Rede von Kulturstaatsministerin Claudia Roth anlässlich des Jubiläumsempfangs der Kulturstiftung des Bundes

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− Es gilt das gesprochene Wort −

„Es würden sich viele Träume erfüllen", das sagte Bundeskanzler Willy Brandt in seiner Regierungserklärung 1973 „wenn eines Tages öffentliche und private Anstrengungen zur Förderung der Künste in eine deutsche Nationalstiftung münden könnten“. Man munkelt, dass Günter Grass der Treiber hinter dieser Idee war. Der mächtigste Politiker und einer der einflussreichsten Autoren dieser Zeit machten also gemeinsame Sache. Und doch hat es dann noch ein „paar“ lange Jahre gedauert, bis die Stiftung Wirklichkeit werden konnte.

Heute, nach zwanzig Jahren des Bestehens, können wir sagen: Die Kulturstiftung des Bundes hat ihren Platz als eine der größten von öffentlicher Hand geförderten Kulturstiftungen Europas gefunden. Und sie hat dabei sicher viele Träume erfüllt. Natürlich ist es nicht allererste und vorderste Aufgabe der Stiftung, Träume zu erfüllen. Sie soll Kunst und Kultur fördern. Doch das hat sie in den vergangenen zwei Jahrzehnten auf eine so wunderbare Weise getan, die eben auch den einen oder anderen Traum wahr werden ließ. Rund 4.000 Projekte der Gegenwartskultur haben davon profitiert. Und natürlich haben nicht nur die 4.000 Projekte davon profitiert, sondern unsere Gesellschaft – in der Stadt und auf dem Land. Der Anspruch bleibt dabei, Innovationen voranzubringen. Er gibt der programmatischen Arbeit die Richtung vor – unabhängig davon, ob es um Globalisierung, Diversität oder Nachhaltigkeit geht. Und das ist kein Widerspruch zu Kunst und Kultur, sondern das hat ganz viel mit Kunst und Kultur zu tun.

Der kulturpolitische Erfolg der Kulturstiftung des Bundes war alles andere als selbstverständlich. Es hat nach Willy Brandts Regierungserklärung nicht umsonst fast drei Jahrzehnte gedauert, bis sie überhaupt gegründet werden konnte. Immer wieder wurde ihre Berechtigung infrage gestellt. Denn auch nach ihrer Gründung blieb ihre programmatische Ausrichtung Anlass für sehr spannende kulturpolitische Debatten. Heute kann man sagen: Das Diskutieren und das Ausloten hat sich gelohnt. Die Kulturstiftung des Bundes hat gezeigt, wie kooperativer Kulturföderalismus funktionieren kann. Und einige, die das bezeugen können, sitzen ja strahlend in der ersten Reihe.

Die Stiftung hat sich so in der Kulturszene, der auf allen Ebenen der Politik und der Zivilgesellschaft ein großes und sehr breites Vertrauen erarbeitet.  Das ist gelungen, weil man sich Zeit genommen hat, einander zugehört hat und sich auf die Einzigartigkeit jeder Herausforderung eingelassen hat. So ist eine Stiftung entstanden, die Gestaltungsspielräume offenhält, die drängende Themen gemeinsam mit der Kulturszene identifiziert, und die über die Grenzen einzelner Sparten und Wissensdisziplinen hinweg zukunftsweisende Förderansätze entwickelt. Und genau das, das über Grenzen denken, auch über nationale Grenzen hinweg zu wirken, das ist doch von ganz besonderer Bedeutung in einer Zeit in der wir wirklich konfrontiert sind mit vielen Krisen, die sich wie tektonische Platten übereinander stapeln. Sei es die Coronapandemie, sei es die Klimakrise, sei es der grauenhafte Krieg in der Ukraine – genau in dieser Zeit zeigt sich: Die Stiftung ist Anstifterin, Pfadfinderin und Wegbereitern mit kreativer und innovativer Kraft. Und mit der Fähigkeit, über alle Grenzen zu denken und zu arbeiten.
Die Programme und Projekte der Stiftung hatten und haben immer wieder auch einen Pionier-Charakter; neu, überraschend, irritierend manchmal, aber auf keinen Fall dem Mainstream hinterher hechelnd.

Zum Beispiel das Programm „Tanzland“, dem es darum geht, die Vielfalt des zeitgenössischen Tanzes auch jenseits der etablierten Tanzzentren zu zeigen: mit Gastspielen von Tanzensembles außerhalb der Metropolen. So wird der Tanz auch dort sichtbar und spürbar, wo er es vorher überhaupt nicht war.

Zweitens: Das bundesweite Pilotprojekt „Klimabilanzen in Kulturinstitutionen“ hat 19 Kultureinrichtungen aus verschiedenen Sparten dabei unterstützt, eine Klimabilanz zu erstellen und den eigenen CO2-Fußabdruck zu ermitteln. Damit werden die Folgen des eigenen Handelns sichtbar. Das ist der erste Schritt zu mehr Nachhaltigkeit im Kulturbereich. Und wie wichtig das ist, das zeigen die in den letzten Tagen öffentlich gewordenen Zahlen über die Erderwärmung mit der wir konfrontiert sind. Die Projekte helfen dabei, das Bewusstsein dafür weiter zu schärfen. Sie ermuntern uns dazu, darüber nachzudenken, welchen Beitrag wir leisten können. Es geht dabei nicht darum, eine grüne Enzyklika zu verbreiten und ins Werk zu setzen, es geht um Zukunftsfähigkeit und damit um das Überleben von Kulturinstitutionen. Programme wie das der Kulturstiftung des Bundes sind dabei sehr hilfreich.

Ein drittes tolles Beispiel ist das Programm „TURN – Fonds für künstlerische Kooperationen zwischen Deutschland und afrikanischen Ländern“. Es hat seit 2012 hervorragende Projekte hervorgebracht, die sich mit der Aufarbeitung kolonialer Herrschaft und ihrer Folgen im 21. Jahrhundert befassen. Voraussetzung für die notwendige Dekolonialisierung unseres Denkens und mancherorts auch noch unseres Handelns. Aber eben auch für den Neubeginn eines Verhältnisses zwischen Deutschland, Europa und Afrika auf Augenhöhe.

Es sind das Themen, die die kulturpolitische Agenda der Gegenwart mitbestimmen. Wir mussten sie nicht erst auf die Tagesordnung setzen. Die Programme zeigen, dass die Stiftung auf der Höhe der Zeit ist. Nein, sie zeigen immer wieder, dass die Stiftung ihrer Zeit weit voraus ist. Und sie machen deutlich, dass Kultur- und Demokratiepolitik untrennbar zusammengehören, dass sie sich gegenseitig verstärken. 

Einen riesengroßen Anteil an diesen zukunftsfesten Ausrichtung der Kulturstiftung des Bundes hat Hortensia Völckers. Sie hat die Stiftung von Beginn an mit großem Geschick, mit Charme und kluger Weitsicht, vor allem aber mit Mut, geleitet. Einander zuzuhören und miteinander zu lernen – das war und ist ihr Erfolgsrezept.  Es war und ist entscheidend, nicht nur für den Aufbau des Teams der Kulturstiftung des Bundes, sondern auch für die Ausrichtung der Förderprogramme. Im Dienstvertrag steht, trocken formuliert, der Anspruch: „Frau Völckers hat ihre ganze Arbeitskraft für die Kulturstiftung des Bundes einzusetzen.“ Das hat sie ja nun wirklich gemacht. 
Liebe Frau Völckers, Sie haben nicht nur Ihre Aufgaben mit ganzer Kraft, ja mit Wucht, mit Einbringung Ihrer Persönlichkeit und Ihrer Leidenschaft für die Kultur gemeistert; Sie haben mit Ihrem Wirken und Ihrem Gespür für gesellschaftliche Entwicklungen das Selbstverständnis der Kulturstiftung des Bundes geprägt.

So soll es weitergehen. Als vorausschauende Mittlerin wird die Kulturstiftung des Bundes auch weiterhin Entwicklungen, Veränderungen und Kontroversen in Kunst und Kultur aufnehmen und sie in ihren Programmen und Projekten entfalten. Sie wird auch in Zukunft künstlerisch unabhängig sein und autonom agieren. Denn ist genau diese Freiheit, aus der die besten Ideen und Ergebnisse entstehen. Das haben die vergangenen zwanzig Jahre bewiesen. In den kommenden zwanzig Jahren werden wir noch mehr davon brauchen. Ich setze deshalb auf die Kulturstiftung des Bundes und freue mich auf viele weitere Innovationen, auf viele Inspirationen auch so manche Provokation. Und ganz sicher wird sie weiterhin den einen oder anderen Traum erfüllen.