Rede von Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel anlässlich des Festakts zur Eröffnung der Halbleiterfabrik der Robert Bosch GmbH in Dresden am 7. Juni 2021 (Videokonferenz)

Rede von Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel anlässlich des Festakts zur Eröffnung der Halbleiterfabrik der Robert Bosch GmbH in Dresden am 7. Juni 2021 (Videokonferenz)

Montag, 7. Juni 2021

Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin, lieber Margrethe Vestager,
sehr geehrter Herr Ministerpräsident, lieber Michael Kretschmer,
sehr geehrter Herr Denner,
sehr geehrter Herr Kröger,
sehr geehrter Herr Fabrowsky,
meine Damen und Herren,

wohl jeder von uns hat seine eigenen Vorstellungen von der Zukunft; und die sind oft noch nicht präzise, sondern etwas verschwommen. Doch in der Region Dresden ‑ das darf man sagen ‑ wird nun ein gutes Stück Zukunft greifbarer. Das passiert dank Bosch und dank Ihnen, Herr Fabrowsky, der Sie uns soeben Einblicke in die neue Halbleiterfabrik gewährt haben ‑ eine Fabrik, die neue Maßstäbe in der vollvernetzten und vollautomatisierten Produktion setzt und damit ein Paradebeispiel für eine Fabrik der Zukunft ist, die Chips vor allem auch für die Mobilität der Zukunft liefern wird.

Früher galt Öl als Lebenselixier einer Volkswirtschaft. Heute sind wir dringender denn je auf Halbleiter angewiesen. Ohne Halbleiter sind schnelle Rechenleistung und Datenverarbeitung ‑ wir haben hier von den Unmengen an Daten gehört ‑ nicht denkbar. Das erklärt auch insgesamt die Nervosität auf globalen Märkten, für die seit Anfang des Jahres ein Chipmangel sorgt ‑ vor allem in der Automobilindustrie, aber auch in anderen Bereichen. Vielerorts muss die Produktion angepasst oder sogar eingeschränkt werden. Eigentlich konnte man damit rechnen, dass im Internet der Dinge mehr Chips gebraucht werden, aber es scheint so zu sein, dass man jetzt doch erst einmal Engpässe überwinden muss. Diese Engpässe haben sicherlich auch etwas mit der Pandemie zu tun, aber vor allen Dingen eben mit der von mir eben schon angesprochenen erhöhten Nachfrage nach Halbleiterprodukten im Zeitalter des Internets der Dinge.

In jedem Fall erschweren die Engpässe auf dem Halbleitermarkt die wirtschaftliche Erholung nach der Corona-Krise. Wir müssen uns deshalb die Frage stellen: Was ist zu tun, um widerstandsfähiger zu werden im Fall von Krisen und Lieferschwierigkeiten? Ich glaube, wir finden darauf in Dresden eine überzeugende Antwort.

Die neue Halbleiterfabrik von Bosch stärkt unsere Kapazitäten im Bereich der Mikroelektronik ‑ wir haben es eben von Herrn Fabrowsky gehört. Die Chips werden immer kleiner, aber ihre Bedeutung wird immer größer ‑ für unsere Wirtschaft wie auch für fast alle Lebensbereiche. Mikroelektronik ist Grundlage für nahezu jede zukunftsträchtige Technologie: für Anwendungen der künstlichen Intelligenz, für Quantencomputing oder eben für autonomes und vernetztes Fahren, was ja auch die Spezialität von Bosch ist.

Grund genug also, um in dieser Schlüsseltechnologie, die die Mikroelektronik zweifellos ist, auf mehr Kompetenzen und Souveränität und weniger Abhängigkeit hinzuarbeiten. So machen wir Deutschland wie auch ganz Europa nicht nur krisenresilienter, sondern es geht auch um neue Chancen für Wachstum und Wohlstand, für zukunftsfähige Arbeitsplätze und soziale Sicherheit.

Nicht von ungefähr haben wir deshalb die Mikroelektronik zu einem IPCEI, also einem „wichtigen Projekt gemeinsamen europäischen Interesses“ erklärt. Vizepräsidentin Margrethe Vestager hat eben deutlich gemacht, was für strategische Projekte das sind, die die Europäische Kommission ermöglicht hat. Hier ist es so, dass wir gemeinsam mit Frankreich, Italien und dem Vereinigten Königreich vor einigen Jahren eine öffentliche Förderung von 1,75 Milliarden Euro ermöglicht haben ‑ davon in Deutschland allein rund eine Milliarde. Die Bosch-Fabrik in Dresden ist eines der zentralen Projekte, die von dieser Förderung profitieren.

Wir werden Mikroelektronik weiter und noch stärker fördern. Wir sprechen im Augenblick über ein zweites wichtiges Projekt europäischer Dimension. Es wird vorbereitet. Wir haben, obwohl es haushaltsmäßig nicht ganz einfach ist, einen hohen Ehrgeiz, auch dieses Projekt zu realisieren. Unser Ziel ist, dass Deutschland und Europa ihren Anteil am Weltmarkt steigern ‑ Margrethe Vestager hat es eben gesagt ‑ und zur Konkurrenz in Asien und den USA aufschließen. Dazu bedarf es eben auch attraktiver Standortbedingungen für nationale und internationale Investoren. Deshalb hat die Bundesregierung Anfang 2021 ein neues Förderprogramm mit einem Volumen in Höhe von 400 Millionen Euro auf den Weg gebracht, um im Bereich der forschungsintensiven Mikroelektronik weiter voranzukommen.

Die Ausgangssituation ist günstig, würde ich sagen. Eine exzellente Grundlagenforschung und eine starke und vielfältige Unternehmenslandschaft - das sind geradezu traditionelle Markenzeichen unseres Landes. Wir haben ein großes Innovationspotenzial; und das wollen wir auch mit Blick auf die Mikroelektronik verstärkt nutzen. In der Region Dresden ist das ganz offensichtlich. Das hier bereits bestehende Cluster macht Silicon Saxony zu einem europäischen Spitzenstandort für Mikroelektronik. - Ein herzliches Dankeschön auch an die Staatsregierung mit Michael Kretschmer an der Spitze. - Mit der neuen Bosch-Fabrik wird dieser Anspruch noch einmal deutlich untermauert.

Das unterstützen wir seitens der Bundesregierung. Neben der Landesregierung tun wir das gern und auch sehr strategisch. Ich denke, es ist auch ein europäisches Innovationsprojekt, mit dem wir bei der Technologieentwicklung weltweit ein Wörtchen mitreden wollen. Wir sind hierbei, wie gesagt, nicht in der Poleposition, sondern wir müssen aufholen. Ja, wir müssen ehrgeizig sein. Unsere Wettbewerber auf der Welt schlafen ja nicht. „Think big“ ist zwar kein deutsches Stichwort, aber wenn wir nur kleine Brötchen backen würden, dann könnten wir auch keine Maßstäbe als Technologiestandort setzen.

Genau so oder so ähnlich denkt man wohl auch bei Bosch. Die neue Fabrik ist die größte Einzelinvestition in der Firmengeschichte. Man kann das gar nicht genug herausstreichen. Schon allein die Größe und die zusätzlichen Produktionskapazitäten der Anlage sind beeindruckend. Wir konnten uns das ja eben anschauen. Modernste Möglichkeiten zur datengesteuerten, kontinuierlichen Produktionsverbesserung zeichnen das Dresdner Werk als intelligente Fabrik aus. Anders gesagt: Hier gehen natürliche und künstliche Intelligenz mit dem Internet der Dinge eine produktive Symbiose ein. Dass der Produktionsstart etwas früher als ursprünglich geplant erfolgt, ist auch eine Bemerkung wert. Das passiert in Deutschland ja nicht immer so. Deshalb sticht es auch heraus.

Es zeigt sich also: Wir können Hightech, wir können Innovation; und damit können wir auch zuversichtlich in die Zukunft blicken - und zwar eben auch deshalb, weil in und mit der neuen Bosch-Fabrik ein gutes Stück Zukunft mitgestaltet wird.

Was gut für Dresden und Sachsen ist, das ist auch gut für Deutschland und Europa. Insofern können wir uns zur Eröffnung gegenseitig gratulieren. Ich wünsche viel Erfolg und alles Gute für den Start in Dresden. Herzliche Grüße an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und alle, die das aufgebaut haben.

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

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