Überschuldung
Rund jeder zehnte Erwachsene ist in Deutschland überschuldet. Hilfe bieten Schuldnerberatungsstellen, die möglichst schnell von den Betroffenen aufgesucht werden sollten. Die Bundesregierung hat mehrere Gesetze verabschiedet, um die Situation von Schuldnern zu verbessern.
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Überschuldung kann viele Ursachen haben: Arbeitslosigkeit, Erkrankung, Sucht – auch in Folge von Corona – sowie ein unkontrollierter Umgang mit den eigenen Finanzen. Schuldnerberatungsstellen können Betroffenen helfen.
Nachfrage nach Beratung durch die Pandemie gestiegen
Im ersten Halbjahr 2021 verzeichneten die gemeinnützigen Schuldnerberatungsstellen in Deutschland deutlich mehr Anfragen nach Beratung als vor der Pandemie. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Umfrage der Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände: Die Anfragen haben sich um 64 Prozent erhöht - einen großen Anteil machten Fragen aus, die sich aufgrund der Corona-Insolvenzverordnung angestaut hatten. Verstärkt kamen auch Menschen mit Beratungsbedarf zu Miet- und Energieschulden.
Möglichst frühzeitig Hilfe suchen
Menschen, die in finanzielle Nöte kommen, sollten möglichst frühzeitig die Beratungsstellen aufzusuchen – nicht erst dann, wenn bereits Zahlungsunfähigkeit eingetreten ist. In Deutschland gibt es etwa 1.400 Schuldnerberatungsstellen - die sich in Trägerschaft von Verbraucherzentralen, Wohlfahrtsverbänden oder Kommunen befinden beziehungsweise Mitglied in einem der Verbände sind.
Grundsätzlich sollten Betroffene bei der Suche nach einer Beratungsstelle darauf achten, dass diese amtlich anerkannt ist. Vorteil der anerkannten Beratungsstellen: Sie arbeiten in der Regel kostenlos. Bei der Suche nach einer seriösen Beratung hilft die Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung. Unter www.meine-schulden.de können Schuldner detaillierte Informationen darüber abrufen, wie die Schuldnerberatung abläuft.
Maßnahmen, damit es nicht soweit kommt
In erster Linie gilt es, erst gar nicht in eine solche Situation zu kommen. Hierfür gibt es einfache, aber wirksame Tipps:
Das klassische Haushaltsbuch ermöglicht, die eigene Einnahme- und Ausgabesituation im Blick zu behalten. Wichtig ist, neben den Fixkosten – unter anderem die Miete, Energiekosten und der Krankenkassenbeitrag - auch die laufenden, monatlich variierenden Kosten einzutragen. Das sind etwa Ausgaben für Lebensmittel, Kleidung oder Benzin. Mit geringem Aufwand können Verbraucher so feststellen, ob ihre finanzielle Situation ausgeglichen ist.
Um unnötige Ausgaben zu vermeiden, raten Experten, sich Einkaufszettel zu schreiben und Einkäufe stets bar zu zahlen. Das reduziert die Gefahr von Spontankäufen. Zudem sollten Verbraucher vor entbehrlichen Konsumeinkäufen zunächst ihre Fixkosten bezahlen und eingehende Rechnungen sofort begleichen.
Vor der Aufnahme von Krediten, etwa zum Erwerb eines Autos, sollte die eigene finanzielle Leistungsfähigkeit geprüft werden. Man sollte sich stets kritisch fragen, ob man die fälligen Raten über die gesamte Vertragslaufzeit aus dem eigenen Budget sicher decken kann. Auch bei "kleineren" Krediten müssen die eigenen finanziellen Möglichkeiten geprüft werden.
Denn bewältigt der Verbraucher die Zahlungen nur, indem er häufiger einen teuren Dispo-Kredit in Anspruch nimmt, kann er schnell in die "Dispo-Falle" rutschen: Wer es nicht schafft, den kurzfristig verfügbaren Dispo-Kredit zügig zurückzuzahlen, dem droht neben der Kündigung des Dispokreditrahmens durch die Bank ein weiteres Absacken in die roten Zahlen.
Zu empfehlen ist der Aufbau eines finanziellen Polsters. Eine solche Rücklage hilft, bei unvorhergesehenen Ausgaben, zum Beispiel notwendigen Reparaturen, nicht aus der Bahn geworfen zu werden.
Schuldner zukünftig besser aufgestellt
Die Bundesregierung hat mehrere Gesetzesneuerungen durchgesetzt, die Schuldnerinnen und Schuldner entlasten und helfen, schneller aus der Schuldensituation herauszukommen:
- Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens
Überschuldete Verbraucherinnen und Verbraucher als auch Unternehmen können nunmehr bereits nach spätestens drei Jahren der Insolvenz entkommen. Dafür ist es nicht mehr notwendig, dass eine Mindestbefriedigungsquote der Gläubiger erfüllt wird und die Verfahrenskosten beglichen werden. Die kürzere Verfahrensdauer gilt rückwirkend für alle ab dem 1. Oktober 2020 beantragten Verfahren.
- Neuerungen beim Pfändungsschutzkonto
Ab dem 1. Dezember 2021 sind auf einem Pfändungsschutzkonto (dem sogenannten P-Konto) mehr Ansparmöglichkeiten möglich. Die Aufrechnung und Verrechnung bei Zahlungskonten mit negativem Saldo ist in der Regel unzulässig, damit der Inhaber des P-Kontos über Gutschriften innerhalb der Pfändungsfreigrenzen zur Sicherung seines Lebensunterhalts verfügen kann. Der Zeitraum für die Anpassung der Pfändungsfreigrenzen wird von derzeit zwei Jahren auf ein Jahr verkürzt.
- Schutz vor hohen Inkassokosten
Unverhältnismäßig hohe Inkassokosten sollen der Vergangenheit angehören. Deshalb wurden die Gebührensätze für die Geltendmachung bestimmter Forderungen ermäßigt. Inkassodienstleister und Rechtsanwälte müssen Schuldner schon beim ersten Kontakt unter anderem darüber informieren, in wessen Auftrag sie handeln, um welchen Vertrag genau es geht, und welche Kosten bei Verzug entstehen könnten. Wichtige verbraucherrelevante Teile des Gesetzes sind zum 1. Oktober 2021 in Kraft getreten.