Pressekonferenz nach dem Gipfeltreffen im Rahmen des Berlin-Prozesses für den westlichen Balkan mit Bundeskanzler Scholz, EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen und dem albanischen Ministerpräsidenten Rama am 3. November 2022 in Berlin

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Pressekonferenz nach dem Gipfeltreffen im Rahmen des Berlin-Prozesses für den westlichen Balkan mit Bundeskanzler Scholz, EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen und dem albanischen Ministerpräsidenten Rama am 3. November 2022 in Berlin

(Die Protokollierung des fremdsprachlichen Teils erfolgte anhand der Simultandolmetschung)

  • Mitschrift Pressekonferenz
  • Donnerstag, 3. November 2022

BK Scholz: Meine Damen und Herren, ich habe es in meiner Europarede in Prag Ende August noch einmal deutlich gemacht: Die sechs Staaten des westlichen Balkans gehören in die Europäische Union. Sie sind Teil Europas und Teil der europäischen Familie. Deswegen setze ich mich für die Erweiterung der Europäischen Union um die Staaten des Westbalkans ein.

Für den Erfolg dieser EU-Erweiterung ist der sogenannte Berlin-Prozess sehr wichtig. Ich freue mich daher sehr, dass ich heute die Vertreterinnen und Vertreter der teilnehmenden Staaten und Institutionen des Berlin-Prozesses hier begrüßen konnte. Besonders freue ich mich, dass alle Ministerpräsidenten der Staaten des westlichen Balkans nach Berlin gekommen sind.

Der Berlin-Prozess findet immerhin schon seit 2014 nun zum dritten Mal unter deutscher Gastgeberschaft statt. Es freut mich, dass wir heute Albanien mit Ministerpräsident Edi Rama als nächsten Gastgeber gewinnen konnten und dass er und die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, hier gemeinsam mit mir die Ergebnisse des Gipfels präsentieren.

Die Entwicklung des westlichen Balkans und dessen Integration in die Europäische Union ist mir ein zentrales Anliegen. Das ist umso wichtiger vor dem Hintergrund des brutalen Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine. Dafür sind Reformen nötig - in der EU selbst, aber vor allem auch in der Region, insbesondere, was die Rechtsstaatlichkeit und Umweltstandards angeht -, und dafür ist es notwendig, regionale Kooperation voran zu bringen und zu lange schwelende Konflikthemen zwischen den sechs Ländern beizulegen.

Verbesserte regionale Kooperation der Länder des westlichen Balkans ist ein Schlüssel zur Beschleunigung des EU-Beitrittsprozesses. Der Berlin-Prozess leistet dazu seit 2014 einen ganz wichtigen Beitrag. Er hat seitdem die Verbindung in der Region auf allen Ebenen gefördert - mit neuen Straßen und Energiekonnektoren -, aber er hat auch die Menschen zusammengebracht. Damit hat er die Wirtschaft gestärkt und ganz konkret zur Verbesserung der gutnachbarschaftlichen Beziehungen und zur Versöhnung in der Region beigetragen. Sehr konkret ging es heute um die Schaffung eines gemeinsamen regionalen Marktes, der mit den EU-Regeln kompatibel ist und alle Länder der Region gleichermaßen einbindet.

Ich gratuliere den Staaten des westlichen Balkans, dass es ihnen unter Moderation des Regionalen Kooperationsrates und der Bundesregierung gelungen ist, drei Mobilitätsabkommen zu vereinbaren und heute zu unterzeichnen. Das ist ein großer Erfolg für alle Bürgerinnen und Bürger der Region, und es zeigt, dass die sechs Westbalkanstaaten es ernst meinen, sich auch bei der regionalen Kooperation auf die EU zuzubewegen. Denn im europäischen Projekt geht es und ging es immer schon darum, gemeinsam voranzuschreiten. Mit den drei jetzt unterzeichneten neuen Abkommen wird es möglich, dass die Bürgerinnen und Bürger der Region mit Personalausweisen reisen können. Außerdem erkennen die Staaten des westlichen Balkans untereinander akademische und Berufsabschlüsse an. Es sind diese ganz konkreten Schritte, die das Leben der und des Einzelnen verbessern und die Region enger zusammenführen.

Ein weiteres Beispiel möchte ich herausgreifen: Zu Energie haben sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf eine wichtige Erklärung geeinigt. Die Westbalkanstaaten verpflichten sich darin zu engerer Zusammenarbeit für mehr Energiesicherheit und die Vereinbarung von Klimaschutzmaßnahmen zur Erzielung des 2030-Ziels. Wir, die übrigen Teilnehmer des Berlin-Prozesses, unterstützen die Westbalkanstaaten kurz- und langfristig, um in dieser Energiekrise zu bestehen und sich für die Zukunft auf erneuerbare Energien zu fokussieren. Auch Deutschland trägt hierzu maßgeblich über die Entwicklungsbank KfW bei: kurzfristig durch die Bereitschaft zu Krediten in Höhe von bis zu 500 Millionen Euro in der akuten Energiekrise, mittelfristig bis 2030 durch Unterstützung für die Energiewende der Westbalkanländer mit bis zu einer Milliarde Euro.

Bei allen genannten Themen müssen wir weiter und vor allem immer enger zusammenarbeiten. Dieser Gipfel zeigt mir, dass der Wille zur Zusammenarbeit vorhanden ist.

Deutschland wird diesen Prozess weiter stark fördern, und ich kann mir gut vorstellen, auch in der Zukunft wieder Gastgeber eines solchen Gipfels zu sein.

Auch die EU unterstützt diesen Prozess, insbesondere durch die Arbeit der Europäischen Kommission. Dafür gilt ihr unser ganz besonderer Dank.

Damit möchte ich das Wort dann auch zunächst der Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen übergeben, bevor dann der nächste Gastgeber, Edi Rama, das Wort erhält. - Ursula, the floor is yours.

P’in von der Leyen: (auf Englisch) Vielen herzlichen Dank! Das war heute in der Tat ein sehr, sehr gutes Treffen. Albanien übernimmt ja nun sozusagen die Führung des Berliner Prozesses beim nächsten Mal, und ich denke, da sind wir in guten Händen.

Unser Ziel ist ja, die Partner im westlichen Balkan so schnell wie möglich an uns heranzuführen. Hier gibt es sozusagen zwei parallele Routen.

Einerseits haben wir den Beitrittsprozess. Da haben wir gute Erfolge erzielt. Die Kommission hat die Erweiterung von Anfang an, seit ich diese Aufgabe übernommen habe, auf die Tagesordnung gestellt, und wir hatten uns zum Beispiel eine neue Erweiterungsmethodologie gegeben. Da geht es nicht nur darum, Entscheidungen einfach einmal sozusagen von der Blockade zu befreien, sondern auch darum, neue Entwicklungen in den Prozess hineinzubringen.

Dann haben wir einen sehr substanziellen Wirtschafts- und Investitionsplan von 30 Milliarden Euro für die Region aufgelegt. Das ist etwa ein Drittel des Bruttoinlandsprodukts der gesamten Region.

Wir haben im letzten Jahr eine erste Regierungskonferenz mit Montenegro gehabt und haben dann auch mit Serbien einen bestimmten Bereich von Themen eröffnet. Dieses Jahr werden wir tatsächlich auch die erste Regierungskonferenz mit Albanien und Nordmazedonien beginnen, die jetzt ja den Screeningprozess begonnen haben. Außerdem geht es natürlich auch darum, Bosnien-Herzegowina Kandidatenstatus einzuräumen.

Ich muss sagen: Dieser Fortschritt, der ja ein wirklich guter Fortschritt ist, lieber Edi, ist einfach deswegen erreicht worden, weil in den Staaten des westlichen Balkans tatsächlich auch Erfolge erzielt wurden - es ist also euer Erfolg.

Es gibt dann sozusagen noch einen zweiten Strang, bei dem es im Wesentlichen darum geht, dass wir unsere wirtschaftliche Integration verbessern. Ja, da gibt es sehr, sehr viele Herausforderungen, natürlich zunächst einmal die Invasion Russlands in der Ukraine. Das ist in der Tat eine geopolitische Verschiebung auf diesem Kontinent, aber je länger dieser Krieg anhält, umso entschlossener sind wir, diesem zu widerstehen und der Ukraine beizustehen.

Im westlichen Balkan ist es natürlich nicht nur wichtig, dass man dort zusammenarbeitet, um ein vernünftiges Investitionsklima zu schaffen. Das ist zwar auch wichtig, aber die Investitionen, die dort getätigt werden, sind natürlich auch Investitionen in die Stabilität und den Frieden in Europa insgesamt.

Wir haben dann noch einmal sehr nachhaltig besprochen, was die Aggression Russlands für den Energiesektor bedeutet, und auch, wie wir eine grüne Agenda und eine gemeinsame Energiepartnerschaft mit dem westlichen Balkan auflegen. Das wird dann auch Klimaneutralität bis 2050 beinhalten. Bis 2030 sind dann unsere Klimaziele erreicht, und das ist auch das, was wir uns als Ziel mit dem westlichen Balkan vorgenommen haben. Wir müssen unsere Schritte natürlich aufeinander abstimmen, denn wir sind ja in einer Energiegemeinschaft. Das bedeutet, kurzfristig geht für uns alle um die Diversifizierung unserer Energiequellen, die Reduzierung unserer Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen, die Russland liefert, und darum, dass man die Energiepreise auf einem bestimmten Niveau hält, das noch akzeptabel ist.

Das ist aber natürlich auch eine Krise, die wir in dieser Form noch nie erlebt haben. Deswegen sind auch ungewöhnliche Maßnahmen und Maßnahmen, die wir vorher noch nie ergriffen haben, notwendig. Deswegen hat die Kommission ein substanzielles Energieunterstützungspaket mit einem Volumen von einer Milliarde Euro in Beihilfen und Darlehen für den westlichen Balkan aufgelegt. Das hat zwei verschiedene Teile:

Erst einmal geht es um 500 Millionen Euro als sofortiger Zuschuss, als sofortige Hilfe für die Staaten des westlichen Balkans, damit sie dann auch in die Lage versetzt werden, sehr kurzfristig diejenigen Haushalte, die von dieser Krise besonders betroffen sind und besonders verletzlich sind, zu unterstützen. Das wird dann auch im Januar umgesetzt werden.

Der zweite Teil, die anderen 500 Millionen Euro an Zuschüssen, werden vor allen Dingen auf Investitionen in die Energieinfrastruktur verwendet werden - vor allen Dingen im Bereich der Interkonnektoren für Gas und Strom, damit es dann tatsächlich ein gemeinsames Versorgungsnetz für die Region gibt, das aber auch mit der Europäischen Union verbunden ist. Hier ist es ganz besonders wichtig, dass vor allen Dingen in den Erneuerbaren-Sektor investiert wird, denn das bedeutet Unabhängigkeit. Das ist saubere Energie, die sehr gute, qualitativ hochwertige Arbeitsplätze im eigenen Land schafft. Außerdem sind natürlich auch Effizienzmaßnahmen wichtig.

Gleichzeitig werden wir die Energiesicherheit auch dadurch verbessern, dass wir Zugang zu den jeweiligen Pipelines ermöglichen. Das bedeutet, dass, wenn zum Beispiel irgendjemand in Not ist, dann auch alle wirklich Solidarität zeigen können. Außerdem werden die Europäische Union und der westliche Balkan ihre Krisenreaktionspläne und auch die Maßnahmen, die dann ergriffen werden, aufeinander abstimmen, und zwar in einem Geist der Solidarität und der Stärkung der Resilienz. Wir rufen unsere Partner im westlichen Balkan auch dazu auf, dass sie sich uns anschließen. Wir versuchen ja, eine gemeinsame Beschaffungsplattform zu schaffen, damit wir die Marktkraft, die wir ja entfalten können, wenn wir alle zusammenhalten, auch in die Tat umsetzen können.

Das bringt mich zur regionalen Entwicklung beziehungsweise zur Entwicklung des gemeinsamen regionalen Marktes. Das ist für uns ein ganz wichtiger Schritt hin auf den Binnenmarkt der EU. In diesem Zusammenhang kann ich nur die Unterzeichnung der drei sehr, sehr wichtigen Abkommen, die heute unterzeichnet worden sind, begrüßen; denn Freizügigkeit ist ja der Schlüssel für beides: für den gemeinsamen Markt, aber auch für die Integration des westlichen Balkans in den europäischen Binnenmarkt. Es geht hier ja um die Menschen - es geht um Studenten, es geht um Schüler, es geht um Fachleute. Deswegen ist diese Einigung für acht Millionen Menschen auch so wichtig; denn es geht darum, dass sie sich innerhalb der Region endlich frei bewegen können.

Auch was die beruflichen Qualifikationen angeht, kann dort jeder jetzt dort arbeiten, wo er möchte. Ob es nun um Forscher und Forscherinnen, um Studenten und Studentinnen oder um Architekten und Architektinnen geht: All diese verschiedenen Qualifikationen werden überall im westlichen Balkan anerkannt werden. Was natürlich auch sehr, sehr wichtig ist, ist, dass die nationalen Personalausweise auch überall und an jeder Grenze akzeptiert werden. Das wird dann auch Reisen und Freizügigkeit innerhalb des westlichen Balkans verstärken. Es wird aber auch die kulturellen und persönlichen Beziehungen zwischen den Menschen und unter den Menschen verstärken, und es ist immer eine gute Sache gewesen, dass man sich vergegenwärtigt, was das Herz des europäischen Projekts ausmacht, nämlich verbesserte Harmonisierung und verbesserte Kooperation. Das bringt Frieden und Harmonie für alle. Wir möchten also unseren Freunden vom westlichen Balkan näher rücken, und ich danke noch einmal für einen sehr guten Berliner Prozess!

MP Rama: Herzlichen Dank! Ich muss sagen, dass alle Vertreter der Region sehr, sehr erfreut waren, dass wir uns heute hier in Berlin treffen konnten, acht Jahre nach dem Beginn des Berliner Prozesses, der hier in diesem Gebäude seinen Anfang nahm. Ich muss auch sagen, dass Angela Merkel recht hatte mit dem, was sie damals tat. Wenn wir nämlich heute, zu einem sehr, sehr schwierigen und komplizierten Zeitpunkt in unserer Geschichte - nicht nur in unserer Region, für Europa, sondern für die Gesamtheit der euroatlantischen Partnerschaft -, eine einige Union haben, dann muss man sagen: Das, was das überhaupt zustande gebracht hat, war ja der Berliner Prozess. Als wir uns das erste Mal hier getroffen haben, hatten wir uns, glaube ich, seit Jahrhunderten nicht mehr getroffen. Jetzt ist es so, dass wir uns sehr gerne und regelmäßig treffen.

Ich möchte dem Bundeskanzler sehr herzlich dafür danken, dass er diese Sache so engagiert vorangetrieben hat, dass er uns eine so wunderschöne Gastfreundschaft gezeigt hat - natürlich mit diesen wunderbaren deutschen Brot, das wir hier immer genießen dürfen -, und auch dafür, dass Sie so viel Vertrauen in Albanien und darin gesetzt haben, dass wir den nächsten Berliner Prozess in unserem wunderbaren Land ausrichten dürfen. Ich hoffe sehr, dass das, was heute hier im Bundeskanzleramt besprochen wurde, in den nächsten Monaten und beim Gipfel in Tirana auch tatsächlich zum Erfolg geführt werden wird. Wir haben auf diese Weise das Gefühl gehabt, dass wir nicht etwa alleingelassen worden sind.

Die Präsidentin der Europäischen Kommission hat eine Reise durch die Balkanstaaten unternommen und hat uns nicht nur freundliche Worte gesagt, sondern sie hat auch etwas anderes mitgebracht. Sie hat finanzielle Hilfe mitgebracht, und es ist wichtig, dass man damit sozusagen auch beginnt und weitermacht.

Gleichzeitig ist es so, dass wir gerade im Bereich der Interkonnektivität Fortschritte erzielt haben; das hat der Bundeskanzler ja auch sehr deutlich gesagt. Dabei geht es nicht nur darum, dass wir unsere eigene Infrastruktur, unsere eigenen Autobahnen miteinander verbinden, sondern es geht darum, dass wir auch die ganze Region an Europa anbinden, dass wir uns mit Europa verbinden und natürlich auch umgekehrt. Wir hoffen, dass wir im digitalen Bereich auch Fortschritte erzielen können; denn das waren ja die drei Hauptsäulen des Berliner Prozesses: Energie, Interkonnektivität und Digitales. Aber heute sehen wir uns natürlich auch der Herausforderung durch Cyberangriffe ausgesetzt. Das haben wir auch besprochen.

Wir möchten natürlich auch, dass sich die Dinge für unsere jungen Leute in die richtige Richtung entwickeln. Wir haben noch einmal dieses Thema erwähnt, wie man schneller eine Integration unserer Universitäten in das System der höheren Bildung der EU, den Universitäten der EU, erlangen kann und wie wir mehr Präsenz aus Deutschland und aus anderen weiter entwickelten Staaten der EU bei uns im privaten Sektor erreichen können, nicht nur über öffentliche Mittel, also wie wir Investitionen anlocken können.

Mit diesem kurzen Beitrag wollte ich eigentlich nur deutlich machen, dass das, was wir heute unterzeichnet haben, sehr, sehr wichtig ist.

Ich muss diese Gelegenheit ergreifen und deutlich machen, dass diese drei Abkommen Abkommen sind, die wir vor zwei oder drei Jahren erarbeitet haben. Das wurde blockiert. Der Bundeskanzler und sein Team haben gemeinsam mit unseren Leuten sehr hart daran gearbeitet, jeden davon zu überzeugen, dass es notwendig ist, diese Abkommen nun endlich zu unterzeichnen. Es ist eine hervorragende Nachricht, dass wir das heute tatsächlich erfolgreich tun konnten. Das gab es ja auch in dem Open-Balkan-Rahmen, aber jetzt sind eben alle dabei. Alle nehmen an diesem gemeinsamen Vorhaben der drei Abkommen teil. Das klingt jetzt vielleicht ein bisschen merkwürdig. Manche im Kosovo mag vielleicht auch ein bisschen verschrecken, dass man durch die Regierung den erneuten Schritt unternommen hat, dass diese Freizügigkeit nur aufgrund von Personalausweisen gewährt wird, und dass ihnen das noch nicht so ganz gelingt, was die Europäische Union angeht. Ich hoffe, dass dieser Punkt so bald wie möglich gelöst wird.

Ich hoffe also, dass ich Sie alle nächstes Jahr wieder in Tirana begrüßen darf, und ich freue mich sehr, dass wir dann im nächsten Monat auch den Bundeskanzler bei uns begrüßen dürfen. Wir haben ein bisschen darüber gelacht; denn jeder am Tisch hat darüber gesprochen, dass es so eine Art Energy-Hub wird, aber Tirana scheint ein bisschen ein Gipfel-Hub zu werden.

Frage: Ich habe eine Frage an den Bundeskanzler und die Ministerpräsidenten. Heute wurde eine Vereinbarung für die Freizügigkeit für beruflich Qualifizierte unterzeichnet. Die Ärzte sehen ihre Zukunft aber in Deutschland. Herr Ministerpräsident Rama, Sie haben oft von den Ländern der Europäischen Union verlangt, dass das - all diese Investitionen mithilfe albanischer Steuermittel - zurückgegeben wird, damit wir auch eine Möglichkeit bekommen, etwas zurückzubekommen. Gibt es einen Mechanismus dafür, wie das geschieht?

Die Sprecherin der britischen Regierung hat heute auf Ihre Gestik und Erklärung reagiert, Herr Rama. Wie sehen Sie das?

BK Scholz (auf Englisch): Freizügigkeit ist einer der Hauptvorzüge der Europäischen Union. Also sind all diejenigen, die der Union beitreten, natürlich auch bereit, dieses Konzept der Freizügigkeit zu tragen. Das haben wir jetzt für 400 Millionen Menschen. Vorher waren es 220 Millionen. Das funktioniert ganz gut, nicht nur deswegen, weil sich manche in bestimmte Länder bewegen. Wenn man sich die Details ansieht, dann sieht man, dass es sehr einfach für junge Menschen, aber auch für alle anderen ist, das ein paar Jahre lang zu tun, in ein bestimmtes Land zu reisen und dort vielleicht auch zu leben und zu arbeiten, und dass sie dann wieder zurückgehen. Dadurch werden auch die Perspektive und der Erfahrungshorizont vieler Menschen geweitet. Deswegen, denke ich, ist gerade die Freizügigkeit für uns alle ein Vorteil.

Ja, es ist richtig, der Braindrain ist natürlich in der Tat ein gewisses Problem, wenn man sich vor allen Dingen das Lohngefälle zwischen der EU und den Staaten des westlichen Balkans ansieht. Das ist aber auch innerhalb der Union selbst so. Aber man stellt natürlich feststellt: Manche werden sicherlich später zurückkehren. Dadurch profitiert dann natürlich auch das Land von den Erfahrungen, die sie mitbringen. Wenn man sich zum Beispiel Deutschland ansieht, dann werden Sie sehr viele Deutsche überall in Europa finden, die vielleicht fünf Jahre, 15 Jahre und manchmal noch länger dort sind und die dann auf diese Weise ihre Erfahrung mitbringen. Das funktioniert eigentlich für alle ganz gut.

Die andere Frage ist natürlich: Was können wir unternehmen, wenn Menschen in ihrem Land bleiben wollen? - Die einzige Antwort darauf ist, ihnen Hoffnung zu geben. Wenn wir es wirklich so gestalten, dass die Länder sich vernünftig entwickeln können, dass wir bessere wirtschaftliche Bedingungen schaffen und dass man es ermöglicht, dass es eine gute Zukunft und gute Arbeitsplätze gibt - in allen Mitgliedsstaaten und auch in denen, die dann wirklich der Union beitreten wollen -, dann, denke ich, ist das die beste Antwort auf dieses Problem.

P’in von der Leyen (auf Englisch): Wenn man sich einmal den größeren Zeitraum ansieht, den Zeitraum, seitdem wir schon Freizügigkeit haben, dann ist das in der Tat ein großer Trumpf für alle, ein großer Vorteil. Es hat immer so etwas wie einen Braindrain in den Ländern gegeben, die sozusagen im Beitrittsprozess waren. Je näher sie an die Union herankamen, desto weniger fand dieser Braindrain statt. Natürlich glichen sich auch die Qualifikation und das Niveau insgesamt an. Für die Familien im westlichen Balkan ist es natürlich so, dass es nicht schön ist, wenn ihre jungen Leute das Land verlassen. Das ist auch eine schwierige Frage, wenn man sich sozusagen den zeitlichen Horizont ansieht. Aber es gibt ganz gute Erfahrungen mit grenzüberschreitenden Programmen. Es gibt zum Beispiel gerade im Bereich der Ärzte Austauschprogramme. Die Ärzte sind dann für eine bestimmte Anzahl von Jahren in der Europäischen Union, gehen dann aber wieder zurück und bringen auch ihre Erfahrungen mit. Das ist durchaus etwas, von dem beide Seiten profitieren können.

Herr Premierminister, Sie haben über die Universitäten und die Zusammenarbeit der Universitäten gesprochen. Natürlich gibt es auch in den Universitäten medizinische Fakultäten - das wäre sicherlich ein Punkt, den wir auch einmal aufgreifen und vielleicht auch einmal vertiefen müssen -, sodass es zum Beispiel auch im Rahmen von Erasmus Freizügigkeit der Studenten gibt. Damit haben wir ja schon angefangen, also mit der Freizügigkeit zwischen dem westlichen Balkan und der EU. Ich denke, es wäre auch ein interessantes Thema für den nächsten Gipfel, dass man sich einfach einmal Vorschläge dazu überlegt, wie man diese für Sie ja so wichtige Frage angehen kann. Herzlichen Dank!

MP Rama: Ich muss sagen: Ich weiß nicht, was die Sprecherin der britischen Regierung heute gesagt hat. Ich glaube, dieses Land hier, Deutschland, ist ein hervorragendes Beispiel, das sich die Briten und die britische Regierung vielleicht einmal ansehen sollten. Deutschland hatte vor einigen Jahren ähnliche Probleme, als aufgrund der großen Flüchtlingswelle Menschen aus unserer Region hierher kamen, auch Menschen aus Albanien. Ich habe damals nie von irgendeinem maßgeblichen deutschen Politiker - ganz zu schweigen von Mitgliedern der Regierung - das Wort „Invasion“ in den Mund nehmen hören. Ich kann mich auch nicht erinnern, dass irgendein maßgeblicher Politiker hier - etwa ein Innenminister oder sonst ein Mitglied der deutschen Regierung - Albaner als Kriminelle oder solche, die Kriminelle hervorbringen, gebrandmarkt haben. Ich habe hier eine Regierung erlebt, die großes Interesse daran hatte, diese Fragen mit großer Würde, mit Respekt für die Albaner anzugehen und auch dann konkrete Schritte zu ergreifen.

Albanien wurde dann als ein sicheres Herkunftsland bezeichnet. Man hat das System der Anträge für den Flüchtlingsstatus erneuert und hat das, als es neue Turbulenzen gab, auf überaus würdige und respektvolle Art behandelt. Statt jetzt noch Öl ins Feuer zu gießen und dieses verrückte Narrativ einer Invasion von Gangstern sozusagen zu befördern, sollte vielleicht die britische Vertreterin oder die britischen Vertreter überhaupt einmal nach Deutschland kommen und sich ansehen, wie man dieses Problem lösen kann. Ich denke, wir sind ja nicht in Albanien dafür da, Probleme zu lösen, die man in Großbritannien hat.

Zweitens - das muss ich auch noch sagen - sind unsere Leute so lange völlig legal, bis sie Frankreich erreichen. Wenn es also auf beiden Seiten des Kanals ein Problem zwischen Großbritannien und Frankreich gibt, muss man eben sehen, dass man dieses Problem löst. Natürlich hat der Brexit die Sache verkompliziert. Aber das ist eine Entscheidung der Briten gewesen, nicht der Franzosen oder der Albaner. Wir sind natürlich bereit, zu kooperieren. Wir werden gerne das unternehmen, was wir können. Aber wir werden auf gar keinen Fall jemals diese Art von Sprache akzeptieren. Die Albaner in Großbritannien sind eine voll und ganz integrierte Gemeinschaft. Das sind ja nicht Millionen. Es sind vielleicht etwa 140 000. Da würde Deutschland noch nicht mal mit der Wimper zucken, um das klar zu sagen. 70 Prozent von ihnen haben Großbritannien und Italien verlassen. Sie sind aus Albanien dorthin gereist. Es sind 1400 Albaner, die dort gute Geschäfte, gute Unternehmen haben. Es gibt sehr hoch geachtete Akademiker unter ihnen. Wenn es um Verbrecher, um Kriminelle in den britischen Gefängnissen geht, kann ich nur sagen: Das sind weniger als ein Prozent. Wenn man sich jetzt hier sozusagen eine Gemeinschaft herausgreift und sagt „Das sind alles Gangster; das sind Kriminelle“, dann klingt das für mich nicht so sehr britisch, um es mal so zu sagen. Es klingt eher wie Schreie aus der Irrenanstalt.

Frage: Herr Bundeskanzler, Sie sagten heute, die Konflikte in der Balkanregion sollten beseitigt werden, auch angesichts der Zeitenwende. Deutschland und Frankreich haben einen Vorschlag für die Lösung der Kosovo-Frage vorgelegt, also einen Normalisierungsdialog zwischen Serbien und Kosovo. Die Frage ist: Wie dringlich ist Ihrer Meinung nach ein Abkommen zwischen Kosovo und Serbien? Wann rechnen Sie damit?

Wenn wir noch Zeit haben, eine kurze Frage an Sie alle drei: Gestern wurde anlässlich des Civil Society Forum der Wunsch nach einem Zeitplan für die Erweiterung geäußert. Wie realistisch und wünschenswert ist das?

BK Scholz: Schönen Dank für die Frage. – Es ist richtig, dass wir die bilateralen Konflikte, die es zwischen den Staaten des westlichen Balkans gibt, überwinden müssen. Deshalb ist es gut, wenn Gespräche stattfinden, um das zu schaffen. Wir haben in diesem Jahr schon große Fortschritte erreicht, etwa was die Debatte zwischen Bulgarien und Nordmazedonien betrifft. Die Präsidentin hat bereits von einem Ergebnis dieses Gesprächsfortschritts berichtet, nämlich von den Prozessen, die jetzt mit Albanien und Nordmazedonien im Hinblick auf den EU-Beitritt stattgefunden haben.

Selbstverständlich gilt für Serbien und Kosovo, dass auch dort eine Verständigung gelingen muss. Wir, die französische Regierung und die Europäische Kommission bemühen uns sehr, das möglich zu machen. Dazu sind wir auch sehr aktiv im Gespräch mit den beiden und hoffen, dass es sehr bald zu einem Prozess kommt, wo sich die beiden Regierungen weiter bewegen und eine Verständigung gelingt. Das ist etwas, das mit Geduld und gleichzeitig großer Kraft vorankommen muss. Hoffentlich sehen wir bald Ergebnisse.

Was die Erweiterung betrifft, wird, glaube ich, am besten die Kommissionspräsidentin antworten. Ich will nur sagen: Das soll so schnell wie möglich gelingen. Die Beschlüsse von Thessaloniki sind 19 Jahre her. Niemand hat damals gedacht, dass es 20 Jahre dauern würde. Deshalb muss es jetzt schnell sein.

P’in von der Leyen: Herzlichen Dank! Was die Kommission angeht, so möchte ich unterstreichen, dass wir innerhalb der Kommission natürlich den französisch-deutschen Vorschlag voll und ganz unterstützen. Das integrieren wir in den gesamten Dialog, der so absolut notwendig ist. Wir rufen also beiden Seiten dazu auf, Fortschritte zu erzielen. Denn das ist ja eine Brücke, die hier gebaut werden soll, um ein Problem zu lösen, das durchaus lösbar ist, das aber natürlich auch einer schnelleren Anbindung und Integration der Region in die EU sozusagen im Weg steht. Was den Beitritt und den Beitrittsfahrplan angeht, geht es hier wirklich um die jeweiligen Fortschritte, die erzielt worden sind. Es gibt nicht irgendeinen festen Fahrplan, sondern es geht nach den Fortschritten. Natürlich ist es so, dass, wenn einer Reformen nicht umsetzt, das natürlich bedeutet, dass dann der Prozess verlangsamt wird. Das Gegenteil ist selbstverständlich auch der Fall.

Diese modernisierte Methodologie, die wir uns gegeben haben, hat ja als Sinn und Zweck, die Prozesse zu beschleunigen, wenn ein deutlicher Wille erkennbar ist, zum Beispiel im Bereich der Rechtsstaatlichkeit wirklich Fortschritte zu erzielen und daran zu arbeiten oder auch, was die Werte der EU angeht. Hier gibt es also Möglichkeiten, im Vergleich zu früher Prozesse entsprechend zu beschleunigen, wenn einer oder eine sich mehr Mühe gibt. Wir sehen hier wirklich, dass es in Europa erhebliche Veränderungen in diesem Bereich gibt. Denn aufgrund der veränderten geopolitischen Situation sind sich jetzt viele bewusst, dass sie in der Tat natürlich ihre Verfahren beschleunigen müssen. Wir möchten natürlich unsere Freunde auch näher bei uns haben.

MP Rama: Ich muss zunächst einmal sagen: Dieser neue deutsch-französische Plan, der ja Serbien und Kosovo vorgeschlagen wurde, bietet wirklich eine großartige Chance nicht nur für Kosovo und Serbien, sondern für die Region insgesamt. Ich hoffe wirklich, dass beide Seiten das sehr ernst nehmen und auch verstehen, dass es jetzt wirklich an der Zeit ist, das als einen sehr wichtigen Beitrag zu der gesamten europäischen Sicherheitsarchitektur zu sehen. Wenn es um Erweiterung geht, bin ich, muss man sagen, derjenige, den man wohl insgesamt am wenigsten fragen sollte.

Aber ganz allgemein muss ich sagen: Unabhängig davon, welche Fortschritte man mit der Erweiterung erzielt, sind wir jetzt in einem völlig anderen Umfeld, auch auf einer völlig anderen Ebene und Qualität der Zusammenarbeit mit der Europäischen Union. Das ist ja heute gerade eines der Beispiele dafür. Es gibt andere regionale Initiativen, die wichtig sind. Es gibt auch diesen ständigen gemeinsamen Weg der gemeinsamen Gipfel zwischen der EU und den Ländern des westlichen Balkans. Es gibt eine neue politische Gemeinschaft. Da gibt es sehr viel Raum für Dialog, sehr viele Foren für Zusammenarbeit und gemeinsames Verstehen. Das ist einfach sehr viel größer, und die Chancen sind dadurch sehr viel größer geworden.

Aber natürlich müssen wir auch unsere Hausarbeiten machen. Das sollte sich nicht verändern. Denn es ist wirklich so, dass man sehr hart arbeiten muss, um ein vollständiges Mitglied zu werden. Das bedeutet, dass man zuallererst einmal die eigenen Maßnahmen anstoßen und dafür sorgen muss, dass die Demokratie auch wirklich gut funktioniert und ihr Bestes leisten kann. Deswegen fragt man sozusagen nicht nach einem Rabatt, sondern man gibt sein Bestes. Der Berliner Prozess hat sich als so effizient, als so nützlich erwiesen, was politische Vereinbarungen angeht, und hat auch dieses Gefühl, dass man sozusagen wirklich dem gleichen geopolitischem Raum angehört, so stark verstärkt - ob man das Europa oder Europäische Union nennt -, dass jetzt wirklich der Moment ist, gemeinsame Antworten auf Dinge wie „brain drain“, auf Dinge wie bessere Löhne, bessere Lebensqualität usw. zu finden. Denn Deutschland und die großen, die reichen Länder Europas werden natürlich auch in Zukunft für unsere Leute attraktiv sein, wie sie es für viele sind. Das kann man ja nicht verändern, indem man ihnen sagt: Ihr müsst schon akzeptieren, dass ihr ein bisschen zurückbleibt. – Nein! Wir müssen versuchen, aufzuholen, den Fortschritt voranzutreiben. Das Gefühl, das ich habe, ist, dass es auch wirklich einen nachdrücklichen Willen gibt, uns dabei zu helfen und zu unterstützen. Also noch einmal: Herzlichen Dank, Herr Bundeskanzler! Herzlichen Dank, Ursula.

Vielleicht darf ich abschließend noch sagen: Als wir vorhin die Abkommen unterzeichnet haben, waren wir vier Albaner, zwei Deutsche und ein paar andere. Jetzt sind wir zwei Deutsche und ein Albaner. Na ja, die Albaner sollten wirklich mal verstehen, dass wir nie vorher in einer besseren Position waren. Und natürlich wird die Zukunft noch besser werden.

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