„Jeder schwierige Inhalt kann in Leichte Sprache übersetzt werden“

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Interview in Leichter Sprache mit Übersetzerin Anne Leichtfuß „Jeder schwierige Inhalt kann in Leichte Sprache übersetzt werden“

Schwierige Texte in Leichte Sprache zu übersetzen, ist der Beruf von Anne Leichtfuß.
So können alle Menschen die Informationen verstehen.
Auch Menschen mit Lern·schwierigkeiten und Menschen mit Behinderung.
Im Interview erzählt Anne Leichtfuß:
Warum ist Leichte Sprache so wichtig?
Wie funktioniert das Übersetzen in Leichte Sprache?
Und wie hat sie den Beruf als Dolmetscherin und Übersetzerin für Leichte Sprache gefunden?

  • Interview mit Anne Leichtfuß
Anne Leichtfuss mit einem Kopfhörer und Mikrofon

 Anne Leichtfuß bei ihrer Arbeit. Dolmetschen in Leichte Sprache.

Foto: Inga Kramer

Barriere·frei miteinander reden und Kontakt haben ist ganz wichtig.
Für ein gutes Leben.
In dem jeder Mensch selbst entscheiden kann.
In dem jeder Mensch teil·haben kann.
Und auch in der Gesellschaft mit·bestimmen kann.

Am 28. Mai ist der Tag der Leichten Sprache.
Deshalb haben wir mit Anne Leichtfuß gesprochen.
Und ihr viele Fragen gestellt.
Anne Leichtfuß ist Übersetzerin für Leichte Sprache.
Und sie ist Lehrerin an der Technischen Hochschule Köln.
Eine Lehrerin an einer Universität nennt man auch Dozentin.

Frage:
Frau Leichtfuß, Sie übersetzen viele verschiedene Texte in Leichte Sprache.
An welchem schwierigen Text haben Sie in der letzten Zeit gearbeitet?

Antwort von Anne Leichtfuß:
Ich habe ein Theater·stück übersetzt.
Das war aufregend!
Das Theaterstück wurde schon vor sehr langer Zeit geschrieben.
Vor mehr als 2.000 Jahren.
Darum war die Sprache anders als bei anderen Texten.
Das Stück wurde dann in einem Theater in München gezeigt.
Bei den Münchner Kammerspielen.
So wurde der Text in Leichter Sprache lebendig.
Das war ein tolles Erlebnis! 

Frage: Frau Leichtfuß, was ist die Leichte Sprache?

Antwort von Anne Leichtfuß:
Die Leichte Sprache ist besonders für Menschen mit Lern·schwierigkeiten gemacht.
Menschen mit Lern·schwierigkeiten wollten als erste eine leichtere Sprache.
Leichte Sprache hat Regeln.
Leichte Sprache ist leicht zu verstehen.
Schwierige Wörter werden erklärt.
Und wichtig ist:
Alle Texte in Leichter Sprache müssen von 2 Menschen mit Lern·schwierigkeiten geprüft werden.
Ob sie alles im Text verstehen.

Frage: Und was ist das Besondere von der Einfachen Sprache?

Antwort von Anne Leichtfuß:
Die Einfache Sprache ist für diese Menschen gemacht:
Menschen, die nicht viel Deutsch sprechen.
Menschen, die nicht so gut lesen können.

Einfache Sprache ist schon etwas schwieriger.
Zum Beispiel:
Lange Wörter werden nicht getrennt.

Die Einfache Sprache hat keine festen Regeln.
Die Texte werden nicht von Prüfer*innen geprüft.

Wichtig:
In der Leichten und der Einfachen Sprache hat man kurze Sätze.
Jeder Satz hat nur eine Information.
Fremd·wörter und Fach·begriffe werden erklärt.
Manchmal helfen dazu auch Bilder oder Fotos.

Frage: Warum sind Informationen in Leichter Sprache so wichtig?

Antwort von Anne Leichtfuß: Weil sehr viele Menschen Informationen in Leichter Sprache brauchen.
In Deutschland brauchen 14 Millionen Menschen Leichte und Einfache Sprache.
In den letzten Jahren sind viele geflüchtete Menschen nach Deutschland gekommen.
Sie brauchen auch Leichte Sprache.
Weil viele von ihnen noch nicht viel Deutsch sprechen.
Aber es werden viel zu wenige Informationen in Leichte Sprache übersetzt.
Es gibt zum Beispiel nur einmal in der Woche Nachrichten in Leichter Sprache.
Das bedeutet:
Man bekommt viel zu selten Informationen.
Zum Beispiel Informationen über den Krieg in der Ukraine.
Über den Klima·wandel.
Oder über Corona.
Das muss sich ändern!
Denn nur mit guten Informationen können alle Menschen mit·reden und mit·bestimmen.

Es gibt auch nur zu wenigen Themen Informationen in Leichter Sprache.
Zum Beispiel nur wenige Texte, die man zum Spaß lesen kann.
In anderen Ländern ist das besser.
Dort gibt es Fernseh·nachrichten und Zeitungen in Leichter Sprache.
Oder Regale mit Büchern in Leichter Sprache in den Buchhandlungen.

Frage: Sie beschäftigen sich mit Leichter Sprache.
Sie haben als erste Übersetzerin
gesprochene Texte direkt in Leichte Sprache übersetzt.
Wie sieht Ihr Berufs·alltag aus?
 

Antwort von Anne Leichtfuß:
In meinem Beruf habe ich viel Abwechslung.
Ich bin viel unterwegs.
Ich übersetze bei vielen verschiedenen Veranstaltungen.
Bei Fach·tagungen und Konferenzen.
Bei Theater·veranstaltungen und Mitglieder·versammlungen.

Ich übersetze auch Texte.
Texte zu ganz verschiedenen Themen.
Zum Beispiel:

  • Wand·texte für Museen
  • Nachrichten
  • Texte über Politik

Ich arbeite mit einer Gruppe aus Prüfern und Prüferinnen zusammen.
Wir prüfen am Computer.
In einer Video·konferenz.
Wir benutzen das Programm Zoom.
Das wird so ausgesprochen: suum.

Wir lesen die Texte.
Die Prüfer und Prüferinnen sagen mir, ob sie die Texte gut verstehen können.
Wir schauen uns auch Bilder und andere Dinge an.
Das kann ich nicht alleine machen.
Leichte Sprache ist immer Team·arbeit.
Ohne Menschen mit Lern·schwierigkeiten geht es nicht.
Von den Kollegen und Kolleginnen in meinem Team habe ich viel gelernt.

Frage: Wie werden Texte in Leichte Sprache übersetzt?
Gibt es feste Regeln?

Antwort von Anne Leichtfuß:

Es gibt schon viele Jahre feste Regeln.
Ich lese den Text zuerst.
Um heraus·zu·finden:
Was steht in dem Text?
Welche Informationen sind in dem Text?
Und ich suche nach den Fremd·wörtern.
Die müssen noch erklärt werden.

Dann übersetze ich den Text.
Und ich suche passende Bilder dazu aus.

Dann schicke ich den Text an die Auftrag·geber und Auftrag·geberinnen.
Die prüfen meinen übersetzten Text.
Ob alle Informationen richtig aufgeschrieben sind.

Dann lesen wir den Text mit der Prüf·gruppe.
Die Prüfer und Prüferinnen sagen mir dann zum Beispiel:
Das Wort kenne ich nicht.
Das musst du erklären.

Oder:
Der Satz ist zu lang.
Ich hab den Faden verloren.

Dann ändere ich den Text noch einmal.
Erst dann ist er fertig.
Und der Text bekommt das Siegel für die Leichte Sprache.
Leichte Sprache kann man nur gemeinsam mit Menschen mit Lern·schwierigkeiten machen.

Frage: Sie übersetzen viele Texte in Leichte Sprache.
Welche Herausforderungen gibt es dabei?

Antwort von Anne Leichtfuß:
Ich muss den Text genau lesen und verstehen.
Ich muss überlegen:
Wie kann man einen schwierigen Inhalt in Leichter Sprache erklären?
Ich verändere nicht den Inhalt.
Sondern nur die Sprache.
So kann man dann auch über schwierige Themen leicht schreiben.
Zum Beispiel über Blut·untersuchungen.
Oder über Raketen·starts.
Das ist eine spannende Aufgabe! 

Frage: Sie übersetzen Texte in Leichte Sprache.
Aber auch gesprochene Sprache.
Das haben Sie als Erste in Deutschland gemacht.
Wie kamen Sie auf die Idee dazu?

Antwort von Anne Leichtfuß:

Ich bin gefragt worden.
2 Männer haben zusammen ein Festival geplant.
In Berlin.
Ihnen war wichtig:
Alle Besucher und Besucherinnen sollen alles verstehen.
Darum musste übersetzt werden.
Vom Englischen ins Deutsche.
Und vom Französischen ins Deutsche.

Im Publikum waren auch viele Menschen mit Lern·schwierigkeiten.
Darum sollte es auch eine Übersetzung in Leichte Sprache geben.
Aber zu der Zeit hat das noch niemand gemacht.
Das war im Jahr 2013.

Die beiden Männer haben mich gefragt.
Und wir haben zusammen entschieden:
Wir probieren das aus.
Dann kamen immer mehr Anfragen.
Und so ist mein Beruf daraus geworden.
Und zum Glück bin ich inzwischen nicht mehr die Einzige.
Inzwischen übersetzen mehr Menschen auch gesprochene Sprache in Leichte Sprache.
Im Moment sind wir in Deutschland 8 Personen.

Frage: Wie wird man Übersetzerin für Leichte Sprache? 
Welche Ausbildung muss man machen?

Antwort von Frau Leichtfuß:

Das ist ein Problem. 

Es gibt Ausbildungen für das Übersetzen von Texten in Leichte Sprache.
Das kann man an verschiedenen Orten machen.
Wichtig ist:
Auch bei der Ausbildung sollten von Anfang an Menschen mit Lern·schwierigkeiten dabei sein.

Aber es muss auch immer mehr gesprochene Sprache in Leichte Sprache übersetzt werden.
Und dafür gibt es in Deutschland keine Ausbildung.
Aber das ist wichtig! 
Denn viele Menschen brauchen gesprochene Leichte Sprache.
Darum sollte es in Deutschland bald eine gute Ausbildung geben.

Bis jetzt gibt es in Deutschland 8 Übersetzerinnen für gesprochene Leichte Sprache.
Wir haben alle ganz verschiedene Ausbildungen gemacht.
Als Buchhändlerin.
Als Sprachtherapeutin.
Oder als Journalistin.

Wir tauschen uns immer wieder über unsere Arbeit aus.
Und wir machen Fortbildungen.
Aber eine Ausbildung ist trotzdem wichtig. 
Denn Deutschland braucht mehr als 8 Übersetzerinnen für gesprochene Leichte Sprache!

Frage: Leichte Sprache ist nicht gut.
Sie macht schwierige Themen zu leicht.
Dabei gehen Inhalte verloren.
Andere sagen: 
Leichte Sprache ist wie Kinder·sprache.
Was sagen Sie dazu?

Antwort von Anne Leichtfuß:

Das stimmt.
Manche Menschen sagen das.
Ich finde aber:
Das stimmt nicht.

Leichte Sprache verändert nicht den Inhalt in einem Text.
Sie verändert nur die Form.
Man kann auch sagen:
Die Sprache wird leichter.
Der Inhalt nicht.
Man kann auch in Leichter Sprache über schwierige Themen reden.
Und so können mehr Menschen mit·reden.
Weil sie in Leichter Sprache auch schwierige Themen besser verstehen können.

Und ich finde:
Leichte Sprache behandelt Menschen mit Lern·schwierigkeiten nicht wie Kinder.
Im Gegenteil.
Durch Leichte Sprache können Menschen mit Lern·schwierigkeiten Dinge besser verstehen.
So können sie selbst entscheiden.
Über wichtige Themen in ihrem Leben.
Darum finde ich:
Leichte Sprache ist eine gute Unterstützung für erwachsene Menschen mit Lern·schwierigkeiten.

Außerdem kann jeder Mensch selbst entscheiden:
Will ich einen Text lieber in Leichter Sprache lesen oder in Fach·sprache?

Frage: Was sagen Prüfer und Prüferinnen für Leichte Sprache dazu?

Das sagt Johanna von Schönfeld, Neuss, 32 Jahre:
Bei Vielem kann ich gar nicht mitreden.
Ich brauche, dass mir das jemand in Leichter Sprache erklärt, was es bedeutet.
Weil es mich beschäftigt, was mit der Welt ist.

Das sagt Thomas Szymanowicz, Berlin, 42 Jahre:
Ich weiß am besten, an welchen Stellen ich Hilfe brauche.
Ich möchte selbst entscheiden.
Wann brauche ich Leichte Sprache?
Wer soll für mich übersetzen?
Und wann brauche ich eine Pause?

Das sagt Natalie Dedreux, Köln, 24 Jahre:
Leichte Sprache ist für uns Menschen besser zu verstehen.
Manche Sachen kann ich nicht so gut verstehen.
Zum Beispiel wenn man zu schnell redet.
Oder wenn das so kompliziert ist.
Dann hilft das, wenn das in Leichter Sprache übersetzt wird.
Deswegen will ich mich für Leichte Sprache einsetzten.
Und es macht Spaß, in Leichter Sprache zu lesen.
Wie zum Beispiel über Politik.

Das sagt Paul Spitzeck, Köln, 29 Jahre:
Ich habe so viel gehört über die Ukraine.
Aber ich habe nicht alle Informationen.
Ich will mehr wissen.
Und nicht nur ich.
Ich will das für alle Leute.
In einem Krieg ist es wichtig zu wissen:
Was ist wahr und was ist eine Lüge?
Darum muss es mehr Informationen in Leichter Sprache geben, zum Lesen und zum Hören.

Anne Leichtfuß wurde 1978 geboren.
Für ihre Arbeit wurde sie 3 mal für einen Preis vorgeschlagen:
Für den Grimme Online Award.
2018 bekam den Deutschen PR-Preis in 2 verschiedenen Bereichen.
Für die Aktion: Menschen mit Down-Syndrom sprechen für sich selbst. 

Anne Leichtfuß hat Online-Redakteurin studiert.
In diesem Studium lernt man:
Wie kann man gut Texte fürs Internet schreiben?
Anne Leichtfuß arbeitet bei der Zeitschrift Ohrenkuss. 
Und sie hat das partizipativen Forschungs·institut Touchdown 21 mitgegründet.
Partizipativ bedeutet:
Bei Touchdown 21 forschen Menschen mit und ohne Down-Syndrom zusammen.

Diese Übersetzung ist von Anne Leichtfuß.