Regierungspressekonferenz vom 17. Januar 2025

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Im Wortlaut Regierungspressekonferenz vom 17. Januar 2025

Themen
•    Termine des Bundeskanzlers
•    74. Delegiertentag des Deutschen Schaustellerbundes in Hamburg
•    Veranstaltung der Jüdischen Gemeinde Frankfurt anlässlich des 80. Jahrestags der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz
•    Weltwirtschaftsforum in Davos
•    Reise nach Paris
•    Veranstaltung des Internationalen Auschwitz Komitees anlässlich des 80. Jahrestags der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz
•    Festakt des Deutschen Fußball-Bundes anlässlich seines 125-jährigen Bestehens
•    Nahostkonflikt
•    Zahl der Beauftragten der Bundesregierung
•    Militärhilfen für die Ukraine
•    Verurteilung von drei Anwälten von Alexej Nawalny zu Haftstrafen
•    militärische Beziehungen zwischen Russland und dem Iran
•    Accounts der Bundesregierung in sozialen Medien
•    Informationen über den ehemaligen Regierungssprecher Felix von Eckardt auf der Webseite der Bundesregierung
•    mögliche Mitgliedschaft von Bundespolizisten in der AfD
•    mögliche Einstufung der AfD als gesichert rechtsextremistisch durch das Bundesamt für Verfassungsschutz
•    Diskussion über eine Erhebung von Sozialabgaben auf Zins- und Aktiengewinne
•    Lage zugewandereter Syrerinnen und Syrer in Deutschland
•    Selbstbestimmungsgesetz
•    Anschlag in Magdeburg im Dezember 2024

32 Min. Lesedauer

  • Mitschrift Pressekonferenz
  • Freitag, 17. Januar 2025

Sprecherinnen und Sprecher

  • stellvertretender Regierungssprecher Büchner

  • Wagner (BMWK)

  • Wetter (BMF)

  • Deschauer (AA)

  • Throm (BMUV)

  • Kall (BMI)

  • Beckfeld (BMJ)

  • Jobe (BMFSFJ)

 

(Vorsitzende Buschow eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt
SRS Büchner sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.)

SRS Büchner

Zu den Terminen des Bundeskanzlers:

Wir hatten Ihnen am vergangenen Freitag bereits die Termine des Kanzlers am morgigen Samstag beim 74. Delegiertentag des Deutschen Schaustellerbundes in Hamburg sowie am Sonntag bei der Veranstaltung der Jüdischen Gemeinde Frankfurt anlässlich der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz angekündigt.

Nun der Blick auf die kommende Woche:

Am Dienstag, den 21. Januar, wird der Bundeskanzler nach Davos reisen und gegen 14 Uhr eine Rede vor dem Plenum des Weltwirtschaftsforums halten. Die Rede wird vom Veranstalter, dem World Economic Forum, übertragen. Der Bundeskanzler wird den Besuch in Davos auch dazu nutzen, um sich bei einem gemeinsamen Gespräch mit internationalen Wirtschaftsvertreterinnen und ‑vertretern auszutauschen.

Der Bundeskanzler wird am kommenden Mittwoch, dem 22. Januar, nach Paris zu einem bilateralen Besuch zur Würdigung des Jahrestags des Élysée-Vertrages reisen. Vorgesehen sind ein Gespräch mit dem französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron und eine anschließende Pressebegegnung.

Am Donnerstag, dem 23. Januar, wird der Bundeskanzler ab 11 Uhr in der Landesvertretung Niedersachsen an der Veranstaltung des Internationalen Auschwitz Komitees ‑ IAK ‑ in Berlin anlässlich des 80. Jahrestags der Befreiung des KZ Auschwitz teilnehmen und eine Rede halten. Weitere Teilnehmende sind unter anderem der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil sowie der jüdisch-polnische Auschwitzüberlebende und IAK-Präsident Marian Turski.

Am Freitag, dem 24. Januar, wird der Bundeskanzler um 19 Uhr am Festakt des Deutschen Fußball-Bundes anlässlich seines 125-jährigen Bestehens teilnehmen und ein kurzes Grußwort halten. Der Festakt findet am Gründungsort des DFB in Leipzig statt und wird in der dortigen Kongresshalle ausgerichtet.

Soweit die Termine.

Frage

Fährt auch der Bundeswirtschaftsminister zum Weltwirtschaftsforum in Davos, und falls ja, was tut er dort?

An die anderen Ministerien: Fahren Ihre Minister und Ministerinnen eventuell auch dorthin?

Wagner (BMWK)

Auch der Bundeswirtschaftsminister wird nächste Woche von Mittwoch bis Donnerstag nach Davos reisen. Wir werden Sie noch ausführlich darüber informieren, was wir dort machen. Ich habe den genauen Ablaufplan gerade nicht da, aber der Minister wird dort unter anderem an einem Panel teilnehmen und auch viele bilaterale Gespräche mit Regierungsvertretern und auch Unternehmern führen.

Wetter (BMF)

Minister Kukies wird auch nach Davos fahren und dort auch bilaterale Gespräche mit Wirtschaftsvertretern führen.

Vorsitzende Buschow

Ansonsten habe ich, glaube ich ‑ ich schaue noch einmal ‑, nur Kopfschütteln wahrgenommen.

Frage

Herr Büchner, trifft Herr Scholz dann auch andere Regierungschefs? Zum Beispiel müsste, glaube ich, auch Herr Trump dann im Amt eine Rede in Davos halten.

SRS Büchner

Weitere Details zu dem Programm kann ich Ihnen bisher nicht nennen. Dort sind ja immer viele Wirtschaftsvertreter und sehr viele Regierungs- und Staatschefs anwesend; insofern kann ich das hier jetzt auch nicht ausschließen. Ich habe aber noch keine Details des Programms.

Frage

(zum Nahostkonflikt) Herr Büchner, der US-Außenminister Blinken sagte am Rande der Waffenstillstandsverhandlungen in Doha, die Hamas habe ihre personellen Verluste durch Neurekrutierungen zahlenmäßig komplett ausgleichen können. War der Bundesregierung bekannt, dass die Hamas so viele Neurekrutierungen verzeichnet, und wenn ja, ab wann?

SRS Büchner

Das kann ich für Sie hier leider nicht einordnen. Wir haben die Aussagen zur Kenntnis genommen, aber dazu haben wir keine entsprechenden Erkenntnisse.

Zusatzfrage

Der Bundeskanzler und die Außenministerin Baerbock haben wiederholt gesagt, man müsse die Hamas vernichten, und das diente im letzten Jahr ja maßgeblich als Legitimierung für das Töten von weit über 50 000 palästinensischen Menschen. Halten Sie es inzwischen für eine Fehleinschätzung, dass sich die Hamas durch das Werfen von Bomben und durch diese Gewalt vernichten lässt? Oder sehen Sie es als Versäumnis, dass man denjenigen, die dieses Narrativ kritisiert und gesagt haben, die Hamas lasse sich durch Bomben eben nicht vernichten, nicht mehr zugehört hat?

SRS Büchner

Ich glaube, ich kann Ihre Wortwahl jetzt nicht komplett nachvollziehen, aber ich glaube, die Haltung des Bundeskanzlers und der Bundesregierung in dieser Sache ist völlig klar. Der Bundeskanzler hat immer wieder betont, dass Israel ein Recht hat, sich nach dem fürchterlichen Terrorüberfall der Hamas zu verteidigen, aber dass dies auch im Rahmen des Völkerrechts geschehen muss. Wir haben uns hier auch immer wieder ausführlich dazu eingelassen ‑ vor allem auch die Kolleginnen und Kollegen des Auswärtigen Amts ‑, dass wir alle Beteiligten aufgefordert haben, schnell zu einer Waffenruhe und auch zu einer Befreiung der Geiseln zu kommen. Ich glaube, das ist eine völlig klare Haltung der Bundesregierung, und ich sehe nicht, dass da irgendwelche Widersprüche herrschen.

Frage

Frau Deschauer, zwei Länder, die eine wichtige Rolle bei den Verhandlungen gespielt haben, waren Katar und Ägypten. Sie haben diese Ländern gestern in der Erklärung explizit nicht erwähnt. Wie sehen Sie die Rolle dieser beiden Länder?

Amnesty International hat vor dem Hintergrund des Waffenstillstands gesagt, dass Israel wegen des Völkermords in Gaza zur Rechenschaft gezogen werden müsse. Die Kollegin hat es gerade erwähnt: Es gab über 50 000 Tote ‑ die tatsächlich Zahl ist wahrscheinlich wesentlich höher ‑, an die 10 000 sind noch unter den Trümmern. Sollte es jetzt eine internationale Untersuchung geben, damit Israel zur Rechenschaft gezogen werden kann?

Deschauer (AA)

Zu Ihrer zweiten Frage kann ich direkt darauf hinweisen, dass es laufende gerichtliche Verfahren vor dem Internationalen Gerichtshof gibt. Dort beschäftigen sich richterliche Stellen genau mit der Fragestellung, inwieweit Israel im Rahmen seines verbrieften Selbstverteidigungsrechts gehandelt hat, und auch Fragen, die hier adressiert wurden, werden dort behandelt. Insofern möchte ich mir Ihre Wortwahl und auch die Wortwahl von Amnesty International nicht direkt zu eigen machen, sondern möchte auf die laufenden Verfahren vor internationalen Gerichtshöfen hinweisen.

Zu Ihrer ersten Frage: Vielleicht muss man das noch einmal grundsätzlich einordnen. Wie Sie richtigerweise sagen, hat sich die Ministerin am Mittwoch geäußert. Wir sind jetzt an einem sehr wichtigen Moment, dem so viele entgegengefiebert haben ‑ insbesondere die Menschen in Gaza, aber auch die Menschen in Israel, deren Angehörige weiter als Geiseln verschleppt sind. Nach 15 Monaten ist dies ein Moment der Erleichterung. Wir fordern alle Beteiligten auf ‑ und es sieht ja im Moment gut aus ‑, dass alle Schritte unternommen werden, damit diese Vereinbarung nun auch umgesetzt werden kann. Insbesondere gebührt natürlich den internationalen Verhandlern ‑ das sind die Vereinigten Staaten von Amerika, aber natürlich auch Katar und Ägypten in ihrer Schlüsselrolle ‑ der Dank von uns allen. Wir haben dieses große Engagement seit geraumer Zeit unterstützt, haben immer wieder betont, dass diese Rolle entscheidend ist, und haben auch selbst durch viele Ansprachen in der Region, durch Reisen der Ministerin in der Region und durch Formate, die verschiedene Partner der Region und auch westliche Partner zusammengebracht haben, diesen Prozess flankiert.

Zusatzfrage

Frau Deschauer, Israel hat gesagt, es werde diesen Krieg weiterführen, wenn die Geiseln freigelassen worden sind. Das heißt, der Krieg wird weitergehen. Wie stehen Sie dazu?

Deschauer (AA)

Ich möchte erst noch einmal betonen, dass wir jetzt nach 15 Monaten in einem Moment sind, der eine Chance bietet, in eine neue Situation hineinzukommen ‑ in eine Situation, in der das Sterben in Gaza und das Leid der vielen Familien, Freunde und Angehörigen in Israel, die ihre Liebsten seit 15 Monaten vermissen, aufhört. Dieser Moment ist jetzt ganz entscheidend. Ich wiederhole noch einmal den Appell an alle, die Verantwortung tragen, diesen Vereinbarungen nun auch Folge zu leisten und sie umzusetzen. Sie wissen ja selbst ‑ ich möchte das hier jetzt nicht weiter ausführen ‑, dass das ein Stufenplan ist, ein Schritt auf dem Weg hin zu einer Möglichkeit eines dauerhaften Waffenstillstands. Dieser Weg ist jetzt geebnet. Es geht darum, dass die ersten Schritte erfolgreich gegangen werden und dass alle, die Verantwortung tragen, dann auch auf diesem Weg bleiben.

Frage

Frau Deschauer, wie viele deutsche Geiseln sind nach 15 Monaten noch dort? Gibt es immer noch Lebenszeichen? Werden diese Geiseln am Montag befreit, gibt es Informationen dazu?

Deschauer (AA)

Noch einmal als Einordnung: Sie werden verstehen, dass ich hier an dieser Stelle nicht auf Zahlen eingehen werde. Ich kann Ihnen nur noch einmal sagen: Es besteht jetzt nach langer Zeit zum ersten Mal die reelle Chance, dass Geiseln, die sich immer noch sich in den Händen der Hamas befinden, zu ihren Liebsten zurückkommen können. Darunter befinden sich auch Personen mit Deutschlandbezug. Wir hoffen natürlich inständig ‑ und sind dazu auch seit Beginn dieses furchtbaren Krieges im Gespräch mit allen Beteiligten ‑, dass auch Personen mit Deutschlandbezug wieder zu ihren Liebsten zurückkehren können.

Zusatzfrage

Können Sie eine Größenordnung nennen? Weniger als zehn, mehr als zehn?

Deschauer (AA)

Es gibt eine niedrige zweistellige Anzahl von Fällen mit Deutschlandbezug.

Frage

Herr Büchner, meine Frage haben Sie leider nicht beantwortet; vielleicht klappt es ja jetzt. ‑ Sowohl der Bundeskanzler als auch die Außenministerin sagen: Jetzt gibt es endlich einen Waffenstillstand. Es bleibt aber ein bisschen die Frage offen: Inwiefern hat die Bundesregierung im letzten Jahr konkret darauf hingewirkt bzw. inwiefern hatte die Bundesregierung damit Erfolg, darauf hinzuwirken, dass es zu einem baldigen Waffenstillstand kommt?

SRS Büchner

Das alles hat ja Frau Deschauer eben ganz ausführlich ausgeführt. Ich kann es aber gerne noch einmal sagen. Wie Sie wissen, waren wir jetzt nicht direkt an den Gesprächen in Doha beteiligt, aber Deutschland hat auf vielfältige Art und Weise durch viele Gespräche dazu beigetragen, dass unter anderem die humanitäre Hilfe verbessert werden konnte und dass die Gespräche nicht abgerissen sind. Insofern, glaube ich, ist das die Antwort, die Sie eigentlich schon kennen.

Zusatz

Ich erinnere mich ein bisschen anders an das letzte Jahr. Vielleicht haben Sie da Einsichten, die mir einfach fehlen, und vielleicht können Sie mich da auch noch einmal belehren. Ich erinnere mich, dass die Bundesregierung eigentlich ständig die israelische Regierung unterstützt hat, zum Beispiel mit immer weiteren Waffenlieferungen; aber auch vor dem IGH hat die Bundesregierung die israelische Regierung unterstützt und ihr den Rücken freigehalten. Die israelische Regierung hat diesen Waffenstillstand bzw. diesen Deal aber immer wieder torpediert.

SRS Büchner

Ich kann mir Ihre Einschätzung wirklich nicht zu eigen machen. Ich kann aber gerne noch einmal wiederholen: Grundsätzlich gilt, dass Israel völkerrechtlich verbriefte Recht hat, sich gegen die Angriffe von Hamas und Hisbollah zu verteidigen. Diese Selbstverteidigung muss den Bestimmungen des humanitären Völkerrechts entsprechend ausgeübt werden.

Die Bundesregierung weist auch weiter auf die Bedeutung der Einhaltung des humanitären Völkerrechts hin, sowohl bei direkten Gesprächen in Israel als auch öffentlich ‑ das haben wir immer wieder getan ‑, und wenn der Verdacht von Verstößen besteht, müssen diese Vorfälle untersucht werden. Auch das haben wir immer wieder gesagt. Das unterscheidet Israel ganz wesentlich von der Hamas. Mögliche Verstöße können in Israel untersucht und geahndet werden, bei einer Terrororganisation nicht.

Frage

Ich habe gestern in den Medien ‑ bei CNN und Co. ‑ gehört, dass der Außenminister gesagt hat, dass die USA kurz vor den Gesprächen bzw. kurz vor der Einigung andere Länder um Hilfe gebeten haben, zu vermitteln. Meine Frage ist: Wurde die Bundesregierung auch um Hilfe gebeten? Wenn ja, wie haben Sie Hilfestellung gegeben, damit sich die Hamas an den Verhandlungstisch setzt und kooperiert?

Deschauer (AA)

Vielen Dank für Ihre Frage. - Ich glaube, ich hatte schon etwas zu unserer Rolle auf dem Weg zu der großen Erleichterung, die wir jetzt, glaube ich, alle spüren, ausgeführt und gesagt, dass zum ersten Mal seit geraumer Zeit die Möglichkeit für einen Waffenstillstand und eine Geiselbefreiung besteht. Herr Büchner hatte das eben auch erwähnt. Sie wissen, dass die Bundesregierung nicht direkt an den Verhandlungen beteiligt ist und wir auch nicht im direkten Kontakt mit der Hamas stehen.

Die Äußerung, die Sie jetzt gerade erwähnen, kenne ich nicht. Ich kann mich noch einmal schlaumachen. Aber unsere Rolle ist doch sehr deutlich geworden, dass wir von Beginn an als Bundesregierung ‑ insbesondere die Außenministerin mit zahlreichen Reisen und Gesprächen vor Ort, aber auch hier in Deutschland ‑ den Prozess flankiert haben, frühzeitig genau die Forderungen gestellt haben, zu deren Erfüllung wir jetzt hoffentlich kommen, nämlich eine Einstellung von Kampfhandlungen und eine Freilassung der Geiseln. Wir haben ‑ vielleicht kann man das sagen ‑ auch insofern etwas auf den Weg gebracht, als es auch Formate gab, die sich erstmals getroffen haben ‑ arabische Partner mit westlichen Partnern ‑, die sich über die Schritte auf dem Weg dorthin und die Zukunft für Israel und die palästinensischen Gebiete intensiv ausgetauscht und beraten haben.

Frage

Ich hätte noch einmal eine Frage zu dem Statement des Bundeskanzlers zum Waffenstillstandsdeal. Da gibt es sehr viele bemerkenswerte Aspekte. Ich habe mich aber gefragt: Was macht denn aus Sicht des Bundeskanzlers aus einem Menschen, der übelste Gewalt an Zivilisten anwendet ‑ wie zum Beispiel die Hamas am 7. Oktober, aber auch IDF-Soldaten in Gazastreifen im gesamten letzten Jahr ‑, ein Monster oder einen Barbaren? Diese Wortwahl benutzt ja der Kanzler sehr oft.

SRS Büchner

Da sich der Bundeskanzler jetzt gerade vor wenigen Minuten noch einmal persönlich zu der ganzen Situation geäußert hat, bin ich jetzt hier nicht bereit, weitere Interpretationen von Begriffen vorzunehmen, sondern würde auf das verweisen, was der Bundeskanzler gerade selbst gesagt hat.

Zusatzfrage

Na ja, Sie sind ja dafür zuständig, in Bezug auf das, was der Bundeskanzler gesagt hat, hier auch noch einmal Fragen zu beantworten und zu vermitteln, und meine Frage ‑ ‑ ‑

SRS Büchner

Ich bin aber nicht dafür zuständig, irgendwelche Interpretationen vorzunehmen. Das ist Ihre Sache.

Zusatzfrage

Meine Frage bezog sich ja auf eine Wortwahl, die der Kanzler im vergangenen Jahr öfter benutzt hat. Deshalb spielt es auch eigentlich keine Rolle, ob er jetzt gerade auch noch einmal ein Statement abgegeben hat. Noch einmal die Frage: Wann benutzt der Kanzler den Begriff Monster oder Barbar für Menschen?

SRS Büchner

Ich glaube, dass das ein barbarischer Überfall war, den die Hamas im Oktober vor mittlerweile zwei Jahren begangen hat, und dass es eine völlig zulässige Beschreibung ist, dieses Handeln als barbarisch zu bezeichnen.

Frage

Die Diskussion um die Beauftragten der Bundesregierung scheint ja wieder ein bisschen Fahrt aufzunehmen. Dazu würde ich gerne erst einmal wissen, wie viele Beauftragte die Bundesregierung denn momentan eigentlich genau hat und warum eigentlich.

SRS Büchner

Ich glaube, Sie wissen, dass sich die Beauftragten der Bundesregierung um bestimmte Themen kümmern. Es gibt, wie Sie wissen, viele. Ich kann Ihnen die genaue Zahl nicht nennen, aber es sind eben auch viele wichtige Themen, derer sich die Bundesregierung noch einmal im Detail annimmt. Die Zahlen liefern wir Ihnen nach, wahrscheinlich auch noch im Laufe der Regierungspressekonferenz. Wir schauen gleich einmal.

Zusatzfrage

Ganz zentral in dem Kontext ‑ zumindest in der Diskussion, die von einigen aufgebracht wurde ‑ ist die Rolle des Ostbeauftragten der Bundesregierung. Nun ist die deutsche Einheit schon ein paar Tage her, als Datum zumindest. Ob sie vollendet ist, ist eine andere Frage. Aber ist dieses Amt in dieser Zeit denn tatsächlich noch angemessen und richtig? Es gibt die Ostbeauftragten inzwischen fast so lange, wie es die Mauer gab.

SRS Büchner

Ja ‑ ich glaube, das wurde auch schon beantwortet ‑, wir halten die Rolle des Ostbeauftragten für sinnvoll.

Frage

Ich hätte eine Frage an das Bundesfinanzministerium. Es gibt ja offenbar eine grundsätzliche oder eine prinzipielle Mehrheit im Bundestag für ein Waffenhilfspaket für die Ukraine mit einem Umfang von drei Milliarden Euro. Umstritten ist nur die Finanzierung. Der Kanzler sagt, dazu solle die Schuldenbremse ausgesetzt werden. Die anderen Parteien sagen, nein, das gehe auch ohne Schuldenbremse. Wie ist das aus Ihrer Sicht? Sehen Sie da Handlungsbedarfe für die Ministerien?

Wetter (BMF)

Vielen Dank für Ihre Frage. - Erst einmal: Grundsätzlich können auch jetzt, in der vorläufigen Haushaltsführung, Ausgaben geleistet werden, die zur Wahrung wesentlicher Interessen des Staatswohls unabweisbar sind. In dem jetzt vorgebrachten Fall kann das Ressort einen Antrag beim BMF nach Artikel 112 GG stellen, wenn der Mehrbedarf nicht anderweitig aus dem Einzelplan gedeckt werden kann und sachlich sowie zeitlich unabweisbar ist.

Bezüglich der aktuellen Frage der Ukraineunterstützung läuft eine politische Debatte, im Rahmen derer der Bundeskanzler einen Vorschlag vorgebracht hat. Das ist eine politische Debatte, zu der wir uns nicht äußern.

Zusatzfrage

Ist es denn vorstellbar ‑ es wird ja jetzt gerade der Schlussstrich unter den Haushaltsvollzug 2024 gezogen ‑, dass da vielleicht drei Milliarden übrig geblieben sind, die nicht verausgabt wurden?

Wetter (BMF)

Der vorläufige Jahresabschluss 2024 wird voraussichtlich in ein paar Tagen vorgestellt werden. Diesbezüglich würden wir dann an gegebener Stelle kommunizieren.

Auch zum vorläufigen Jahresabschluss noch einmal grundsätzlich eine Einordnung: Eigentlich war ja vorgesehen, im Rahmen des Entwurfs des Nachtragshaushalts 2024 die Rücklage in einem gewissen Umfang zu schonen. Wie wir jetzt alle wissen, ist dieser Nachtragshaushalt nie verabschiedet worden. Ich weiß, unser Minister hatte sich dazu auch geäußert und hatte gesagt, eventuell sei im Rahmen des vorläufigen Jahresabschlusses eine Schonung der Rücklage möglich. Dazu nur der Hinweis: Die Schonung der Rücklage war auch schon in dem Nachtragshaushalt oder in dem Entwurf zum Nachtragshaushalt 2024 vorgesehen. Das, was jetzt im Rahmen des vorläufigen Jahresabschlusses vorgestellt werden kann, entspricht nur dem, ob diese Schonung der Rücklage, wie sie eigentlich eingeplant und im Haushaltsaufstellungsverfahren auch schon vorgesehen war, so umgesetzt werden kann oder ob es eher noch einen größeren Handlungsbedarf für den Haushalt oder für die Haushaltsaufstellung gibt.

SRS Büchner

Dann könnte ich noch kurz etwas ergänzen. Sie finden die vollständige Liste der Beauftragten der Bundesregierung, der Bundesbeauftragten sowie der Koordinatoren und Koordinatorinnen der Bundesregierung auf einer Webseite des BMI. Diese Liste enthält 45 Positionen, wobei das nicht 45 unterschiedliche Personen sind, weil einige Dinge ja auch von Ministern und Staatssekretären in Personalunion erledigt werden. Zum Beispiel ist der Beauftragte für die Nachrichtendienste des Bundes ja dann in Personalunion der Kanzleramtsminister Wolfgang Schmidt etc. Die vollständige Liste finden Sie also auf der Seite des BMI, die wir Ihnen auch gerne schicken können.

Frage

Es sind drei Anwälte von Alexej Nawalny zu langjährigen Haftstrafen verurteilt worden, zu dreieinhalb bis fünf Jahren Haft. „Wegen Mitgliedschaft in einer extremistischen Vereinigung“, war die Formulierung. Was ist die Haltung der Bundesregierung dazu? Was ist die Reaktion darauf?

Deschauer (AA)

Vielen Dank. Ich kann es vielleicht noch einmal etwas grundsätzlicher einordnen: Wie kaum ein anderer stand Alexej Nawalny für die Hoffnung auf ein demokratisches Russland, auf ein anderes Russland, und wir alle wissen, dass er deswegen im Straflager in Russland sterben musste. Die russischen Behörden sind für seinen Tod verantwortlich. Die politisch motivierten Verfahren gegen Alexej Nawalny sowie gegen zahlreiche Kritiker der russischen Regierung und die unmenschlichen Haftbedingungen zeigen, wie brutal die russische Regierung und Justiz gegen Andersdenkende vorgehen. Das verurteilen wir aufs Schärfste, und das haben wir auch immer getan, und fordern im Grundsatz ausdrücklich die Freilassung aller in Russland aus politischen Gründen inhaftierten Personen. Die Verurteilung von Nawalnys Anwälten, die Sie jetzt ansprechen, ist insofern in diesem System der Repression keine Überraschung, aber leider ein weiterer trauriger Tiefpunkt.

Zusatzfrage

Wird sich die Ministerin dazu auch noch äußern?

Deschauer (AA)

Ich habe mich jetzt an dieser Stelle erst einmal für die Bundesregierung geäußert. Alles Weitere entnehmen Sie dann unserer Kommunikation, wie üblich. Ich glaube, diese Position gilt für die Bundesregierung sehr klar.

Ich möchte noch eine Ergänzung machen, entschuldigen Sie bitte: Ich sehe gerade, dass sich unsere Menschenrechtsbeauftragte, Luise Amtsberg, auf dem Portal Bluesky geäußert hat. Insofern gibt es für die Bundesregierung hier eine weitere Positionierung.

Frage

Ich habe zwei Themen, aber ich fange einmal mit Frau Deschauer an. Mich würde interessieren, wie das Auswärtige Amt die Beziehungen zwischen Russland und dem Iran einschätzt. Heute wird ja in Moskau oder wurde schon ein großes Militärabkommen unterzeichnet. Wie bewerten Sie diese Vertiefung der militärischen Beziehungen zwischen den zwei Ländern? Sehen Sie unter anderem die Gefahr, dass zum Beispiel jetzt nicht nur nordkoreanische Soldaten, sondern auch iranische Soldaten in den Krieg gegen die Ukraine eintreten oder dass Russland den Iranern eventuell bei dem Atomprogramm des Iran helfen könnte?

Deschauer (AA)

Ich habe Einzelheiten des von Ihnen erwähnten Abkommens noch nicht analysieren können oder analysiert. Deswegen sage ich in ganz grundsätzlicher Art: Die Bundesregierung betrachtet die Rolle Irans in der Region natürlich sehr kritisch, auch die Tatsache, dass Russland sich zur Unterstützung seines Angriffskriegs gegen die Ukraine auf vielfältige Art und Weise ‑ sie sprachen Nordkorea an ‑ Unterstützung von Terrorhelfern sucht. Das hat die Bundesregierung hier und auch, glaube ich, schriftlich schon an verschiedenster Stelle deutlich verurteilt. Insofern ist das auch im Grundsatz die Position, die weiter gilt.

Frage

Ein neues altes Thema, aber nachdem jetzt gerade schon auf den Bluesky-Account von Frau Amtsberg verwiesen wurde, wollte ich dann noch einmal nachfragen, nachdem das BMVG und die Bundeswehr sich jetzt von X zurückgezogen haben: Gibt es weitere Ministerien, die für sich beschlossen haben, dass sie auf diesem Portal keine Zukunft für sich sehen?

Vorsitzende Buschow

Sie wissen ja, es ist immer schwierig, alle gleichzeitig zu fragen.

Zusatz

Ich habe sie alle ganz gut im Blick. Ich sehe keine Zuckungen, wenn ich das gerade richtig sehe.

Vorsitzende Buschow

Dem würde ich mich anschließen.

Zusatz

Dann ist das so.

Frage

Gestern wurde ja nachgeliefert, wer von den Ministerien auf X nicht mehr dabei ist oder dort bleibt. Mir ist aufgefallen, dass das Bundesministerium für Umwelt- und Verbraucherschutz auch nicht mehr auf X ist. Mir ist vielleicht im Unterschied zum Verteidigungsministerium irgendein Kommentar dazu entgangen. Könnte der jetzt vielleicht nachgeliefert werden?

Throm (BMUV)

Es ist richtig: Das BMUV kommuniziert derzeit nicht aktiv auf der Plattform X, sondern wir priorisieren zum Beispiel zugunsten von Bluesky und anderen Plattformen. Wir hatten uns dazu auf Medienanfragen auch schon geäußert. Es gab ja auch auf Wunsch in der vergangenen Woche oder in dieser Woche eine Abfrage durch das Bundespresseamt, bei der wir ja auch entsprechend dem, worauf Sie sich beziehen, informiert und gesagt haben, wie wir das im Moment handhaben.

Zusatzfrage

Können Sie sagen, seit wann und warum es keinen Auftritt auf X mehr gibt?

Throm (BMUV)

Seit etwa Ende vergangenen Jahres nutzen wir zunehmend andere Plattformen. Denn es hat sich gezeigt, dass der sachliche Austausch gerade auf der Plattform X zunehmend erschwert wird. Für einen solchen Austausch über Inhalte und Fakten, der ja sehr, sehr wichtig ist, gibt es andere Plattformen, und diese nutzen wir, um über unsere Arbeit zu informieren.

Frage

Ich habe gerade nachgeschaut und bin etwas irritiert. Das BMUV hat zuletzt am 13. Januar zum schönen Thema der Schwammstädte über X kommuniziert. Das ist noch nicht so lange her.

Ist es eine aktuelle Veränderung bei Ihnen, dass Sie sagen: „Jetzt, in diesem Moment haben wir beschlossen, dass das aus unserer Sicht nicht mehr der Kanal ist“, und warum haben Sie es nicht auf Ihrem X-Account angekündigt?

Throm (BMUV)

Zur Präzisierung: Seit etwa Ende des Jahres versuchen wir, für Inhalte verstärkt andere Plattformen zu nutzen und das auf X dementsprechend derzeit ruhen zu lassen und dort nicht aktiv zu kommunizieren, sondern auf anderen Kanälen.

Frage

Frau Throm, hat das irgendetwas mit Elon Musk zu tun?

Throm (BMUV)

Es hat natürlich grundsätzlich auch damit zu tun, dass man gemerkt hat, dass sich die Diskursform und die Art und Weise, wie der Austausch dort stattfindet, in der vergangenen Zeit sehr stark verschoben hat. Weil es sehr wichtig ist, dass es auch auf solchen Plattformen einen Austausch gibt, dass sich die Menschen tatsächlich über Inhalte und Fakten informieren können, weil es sehr wichtig ist, dass dieser Austausch gewährleistet ist, schaut man dementsprechend, dass wir jetzt andere Mittel und Medien dafür nutzen.

Frage

Wenn ich mich richtig erinnere, dann haben Sie geschrieben, es sei pausiert. Das heißt, Sie haben sich nicht komplett zurückgezogen. Was muss erfüllt sein, damit Sie dort wieder aktiv kommunizieren?

Throm (BMUV)

Das werden wir sehen. Wie ich gerade schon dargestellt habe, geht es vor allem darum, dass es den sachlichen Austausch gibt, dass es tatsächlich einen Mehrwert gibt, auf solchen Plattformen zu kommunizieren, nicht nur für uns, sondern auch für weitere Nutzerinnen und Nutzer, die sich informieren wollen und für die die sozialen Medien mittlerweile wirklich eine sehr wichtige Quelle sind, um Informationen einzuholen. Daher die Entscheidung, dass wir im Moment andere Plattformen nutzen.

Frage

Herr Büchner, meine Frage bezieht sich direkt auf das Bundespresseamt. Vergangene Woche habe ich nachgefragt, warum auf der Webseite des Bundespresseamts nichts über die NS-Vergangenheit des Regierungssprechers Felix von Eckardt steht. Daraufhin wurde die Webseite geändert und folgende Anmerkung hinzugefügt:

„Einige der Regierungssprecher der frühen Bundesrepublik haben bereits unter dem Nationalsozialismus gelebt, gearbeitet … Der erste Regierungssprecher Felix von Eckardt beispielsweise schrieb Drehbücher für Filme in dieser Zeit.“

Nun schrieb von Eckardt nicht für irgendwelche Filme in dieser Zeit, sondern dezidiert für NS-Propagandafilme, die heute nicht mehr öffentlich gezeigt werden dürfen, und hat dafür sogar einen Preis von Goebbels Ministerium bekommen.

Warum fällt es so schwer, Überschneidungen im Bundespresseamt klar zu benennen für die Aufarbeitung der NS-Vergangenheit?

SRS Büchner

Das fällt überhaupt nicht schwer. Wir beschäftigen uns damit. Weitere Informationen dazu müsste ich Ihnen nachliefern.

Zusatz

Ihre Kollegen hatten mir gesagt, man habe dazu eine Studie an der Uni Potsdam in Auftrag gegeben, und nachdem man das ausgewertet habe, könne man gegebenenfalls mehr dazu sagen. Nun gibt es aber schon eine rund 500-seitige Studie von zwei Historikern. Sie heißt „Kontaktzone Bonn“ ‑ ich kann sie sehr empfehlen ‑, die sogar von der Beauftragten für Kultur und Medien finanziert wurde. Darin steht all das schon. Wenn man sich über von Eckardt nicht in einer so langen Studie informieren will, dann findet man das auch bei Wikipedia.

SRS Büchner

Es gibt in keiner Art und Weise eine Scheu davor, sich im Bundespresseamt mit diesem Thema auseinanderzusetzen, auch nicht in anderer Hinsicht. Wir haben demnächst intern eine Veranstaltung ‑ zu ihr sind auch Sie herzlich eingeladen ‑ zur Geschichte von Theodor Haubach, nach dem, wie Sie wissen, unser größter Sitzungssaal im Bundespresseamt benannt ist.

Sobald wir dazu mehr sagen können, werden wir es gern tun.

Frage

Herr Kall, in sozialen Medien kursiert die Meldung, dass die Bundesinnenministerin AfD-Mitglieder in der Bundespolizei aus dem Dienst entfernen wolle. Die AfD-Vorsitzende, Frau Weidel, spricht von politischen Säuberungen. Was sagt das Innenministerium dazu?

Kall (BMI)

Ich kann ganz klar sagen, dass das nicht richtig ist. Das Bundesinnenministerium hat gegenüber der Bundespolizei auf die Beschlusslage der IMK und auf die Rechtslage, was im Disziplinarrecht gilt, hingewiesen. Dabei indiziert eine Mitgliedschaft in einer als gesichert rechtsextremistisch eingestuften Partei Zweifel an der beamtenrechtlichen Verfassungstreue. Das heißt, es ist möglich, Disziplinarverfahren zu führen, aber es gibt keinerlei Automatismus, sondern es ist immer eine Frage des Einzelfalls und auch dessen, wie sehr sich der betreffende Beamte in einer als gesichert rechtsextremistisch eingestuften Partei betätigt, also welche Art von aktiver Betätigung es dort gibt. Auch alle anderen Umstände des Einzelfalls spielen eine Rolle. Insofern gibt es keine generelle Erlasslage und keine generellen Entscheidungen, sondern wenn sich jemand in einer gesichert rechtsextremistischen Partei engagiert, dann kann es ein Disziplinarverfahren geben. Das ist aber kein Automatismus, das muss nicht sein. Das ist schlichtweg ein Hinweis auf die Rechtslage.

Zusatzfrage

Aber die Gesamtpartei ist doch noch gar nicht als gesichert rechtsextremistisch eingestuft, oder?

Kall (BMI)

Dann kommt es auf die Mitgliedschaft in einzelnen Landesverbänden an. Einige Landesverbände sind von den jeweiligen Landesämtern für Verfassungsschutz als gesichert extremistisch eingestuft.

Frage

Ich würde gern versuchen, das nachzuvollziehen. Die Einstufung der jeweiligen Landesverbände ist Sache der Landesbehörden. Inwieweit ist das für die Bundespolizei überhaupt verpflichtend, einschlägig oder Ähnliches?

Kall (BMI)

Auch ein Bundesbeamter kann Mitglied in einer gesichert extremistischen Landesorganisation einer Partei sein. Wie gesagt, indiziert das einen Verstoß gegen die Verfassungstreuepflicht. Aber es gibt keinerlei Automatismus, dass daraus auch disziplinarrechtliche Konsequenzen folgen. IMK-Beschlusslage und Rechtslage ist, wie gesagt, dass ein Disziplinarverfahren möglich ist. Aber es kommt auf alle Umstände des Einzelfalls an, und man kann keineswegs alle Fälle über einen Kamm scheren.

Zusatzfrage

Heißt das aber, dass die entsprechenden Einstufungen seitens der Landesämter für Verfassungsschutz auch für die Bundespolizei als Indiz zu werten sind? Könnte das bei einem Bundespolizisten eine Rolle spielen, der beispielsweise in Gera sitzt und dort Mitglied der AfD ist?

Kall (BMI)

Das Disziplinarrecht gilt allgemein für Beamtinnen und Beamte. Insofern geht es keineswegs nur um die Bundespolizei. Es kommt auf die Organisation an, in der jemand Mitglied ist. Bei einer gesichert rechtsextremistischen Organisation, die von den jeweiligen Landesämtern für Verfassungsschutz so bewertet ist, und einer aktiven Betätigung ‑ nicht nur einer Mitgliedschaft, sondern wirklich einer aktiven Betätigung ‑ kann das, wie gesagt, einen Verstoß gegen die Verfassungstreuepflicht bedeuten.

Aber noch einmal: Das ist kein Automatismus. Es ist in jedem Einzelfall ein Verfahren zu führen. Natürlich besteht dagegen Rechtsschutz. Also gibt es keineswegs sozusagen durchweg für Mitglieder einer bestimmten Organisation disziplinarrechtliche Konsequenzen. Das wäre im Rechtsstaat auch gar nicht möglich. Es geht immer um den Einzelfall und um das einzelne Verfahren.

Frage

Nur um es zu verstehen: Die reine Mitgliedschaft würde nicht ausreichen, oder?

Kall (BMI)

Nach der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte, soweit ich weiß, nicht. Es geht um eine aktive Betätigung in einer gesichert rechtsextremistischen Organisation.

Zusatzfrage

Welches Ausmaß müsste diese aktive Betätigung annehmen?

Kall (BMI)

Deswegen sage ich das. Im Disziplinarrecht geht es immer um den Einzelfall. Was disziplinarrechtliche Konsequenzen durch die Behörden selbst angeht, aber natürlich auch, wenn sich Gerichte das anschauen, gibt es natürlich Rechtsschutz. Daher kann man die Fälle nicht verallgemeinern.

Frage

Ich stelle nur der guten Form halber noch die Frage: Was die Einstufung der AfD-Bundespartei angeht, gibt es Ihrerseits keine Neuigkeiten, oder?

Kall (BMI)

Diesbezüglich gibt es keinen neuen Stand. Die Bundesinnenministerin mischt sich darin auch nicht ein, sondern das ist Sache des Bundesamts für Verfassungsschutz, das über die Einstufung entscheidet, wenn die Erkenntnislage so gesichert ist, dass es eine Veränderung geben kann. Im Moment ist ‑ das ist auch durch das Oberverwaltungsgericht Münster gerichtlich bestätigt ‑ die AfD als Gesamtpartei als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuft. Wenn es daran Änderungen gibt, dann wird sie das Bundesamt für Verfassungsschutz vornehmen und darüber auch informieren.

Frage

Wirtschaftsminister Habeck hat gefordert, Sozialabgaben auch auf Zins- und Aktiengewinne zu erheben. Die OECD hat sich hinter den Vorschlag gestellt. Fühlt sich Herr Habeck dadurch bestätigt?

Wagner (BMWK)

Sie wissen wahrscheinlich, dass er diese Aussage nicht als Wirtschaftsminister gemacht hat, sondern in seiner Rolle als Spitzenkandidat einer Partei in der Bundestagswahl. Dort würde ich die Debatte belassen wollen.

Zusatzfrage

Heißt das, dass das Ministerium anderer Meinung ist?

Wagner (BMWK)

Sie sind ein erfahrener Mann und wissen, dass ich das damit auf keinen Fall behauptet habe. Ich habe dazu gar keine Kommentierung vorgenommen. Wenn ich etwas nicht kommentiere, dann bestätige ich es nicht und dementiere es auch nicht, sondern ich lasse mich dazu überhaupt nicht ein.

Frage

An das BMI: Es geht noch einmal um die Frage, wo der Prozess bezüglich der Frage, ob man syrischen Menschen mit unsicherem Aufenthaltsstatus ermöglicht, jetzt nach Syrien zurückzureisen, ohne dass sie diesen Aufenthaltsstatus verlieren, gerade steht. Ihr Kollege hat dazu schon am Montag etwas gesagt. Aber ich bin immer noch nicht ganz schlau daraus geworden. Wo steht dieser Prozess gerade? Welche konkreten Optionen werden überhaupt in Erwägung gezogen? Vor allem: Wann können Menschen, die jetzt wirklich darum bangen, dass sie wieder zurück nach Syrien können, um kranke Angehörige zumindest noch einmal zu sehen oder Familienmitglieder, die sie seit 14 Jahren nicht sehen konnten, damit rechnen, dass sich in dieser Frage etwas bewegt?

Kall (BMI)

Mein Kollege, der das am Montag hier schon erläutert hat, bin in dem Fall ich. Der Stand ist genau so, wie am Montag erläutert. Das Bundesinnenministerium möchte gemeinsam mit dem BAMF kurzfristige Reisen nach Syrien ermöglichen, mit einer begrenzten Zeitdauer und der Pflicht, sie bei der Ausländerbehörde anzumelden, damit sich Menschen einen unmittelbaren Eindruck machen können, ob Verwandte noch leben, ob Häuser noch stehen, ob es eine Lebensgrundlage und eine Grundlage dafür gibt, dort wieder in Sicherheit leben zu können. Aus unserer Sicht ist es eine notwendige Voraussetzung, damit freiwillige Rückkehr in größerem Umfang gelingen kann, dass Menschen in der syrischen Gemeinschaft, zwar nicht alle, aber wenigstens manche, sich einen unmittelbaren Eindruck verschaffen können.

Deswegen wird es diese Erleichterung geben, und zwar, wie gesagt, unter strengen Voraussetzungen: nur kurzfristig und mit einer Anmeldepflicht. Darüber, unter welchen Bedingungen das möglich ist, wird sicherlich in Kürze informiert werden.

Zusatzfrage

Dafür gibt es verschiedene Modelle, zum Beispiel das türkische Modell, wonach eine Person in der Familie quasi einmal zurück nach Syrien und dann wieder zurück in die Türkei darf. Dann gäbe es das Modell, das zum Beispiel PRO ASYL jetzt fordert, wonach man Menschen unlimitiert hin und her pendeln lässt. Wo sehen Sie das sinnvollste Modell?

Kall (BMI)

Ich habe schon gesagt, dass es natürlich strenge Voraussetzungen geben muss, das heißt, keine Vielzahl von Reisen, eine begrenzte Zeit, Anmeldepflicht bei den Ausländerbehörden. Es geht wirklich darum, freiwillige Rückkehr dadurch zu ermöglichen, dass sich Menschen einen unmittelbaren Eindruck machen, und nicht darum, irgendeine Art von Pendelverkehr zu ermöglichen. Die Voraussetzungen werden also streng sein, aber es wird ermöglicht werden, ohne dass Menschen wegen einer einmaligen Reise nach Syrien zu dem Zweck, eine freiwillige Rückkehr vorzubereiten, den Schutzstatus verlieren.

Frage

Es gibt den Fall eines Menschen, eines Rechtsextremisten ‑ viele sprechen auch von einem Neonazi ‑, gegen den momentan ein Strafverfahren läuft und der sich nach dem Selbstbestimmungsgesetz nun zur Frau erklärt hat. Inwieweit erachtet die Bundesregierung ‑ ich vermute, dass das BMJ dafür zuständig ist ‑ solche Fälle für problematisch, oder muss die Gesellschaft mit ihnen einfach leben?

Beckfeld (BMJ)

Federführend zuständig für das Selbstbestimmungsgesetz ist das BMFSFJ. Ich weiß nicht, ob die Kolleginnen und Kollegen etwas dazu sagen wollen.

Jobe (BMFSFJ)

Vielen Dank, für die Frage. Wir hatten das Thema des Selbstbestimmungsgesetzes schon im November, als es in Kraft getreten ist, hier in der Bundespressekonferenz diskutiert. Ich kann mich zu dem Einzelfall hier natürlich nicht äußern. Aber wenn Sie mögen, kann ich ganz grundsätzlich noch einmal etwas dazu sagen, nämlich, dass es auch einiges zu beachten gilt, wenn volljährige Personen die Änderung ihres Geschlechtseintrags und auch ihres Vornamens vornehmen möchten. Dazu gehört, dass man gegenüber dem Standesamt eine Erklärung abgibt. Es ist wichtig, dass diese Erklärung persönlich abgegeben wird. Die Person muss versichern, dass der gewählte Geschlechtseintrag bzw. die Streichung des Geschlechtseintrags ihrer Geschlechtsidentität am besten entspricht und dass sie sich der Tragweite der bewirkten Folgen bewusst ist.

Zusatzfrage

Ich würde dann doch auch das BMJ noch mit ins Boot holen. Denn am Ende geht es ja auch um die Frage, wie das alles in solchen Fällen geregelt werden kann. Hier geht es um einen Menschen, der dieses Gesetz offenkundig missbraucht. Im Fall der Wehrgerechtigkeit beispielsweise, gibt es eine Kurzfristigkeitsregel. Wer sich im Spannungs- oder Verteidigungsfall kurzfristig zur Frau erklärt, um dem Wehrdienst zu entgehen, dessen Ummeldung ‑ formulieren wir es vorsichtig ‑ kann rückgängig gemacht werden. Warum gibt es eine solche Regelung nicht, wenn es um strafprozessuale Maßnahmen geht?

Kall (BMI)

Das BMI ist bei diesem Gesetz nicht federführend und schon gar nicht hinsichtlich seiner Umsetzung. Ich nehme an, das sind Landes- oder kommunale Behörden. Insofern müssen sie sich hinsichtlich des Falls dorthin wenden und hinsichtlich des Gesetzes an die federführenden Ressorts.

Zusatzfrage

Gibt es irgendein Ministerium, das etwas dazu sagen kann? Am Ende bleibt es ja ein Bundesgesetz.

Beckfeld (BMJ)

Ich kann hinsichtlich des Strafvollzugs etwas ergänzen. Darum ging es ja, denke ich, in dem von Ihnen konkret angesprochenen Fall. Wie gesagt, ist auch Strafvollzug Ländersache. Auch die Gesetzgebungskompetenz für den Strafvollzug liegt erst einmal bei den Ländern.

Allgemein kann ich sagen, dass sich die Länder beim Umgang mit transsexuellen, intersexuellen und nicht binären Gefangenen nicht allein am Geschlechtseintrag der betreffenden Person orientieren müssen. Das Grundgesetz und auch die Fürsorgepflicht der jeweiligen Haftanstalt verlangen, dass bei der Unterbringung die Sicherheitsinteressen und Persönlichkeitsrechte aller Strafgefangenen berücksichtigt werden. Mehrere Bundesländer haben schon Regelungen geschaffen, die sich speziell auf die Unterbringung von transgeschlechtlichen Personen beziehen.

Frage

Herr Kall, wir wissen inzwischen, dass der Attentäter von Magdeburg über hundert Mal auffällig wurde. Frau Faeser sagt aber, der Bund sei dafür überhaupt nicht zuständig. Man vermeidet das Wort „Terroranschlag“. Warum war das kein Terroranschlag?

Kall (BMI)

Ich muss das, denke ich, etwas sortieren. Für eine Einstufung als Terroranschlag geht es auch um die Motivation des Täters. Hatte er eine terroristische Motivation? Dann hätte der Generalbundesanwalt das Verfahren übernommen und wären die Bundesbehörden federführend in den Ermittlungen. Das ist bisher nicht geschehen. Zu dieser Art der Einstufung müssten Sie sich an die Generalstaatsanwaltschaft Naumburg wenden, die die Ermittlungen für das Land Sachsen-Anhalt führt, oder an den Generalbundesanwalt. Das sind juristische Bewertungen. Das hat die Bundesinnenministerin nur wiedergegeben; es ist aber nicht ihre eigene Bewertung.

Was die Rolle der Bundesbehörden angeht, hat das Bundeskriminalamt eine ausführliche Chronologie erstellt. Im Moment umfasst sie 105 Einträge, in welcher Form verschiedenste Behörden aus sechs Bundesländern, verschiedenste Bundesbehörden und die Justiz in mehreren Bundesländern seit 2006 mit dem späteren Attentäter zu tun hatten, durch Strafanzeigen, die er entweder selbst erstattet hat oder die gegen ihn erstattet worden sind, durch Gerichtsverfahren, durch verschiedenste Eingaben des späteren Täters. Insofern ist das Bundeskriminalamt weiterhin an den Ermittlungen beteiligt, unterstützt Sachsen-Anhalt und hat diese umfassende Chronologie gestern dem Innenausschuss vorgelegt, damit darüber vollständige Transparenz herrscht. Das wird weiter verfolgt, und es können noch Einträge hinzukommen. Insofern sind die Bundesbehörden beteiligt. Aber im Lead ist das Land Sachsen-Anhalt, und zwar auch deshalb, weil der Generalbundesanwalt das Verfahren nicht übernommen hat.

Zusatzfrage

Können Sie erklären, was der Unterschied zu einem Terroranschlag ist? Wenn man sich die Situation anschaut, das, was er getan hat und was er vorher auch ankündigte, dann muss man feststellen, dass das sehr gut ins Bild eines Terroranschlags passt: der Wille, Terror zu verbreiten, mit Gewalt.

Unter manchen verbreitet sich ein bisschen das Gefühl, dass Frau Faeser damit quasi die Verantwortung von sich weisen will. Könnten Sie dazu vielleicht ‑ ‑ ‑

Kall (BMI)

Wenn Sie die Statements von Frau Faeser nach dem Anschlag in Magdeburg, nach der Sitzung des Innenausschusses am 30. Dezember und nach der Sitzung des Innenausschusses gestern gehört haben, dann ergibt sich dieser Eindruck ganz bestimmt nicht. Die Bundesbehörden sind sehr aktiv an der Aufklärung. Frau Faeser hat gestern auch begrüßt, dass ‑ das hat der Bundesjustizminister eingeleitet ‑ die Opfer dieselbe Entschädigung bekommen sollen, unabhängig von der Einordnung der Tat. Diese Einordnung ist Sache der Justizbehörden, der Staatsanwaltschaften. Deswegen wäre meine Bitte, dass Sie sich mit der Frage, warum er das Verfahren nicht übernommen hat und wie die Tatmotivation des Täters bisher eingeordnet wird, an den Generalbundesanwalt bzw. an die Generalstaatsanwaltschaft in Naumburg wenden.