Abschlussbericht der Kohlekommission
Die Kommission Wachstum, Beschäftigung und Strukturwandel hat sich auf den Kohleausstieg bis spätestens 2038 verständigt. 2032 soll überprüft werden, ob das Ausstiegsdatum im Einvernehmen mit den Betreibern auf frühestens 2035 vorgezogen werden kann. Am Donnerstagabend übergab die Kommission den Bericht an die Kanzlerin.
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Bei nur einer Gegenstimme einigte sich die Kommission auf insgesamt 40 Milliarden Euro Hilfe für die vom Kohleausstieg betroffenen Bundesländer. Die jeweiligen Regionen sollen laut Kommissionsbericht über 20 Jahre jeweils 1,3 Milliarden Euro erhalten. Im selben Zeitraum werden die Bundesländer mit insgesamt 700 Millionen Euro unterstützt.
Bundesregierung begrüßt Abschlussbericht
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier hat eine gründliche Prüfung des von der Kohlekommission ausgehandelten Kompromisses angekündigt. Beim Kohleausstieg handele es sich um einen der anspruchsvollsten Transformationsprozesse der vergangenen Jahrzehnte. Durch die breite Mehrheit für den Kompromiss biete sich die Chance, dass dies "mit einem großen gesellschaftlichen Konsens" gelingen könne.
Regierungssprecher Steffen Seibert bedankte sich im Namen der Bundesregierung bei der Kohlekommision für ihre Arbeit. Die Aufgabe der Bundesregierung sei es nun, aus dem Kommissionsergebnis ein belastbares Energiekonzept zu machen. "Dabei gilt es immer wieder die drei Grundkriterien zu beachten, nämlich Versorgungssicherheit, Bezahlbarkeit der Energie und Klimaschutz", sagte Seibert.
Klimaschutz und Wohlstand
Die Bundesregierung sei sich mit der Kommission einig, dass die Ziele Klimaschutz, die Schaffung neuer Arbeitsplätze, Versorgungssicherheit, Wettbewerbsfähigkeit und Sozialverträglichkeit gleichermaßen von Bedeutung seien. "Wir brauchen Klimaschutz, Wohlstand und Arbeitsplätze gleichermaßen", betonte Altmaier in Berlin. Die zuständigen Ressorts werden bereits im Februar erste Bewertungen vornehmen.
Bundesfinanzminister Olaf Scholz sagte der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, die Stromversorgung in Deutschland müsse sicher und bezahlbar bleiben. Zugleich müssten in den betroffenen Regionen neue, zukunftsfähige Arbeitsplätze entstehen: "Wenn wir das gemeinsame Ziel nicht aus den Augen verlieren, können wir Deutschland zu einem energiepolitischen Vorzeigeland entwickeln."
Zukunftssichere Arbeitsplätze schaffen
Die Kommission regt die Schaffung von 5.000 Arbeitsplätzen in den Kohleregionen in den nächsten zehn Jahren an. Behörden des Bundes und der Länder könnten verlegt und Forschungseinrichtungen – etwa der Max-Planck- und der Fraunhofer-Gesellschaft – neu gegründet werden.
Für zwei Standorte ist der Aufbau eines Fraunhofer-Instituts für Energieinfrastruktur und Geothermie vorgesehen. Für die Standorte Cottbus und Zittau/Görlitz ist der Aufbau eines Instituts des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) für CO2-arme Industrieprozesse geplant. In der Lausitz soll außerdem ein Kompetenzzentrum Klimaschutz in energieintensiven Industrien (KEI) entstehen. Dieses soll die Dekarbonisierung energieintensiver Prozesse voranbringen.
Fahrplan für den Kohleausstieg
In den Jahren 2023, 2026 und 2029 sollen die Maßnahmen laut Kommission einer umfassenden Überprüfung durch ein unabhängiges Expertengremium unterzogen werden, um gegebenenfalls nachzusteuern.
Dabei solle kontrolliert werden, wie sich der schrittweise Ausstieg aus der Stromgewinnung aus Braun- und Steinkohle auf das Erreichen der Klimaziele, die Strompreise, die Sicherheit der Stromversorgung, Arbeitsplätze, den Strukturwandel und die regionale Wertschöpfung auswirke.
2030 wird die Kraftwerksleistung dem Beschluss zufolge auf 17 Gigawatt Braun- und Steinkohle gekürzt und damit mehr als halbiert. Damit kann der Energiesektor dann auch die Klimaziele der Bundesregierung erreichen.
Der Ausstieg aus der Kohle könnte laut Empfehlung der Kommission auch schon 2035 erfolgen. Deshalb soll im Jahr 2032 überprüft werden, ob das Ausstiegsdatum angesichts von Klimawandel und Versorgungssicherheit im Einvernehmen mit den Betreibern auf frühestens 2035 vorgezogen werden kann.
Gesetz zum Strukturwandel
Die Hilfen des Bundes für den Strukturwandel in den Kohleländern Nordrhein-Westfalen, Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt sollen in einem sogenannten Maßnahmengesetz geregelt werden. Laut Abschlussbericht soll es einen Staatsvertrag geben, der auch für künftige Bundesregierungen bindend ist.
Die Kommission fordert die Bundesregierung auf, bis Ende April 2019 Eckpunkte für ein entsprechendes Maßnahmengesetz vorzulegen und sich dafür mit den Ländern abzustimmen.
Kraftwerkskapazitäten verringern
Innerhalb der kommenden vier Jahre sollen Anlagen mit einer Leistung von zwölf Gigawatt vom Netz genommen werden, davon drei Gigawatt Braunkohle. Rechnerisch entspricht das etwa 24 größeren Kohlekraftblöcken.
Braunkohlekraftwerke sollen bis dahin nur im Westen vom Netz gehen, was auch Auswirkungen auf den Tagebau dort hat. So hält es die Kommission "für wünschenswert, dass der Hambacher Forst erhalten bleibt."
Ausgleich für steigende Strompreise
Bis 2022 sollen auch Atomkraftwerke in Deutschland abgeschaltet werden. Daher rechnet die Kommission infolge des Kohleausstiegs mit steigenden Strompreisen. "Es ist ein Ausgleich zu schaffen, der Unternehmen und private Haushalte vom Strompreisanstieg entlastet", heißt es im Bericht. Angedacht ist eine Reduzierung der Netzgebühren, die für private Haushalte etwa ein Fünftel des Strompreises ausmachen können, lautet der Vorschlag der Kommission.
Um etwa die Netzentgelte zu senken, hält die Kommission einen Zuschuss von mindestens zwei Milliarden Euro pro Jahr für erforderlich. Die Summe soll aber erst 2023 genau festgelegt werden. Eine zusätzliche Umlage oder Abgabe für Stromkunden soll es laut der Kommission nicht geben.
Entlastung für energieintensive Industrie
Die energieintensive Industrie soll zusätzlich dauerhaft von Kosten entlastet werden, die durch den Preis der CO2-Verschmutzungsrechte entstehen, die Kohle- und Gaskraftwerke erwerben müssen. Eine Kompensation dieser Kosten gibt es bereits, sie läuft aber 2020 aus. Die Bundesregierung will deshalb eine Verlängerung bei der EU beantragen.
Zuletzt betrugen die Entlastungen knapp 300 Millionen Euro pro Jahr. Da die CO2-Zertifikate sich aber deutlich verteuert haben, wird die Summe künftig höher ausfallen müssen.
Entschädigungen für Kraftwerksbetreiber
Für den vorzeitigen Kohleausstieg empfiehlt die Kommission einvernehmliche, vertragliche Regelungen mit den Kraftwerksbetreibern im Hinblick auf Stilllegungen zu erzielen. Dies gelte auch für noch nicht fertig gestellte Kraftwerke wie zum Beispiel das Werk in Datteln.
Entschädigungen soll es nicht nur für die erste Phase des Ausstiegs bis 2022 geben. Die Kommission geht davon aus, dass in den Verhandlungen mit den Betreibern von Braunkohlekraftwerken die gesamte Planung bis 2030 einvernehmlich geregelt wird.
Entschädigungssummen werden nicht genannt. Diese könnten sich aber an Beträgen orientieren, die vor einigen Jahren für Kraftwerke gezahlt wurden, die dann als Reserve dienten. Damals wurden rund 600 Millionen Euro pro Gigawatt Leistung gezahlt. Insgesamt sind noch 43 Gigawatt am Netz.