Interview zum Tag der Bildung
Schon heute Orientierung für die Welt von morgen geben, das ist die Aufgabe von Cornelia Daheim. Sie ist Vorsitzende des Zukunftskreises des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Im Interview berichtet Sie über Trends und Entwicklungen in der Bildung.
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Sie arbeiten und forschen bereits seit über 20 Jahren zu den Themen Zukunft der Arbeit, Nachhaltigkeit und gesellschaftlicher Wandel. Welche Schwerpunkte sehen Sie für die Zukunft der Bildung?
Daheim: Eine gute Frage, auf die ich mit einer ganz bestimmten Perspektive als Zukunftsforscherin blicke. Nämlich unter anderem auf den Begriff Bildung an sich, denn unsere Vorstellung davon hat sich sehr gewandelt. Beispielsweise in der Art und Weise, wie wir Medien nutzen und wo wir Bildung erleben. Zum großen Teil findet Bildung heute mehr und mehr auch außerhalb von klassischen Bildungs-Institutionen wie Schule oder Universität statt. Gleichzeitig spielen auch andere Bildungsformen eine Rolle. Der Trend geht unter anderem hin zum selbstgesteuerten Lernen. So gibt es zum Beispiel bei der „peer to peer university“, die Möglichkeit, dass sich Menschen untereinander Lerninhalte beibringen, und immer wieder zwischen der Rolle des Lehrenden und Lernenden wechseln. Auch die Nutzung von Online-Kursen, an denen man kostenlos teilnehmen kann, nimmt zu.
Durch die vielen Möglichkeiten der Digitalisierung wandeln sich eben auch die Medien und Formate von Bildung.
Cornelia Daheim ist Vorsitzende des Zukunftskreises des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Der Kreis besteht aus einer Gruppe von Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Wirtschaft. Unterstützt wird er von einem ebenfalls eingerichteten „Zukunftsbüro“, das als Impulsgeber fungiert sowie Themenscannings, Vertiefungsstudien und Workshops durchführt.
Gemeinsam identifizieren und bearbeiten Zukunftskreis, Zukunftsbüro und das Ministerium gesellschaftsrelevante Zukunftsthemen, damit zeitnah auf Trends und Entwicklungen reagiert werden kann.
Welche Fähigkeiten und Kompetenzen werden aus Ihrer Sicht zukünftig noch wichtiger?
Daheim: Aus meiner Sicht werden zum einen die digitalen und technologischen Kompetenzen immer wichtiger, weil diese den kompletten Arbeitsalltag und die Gesellschaft bereits durchdringen. Ein anderer Aspekt ist die Nachhaltigkeit: Durch den Druck von Klimawandel und den nötigen Umbau von Gesellschaft und Wirtschaft brauchen wir auch viel mehr Wissen darüber, wie wir das nachhaltig gestalten und umsetzen. Ebenso wird die Fähigkeit zur Kollaboration, zur Zusammenarbeit mit anderen, an Bedeutung gewinnen. Denn gerade im Kontext der Innovation wird immer mehr Austausch zwischen Organisationen stattfinden. Beispielsweise wird man im Beruf nicht mehr nur mit den Menschen aus einem Unternehmen arbeiten, sondern auch mit anderen, die vielleicht ganz anders funktionieren, kommunizieren oder aus einem ganz anderen beruflichen Hintergrund kommen. Dieses sogenannte Prinzip von „Neuer Arbeit“, in dem auch Selbstorganisation und Kommunikation eine wesentliche Rolle spielen, wird immer wichtiger. Heute wird all das aus meiner Sicht noch etwas unterschätzt – aber all diese Fähigkeiten bilden Schlüsselkompetenzen für die Zukunft.
Die Zukunft der Bildung und die Zukunft der Arbeitswelt sind eng miteinander verbunden. Welche Entwicklung und Herausforderung sehen Sie da?
Daheim: Bildung benötigen wir zum einen für uns selbst, also für unsere Entwicklung, aber auch für berufliche Zwecke. Man bildet sich demnach oft anhand dessen fort, was der Arbeitsmarkt sozusagen „einfordert“. Gleichzeitig beobachten wir in der Arbeitswelt den Trend von Automatisierung, Robotik, und künstlicher Intelligenz – hier werden Teile von Arbeit „ersetzt“ bzw. verändern sich, und Technologie durchdringt immer mehr Arbeitsbereiche. Da stellt sich natürlich die Frage: Was sind eigentlich die neuen Fähigkeiten und Anforderungen der Zukunft? Aus meiner Sicht – und das bestätigen viele Studien – wird das immer mehr die „urmenschlichen“ Fähigkeiten betreffen. Da geht es weniger um klassische Wissensvermittlung, sondern eher um solche Fähigkeiten, die eben erst einmal kein Algorithmus erfüllen kann. Beispiele sind es Fähigkeiten zur Empathie, zur Problemlösung oder kritisches Denken. Das können bisher eben nur Menschen.
Diese Querschnittsfähigkeiten werden deshalb immer wichtiger, auch aufgrund der Veränderungen am Arbeitsmarkt.
Wie könnten Interaktionen mit Menschen und technischen Hilfsmitteln in einer digitalisierten Lernwelt aussehen?
Daheim: Das ist ein durchaus interessantes Thema, hier sehen wir in den nächsten zehn Jahre auch aller Wahrscheinlichkeit nach einen schnellen und rapiden Wandel, weil sich die Technologie rasant weiter entwickelt. Wir haben heute immer so ein bisschen die Vorstellung, dass wir beim Lernen entweder Bücher bzw. Materialien auf Papier, oder Computer oder Tablett benötigen. Denkbar ist aber, dass wir in Zukunft gar nicht mehr immer über ein Gerät oder separates Medium gehen, sondern andere Formen wie zum Beispiel die Sprachsteuerung nutzen werden, um uns beispielsweise in virtuelle Lernräume zu begeben. Möglich sind auch sogenannte 3D-Räume fürs Lernen, die eingeblendet werden, um sich dort auszutauschen und Lerninhalte zu erarbeiten. Also eine viel angenehmere Form der Nutzung von Technologie, die es leichter macht, zusammenzuarbeiten, zu kommunizieren, und Zugang zu vielfältigen Lernmedien zu erhalten.
Wichtig ist hier, dass immer Aspekte wie Barrierefreiheit und Inklusion in der Technologieentwicklung mitgedacht werden müssen - gerade in Bezug auf Bildung. Die Leitlinie muss dabei sein, dass alle einfachen Zugang zu Bildung im gesamten Lebensverlauf und in allen Lebenssituationen haben.
Welche Vorteile bringt digitales Lernen mit sich? Und für wie wichtig halten sie in diesem Zusammenhang Medienbildung?
Daheim: Es gibt viele Vorteile, die eine digitalisierte Lernwelt mit sich bringt. Es ermöglicht einem beispielsweise individuelle Lerneinheiten, die weder an Zeit oder Ort gebunden sind. Man kann zudem selber bestimmen, wie man lernen möchte. Durch die Digitalisierung kommen sie mit Menschen, teilweise aus anderen Städten oder Regionen, oder gar Ländern zusammen und finden so auch ganz neue Lerngemeinschaften und Lernmethoden.
Anderseits muss aber auch in diesem Zusammenhang der kritische Umgang mit Medien mehr gefördert werden. Wie kann man Inhalte und Aussagen richtig einordnen? Dafür braucht es eine hohe Medienkompetenz. Ich würde es mir daher sehr wünschen, dass gerade auch Bildung im Bereich Medienkompetenz ein Zukunftsthema sein wird.
Diskutieren Sie mit: In der vierten Folge der Reihe „VORAUS:schau live“ spricht Cornelia Daheim und weitere Expertinnen und Experten am 24. Januar, ab 18Uhr, gemeinsam mit Ihnen über die Zukunft der Bildung – von neuen gesellschaftlichen Denkmustern über die Rolle von Faktenwissen bis zur fortschreitenden Digitalisierung.