Regierungserklärung von Kanzler Scholz
„Ohne Sicherheit kann es keine Freiheit und keinen Wohlstand geben“, sagt Kanzler Scholz im Bundestag. Deutschland habe die Kraft dazu, Sicherheit zu gewährleisten. In seiner Regierungserklärung vor dem Europäischen Rat und dem NATO-Gipfel skizzierte er, wie wir mit unseren Partnern zusammenarbeiten – und warum eine starke Rolle Europas wichtig ist.
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Die wichtigste Aufgabe jedes Staates sei es, für die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger zu sorgen, so Bundeskanzler Scholz bei seiner Regierungserklärung.
Foto: Bundesregierung/Schacht
„Die wichtigste Aufgabe jedes Staates, jeder Gesellschaft besteht darin, für die Sicherheit ihrer Bürgerinnen und Bürger zu sorgen. Denn ohne Sicherheit kann es keine Freiheit und keinen Wohlstand geben“, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz am Donnerstag in seiner Regierungserklärung im Vorfeld des Europäischen Rats.
Der Bundeskanzler versicherte der Ukraine erneut die volle Unterstützung der Bundesregierung „mit aller Kraft und vor allem: so lange, wie nötig“. Darüber hinaus übernehmen wir „eine deutlich aktivere Rolle beim Schutz unseres Bündnisgebiets und unserer Freunde in der NATO“ und „legen die Grundlagen für ein geopolitisch handlungsfähiges Europa.“ Olaf Scholz betonte, dass die Bundesregierung alles tun wird, „was notwendig ist, um die Sicherheit unseres Landes gegen jede Bedrohung zu schützen.“
„Auf Deutschland ist Verlass“
Diese Prioritäten hat die Bundesregierung in der vergangenen Woche in der Nationalen Sicherheitsstrategie, die erste in der Geschichte der Bundesrepublik, festgeschrieben. Mit der Nationalen Sicherheitsstrategie zeigen wir „unseren europäischen und internationalen Freunden und Verbündeten: Auf Deutschland ist Verlass“, so der Kanzler. Deutschland handelt europäisch und international abgestimmt und übernimmt mehr Verantwortung für die Sicherheit in Europa.
Europas Rolle in der NATO stärken
„Unsere Verteidigungsanstrengungen in Europa“ müssen gebündelt werden, wir müssen der „Verteidigungsindustrie in Europa eine langfristige Perspektive geben und deren Produktion beschleunigen“, so der Bundeskanzler. Denn nur so können wir Europas Rolle in der NATO stärken. Mit der beschlossenen Beschaffung der Luftverteidigungssysteme Arrow 3 und IRIS-T zeigt Deutschland seinen Partnern: „Erstens: Wir setzen bei zentralen Vorhaben für die Sicherheit Europas auf europäische Zusammenarbeit. Und zweitens: Wir sind entschlossen, dass Europa seiner Verantwortung innerhalb der NATO gerecht wird.“
„Wir stehen fest an der Seite der Ukraine“
Der Europäischen Rat wird sich erneut mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine befassen. Dabei gilt immer noch: „Wir stehen fest an der Seite der Ukraine“, betonte der Kanzler. Die militärische und zivile Hilfe aus Deutschland beträgt seit Kriegsbeginn 16,8 Milliarden Euro. „Damit sind wir der zweitgrößte Unterstützer der Ukraine nach den USA.“ Deutschland konzentriert sich bei den Waffenlieferungen vor allem auf gepanzerte Gefechtsfahrzeuge und nötige Munition. „Damit liefern wir genau das, was die Ukraine bei der laufenden Offensive zur Befreiung ihrer Gebiete am dringendsten benötigt.“
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„Landesverteidigung ist Bündnisverteidigung – und umgekehrt.“
Zur Rolle Deutschlands als Bündnispartner gilt: „Landesverteidigung ist Bündnisverteidigung – und umgekehrt.“ Das hebt auch die Nationale Sicherheitsstrategie hervor: So soll die Bundeswehr gestärkt, die militärische Zukunftsfähigkeit gefördert und die sicherheits- und verteidigungstechnologische Basis in Europa ausgebaut werden.
„Parallel sorgen wir dafür, dass die Bundeswehr endlich die Ausstattung erhält, die sie benötigt – durch effektive Beschaffungen aus dem Sondervermögen, aber auch, indem wir erstmals seit Jahrzehnten wieder zwei Prozent unseres BIP für Verteidigung ausgeben – und zwar ab dem kommenden Jahr“, so der Bundeskanzler. Damit gilt „unser Versprechen auf gegenseitigen Beistand in der NATO gilt – ohne Wenn und Aber.“
NATO-Gipfel in Vilnius
Bundeskanzler Scholz ist sich sicher, dass vom bevorstehenden NATO-Gipfel „ein starkes Signal der transatlantischen Zusammenarbeit und der Entschlossenheit“ ausgehen wird, „gemeinsam für unsere Sicherheit einzustehen.“ Auch beim NATO-Gipfel wird es um das zukünftige Verhältnis zur Ukraine gehen. Während Russland gegen die Ukraine Krieg führt, ist ein Beitritt in die NATO nicht möglich. Deshalb wirbt der Kanzler für die Stärkung der tatsächlichen Kampfkraft der Ukraine.
Deutschland braucht Freunde und Verbündete – in Europa und in der Welt
Bundeskanzler Scholz führte aus, dass die Nationale Sicherheitsstrategie nicht nur eine Reaktion auf eine völlig veränderte Sicherheitslage in Europa sei, sondern auch auf ein verändertes geopolitisches Umfeld: „Die Welt des 21. Jahrhunderts ist davon geprägt, dass sich ganz unterschiedliche Kraftzentren herausbilden – neben den USA, Europa und China auch in anderen Teilen Asiens, in Afrika und im Süden Amerikas. Unser Ziel ist es, dass Europa eines dieser Kraftzentren bleibt, mit Deutschland als starkem, weltoffenem und demokratischem Land in der Mitte. Dafür brauchen wir Freunde und Verbündete – in Europa und in der Welt“, so Scholz.
Deutschland baue deshalb neue Partnerschaften auf und stärke bestehende, so der Bundeskanzler. Eine zentrale Partnerschaft bildet die Freundschaft zwischen Deutschland und Frankreich. „Präsident Macron und mich eint das Ziel eines geopolitischen Europas“, so Scholz.
„So eng und vertrauensvoll wie selten zuvor ist auch unsere Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten und mit Präsident Biden“, erläutert Bundeskanzler Scholz weiter. Deutschland und die USA werden weiterhin gemeinsam die Ukraine unterstützen und dafür sorgen, dass der Krieg nicht zu einer Auseinandersetzung zwischen Russland und der NATO eskaliert.
Imperialistisches Denken und Handeln verhindern
Gemeinsam mit Verbündeten in Europa und in der G7 werde man dafür sorgen, dass der euro-atlantische Raum ein Gebiet des Friedens, der Freiheit und der Stabilität bleibt, so Scholz. Zugleich müsse verhindert werden, „dass imperialistisches Denken und Handeln weltweit eine Renaissance erleben.“
Die Bundesregierung hat zudem ihren Austausch mit Ländern in Asien, in Afrika und in Lateinamerika intensiviert. Im November wird der „G20 Compact with Africa“ in Berlin stattfinden und Mitte Juli werden die Mitgliedstaaten der Europäischen Union mit den Staaten Lateinamerikas und der Karibik zum ersten Mal nach acht Jahren zu einem Gipfeltreffen zusammenkommen.
Die Beziehungen der EU und Deutschland zu China werden ebenfalls Thema bei dem Treffen des Europäischen Rats sein. Die G7-Staaten haben sich bei dem G7-Gipfel im Mai auf einen gemeinsamen Ansatz im Umgang mit China verständigt: „Wir haben einerseits festgehalten, dass wir konstruktive Beziehungen zu China wollen, dass niemand von uns Chinas wirtschaftliche Entwicklung behindern will“, so Scholz. China wurde aber auch klar aufgefordert, sich an internationale Regeln zu halten.
Wirtschaftliche Sicherheit und Resilienz
Das Verhindern einer einseitigen wirtschaftlichen Abhängigkeit von China sei ebenfalls ein wichtiges Thema in den Diskussionen Deutschlands und der EU mit und über China, so Scholz. Auch hierzu haben die G7-Staaten eine gemeinsame Linie gefunden: „Wir koppeln uns nicht von China ab. Unser Ziel ist eine kluge Diversifizierung, ein gezieltes De-Risking“, so der Bundeskanzler. Die Bundesregierung unterstütze dazu Unternehmen bei einer breiteren Aufstellung der Lieferbeziehungen und mit der Verhandlung neuer Handelsabkommen.
Die wirtschaftliche Sicherheit und die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit Europas werden einige der Themen beim Europäischen Rat in der kommenden Woche sein. Die Staats- und Regierungschefinnen und -chefs werden das „European Economic Security Strategy“-Konzept diskutieren, welches die Europäische Kommission am 20. Juni vorgelegt hat. Ziel der Strategie ist, die Risiken für die europäische Wirtschaft in kritischen Bereichen abzubauen und die Widerstandsfähigkeit europäischer Unternehmen stärken. Scholz betonte: „Nicht weniger Handel, weniger Austausch lautet die Devise, sondern mehr Handel und noch breitere Beziehungen.“
Eine gemeinsame Migrationspolitik
Die EU kann ihre Differenzen auch bei den kontroversesten Themen überwinden – das zeigt sich laut Scholz bei der Einigung der europäischen Innenministerinnen und -ministern auf eine Reform des Europäischen Asylsystems. Scholz sieht hierin eine „historische Einigung“, welche „im Interesse der Einheit und Handlungsfähigkeit Europas“ stehe. Das bisherige System sei „dysfunktional“ und werde durch eine Vereinbarung ersetzt, die „Verantwortung an der Außengrenze mit der Solidarität aller verbindet“, so Scholz. „Wir wollen schneller Klarheit, wer als Kriegsflüchtling oder politisch Verfolgter schutzberechtigt ist und wer nicht. Das ist besser als jahrelange Ungewissheit, auch für die Neuankömmlinge.“
Bundeskanzler Scholz führt weiter aus „Deutschland wird durch ein solches neues und faires System auch entlastet. Denn bisher waren wir das Hauptziel für weitgehend ungesteuerte Binnenmigration innerhalb des Schengen-Raums. Mitgliedstaaten, die sich nicht an dieser solidarischen Aufnahme von Geflüchteten beteiligen, müssen stattdessen einen finanziellen Beitrag zum Migrationsmanagement leisten. Das ist nur gerecht, denn schließlich profitieren alle Mitgliedstaaten von sicheren Außengrenzen und offenen Grenzen im Innern der Union. Das eine aber ist ohne das andere auf Dauer nicht zu haben.“ Scholz werde sich beim Europäischen Rat in der kommenden Woche für den gefunden Kompromiss einsetzen und dafür eintreten, dass es noch vor den Europawahlen im Juni 2024 zu einer Einigung zwischen den Mitgliedstaaten und dem Europäischen Parlament kommt, damit die Reform des gemeinsamen Asylsystem in Kraft treten kann. Außerdem werde Scholz sich dafür einsetzen, dass legale Zuwanderung in den europäischen Arbeitsmarkt gestärkt wird: „So wie wir das hier in Deutschland mit unseren Migrationspartnerschaften und mit dem Fachkräfteeinwanderungsrecht tun.“
„Deutschland hat die Kraft dazu“
Bundeskanzler Scholz schloss seine Regierungserklärung mit einem Appell an die Zuversicht: Deutschland hat „alte und neue Freunde, Partner und Verbündete in der Welt, die unsere Werte und Interessen teilen.“ Deutschland ist „eine gefestigte Demokratie mit einer lebendigen Zivilgesellschaft und einer leistungsfähigen Wirtschaft.“. Das alles sind „unsere großen Stärken“. Und „Deutschland hat die Kraft dazu“ unsere „Sicherheit zu gewährleisten“.