Deutschland steigt schrittweise aus der Nutzung der Kernenergie zur Stromerzeugung aus. Das letzte Kernkraftwerk geht spätestens 2022 vom Netz. Doch wohin mit den radioaktiven Abfällen? Die Suche nach einem geeigneten Standort für ein Atommüllendlager ist eine Generationenaufgabe.
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Die Entscheidung von 2011, dass Deutschland schrittweise aus der Kernenergie aussteigen wird, war die Konsequenz einer Neubewertung der Risiken: Die nukleare Katastrophe im japanischen Fukushima führte vor Augen, dass es unabsehbare Restrisiken gibt. Die von der Bundesregierung eingesetzte Ethikkommission "Sichere Energieversorgung" kam daher zu dem Ergebnis, die nukleare Erzeugung von Elektrizität lasse sich durch risikoärmere Technologien ökologisch, wirtschaftlich und sozial verträglich ersetzen.
Die Produktionskapazitäten der bereits stillgelegten Kernkraftwerke konnten bislang durch bestehende Reserven ersetzt werden. Die verbleibenden Kernkraftwerke werden in den nächsten Jahren nach und nach durch den Zuwachs der erneuerbaren Energien, die bereits im Bau befindlichen fossilen Kraftwerke, Lastmanagement, Stromspeicher und zusätzliche hocheffiziente und flexible Gaskraftwerke (Kraft-Wärme-Kopplung, Gas-und-Dampf-Kraftwerke, Gasturbinen) ersetzt.
Der Rückbau eines nicht mehr betriebenen Kernkraftwerks ist – dem Verursacherprinzip entsprechend – Aufgabe des Betreibers. Er entwickelt hierzu zunächst ein Stilllegungskonzept und beantragt eine Genehmigung nach Paragraph 7 Absatz 3 des Atomgesetzes bei der zuständigen Landesbehörde. Die Kosten des Rückbaus muss er selbst tragen und hierfür während des Betriebs des Kernkraftwerkes in den Bilanzen Rückstellungen bilden. Diese setzen sich aus der gesamten Vermögensmasse der betreffenden Unternehmen zusammen. Zu den Rückbaukosten gehören auch die Kosten für die Entsorgung der bestrahlten Brennelemente und radioaktiven Abfälle einschließlich deren Endlagerung.
Aufgrund des beschleunigten Atomausstiegs nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima 2011 hatte das Bundesverfassungsgericht in seinen Entscheidungen vom 6. Dezember 2016 und 29. September 2020 festgestellt, dass den Energieversorgungsunternehmen, die die verbleibenden Atomkraftwerke betreiben, grundsätzlich ein finanzieller Ausgleich zusteht. Uneinigkeit herrschte bislang darüber, wie und in welcher Höhe der Ausgleich zu erfolgen hat. Bundesregierung und Energieversorger haben sich nunmehr auf einen finanziellen Ausgleich geeinigt unter gleichzeitiger Beilegung aller Rechtsstreitigkeiten in dieser Angelegenheit.
Die Einigung sieht vor, dass die Bundesrepublik Deutschland insgesamt einen Ausgleich in Höhe von etwa 2,428 Milliarden Euro an die Atomkraftwerkskonzerne zahlt. Diese Zahlungen dienen einerseits einem Ausgleich für Reststrommengen, die die Unternehmen nicht mehr in konzerneigenen Anlagen erzeugen können. Andererseits sollen sie die Kosten für Investitionen ausgleichen, die die Unternehmen im Vertrauen auf die 2010 in Kraft getretene Laufzeitverlängerung getätigt hatten, die dann aufgrund der Rücknahme der Laufzeitverlängerung nach den Ereignissen von Fukushima keine Bedeutung mehr für die Zukunft haben.
Die Bundesregierung stellt sich der Verantwortung einer geordneten Entsorgung der hoch radioaktiven Abfälle. Mit dem Energiekonzept vom 6. Juni 2011 hatte die damalige Bundesregierung entschieden, ein neues, an geologischen Kriterien orientiertes Verfahren zur Standortsuche zu entwickeln. Nach der Einigung von Bundesregierung, Länder und Fraktionen über wesentliche Fragen ist das Standortauswahlgesetz am 24. Juli 2013 in Kraft getreten. Dies war der Beginn einer neuen Standortsuche für ein Endlager für insbesondere hoch radioaktive Abfallstoffe.
Um die Standortauswahl vorzubereiten, setzte der Deutsche Bundestag 2014 die „Kommission Lagerung hoch radioaktiver Abfallstoffe“ ein. Deren Vorschläge und Handlungsempfehlungen wurden in dem im Mai 2017 in Kraft getretenen "Gesetz zur Fortentwicklung des Standortauswahlgesetzes" umgesetzt. Ziel des Gesetzes ist eine offene, wissenschaftsbasierte und transparente Suche eines Endlagerstandortes nach dem Prinzip der "weißen Landkarte". Das heißt, keine Region wird von vornherein ausgeschlossen.
Wie erfolgt die Standortsuche?
In drei Phasen werden die Suchräume zunehmend eingeengt. Die Vorschläge der Bundesgesellschaft für Endlagerung mbH (BGE) werden am Ende jeder Phase vom Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) geprüft. Auf dieser Basis unterrichtet das Bundesumweltministerium den Bundestag und den Bundesrat über die jeweils vorgeschlagenen weiteren Schritte. Die jeweiligen Phasen enden mit einem Bundesgesetz.
Geplant ist, dieses Verfahren bis zum Jahr 2031 abzuschließen. Ab 2050 soll der Atommüll am endgültigen Standort eingelagert werden.
Mehr Informationen dazu im Internetangebot des Bundesumweltministeriums.
90 Teil-Gebiete in Deutschland weisen günstige geologische Voraussetzungen auf für ein künftiges Atommüll-Endlager. Dies geht aus einem am 28. September 2020 vorgelegten ersten Zwischenbericht der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) hervor. Dies bedeutet jedoch noch keine Vor-Festlegung auf eine endgültige Standortentscheidung. Der Bericht zeigt aber auch, dass es Gebiete in Deutschland gibt, die aufgrund ungünstiger geologischer Bedingungen aus Sicht der BGE im weiteren Verfahren nicht in eine Standortauswahl miteinbezogen werden.
Das Standortauswahlgesetz misst der frühzeitigen Einbindung der Öffentlichkeit im Auswahlverfahren für einen endgültigen Atommüll-Endlagerstandort einen hohen Stellenwert bei. Der vorgelegte Zwischenbericht ist daher die Grundlage einer intensiven Öffentlichkeitsbeteiligung, die bis weit in das Jahr 2021 reicht. Dafür hatte das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) eine Veranstaltungsreihe "Fachkonferenz Teilgebiete" eingerichtet. Die Ergebnisse der einzelnen Veranstaltungen werden der BGE für das weitere Vorgehen in der Standortauswahlsuche vorgelegt. Ziel ist es, die Teilgebiete weiter einzugrenzen und Empfehlungen zu erarbeiten, welche Regionen in der zweiten Verfahrensphase näher betrachtet werden sollen.
Der Abschlussbericht „Fachkonferenz Teilgebiete“, dem eine mehrmonatige intensive öffentliche Diskussion des am 28. September 2020 vorgestellten „Zwischenbericht Teilgebiete“ vorausging, wurde am 7. September 2021 der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) übergeben. Damit ist jedoch keinesfalls die Öffentlichkeitsbeteilung abgeschlossen. Das zuständige Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) bezieht in der weiteren Konzeption der Suche nach einem endgültigen, dauerhaften und sicheren Endlagerstandort für hochradioaktive Abfälle ausdrücklich die Öffentlichkeit mit ein.
Der Suchprozess nach einem Endlager für den hochradioaktiven Atommüll stößt bei der Bevölkerung auf großes Interesse. Dies sei vorrangig auf die Veröffentlichung des ersten Zwischenberichts Teilgebiete am 28. September 2020 zurückzuführen, so die BGE. Auch Informationen rund um die geplante Rückholung des Atommülls aus dem Bergwerk Asse im Kreis Wolfenbüttel seien häufig abgefragt worden. Die BGE hatte in diesem Jahr erstmals dargestellt, wie die 126.000 Fässer mit radioaktiven Abfällen geborgen werden könnten.
Die Schachtanlage Asse II ist ein ehemaliges Salzbergwerk im Landkreis Wolfenbüttel. Von 1967 bis 1978 wurden dort circa 126.000 Gebinde mit schwach- und mittelradioaktiven Abfällen eingelagert. Die sogenannte Lex Asse (§ 57b Atomgesetz) sieht einen rechtlichen Auftrag vor, die in der Schachtanlage Asse II eingelagerten radioaktiven Abfälle zwingend zurück zu holen. Nach ihrer Rückholung müssen die Abfälle zunächst zwischengelagert werden, bis eine endgültige Einlagerung in einem dafür vorgesehenen Endlager möglich ist. Dieser Standort steht noch nicht fest.
Ein Expertenteam, das mit der Beleuchtung der Standortauswahl für das geplante Zwischenlager an der Schachtanlage Asse II beauftragt wurde, hat seinen Abschlussbericht vorgelegt. In einem sogenannten „Beleuchtungsprozess“ wurde die in 2020 von der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) getroffene Entscheidung, die radioaktiven Abfälle aus dem Bergwerk Asse II unweit zwischenzulagern, durch externe Fachleute rechtlich und fachlich überprüft. Im Ergebnis bleibt es vorerst offen, ob ein Asse-nahes Zwischenlager für die Lagerung der rund 126.000 Fässer mit schwach- und mittelradioaktiven Abfällen in Frage kommt. Im weiteren Vorgehen werden nun Bundesumweltministerium und BGE die Beleuchtungsergebnisse im Einzelnen analysieren unter ausdrücklicher Beteiligung der Öffentlichkeit.
Außer der Schachtanlage Asse II betreibt die BGE noch das frühere DDR-Endlager Morsleben in Sachsen-Anhalt. Darüber hinaus baut sie das ehemalige Eisenerzbergwerk Schacht Konrad in Salzgitter zu einem Bundesendlager für schwach und mittelradioaktiven Atommüll aus.
In Frankreich und Großbritannien lagert verglaster radioaktiver Abfall aus deutschen Wiederaufarbeitungsanlagen. Die deutschen Betreiber müssen diese Abfälle in insgesamt 26 Castoren zurücknehmen. Vereinbart war, die Castoren in drei Bundesländern zu lagern. Bisher signalisierten Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg eine entsprechende Bereitschaft. Beim Bundesamt für kerntechnische Entsorgungssicherheit (BfE) liegen Anträge der deutschen AKW-Betreiber vor, die Atomabfälle aus der Wiederaufarbeitung deutscher Brennelemente in standortnahe Zwischenlager einlagern zu dürfen. Die von der Rückführung betroffenen Standortgemeinden Philippsburg, Biblis, Brokdorf und Isar wurden im Vorhinein über die bevorstehenden Antragstellungen informiert.