4. November 1989: Auf dem Ostberliner Alexanderplatz versammeln sich 500.000 Menschen zur größten systemkritischen Demonstration in der DDR-Geschichte. Ihr Ziel: die Demokratisierung der DDR. Die SED versucht, ihre Macht zu verteidigen, doch ohne Erfolg. Ein paar Tage später fällt die Mauer.
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500.000 Menschen auf dem Berliner Alexanderplatz
Foto: picture-alliance/ZB
Viele Demonstranten sind aus anderen Städten nach Berlin angereist. Auf der Tribüne auf dem Alexanderplatz sprechen Künstler und Bürgerrechtler. Die Transparente sprechen eine deutliche Sprache: Es geht um die Demokratisierung der DDR.
Die Idee zur Demonstration ist bei einem Theatertreffen am 15. Oktober im Deutschen Theater in Ostberlin entstanden. Die Künstler wollen mit der Demonstration ein Zeichen setzen: Sie wollen gegen die Polizeiübergriffe am Republik-Geburtstag demonstrieren und für Presse-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit. Die „Initiativgruppe 4.11.“ bereitet die Demonstration vor und meldet sie an. Und tatsächlich wird die Demonstration am 28. Oktober von der SED genehmigt. Allerdings in der Absicht, diese Veranstaltung für ihre Zwecke zu nutzen.
Die SED versucht, alle Vorbereitungen in ihrem Sinne zu kontrollieren. Der Palast der Republik ist gesichert wie eine Festung. Auf allen Etagen sind Angehörige der paramilitärischen Kampfgruppen verteilt. Sie sollen sich für einen Einsatz bereithalten, aber darauf achten, dass sie von den Demonstranten draußen nicht zu sehen sind. Die größte Gefahr sieht das Regime in einem möglichen Abweichen des Demonstrationszuges von der vorgesehenen Route. Also lässt das Regime den Weg Richtung Mauer durch bewaffnete Sicherheitskräfte absperren.
Auch Angehörige der sozialistischen Führungselite halten Reden auf dem Alexanderplatz. Doch sie werden von den Demonstranten ausgepfiffen. Der Schauspieler Jan Josef Liefers verwahrt sich „gegen mögliche Versuche von Partei- und Staatsfunktionären, jetzt oder zukünftig Demonstrationen und Proteste von Menschen unseres Landes für ihre Selbstdarstellung zu benutzen“.
Hunderttausende fordern demokratische Rechte und die Abschaffung der Einparteienherrschaft. „Wir haben die Sprache wiedergefunden und die Welt kennt seitdem dieses verschlafene Land nicht wieder“, ruft der Bürgerrechtler Jens Reich ins Mikrofon. Schriftstellerin Christa Wolf spitzt es zu: „Dies ist für mich der wichtigste Satz dieser letzten Wochen – der tausendfache Ruf: Wir sind das Volk!“
Auch die Schriftstellerin Christa Wolf (r.) und Bärbel Bohley, Bürgerrechtlerin und Gründungsmitglied des Neuen Forums, sind unter den Demonstranten auf dem Berliner Alexanderplatz. „Der Herbst 89 war das Erlebnis von vielen - und diese geteilte Freude war gut und das Besondere“, so Bohley 2009 in einem Interview.
Foto: Bundesarchiv/ADN/ZB/Link, Bild 183-1989-1104-045