Die Halligen: Hier ist bis zu 40-mal im Jahr "Land unter"

Forschung zum Küstenschutz Die Halligen: Hier ist bis zu 40-mal im Jahr "Land unter"

Klimawandel und steigender Meeresspiegel bedrohen die Lebensgrundlage der Halligbewohner. Mit gezielter Überflutung wollen Forscher stärkere Sedimentablagerungen auf den Halligen erreichen und damit deren Schutzfunktion für das Festland erhalten. Gefördert wird ihr Projekt vom Bundesforschungsministerium.

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Inmitten des Schleswig-Holsteinischen Wattenmeeres befinden sich die weltweit einzigartigen Halligen. Die kleinen Inseln haben keine Deiche und sind unmittelbar dem Einfluss von Sturmfluten und dem Anstieg des Meeresspiegels ausgesetzt.

Schutz vor dem Hochwasser bieten die Warften, künstlich aufgeschüttete Siedlungshügel, auf denen sich bis zu 280 Jahre alte Gebäude befinden. Sieben der zehn deutschen Halligen sind bewohnt. Gegenwärtig leben hier rund 230 Menschen, die ihr Leben nach dem Rhythmus der Gezeiten ausrichten und Stürmen und Überschwemmungen trotzen.

Halligen vor Hochwasser schützen

"Halligen sind sehr flach, das heißt, sie haben nur wenige Meter Höhe gegenüber dem mittleren Meeresspiegel und deshalb heißt es relativ oft 'Land unter'", berichtet Küsteningenieur Dr. Arne Arns von der Universität Siegen. Rund 30 bis 40-mal im Jahr werden die Halligen überflutet. In dem vom Bundesforschungsministerium geförderten Projekt LivingCoastLab erforscht Arns wirksame Schutzstrategien für die Halligen.

Vor Beginn des staatlich organisierten Küstenschutzes Ende des 19. Jahrhunderts waren die Halligen den anbrandenden Wellen schutzlos ausgeliefert. Historische Quellen belegen, dass in den zurückliegenden Jahrhunderten bereits 90 bis 100 Halligen in der Nordsee versunken sind.

Sedimentablagerungen verbessern

Der Klimawandel bedroht die Lebensgrundlage der Bewohnerinnen und Bewohner: Mit dem steigenden Meeresspiegel werden die Überflutungen häufiger und erreichen höhere Wasserstände. "Wir wollen gar nicht verhindern, dass die Halligen überflutet werden, sondern wir wollen die positiven Nebenwirkungen jeder Überschwemmung besser nutzen", sagt Arns. Denn mit jeder Überflutung kommen Sedimente auf die Hallig, die sich dort ablagern und verfestigen: Dadurch wächst die Hallig.

Diesen Prozess wollen die Forscherinnen und Forscher optimieren. Bisher wuchs beispielsweise die Hallig Hooge durch Sedimentablagerungen um einen Millimeter pro Jahr. Der Meeresspiegel stieg in der gleichen Zeit jedoch um rund zwei Millimeter, und zukünftige Projektionen deuten auf noch stärkere Anstiegsraten des Meeresspiegels hin.

"Wenn der Meeresspiegel schneller ansteigt als die Aufwachshöhe der Hallig, gerät das Gleichgewicht aus den Fugen", befürchtet Küsteningenieur Arns.

Gezielte Überflutung verstärkt Sedimentbildung

Anstelle eines echten Deichs sind die meisten Halligen von einem sogenannten Hallig-Igel geschützt - "ein Deckwerk aus verbundenen Steinen", erklärt Prof. Dr.-Ing. Jürgen Jensen, Koordinator des Projekts LivingCoastLab. Doch die Igel behindern, dass Überflutungswasser und damit dringend benötigtes Sediment auf die Halligen gelangt.

"Das heißt, wir reduzieren durch diese Art des Küstenschutzes die natürliche Sedimentation", sagt Jensen. Um das zu verhindern, entwickeln die Ingenieure Computermodelle, mit denen sie berechnen können, wie das Wasser gezielt auf die Insel geleitet werden kann, sodass sich möglichst viel Sediment ablagert.

Küstenschutz im Weltnaturerbe

Ebenso wie die größeren Inseln in der Nord- und Ostsee haben die Halligen eine bedeutende Schutzfunktion für das Festland: Sie bremsen die Wucht der Wellen und Stürme, sodass das Festland weniger hart getroffen wird. Die Halligen bilden inmitten des Unseco-Weltnaturerbes Wattenmeer ein Biosphärenreservat.

Lokales Wissen berücksichtigen

Alle Schutzbemühungen funktionieren jedoch nur, wenn sie auch von den Bewohnerinnen und Bewohnern der Halligen akzeptiert und umgesetzt werden können. Daher arbeiten die Forscherinnen und Forscher eng mit den Menschen vor Ort zusammen, um deren Interessen und Kenntnisse zu berücksichtigen.

Auch der für den Küstenschutz in Schleswig-Holstein zuständige Landesbetrieb sowie weitere Behörden und Landesministerien sind an dem Projekt LivingCoastLab beteiligt. Forschungsergebnisse sollen so direkt in die Praxis einfließen. Das Projekt soll dazu beitragen, den Fortbestand der Halligen Gröde, Habel, Hamburger Hallig, Hooge, Langeneß, Norderoog, Nordstrandischmoor, Oland, Süderoog und Südfall in den nächsten Jahrhunderten nachhaltig zu sichern.

Im Projekt LivingCoastLab – Lebendiges Küstenlabor – erforschen Ingenieure, Geologen, Ökologen, Soziologen sowie Behörden, wie die Halligen vor dem steigenden Meeresspiegel geschützt werden können. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung unterstützt das Projekt im Förderschwerpunkt "Küstenforschung Nordsee-Ostsee" von 2016 bis 2019 mit knapp einer Million Euro.