Artikel 5 des Grundgesetzes
Pressefreiheit und Meinungsfreiheit sind Grundrechte – und in Artikel 5 Absatz 1 des Grundgesetzes festgeschrieben. Sie sind Wesensmerkmale der freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Doch was bedeuten diese Rechte genau und wo sind die Grenzen?
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Medienschaffende informieren die Öffentlichkeit. Damit sie dies tun können, werden sie geschützt – auch durch die Verankerung der Pressefreiheit im Grundgesetz.
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Ohne freie Meinungsäußerung und ohne freie Berichterstattung durch die Presse ist Demokratie nicht vorstellbar. Daher zählen Meinungs- und Pressefreiheit zu den Grundrechten. Medien informieren die Öffentlichkeit, zeigen Probleme auf und fördern die Meinungsbildung. Dies können Medienschaffende nur leisten, wenn sie in der Lage sind, ihre Berichterstattung frei, vielfältig und unabhängig zu gestalten.
Gerade jetzt, angesichts der Zunahme privater sowie öffentlicher Kommunikation im Netz, ist eine gut funktionierende Presse und ihr Schutz wichtiger denn je. Was einerseits die Partizipation eines jeden erhöhen kann, birgt anderseits die Gefahr, Falsch- und Desinformation weltweit zu streuen. Dabei gehen die Presse- und die Meinungsfreiheit Hand in Hand.
Die Pressefreiheit umfasst alle Tätigkeiten, die im Zusammenhang mit der Pressearbeit stehen. Dieser Schutz reicht von der Beschaffung von Informationen bis zur Verbreitung der Nachricht. Details dazu regelt das Medienrecht und speziell das Presserecht. Die Pressefreiheit ist eine wichtige und elementare Errungenschaft für die freiheitlich-demokratische Grundordnung.
Art. 5 Abs. 1, Satz 2,3 GG: Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
Pressefreiheit ist daher von entscheidender Bedeutung für das Funktionieren einer demokratischen Gesellschaft. Das Bundesverfassungsgericht betonte dazu wegweisend im sogenannten „Spiegel“-Urteil 1966: „Soll der Bürger politische Entscheidungen treffen, muss er umfassend informiert sein […]. Die Presse […] beschafft die Informationen, nimmt selbst dazu Stellung und wirkt damit als orientierende Kraft in der öffentlichen Auseinandersetzung.“ (BVerfG 20, 162)
Die Idee einer freien Nachrichten- und Meinungspresse wurde insbesondere in der Zeit der Aufklärung entwickelt. Sie schützt die äußere Unabhängigkeit eines Mediums vor Einflussnahme. „Presse“ meint eigentlich nur Zeitungen und Zeitschriften. Die Pressefreiheit garantiert aber trotzdem die Freiheit aller Medien. Anders als die Meinungsfreiheit schützt die Pressefreiheit nicht Meinungsäußerungen an sich, sondern soll den Bestand einer freien Presse als Institution sichern.
Meinungsfreiheit bedeutet, dass jeder seine Ansichten frei äußern darf – sei es im persönlichen Gespräch, in der Öffentlichkeit oder über die Sozialen Medien. Auch unbequeme oder unpopuläre Meinungen sind geschützt, denn eine lebendige Demokratie lebt vom Austausch und der Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Perspektiven.
Art. 5 Abs. 1, Satz 1, Halbsatz 1 GG: Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten.
Meinungsfreiheit ist ein Menschenrecht, das jedem Menschen zusteht. Jeder soll frei sagen können, was er denkt, auch wenn er keine nachprüfbaren Gründe für sein Urteil angibt oder angeben kann. Eine Meinung genießt den Schutz des Grundrechts, ohne dass es darauf ankommt, ob die Äußerung begründet oder grundlos, emotional oder rational ist, als wertvoll oder wertlos, gefährlich oder harmlos eingeschätzt wird. Es ist ein Ausdruck gelebter Freiheit, dass Menschen ohne Angst vor Zensur ihre Überzeugungen teilen können. Die Meinungsfreiheit macht es möglich, Missstände anzusprechen, neue Ideen zu verbreiten und eine Gesellschaft im stetigen Austausch weiterzuentwickeln.
Aber was ist denn nun überhaupt eine Meinung? Juristisch wird eine Meinung meist so definiert: Eine Meinungsäußerung ist ein Werturteil, also eine Stellungnahme oder Beurteilung, die darauf gerichtet ist, in einer geistigen Auseinandersetzung eine Überzeugung zu bilden. Was erstmal sehr technisch klingt, kann auch so umschrieben werden: Meinung ist alles das, was keine Tatsachenbehauptung ist.
Tatsachenbehauptungen können wahr oder falsch sein, dies ist bei einer Meinung nicht der Fall. Es gibt also keine richtige oder falsche Meinung. Maßgeblich ist, ob man über die Äußerung Beweis führen kann. Die Abgrenzung ist nicht immer einfach. So hat das Bundesverfassungsgericht zum Beispiel entschieden, dass es sich bei der Bezeichnung einer Person als „rechtsradikal“ um eine Meinungsäußerung handelt, die einer Überprüfung durch eine Beweiserhebung nicht zugänglich ist.
Die Grenzen zwischen Meinung und Tatsache sind fließend und nicht immer einfach zu erkennen. Wichtig ist jedoch: Das Grundrecht der Meinungsfreiheit schützt auch Tatsachenbehauptungen, solange sie nicht erwiesen oder erkenntlich unwahr sind.
Auf den Grundrechtsschutz von Artikel 5 des Grundgesetzes kann sich nicht berufen, wer die sogenannte Auschwitzlüge äußert: Bei der Äußerung, es habe im Dritten Reich keine Judenverfolgung gegeben, handelt es sich um eine Tatsachenbehauptung. Sie ist nach ungezählten Augenzeugenberichten und Dokumenten, den Feststellungen der Gerichte in zahlreichen Strafverfahren und den Erkenntnissen der Geschichtswissenschaft erwiesen unwahr. Grundrechtlicher Schutz kommt ihr deshalb nicht zu.
Die Geschichte Deutschlands spielt bei der Ausgestaltung der Meinungsfreiheit eine wichtige Rolle. Die Bundesrepublik Deutschland und ihr Grundgesetz stellen sich ganz bewusst gegen das Unrecht, das durch die nationalsozialistische Gewaltherrschaft geschehen ist. Angesichts des einzigartigen Unrechts und des Schreckens, die diese Herrschaft unter deutscher Verantwortung über Europa und weite Teile der Welt gebracht hat, sind der Gutheißung der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft Grenzen gesetzt. Die Befürwortung dieser Herrschaft wird als Angriff auf die Identität der Bundesrepublik verstanden - mit friedensbedrohendem Potenzial – und kann daher als Volksverhetzung bestraft werden.
Der Tatbestand der Volksverhetzung bildet einen wichtigen Baustein im Schutz insbesondere marginalisierter Gruppen vor Hass und Hetze.
Jeder in Deutschland darf offen sagen, was er über Politik denkt oder darf den Bundeskanzler oder ein Mitglied der Bundesregierung kritisieren. Das kann er öffentlich aussprechen oder im Internet schreiben. Jeder darf auch andere Meinungen kritisieren oder seine Haltung und seinen Standpunkt ausdrücken. Dies ist aber kein Freibrief, andere zu beleidigen, zu diffamieren oder bloßzustellen. Grundsätzlich bedarf es einer sogenannten Güterabwägung, die der Bedeutung der Meinungsfreiheit gerecht wird. Hier zieht die Verfassung Grenzen. Das Recht der freien Meinungsäußerung tritt zurück, wenn
- die Grundrechte anderer Personen verletzt werden,
- andere Menschen beleidigt werden,
- keine sachliche Auseinandersetzung mehr vorliegt, sondern es bloß um eine Bloßstellung oder persönliche Herabsetzung des Gegenübers geht.
Dabei ist das Gewicht der Meinungsfreiheit allerdings umso höher zu bewerten, je mehr die Äußerung einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung leistet, und umso geringer, je mehr es hiervon unabhängig lediglich um die emotionalisierende Verbreitung von Stimmungen gegen eine einzelne Person oder eine Gruppe von Menschen geht.
Die absolute Grenze bildet die Menschenwürde eines anderen. Hierzu hat das Bundesverfassungsgericht in einer Entscheidung ausgeführt: „Da die Menschenwürde als Wurzel aller Grundrechte mit keinem Einzelgrundrecht abwägungsfähig ist, muss die Meinungsfreiheit stets zurücktreten, wenn eine Äußerung die Menschenwürde eines anderen verletzt.“ (BVerfG 1 BvR362/18)
Der Schutz der Menschenwürde rechtfertigt dabei nicht nur das so elementar wichtige Grundrecht der Meinungsfreiheit einzuschränken. Vielmehr kann er auch als Auftrag verstanden werden, herabwürdigendes Verhalten nicht zu tolerieren und Opfer würdeverletzender Angriffe zu schützen.
Dies gilt auch und gerade für das Internet und dortige soziale Netzwerke – auch diese sind kein rechtsfreier Raum. Meinungsfreiheit heißt nicht, alles auf jede Weise sagen zu dürfen. Zum Schutz der Demokratie, die auch von einer funktionierenden Debattenkultur abhängt, muss, bei aller Differenz in der Sache, die Würde und der Achtungsanspruch aller Menschen respektiert werden.