Zweite queerpolitische Menschenrechtskonferenz
„Es gibt noch viel Arbeit zu tun für Gleichstellung, Respekt und Anerkennung – hier bei uns und weltweit.“ Das betonte Bundeskanzler Olaf Scholz in seinem Grußwort bei einer queerpolitischen Menschenrechtskonferenz der SPD-Bundestagsfraktion in Berlin.
Die freie Entfaltung der Persönlichkeit ist Grund- und Menschenrecht und muss geschützt werden; gleichzeitig verschärft sich die Situation für queere Menschen weltweit immer weiter. „Alle müssen hier in Deutschland frei, ohne Angst und in Sicherheit leben können. Sicher vor Hass, Gewalt, Diskriminierung und Beleidigung“, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz bei seiner Rede bei der zweiten queerpolitischen Menschenrechtskonferenz der SPD-Bundestagsfraktion in Berlin.
Der Staat habe eine Schutzpflicht, der er nachkommen müsse. Deshalb habe die Bundesregierung das Strafrecht reformiert und dafür gesorgt, dass geschlechtsspezifische und gegen die sexuelle Orientierung gerichtete Taten erfasst und härter bestraft werden. Außerdem geht es um eine Gesellschaft des Respekts. „Eine Gesellschaft, in der niemand auf andere herabschaut. In der alle so leben können, wie sie das möchten – solange sie die Freiheit anderer dadurch nicht einschränken“, sagte Scholz.
Die Bezeichnung „queer“ wird oft als Sammelbezeichnung für lesbisch, bisexuell, schwul, trans*, inter* oder mehr verwendet. Sie steht aber auch als eigenständige Selbstbezeichnung, die die begrenzenden Kategorien wie „homo-/heterosexuell“ oder „männlich/weiblich“ in Frage stellt. Lesen Sie mehr zu dem Thema auf regenbogenportal.de, einem Angebot des BMFSJ.
Lesen Sie hier die Mitschrift der Rede:
Danke für die Einladung!
Zunächst einmal will ich sagen: Gutes Timing! Ihr habt eure Konferenz ganz bewusst nicht in den Juni gelegt, wenn überall übrigens endlich auch am Kanzleramt die Regenbogenfahnen gehisst werden, wenn im ganzen Land CSDs stattfinden, wenn jedes Unternehmen ganz besonders bunte Kampagnen schaltet. Ihr habt euch für eure Konferenz stattdessen den September ausgesucht, wenn die parlamentarische Arbeit wieder losgeht.
Damit sendet ihr gleich zwei wichtige Signale:
Erstens: Es gibt noch viel Arbeit zu tun für Gleichstellung, Respekt und Anerkennung hier bei uns und weltweit.
Zweitens: Das Anliegen, dass alle sicher und ohne Diskriminierung leben und lieben können, das ist nicht nur einen Monat im Jahr wichtig, sondern jeden Tag.
Queer ist man schließlich auch nicht nur, wenn auf dem CSD gemeinsam demonstriert und gefeiert wird, sondern 365 Tage im Jahr am Arbeitsplatz, bei der Wohnungsmiete, im Krankenhaus oder im Pflegeheim, im digitalen Raum, wo queere Menschen oft angefeindet werden; auf der Straße oder in der U-Bahn, wo sich queere Pärchen fragen, ob sie sicher sind, wenn sie Händchen halten oder sich küssen; in der Schule, wo Jugendliche ausgegrenzt werden.
Eines will ich daher sagen, was selbstverständlich klingt, aber leider nicht immer selbstverständlich ist: Alle müssen hier in Deutschland frei, ohne Angst und in Sicherheit leben können sicher vor Hass, Gewalt, Diskriminierung und Beleidigung.
Hier hat der Staat eine Schutzpflicht. Und der muss er nachkommen. Deshalb haben wir das Strafrecht reformiert. Deshalb haben wir dafür gesorgt, dass geschlechtsspezifische und gegen die sexuelle Orientierung gerichtete Taten als solche erfasst und härter bestraft werden. Für Hass, Gewalt und Intoleranz gibt es keine Toleranz.
Schutz und Sicherheit sind das A und O, aber es geht noch um mehr. Wie ihr wisst trete ich ein für eine Gesellschaft des Respekts, eine Gesellschaft, in der niemand auf andere herabschaut, in der alle so leben können, wie sie das möchten natürlich solange sie die Freiheit anderer dadurch nicht einschränken.
Darum geht es doch im Kern übrigens auch, wenn wir über die anstehende Reform des Abstammungsrechts reden oder über das neue Selbstbestimmungsrecht. Diese Reformen bedrohen niemanden. Sie nehmen auch niemandem etwas weg. Aber sie bedeuten den Betroffenen unendlich viel. Deshalb werbe ich in der Diskussion darüber für Gelassenheit und eben für Respekt.
Noch einen letzten Punkt möchte ich hinzufügen: Ich finde es gut, dass ihr bei eurer Konferenz auch über den deutschen Tellerrand hinausschaut. Klar, auch hier bei uns gibt es noch viel zu verbessern; wir wissen das alle. Aber die Diskriminierung und Verfolgung queerer Personen in vielen anderen Teilen der Welt ist um ein Vielfaches schlimmer, um nicht zu sagen unerträglich. Das dürfen wir, die wir für internationale Solidarität und Menschenrechte eintreten, niemals vergessen.
In den vergangenen zwei Jahren haben wir uns als Vorsitz der Equal Rights Coalition gemeinsam mit Mexiko auf internationaler Bühne immer wieder klar gegen Gewalt und Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung, der Geschlechtsidentität oder Geschlechtscharakteristika gestellt.
Auf meinen Reisen ins Ausland treffe ich mich regelmäßig mit NGOs und Menschenrechtsgruppen nicht nur, aber auch, um ihnen den Rücken zu stärken. Ich spreche die Menschenrechtslage in meinen Gesprächen in kritischen Ländern an, und das ist wirklich nötig.
Georgien zum Beispiel hat gerade ein Anti-LGBTQI-Gesetz verabschiedet, das diskriminierend ist und grundlegende Menschenrechte verletzt. Ich sage ganz deutlich: Damit entfernt sich Georgien auch von Europa.
Gut, dass ihr in solchen Fällen hinschaut, und gut, dass ihr zusammenhaltet und solidarisch seid.
In diesem Sinne wünsche ich euch viel Erfolg bei eurer Konferenz! Schönen Dank, dass ihr euch für mehr Respekt einsetzt nicht nur im Juni, sondern an 365 Tagen im Jahr.
Schönen Dank!