Rede von Bundeskanzlerin Merkel anlässlich der Übergabe des Nationalen Integrationspreises am 5. Oktober 2020

  • Bundesregierung ⏐ Startseite
  • Schwerpunkte

  • Themen   

  • Bundeskanzler

  • Bundesregierung

  • Aktuelles

  • Mediathek

  • Service

Meine Damen und Herren,

per Livestream ist jemand mit dabei, der eigentlich heute hier sein wollte, nämlich Sami Khedira. Er sitzt mit Juventus Turin in Quarantäne. Ihn werden Sie heute noch an verschiedener Stelle hören. Aber wir grüßen ihn erst einmal ganz herzlich von hier aus.

Ich begrüße natürlich Sie alle, die Sie heute hergekommen sind. Es wären heute gerne noch ein paar mehr Menschen mit dabei gewesen, aber wir mussten die Teilnehmerzahl ein bisschen reduzieren. Deshalb hoffe ich, dass wir unsere Preisverleihungen eines Tages auch wieder in größerer Runde machen können. Aber Sie, liebe Nominierte, sind natürlich ganz besonders herzlich willkommen.

Es wird nachher noch einen kurzen Film geben, der noch einmal zeigt, was geleistet wurde. Es geht ja in diesem Jahr um Initiativen für Mädchen und Frauen. Das sind ganz besondere Initiativen. „Es gibt keinen Erfolg ohne Frauen.“ – Dieser Satz stammt nicht etwa von mir, sondern von Kurt Tucholsky; und ich kann ihm nur zustimmen. Der Satz gilt auch im Zusammenhang mit Fragen der Integration. Wenn sich Frauen mit Einwanderungsgeschichte in Deutschland zu Hause fühlen, wenn sie unsere grundlegenden Werte teilen, dann haben es auch ihre Kinder oft leichter, hier heimisch zu sein, Anschluss zu finden und sich gut zu entwickeln.

In der Integrationsarbeit, so können wir sagen, stellen Frauen die Mehrheit. Sie engagieren sich vor allem ehrenamtlich für Integration, wie ja auch die nominierten Projekte hier zeigen, aber glücklicherweise auch hauptamtlich und politisch. So waren und sind bislang sechs von sieben Integrationsbeauftragten des Bundes Frauen.

Ich möchte die Gelegenheit nutzen, um unsere Staatsministerin extra ganz herzlich zu begrüßen und ihr vor allen Dingen für ihr Engagement zu danken. Sie hat nicht nur all dies hier vorbereitet, sondern arbeitet ganztägig und darüber hinaus für den Gedanken der Integration und für den Gedanken des Miteinanders.

In ihren jeweiligen Berufsbereichen leisten viele Frauen auch wertvolle Integrationsarbeit – etwa in Kitas, Schulen und Begegnungsstätten. Wenn man nur daran denkt, was es für Kinder bedeutet, wem sie dort gegenüberstehen, wen sie treffen, wer auf sie einwirkt oder nicht auf sie einwirkt, dann weiß man auch, dass davon neben dem Elternhaus viel für das gesamte Leben abhängt, so dass man das gar nicht hoch genug schätzen kann; und das gilt natürlich auch gerade in diesen Zeiten von Corona. Von Lehrerinnen, Erzieherinnen und Sozialpädagoginnen wird vieles zusätzlich zur normalen Arbeit geleistet. Wir wissen, dass das in Zukunft von der Gesellschaft noch besser auch materiell gewürdigt werden muss. Wir haben viel im Pflegebereich getan, wir haben einiges für Erzieherinnen getan, aber das wird sich noch fortsetzen müssen.

Nun sind Integration und auch Gleichberechtigung aber nicht ohne Männer zu machen. Ich finde, die Männer stehen in der ganzen Gleichberechtigungsdebatte sowieso zu viel im Schatten. Ich kann Ihnen aber berichten, dass ich einen belgischen Kollegen habe, den neuen Premierminister von Belgien, der ein Buch darüber geschrieben hat, wie der Feminismus zur Befreiung der Männer beiträgt. Das ist ein Blickwinkel – ich habe mich mit ihm kurz darüber unterhalten – der, glaube ich, sehr wichtig ist. Jedenfalls können wir sagen: Integration wird nur gelingen, wenn Frauen und Männer letztlich gemeinsam dabei sind. Herr Weise hat ja in langjähriger Arbeit – ich erwähne ihn stellvertretend für viele andere; ich will die Arbeit anderer jetzt nicht unter den Teppich kehren – auch viel dafür geleistet.

Zum Schluss will ich einfach allen, gleich welchen Geschlechts, sagen: Ich danke allen, die sich für Zusammenhalt einsetzen. Wir wissen ja, wie umkämpft der Gedanke der Integration ist, weil die Frage „Wie lange muss ich mich integrieren, bis ich einmal dazugehöre?“ eine ist, die wir jetzt, Gott sei Dank, auch öfters miteinander besprechen. Der Gedanke des Zusammenhalts aller, die bei uns leben, ist eben einer, der ganz wichtig ist.

Wir wissen, dass wir leider in keiner idealen Welt leben und dass Rechtsextremismus, Rassismus, Hetze und Angriffe leider heute zum Alltag gehören. Viele von Ihnen haben das bei ihrer Integrationsarbeit sicherlich auch erlebt. Wir haben aus dem letzten Integrationsgipfel oder aus dem letzten Zusammentreffen im Zusammenhang mit Integrationsfragen die Schlussfolgerung gezogen, dass wir einen besonderen Kabinettausschuss für den Kampf gegen Rechtsextremismus und Rassismus brauchen. Wir haben bereits in einer Anhörung mit Vertretern der Gesellschaft darüber gesprochen, worum es wirklich geht. Dabei gibt es natürlich Bereiche, in denen die Justiz handeln muss; das ist vollkommen klar. Aber es gibt eben auch sehr viele Bereiche, in denen wir präventiv arbeiten müssen, in denen wir Einstellungen ändern müssen. Genau darum wird es auch in unserer nächsten Sitzung, die noch im Oktober stattfinden wird, gehen.

Ich möchte Ihnen auch danken, weil ich vermute, dass viele von Ihnen eine Geschichte darüber erzählen können, was Ihnen im Leben schon zugestoßen ist, weil Sie sich entweder für Integration eingesetzt haben oder selbst eine Migrationsgeschichte haben. Wir wissen auch, wenn wir etwa an Frau Reker denken, was viele Kommunalpolitiker leider zu erdulden und zu erleiden haben und wie schwer es heute oft ist, sich gegen Kräfte zur Wehr zu setzen, wenn da hart, menschenverachtend und brutal argumentiert wird und Menschen in Angst und Schrecken versetzt werden sollen. Dem müssen wir uns entgegenstellen.

Nun stellt uns Corona vor ganz besondere Aufgaben. Viele, für die der Spracherwerb zum Beispiel mit Kita und Schule verbunden ist, litten darunter, dass sie monatelang zu Hause bleiben mussten. Wir haben ja festgestellt, dass der Digitalunterricht noch nicht so funktioniert, wie wir uns das aber für die Zukunft vorstellen würden. Wir konnten vielleicht nicht voraussehen, vor welche Herausforderung wir mit solch einer Pandemie gestellt werden, aber es ist schon so, dass wir vieles verbessern müssen. Es wurde uns aber gerade auch in dieser Zeit bewusst, wie wichtig der Präsenzunterricht und die Präsenz in Kitas sind. Ich habe mit vielen Kultusministern darüber gesprochen. Wir können noch so tolle digitale Bildung anbieten, aber einen Teil der Schülerinnen und Schüler erreichen wir nur, wenn sie auch wirklich präsent sind. Das heißt also, auch in dieser Hinsicht gibt es besondere Belastungen für die Menschen, die eine Einwanderungsgeschichte haben.

Ich wäre jetzt normalerweise darauf gespannt, was die Jury alles herausgefunden hat. Das werde ich mir vielleicht auch, wenn ich weggegangen sein werde, noch ein bisschen im Livestream anschauen. Aber ich bin natürlich besonders traurig, dass ich den Integrationspreis der Bundeskanzlerin heute nicht selbst verleihen kann, sondern nur sagen kann, wie Sie ja schon wissen, dass er an Frau Bjeen Alhassan geht. Wo ist Sie eigentlich? – Ah, hallo. – Ihr Projekt wird nachher sehr gewürdigt werden, aber jetzt geht es erst einmal um das Projekt „Lernen mit Bijin“. Ich habe Annette Widmann-Mauz gebeten, die Preisverleihung in meinem Auftrag zu übernehmen. Aber Sie sollten wissen, dass ich Ihnen ganz herzlich gratuliere und es sehr schön finde, dass ich Sie auszeichnen darf.

Ich wünsche Ihnen jetzt noch eine schöne Preisverleihung und übergebe das Wort wieder zurück an Frau Zervakis. Nehmen Sie meinen leeren Platz ein, so dass es aussieht, als ob ich da noch sitzen würde. Ganz herzlichen Dank und alles Gute.