Ein Abkommen wäre im beiderseitigen Interesse

Europäischer Rat in Brüssel Ein Abkommen wäre im beiderseitigen Interesse

Wichtige Themen des EU-Gipfels waren - neben dem Brexit - die aktuellen Finanzverhandlungen, die EU-Klimaziele, die Covid-19-Pandemie sowie die Partnerschaft mit Afrika. Mit Blick auf die künftigen Beziehungen zum Vereinigten Königreich zeigte sich Bundeskanzlerin  Merkel überzeugt, dass es für beide Seiten besser sei, zu einem Übereinkommen zu kommen.

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Kanzlerin Merkel beim Treffen des EU-Rates.

German Chancellor Angela Merkel speaks during a media conference at the end of an EU summit in Brussels, Friday, Oct. 16, 2020. European Union leaders met for the second day of an EU summit, amid the worsening coronavirus pandemic, to discuss topics on foreign policy issues.

Foto: picture alliance/AP Photo/Kenzo Tribouillard

Bundeskanzlerin Angela Merkel forderte am Ende des EU-Gipfels sowohl Großbritannien als auch die Europäische Union auf, kompromissbereit zu sein. "Jeder hat da seine Prinzipien und trotzdem ist Spielraum auch für Kompromisse da", sagte die Kanzlerin mit Blick auf das zukünftige Verhältnis nach dem Brexit. Jetzt stünden erst einmal Verhandlungen im Vordergrund. Sie sei davon überzeugt, dass es für beide Seiten besser wäre, "wenn wir zu einem Übereinkommen kommen." Aber man müsse sich auch auf den gegenteiligen Fall vorbereiten.

Das zukünftige Verhältnis zu Großbritannien – warum ist das wichtig?
Großbritannien ist am 1. Februar 2020 aus der EU ausgetreten. Am 1. Januar 2021 endet nun auch die im Austrittsabkommen festgelegte Übergangsphase: Großbritannien wird nach fast fünf Jahzehnten den EU-Binnenmarkt und die Zollunion verlassen. Aufgrund der langen gewachsenen Verbindungen strebt die EU mit Großbritannien eine umfassende Partnerschaft an. "Die vielfältigen Beziehungen […] zeigen, ein Abkommen liegt im Interesse aller", betonte die Bundeskanzlerin diese Woche. "Die EU ist geeint im Bestreben, dies in der Kürze der Zeit auch noch zu erreichen."

Austausch über Klimazielplan

Darüber hinaus diskutierten die Staats- und Regierungschefs die Fortschritte bei der Verwirklichung des EU-Ziels der Klimaneutralität bis 2050. Zudem sprachen sie über den Vorschlag der EU-Kommission, die Emissionen bis 2030 um mindestens 55 Prozent gegenüber 1990 zu reduzieren. Es gebe hier eine hohe Bereitschaft, diesem Weg zu folgen, sagte die Kanzlerin, aber man habe auch noch einen weiten Weg dorthin zurückzulegen. "Unser Zeitplan ist hier ganz klar. Wir wollen auf dem Dezember-Rat eine Entscheidung über das Ziel der Reduktion von CO2-Emissionen bis 2030 haben. Für die deutsche Seite habe ich noch einmal betont, dass wir mit dem Reduktionsziel in Höhe von 55 Prozent, das die Kommission vorgeschlagen hat, sehr einverstanden sind", so Merkel.

Eine gemeinsame EU-Klimapolitik – warum ist das wichtig?
Nur in und mit der EU kann Deutschland die globale Klimasituation entscheidend beeinflussen. Mit dem "European Green Deal" will die EU 2050 der erste klimaneutrale Kontinent werden. Diese Politik muss gemeinsam vorangetrieben und gestaltet werden. Auch Bundeskanzlerin Merkel ist der Überzeugung, dass "eine globale Lösung des Klimawandels nur dann möglich ist, wenn Europa eine Vorreiterrolle beim Klimaschutz einnimmt". Bei der nächsten Klimakonferenz wolle man ein neues EU-Ziel vortragen.

Bei Pandemiebekämpfung enger zusammenarbeiten

Der Europäische Rat befasste sich auch mit der aktuellen epidemiologischen Lage. Angesichts stark steigender Corona-Infektionszahlen in ganz Europa vereinbarten die Staats- und Regierungschefs eine intensivere Zusammenarbeit bei der Pandemiebekämpfung. Es soll eine bessere Koordination bei den Quarantänevorschriften, der grenzüberschreitenden Kontaktverfolgung sowie bei Teststrategien, dem Aufbau von Impfkapazitäten und Reisebeschränkungen geben, heißt es in den Schlussfolgerungen

Merkel sagte, dass angesichts des herannahenden Winters der Umgang mit der Pandemie für alle Regierungschefs der EU eine große Herausforderung sei. Es bedeute, dass man Kontakte reduzieren müsse, um die Kontakte noch nachverfolgen zu können. Nur so könne man mit der Pandemie klarkommen und möglichst viele Menschenleben retten. "Da das ja doch sehr viele Aspekte hat, haben wir vereinbart, dass wir uns regelmäßig in Videokonferenzen darüber austauschen", sagte die Kanzlerin. 

Auf Grund der Pandemie könne daher auch der geplante informelle Gipfel im November in Berlin nicht stattfinden: "Im Sinne der Kontaktreduzierung ist das, denke ich, eine notwendige Botschaft."

Finanzverhandlungen in entscheidendem Stadium

Zu Beginn ihrer Beratungen hatten sich die Staats- und Regierungschefs am Donnerstag mit dem Präsidenten des Europäischen Parlaments, David Sassoli, ausgetauscht. Dabei ging es um den Mehrjährigen Finanzrahmen und den Wiederaufbaufonds "NextGeneration EU", den die Staats- und Regierungschefs im Juli beschlossen hatten. Derzeit führt die deutsche EU-Ratspräsidentschaft dazu Verhandlungen mit dem Europäischen Parlament.
"Wir haben gegenüber dem Parlament deutlich gemacht, dass insbesondere die Beratungen über den mittelfristigen Finanzrahmen jetzt schnell vorankommen müssen", so die Bundeskanzlerin.

Denn die finanzielle Vorausschau, also die Finanzen für die nächsten sieben Jahre, hingen eng zusammen mit dem Wiederaufbaufonds und den Eigenmittelbeschlüssen, die in den nationalen Parlamenten gefasst werden müssten. "Der Europäische Rat sei aber auch bereit zu verhandeln", sagte Merkel. Man wolle sich jetzt innerhalb weniger Wochen einigen.

07:24

Video Pressekonferenz der Kanzlerin nach dem EU-Gipfel 

Beziehungen zu Afrika

Am  Freitag standen außenpolitische Fragen auf der Agenda, insbesondere die strategische Partnerschaft mit Afrika. Die Staats- und Regierungschefs haben auch darüber gesprochen wie - gerade auch in Zeiten der Corona-Pandemie - eine zukunftsgerichtete gemeinsame Agenda entwickelt werden kann.

"Wir wollen die Beziehungen mit Afrika auf eine neue strategische Ebene heben. Ich denke, auch angesichts der Betroffenheit Afrikas von der Pandemie und der wirtschaftlichen Folgen, die das mit sich bringt, ist es wichtig und ein unabdingbares Zeichen, dass wir gerade in solch einer Situation nicht nur an uns selbst denken, sondern auch an unsere afrikanischen Nachbarn", sagte die Kanzlerin. 

Am Vorabend des Europäischen Rates im Dezember wolle man sich daher mit ausgewählten afrikanischen Repräsentanten treffen. Ein volles Format Afrikanische und Europäische Union könne im Augenblick wegen der Pandemie nicht stattfinden.

Eine gemeinsame EU-Afrikapolitik– warum ist das wichtig? 
Afrika und Europa sind Nachbarkontinente, die durch mehr verbunden sind als Geografie. Die EU hat ein tiefgreifendes Interesse daran, dass sich die 54 Staaten Afrikas gut entwickeln. Es gehe darum, so die Bundeskanzlerin, "Afrika als Kontinent der Zukunft in den Blick zu nehmen und die Beziehungen partnerschaftlich zu gestalten." 

Fortentwicklung der EU-Türkei-Beziehungen im Interesse beider Seiten

Außerdem haben sich die Staats- und Regierungschefs über die die aktuelle Lage im östlichen Mittelmeer ausgetauscht. Sie waren sich einig, dass die jüngsten einseitigen Maßnahmen der Türkei die Spannungen wieder erhöhen statt sie abzubauen. Das fände die Kanzlerin sehr bedauerlich. Man sollte an den positiven Aspekten arbeiten: "Uns ist daran gelegen, dass wir den Weg, den wir uns vorgenommen hatten, gemeinsam mit der Türkei beschreiten können, weil die Fortentwicklung der EU-Türkei-Beziehungen im Interesse beider Seiten ist."