Eine gesamtdeutsche Verfassung
Vor 75 Jahren wurde das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland verkündet. Im selben Jahr gründete sich die DDR mit einer eigenen Verfassung. Mit der Wiedervereinigung wurde das Grundgesetz dann zur gesamtdeutschen Verfassung – ein Überblick.
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Der Wahlerwille gab den Ausschlag: Nach der ersten freien Volkskammerwahl in der DDR entschieden sich die Wählerinnen und Wähler mehrheitlich für Parteien, die eine schnelle Wiedervereinigung anstrebten.
Foto: REGIERUNGonline/Lehnartz
Eine gesamtdeutsche Verfassung – dies ist das Grundgesetz seit dem Beitritt der DDR am 3. Oktober 1990. Und das zeigt sich auch in der Präambel des Grundgesetzes:
„Die Deutschen in den Ländern Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen haben in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands vollendet. Damit gilt dieses Grundgesetz für das gesamte Deutsche Volk.“
Das Grundgesetz erfüllt nicht nur alle Funktionen einer Verfassung, sondern wird auch den Legitimitätsanforderungen an eine Verfassung gerecht. Die Bezeichnung „Grundgesetz“ gilt bis heute. Sie ist bedingt und lässt sich auch als Respekt vor der Arbeit des Parlamentarischen Rates deuten.
Beitritt der DDR zur Bundesrepublik
Am 23. August 1990 hatte das erste frei gewählte DDR-Parlament mit 294 Ja-Stimmen gegen 62 Nein-Stimmen und sieben Enthaltungen den Beitritt der DDR zur Bundesrepublik beschlossen. Als Grundlage diente Artikel 23 des Grundgesetzes:
„Dieses Grundgesetz gilt zunächst im Gebiete der Länder Baden, Bayern, Bremen, Groß-Berlin, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern. In anderen Teilen Deutschlands ist es nach deren Beitritt in Kraft zu setzen.“
Verfassung der DDR
Im Laufe der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland hatte sich das Grundgesetz als Verfassung gefestigt. In der sowjetischen Besatzungszone leitete der Dritte Deutsche Volkskongress am 29. und 30. Mai, sechs Tage nach Verkündung des Grundgesetzes, die Verabschiedung einer Verfassung für den Osten Deutschlands ein und damit die Gründung der DDR ein. Sie wurde am 7. Oktober 1949 vollzogen.
Die Verfassung der DDR hielt noch eine Wiedervereinigung Deutschlands in Artikel 1 fest und beinhaltete viele Elemente einer Demokratie. Formal garantierte sie Bürgerinnen und Bürgern der DDR umfassende Grund- und Bürgerrechte, wie Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Meinungsfreiheit und Postgeheimnis. Auch schrieb die Verfassung allgemeine und geheime Wahlen der Abgeordneten der Volkskammer fest. Ein Blick in die damalige Lebensrealität zeigt jedoch: Die Rechte wurden nicht umgesetzt.
In der ersten Verfassung der DDR waren bereits die rechtlichen Voraussetzungen für den Aufbau einer sozialistischen Diktatur festgelegt. Beispielsweise stellte Artikel 6 die sogenannte „Boykotthetze“, die auch Kritik an Partei und Staat umfasste, unter Strafe. Die Führung der DDR nutzte sie konsequent gegen Gegner des Regimes.
Neuer Verfassungsentwurf
Während der Friedlichen Revolution in der DDR Ende 1989 wurde am zentralen Runden Tisch der DDR ein neuer Verfassungsentwurf entwickelt, der den Fortbestand einer souveränen DDR gewährleisten sollte. Zu der Arbeitsgruppe „Neue Verfassung“ gehörten Mitglieder aller am Runden Tisch vertretenen Parteien, Gruppen und Organisationen. Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland diente als Vorbild für den Verfassungsentwurf. Zudem sollten soziale Grundrechte und Elemente einer direkten Demokratie, wie Volksabstimmungen, einbezogen werden.
Nach der ersten freien und geheimen Volkskammerwahl in der DDR am 18. März 1990 hatte der Entwurf jedoch keine größere Bedeutung mehr. Die Entscheidung der Wählerinnen und Wähler war eindeutig: Sie stimmten mehrheitlich für Parteien, die eine schnelle Wiedervereinigung anstrebten.
Gewonnen hatte das Drei-Parteien-Bündnis „Allianz für Deutschland“, bestehend aus CDU, Demokratischem Aufbruch (DA) und Deutscher Sozialer Union (DSU), mit insgesamt 48,1 Prozent der Stimmen. Zusammen mit der SPD, die 21,9 Prozent der Stimmen erhielt, bildeten sie eine Große Koalition.