen; wir müssen also unsere wechselseitigen Verbindungen infrastrukturell ausbauen, damit wir nicht in eine Krise geraten, wenn an einer Stelle irgendetwas schwierig wird.
Deutschland tut das auch. Wir haben entschieden, dass wir in großem Umfang Terminals an den norddeutschen Küsten der Nordsee und der Ostsee bauen, über die dann auch Flüssiggas importiert werden kann. Es sind ganz konkret vier Orte, und dort werden fünf bis sechs solcher Regasifizierungsanlagen entstehen und schon im nächsten Jahr in großem Umfang Gas nach Deutschland, aber auch in die westeuropäischen und die osteuropäischen Markte pumpen; denn Deutschland ist ja ein Land, das durchzogen ist von Infrastrukturen, die nicht nur für sich selber da sind, sondern auch für die Versorgung vieler anderer.
Gleichzeitig haben wir sehr viele Entscheidungen getroffen, die unsere Notwendigkeit, Gas einzusetzen, um Strom zu produzieren, dramatisch reduzieren. Das ist auch durch die Wiederinbetriebnahme von Kohlekraftwerken erfolgreich gelungen - nicht für immer, sondern vorübergehend während dieser Situation für die nächsten zwei Jahre. Diese Kraftwerke waren noch alle da, und das haben wir ausgenutzt, um sicherzustellen, dass die Energiesicherheit von ganz Europa gewährleistet ist. Dadurch sind wir jetzt zum Beispiel auch in der Lage, Strom zu produzieren, wenn in Frankreich Atomkraftwerke keinen Strom produzieren können oder wenn in der Schweiz und Österreich die Wasserkraftwerke wegen der Trockenheit nicht so viel Strom liefern können, wie das sonst der Fall ist. Wir helfen einander also auch aus. Das gilt übrigens auch für die Speicher, die wir alle gemeinsam gefüllt haben; denn in diesen Speichern befindet sich auch Gas, das für Nachbarländer gedacht ist und von denen auch mit bezogen wird.
Frage: Herr Ministerpräsident, in Deutschland gibt es eine Diskussion über die Gefahren durch chinesische Investitionen in kritische Infrastruktur. Der griechische Hafen von Piräus befindet sich schon seit längerer Zeit in mehrheitlichem chinesischen Besitz. Welche Erfahrungen haben Sie damit gemacht? Bereuen Sie angesichts der weltpolitischen Lage, dass dieser Hafen an China beziehungsweise chinesische Unternehmen veräußert wurde?
Herr Bundeskanzler, sind Sie mit der jetzigen Entscheidung, nur 24,9 Prozent eines Terminals im Hamburger Hafen an Cosco zu veräußern, zufrieden, oder wäre es Ihnen eigentlich lieber gewesen, dass 35 Prozent verkauft werden können? Befürchten Sie, dass Cosco sich darauf gar nicht einlässt und von dieser Investition zurücktritt?
MP Mitsotakis: Als allererstes möchte ich darauf hinweisen, dass wir im Rahmen des Europäischen Rates besprochen haben, wie unsere Beziehung zu China ist. Das ist ein schwieriges Verhältnis, denn China ist natürlich ein Land, mit dem wir auf der einen Seite zusammenarbeiten, zum Beispiel was das Klima betrifft, das uns auf der anderen Seite aber auch gegenübersteht. Wir sind nicht naiv, wir wissen, was China ist, was wir sind und was das eine und das andere bedeutet. Niemand möchte von einem einzelnen Menschen abhängig sein oder werden, und ich glaube, Russland hat uns gezeigt, dass einseitige Abhängigkeit etwas ist, was man in Europa nicht mehr erlauben wird.
Was Piräus betrifft, möchte ich hinzufügen, dass diese Investition schon seit 13, 14 Jahren existiert. Das ist in einem Moment passiert, in dem sehr wenige Leute daran interessiert waren, in Infrastrukturen in Griechenland zu investieren. Griechenland ist ein Land, das das Recht akzeptiert. Wir haben etwas unterschrieben, und das akzeptieren wir. Wenn Sie mich fragen, ob ich jetzt unruhig bin, weil diese Investitionen hier stattgefunden haben, dann ist die Antwort nein. Dieser Hafen hat seitdem viel, viel besser gearbeitet und arbeitet viel besser als in der Vergangenheit. Ich muss und darf Ihnen gleichzeitig aber auch sagen, dass es sowohl auf der europäischen Ebene als auch auf der griechischen Ebene einen Filter gibt. Wenn wir jetzt Investitionen in die Infrastruktur in Europa sehen, dann passen wir genau auf. Weil die griechische Wirtschaft jetzt sehr positive Zahlen schreibt, sind wir nicht mehr nur von einem oder zwei Ländern abhängig, was die Infrastruktur betrifft. Wir haben sehr viele Investitionen von sehr vielen unterschiedlichen Ländern, und China war in keinem Fall partizipierend.
BK Scholz: Auch hier kann ich zustimmen: So wie der Ministerpräsident gesagt hat, geht es, wenn wir über unser Verhältnis zu China nachdenken, in der Tat darum, dass wir dafür sorgen, dass wir in unseren internationalen Beziehungen diversifizieren und dass wir sicherstellen, dass niemand uns einseitig abhängig machen kann. Das ist sicherlich die Lehre, die viele auch aus der Entwicklung ziehen, die Russland genommen hat. Deshalb ist es ganz, ganz wichtig, dass man das immer im Blick hat. Das bedeutet, dass jetzt überall in Europa Unternehmensentscheidungen getroffen werden, die sicherlich dazu beitragen, dass man sich in eine Lage versetzt, in der man in der Lieferkette immer mehrere Möglichkeiten hat, seine Waren zu beziehen, und in der man auch seine Exportmärkte so organisiert, dass man immer verschiedene Exportmärkte hat und seine Investitionen nicht nur auf ein Land konzentriert. Ich glaube, das ist immer schon richtig gewesen, und diejenigen, die vielleicht eine Zeit lang nicht vorsichtig genug darüber nachgedacht haben, machen das jetzt, glaube ich, im Hinblick auf die Entwicklung der ganzen Welt überall.
Was die Fragen des konkreten Investments betrifft, geht es in der Tat um ein Terminal einer Betreibergesellschaft in einem großen Hafen mit mehreren Betreibergesellschaften - also um sehr wenig -, und geht es um eine Minderheitsbeteiligung von 24,9 Prozent. Sie haben mich gefragt, ob ich finde, dass das eine gute Lösung ist: Ja, ich halte das auch für die richtige Lösung, weil es in der Tat ein berechtigtes Anliegen ist, zu sagen, dass kein falscher Einfluss auf Infrastrukturen stattfinden darf. Das ist in diesem Fall in keiner Weise gegeben, weil es eben nur um das geht, was ich gerade beschrieben habe. Für diejenigen, die das nicht so verfolgen konnten, weil das ja eine Debatte mit Details in Deutschland ist, möchte ich noch darauf hinweisen: Grund und Boden des Hafens gehören der dortigen Hafengesellschaft und sind Staatseigentum. Sie werden es auch immer bleiben und niemals privatisiert werden.